Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des EB, vormals in Kroatisch Minihof, geboren am 17. Mai 1958, vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in 7304 Nebersdorf, Lange Gasse 14, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 31. August 1998, Zl. Fr-437/98, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß §§ 34 Abs. 1 Z. 2, 35 und 37 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus. Sie begründete diese Maßnahme im Wesentlichen damit, dass sich der Beschwerdeführer seit 1989 (wieder) in Österreich aufhalte und gegenwärtig ein Verfahren zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels anhängig sei. Gegen den Beschwerdeführer lägen Urteile des Landesgerichtes Salzburg und des Bezirksgerichtes Tamsweg aus dem Jahr 1983 (aus der Zeit eines früheren Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich) vor, weiters Urteile des Landesgerichtes Salzburg, des Bezirksgerichtes Saalfelden und des Bezirksgerichtes Eisenstadt aus den Jahren 1990, 1995 und 1997. Die Fremdenpolizeibehörde sei bei ihrer Entscheidung nicht an die Erwägungen des Gerichts im Hinblick auf die Strafbemessung gebunden.
Offenbar ausgehend von der Annahme, dass dem Beschwerdeführer die Aufenthaltsverfestigung nach § 35 Abs. 2 FrG zugute komme, führte die belangte Behörde aus, es müsse sich bei der in dieser Gesetzesstelle normierten strafbaren Handlung nicht um ein schwerwiegendes Delikt handeln. Für die Berufungsbehörde liege der Schluss nahe, dass der Beschwerdeführer immer wieder versuchen werde, der österreichischen Rechtsordnung zuwider zu handeln. Angesichts der Gefährdung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und der öffentlichen Sicherheit auf dem Gebiet der Strafrechtspflege sei durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet. Der Beschwerdeführer habe ausgeführt, dass sich auch seine Gattin und seine beiden Kinder in Österreich befänden und es auf Grund des mehrjährigen Aufenthalts bereits zu einer Integration gekommen wäre. Die Abstandnahme von der Erlassung einer Ausweisung wiege jedoch bei weitem schwerer als die von ihm aufgezeigte Auswirkung auf seine Lebenssituation, gelte es doch, den Beschwerdeführer an weiteren gesetzwidrigen Handlungen im Bundesgebiet zu hindern.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
In den Verwaltungsakten erliegt eine Mitteilung des Grenzüberwachungspostens Nikitsch vom 18. November 1998, derzufolge der Beschwerdeführer in Kroatisch Minihof nicht habe angetroffen werden können und seine Ehegattin angegeben habe, der Beschwerdeführer wäre vor wenigen Tagen nach Jugoslawien gefahren und würde nach unbestimmter Zeit zurückkehren.
Über Aufforderung erstattete der Beschwerdeführer durch seinen Vertreter am 30. Dezember 1998 eine Äußerung mit dem Inhalt, er habe Österreich nicht "in dem Sinn verlassen", dass er nicht mehr nach Österreich zurückzukehren beabsichtige. Er habe beschlossen, Verwandte seiner Ehegattin in Kroatien zu besuchen und am 30. Dezember 1998 nach Österreich zurückzukehren. Er betrachte seinen Wohnsitz in Österreich nach wie vor als seinen Lebensmittelpunkt. Ihm stehe ein Aufenthaltsrecht gemäß § 31 Abs. 4 FrG zu, welches zu mehrmaliger Aus- und Wiedereinreise berechtige. Er erachte sich daher auch in seinem subjektiven Recht auf Aufenthalt in Österreich gemäß § 31 Abs. 4 FrG verletzt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wenn auch nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. den Beschluss vom 20. Oktober 1998, Zl. 97/21/0689) eine Ausreise des Beschwerdeführers nach Erlassung eines Ausweisungsbescheides grundsätzlich zur Folge hat, dass das Rechtsschutzbedürfnis für die Entscheidung über die Beschwerde gegen die Ausweisung nachträglich wegfällt, so gilt dies nicht in dem Fall, dass durch die Ausweisung gemäß § 11 Abs. 2 des Fremdengesetzes aus 1992 ein Sichtvermerk bzw. gemäß § 16 Abs. 2 FrG ein Einreise- oder Aufenthaltstitel ungültig würde. Das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers, der die Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung beantragt hat und sich demgemäß angesichts bisheriger gültiger Aufenthaltstitel im Grund des § 31 Abs. 4 FrG als rechtmäßig in Österreich befindlich erachtet, ist somit durch die erfolgte Ausreise nicht weggefallen.
Die Beschwerde ist berechtigt.
Gemäß § 34 Abs. 1 FrG können Fremde, die sich auf Grund eines Aufenthaltstitels oder während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre (Z. 1), oder der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht (Z. 2).
Gemäß § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen insbesondere versagt werden, wenn der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
Gemäß § 35 Abs. 2 FrG können Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhalts bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde.
Die belangte Behörde nahm an, dass der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels der Versagungsgrund des § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG entgegenstehe und dass die Aufenthaltsverfestigung nach § 35 Abs. 2 FrG die Ausweisung nicht hindere; sie stützte ihre Ansicht lediglich auf die (rechtskräftigen) Verurteilungen des Beschwerdeführers, wobei sie sich auf die Zitierung der jeweiligen Strafnormen beschränkte.
Nach § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, war die Erteilung eines Sichtvermerks zu versagen, wenn der Aufenthalt des Sichtvermerkswerbers die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde. Dazu vertrat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (vgl. für viele die Erkenntnisse vom 24. Jänner 1996, Zl. 95/21/0158, und vom 30. April 1996, Zl. 95/18/0304) die Ansicht, dass zur Verwirklichung des genannten Sichtvermerksversagungsgrundes nicht das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung maßgeblich sei, sondern das einer solchen Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten des Fremden in seiner Gesamtheit.
Ebenso wie das Fremdengesetz aus 1992 sieht auch das Fremdengesetz 1997 - dieses jedoch in Form der Kann-Bestimmung des § 10 Abs. 2 Z. 3 - vor, dass eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung oder Sicherheit durch den Aufenthalt des Fremden der Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels entgegensteht. Diese Umschreibung der vom Fremden ausgehenden Gefahr findet sich auch - wie bereits aufgezeigt - in § 35 Abs. 2 FrG. Auch für das Fremdengesetz 1997 gilt im gegebenen Zusammenhang die für den Bereich des Fremdengesetzes aus 1992 oben dargelegte Erwägung, dass zur Beurteilung, ob der weitere Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde, nicht das Vorliegen einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung an sich maßgeblich ist, sondern das einer solchen Verurteilung zugrunde liegende Fehlverhalten des Fremden in seiner Gesamtheit.
Dadurch, dass die belangte Behörde ihre für den Beschwerdeführer nachteilige Prognose für sein weiteres Verhalten in Österreich allein aus den vorliegenden gerichtlichen Verurteilungen ableitete, verkannte sie die Rechtslage, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 30. April 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998210418.X00Im RIS seit
20.11.2000