TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/30 97/16/0017

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Veröffentlicht am 30.04.1999
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Index

20/02 Familienrecht;
22/01 Jurisdiktionsnorm;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

EheG §55a;
GGG 1984 §16 Abs2 litb;
GGG 1984 §30 Abs2 Z1;
GGG 1984 TP12 Anm1;
GGG 1984 TP12 Anm3;
GGG 1984 TP12 lita Z2;
GGG 1984 TP2;
JN §58 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Fellner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Repa, über die Beschwerde des Mag. H in W, vertreten durch Dr. Renate Steiner, Rechtsanwältin in Wien I, Weihburggasse 18-20, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für ZRS Wien vom 30. Dezember 1996, Jv 4631-33a/96, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer begehrte mit seiner am 27. November 1992 beim Bezirksgericht Klosterneuburg eingereichten Klage, dass die zwischen ihm und seiner Frau geschlossene Ehe mit Ausspruch seines alleinigen Verschuldens geschieden werde. Bei Einbringung der Klage entrichtete der Beschwerdeführer S 900,-- Pauschalgebühr mittels Gerichtskostenmarken.

In der daraufhin anberaumten Verhandlung vom 3. Februar 1993 gelangte der Richter zu dem Schluss, dass die Parteien eine Scheidung im Einvernehmen gemäß § 55a EheG anstrebten, obwohl weder seitens des Beschwerdeführers, noch seiner Frau ein Antrag auf einvernehmliche Scheidung gestellt wurde. Gemäß § 460 Z. 10 ZPO wurde das streitige Verfahren unterbrochen; darauf wurde ein Protokoll über die Scheidung im Einvernehmen aufgenommen (§ 55a EheG), der Vergleichstext protokolliert und der Beschluss auf Scheidung im Einvernehmen verkündet.

Für den Vergleich entrichtete der Beschwerdeführer weitere S 900,-- an Gerichtsgebühren nach TP 12, Anm. 3 GGG.

Der in der Folge schlussendlich angerufene OGH hob sämtliche Beschlüsse der Vorinstanzen und das diesen vorangegangene Verfahren einschließlich des Unterbrechungsbeschlusses als nichtig auf. Dem Erstgericht wurde die neuerliche Durchführung des Verfahrens über die Klage aufgetragen.

Das Erstgericht führte daraufhin am 6. September 1994 eine neue Verhandlung durch, in welcher sich der Beschwerdeführer mit der Scheidung nach § 61 Abs. 3 EheG und Ausspruch seines alleinigen Verschuldens einverstanden erklärte. Beide Parteien erklärten, ihre wechselseitigen Vermögensansprüche durch Vergleich bereinigen zu wollen. Der Originalvergleichstext wurde aus dem Protokoll der Verhandlung vom 3. Februar 1993 kopiert und von den Parteien unterzeichnet. In diesem Vergleich machte der Beschwerdeführer u. a. folgende Zusagen:

1.

Übernahme von Verbindlichkeiten gegenüber der Girozentrale und der Bank der österreichischen Sparkassen-AG.

2.

Übernahme von Verbindlichkeiten gegenüber der Bausparkasse der österreichischen Sparkassen.

3.

Übernahme von 50 % Reparaturkosten hinsichtlich des ehelichen Wohnhauses.

4.

Übernahme der Kosten für eine Hausversicherung.

5.

Bezahlung einer Krankenversicherung bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse.

6.

Bezahlung einer Krankenversicherung bei der Austria Krankenversicherung.

7.

Übernahme aller Betriebskosten sowie der Heizungs- und Stromkosten.

Weiters erklärte sich der Beschwerdeführer bereit, seiner geschiedenen Frau zunächst monatlich S 2.650,--, ab 1. Jänner 1999 monatlich S 3.650,-- und für die minderjährigen Kinder insgesamt monatlich S 4.500,-- an Unterhalt zuzüglich eines allfälligen Schulgeldes zu leisten. Nach Unterzeichnung des Vergleichs sprach der Richter das Urteil auf Scheidung der Ehe mit Ausspruch des alleinigen Verschuldens des Beschwerdeführers aus.

Mit Antrag vom 11. Dezember 1995 ersuchte der Beschwerdeführer um Rückerstattung des für den Vergleich am 3. Februar 1993 entrichteten Gebührenbetrages von S 900,-- unter Hinweis auf die Entscheidung des OGH.

Der Kostenbeamte des BG Klosterneuburg erließ am 18. Juni 1996 einen Zahlungsauftrag über S 10.440,-- an restlicher Pauschalgebühr gemäß § 18 Abs. 2 TP 1 GGG für den im streitigen Verfahren am 6. September 1994 abgeschlossenen Vergleich, wobei von einer Bemessungsgrundlage von S 581.400,-- ausgegangen wurde. Weiters wurden S 100,-- Einhebungsgebühr vorgeschrieben.

Gegen diesen Zahlungsauftrag wandte sich der Beschwerdeführer mit einem Berichtigungsantrag vom 25. Juni 1996, mit dem er die Herabsetzung der Bemessungsgrundlage auf S 26.500,-- gemäß § 16 Z. 2 lit. b GGG und nochmals die Rückzahlung der S 900,-- forderte.

Im nunmehr angefochtenen Bescheid vom 30. Dezember 1996 wurde dem Antrag auf Rückzahlung der S 900,-- nicht, dem Berichtigungsantrag teilweise Folge gegeben, indem die Bemessungsgrundlage mit S 341.400,-- und die Pauschalgebühr mit S 5.440,-- neu festgesetzt wurde.

Die Rückzahlung der für den Vergleich am 3. Februar 1993 entrichteten Gerichtsgebühr nach TP 12 Anm. 3 GGG wurde mit der Begründung abgewiesen, dass nach TP 12 Anm. 1 GGG Pauschalgebühren nach TP 12 GGG ohne Rücksicht darauf zu entrichten seien, ob der Antrag "bewilligt, abgewiesen oder zurückgezogen" werde.

Unter Hinweis auf § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG begründete die belangte Behörde die Vorschreibung einer weiteren Pauschalgebühr damit, dass die Parteien des zivilgerichtlichen Verfahrens einen Vergleich abgeschlossen hätten, dessen Wert das ursprüngliche Klagebegehren überstiegen habe, die Pauschalgebühr somit unter Zugrundelegung des durch Vergleichsabschluss nachträglich erhöhten Streitwertes zu berechnen sei. Die bei Einbringung der Klage am 27. November 1992 bereits entrichtete Pauschalgebühr nach TP 1 von S 900,-- sei dabei eingerechnet worden. Der Streitwert des Vergleichs sei mangels Bewertung durch den Kläger nach § 56 Abs. 2 JN mit S 30.000,-- pro Vergleichspunkt, somit für die oben angeführten Vergleichspunkte mit insgesamt S 210.000,-- festgesetzt worden. Die Unterhaltszahlungen an die geschiedene Ehegattin wären dabei gemäß § 14 GGG i.V.m. § 58 Abs. 1 JN mit dem Dreifachen der Jahresleistung, insgesamt daher mit S 131.400,-- bewertet worden.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Rückzahlung des Betrages von S 900,-- und in seinem Recht darauf verletzt erachtet, dass zusätzlich zu der im streitigen Ehescheidungsverfahren bereits entrichteten Pauschalgebühr keine weitere Pauschalgebühr und keine Einhebungsgebühr zu entrichten sei. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls wegen Aktenwidrigkeit.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und

erstattete eine Gegenschrift.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Für die vorliegende Ehescheidungsklage richtete sich die Bemessungsgrundlage nach § 16 Abs. 2 lit. b GGG. Danach beträgt die Bemessungsgrundlage S 26.510,-- bei dem im § 49 Abs. 2 Z. 2a bis 2c JN angeführten Streitigkeiten aus dem Ehe- und Elternverhältnis.

Gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG ist die Pauschalgebühr - als Ausnahme vom Grundsatz, dass die Bemessungsgrundlage für das ganze Verfahren gleich bleibt - dann, wenn Gegenstand des Vergleiches eine Leistung ist, deren Wert das Klagebegehren übersteigt, unter Zugrundelegung des höheren Streitwertes zu berechnen.

Der Beschwerdeführer sieht die gemäß § 58 Abs. 1 JN mit S 131.400,-- bewertete Unterhaltsleistung nicht als Leistung an, die den Wert des Klagebegehrens übersteigt, weil nach dem aus den Regelungen der §§ 100 Abs. 1 und 7a Abs. 3 JN alter Fassung eindeutig hervorgehenden Geist des Gesetzes gerade in Ehesachen tunlichst alle Fragen und daher insbesondere auch die Unterhaltsfrage in einem erledigt werden solle.

Abgesehen davon, dass § 16 Abs. 2 lit. b GGG nur auf § 49 Abs. 2 Z. 2a bis 2c , nicht aber auf die Z. 2 ("sonstige Streitigkeiten über den aus dem Gesetz gebührenden Unterhalt") verweist, steht dem die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (auch schon vor Inkrafttreten des BG BGBl. Nr. 70/1985) entgegen, wonach Unterhaltsleistungen als rein vermögensrechtliche Streitigkeiten nicht der Bemessung nach § 16 Abs. 2 lit. b GGG unterliegen (hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1988, Zl. 86/16/0186 und vom 8. Februar 1990, Zl. 89/16/0053). Im Erkenntnis vom 19. Februar 1998, Zl. 97/16/0452, hat der Verwaltungsgerichtshof dies wiederholt und ausgeführt, dass Unterhaltsansprüche, die in Gestalt eines den ursprünglichen Streitgegenstand erweiterten Vergleiches im streitigen Verfahren geltend gemacht werden, nicht unter die Bewertungsvorschrift des § 16 Abs. 2 lit. b GGG fallen. Unterhaltsleistungen auf unbestimmte Zeit sind gemäß § 58 Abs. 1 JN mit dem Dreifachen der Jahresleistung anzunehmen.

Durch die Einbeziehung der Unterhaltsverpflichtung in der demnach mit S 131.400,-- bemessenen Höhe wurde der Schwellenwert in der Tarifpost 1 von S 100.000,-- jedenfalls überschritten; ob weitere S 210.000,-- aufgrund der sieben genannten Vergleichspunkte einzubeziehen waren oder nicht, spielt keine Rolle, weil der nächste Schwellenwert erst S 500.000,-- beträgt. Einer Auseinandersetzung, ob die dort genannten Verpflichtungen rein vermögensrechtlicher Art der Bemessungsbestimmung des § 16 Z. 2 lit. b GGG wegen des Verweises auf § 49 Abs. 2 Z. 2c JN dennoch unterliegen oder nicht, bedarf es nicht, weil jeder der beiden herangezogenen Beträge (S 131.400,-- und S 210.000,--) den Schwellenwert von S 100.000,--, ihre Summe aber den nächsten Schwellenwert von S 500.000,-- nicht überschreitet.

Für Klagen bis zu einem Streitwert bis zu S 1,000.000,-- war nach TP 1 GGG in der Fassung BGBl. Nr. 694/1991, Art. I Z. 9a, eine Pauschalgebühr von S 12.240,-- zu entrichten. Wenn anlässlich des hier gegenständlichen Zahlungsauftrages restliche S 10.440,-- vorgeschrieben wurden, dann hat der Kostenbeamte offenbar nicht nur gemäß § 18 Abs. 2 Z. 2 GGG letzter Halbsatz die bereits entrichtete Pauschalgebühr von S 900,--, sondern die in der Folge für den Vergleich vom 3. Februar 1993 entrichteten S 900,-- entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Dezember 1995 abgezogen. Die belangte Behörde hat allerdings klargestellt, dass nach ihrer Auffassung kein Anspruch auf Rückzahlung der Pauschalgebühr für den Vergleich vom 3. Februar 1993 bestand, weshalb sie "dem Antrag auf Rückzahlung der gemäß TP 12 Anmerkung 1 entrichteten Gebühr nicht stattgab" und im Gegensatz zum Kostenbeamten nur einmal S 900,-- von der Pauschalgebühr (bis S 500.000,-- S 6.240,--) abzog.

Dazu brachte der Beschwerdeführer vor, das ohne Parteienantrag in der Verhandlung am 3. Februar 1993 eingeleitete außerstreitige Ehescheidungsverfahren (§ 55a EheG) habe keine Gebührenpflicht ausgelöst, sodass die ohne Zahlungsauftrag am 3. Februar 1993 entrichtete Pauschalgebühr von S 900,-- nach § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG rückzuerstatten sei.

§ 30 Abs. 2 Z. 1 GGG bestimmt:

"Gerichtsgebühren sind zurückzuzahlen, wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, dass überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde

(...)."

Wenn es auch stimmen mag, dass die bei Abschluss eines Vergleiches im außerstreitigen Scheidungsverfahren (§ 55a EheG) nach TP 12 Anm. 3 GGG entrichtete Gebühr grundsätzlich nicht rückerstattungsfähig ist (Tschugguel/Pötscher, Die Gerichtsgebühren5, 124, Rz 5), so kann dies nach dem klaren Wortlaut der TP 12, Anm. 1 GGG nur für jene Fälle gelten, in denen überhaupt ein "Antrag" gestellt wurde. An einem solchen mangelt es aber gerade im konkreten Fall. Wie der OGH mit Beschluss vom 24. Februar 1994 festgestellt hat, wurde die einvernehmliche Scheidung ohne Parteienantrag i.S.d. § 55a EheG vom Erstrichter vorgenommen und protokolliert. Das Fehlen eines Antrags war auch Grund für die rückwirkende Aufhebung des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens. Der Einwand der belangten Behörde, die Parteien hätten das Protokoll über die einvernehmliche Scheidung "ja nicht unterschreiben müssen", ist für die Frage, ob ein "Antrag" auf Einleitung eines Verfahrens i.S.d. TP 12 lit. a Z. 2 GGG gestellt wurde, irrelevant. Der vorliegende Fall ist vielmehr mit jenem des hg. Erkenntnisses vom 25. Februar 1993, Zl. 91/16/0027, vergleichbar, in welchem ausgesprochen wurde, dass eine Berufung gegen ein Nichturteil ("ein rechtliches Nichts") die Pauschalgebühr nach TP 2 GGG nicht auslöst.

Die anlässlich des Vergleichsabschlusses am 3. Februar 1993 entrichtete Gerichtsgebühr von S 900,-- ist dem Beschwerdeführer daher nach § 30 Abs. 2 Z. 1 GGG zurückzuerstatten. Da die belangte Behörde die Rückerstattung in Verkennung der Rechtslage verweigerte bzw. einen entsprechenden Abzug nicht vornahm, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes i.S.d. § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG.

Die Entscheidung konnte auf Basis der zitierten Vorjudikatur in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. April 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997160017.X00

Im RIS seit

24.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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