TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/22 G303 2192727-1

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Veröffentlicht am 22.01.2019
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Entscheidungsdatum

22.01.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G303 2192727-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, vertreten durch Anna GRILL, Helga KAUFMANN und Johann KREMSER vom Kriegsopfer- und Behindertenverband Steiermark, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 07.02.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 42 Abs. 1 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) idgF sowie § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 11.12.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich, Zentrale Poststelle, einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass ein. Dem Antrag war ein Konvolut an medizinischen Beweismitteln angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde) durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 05.02.2018, wurde nach erfolgter persönlicher Untersuchung des BF am 29.01.2018, zusammengefasst im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1

mehrere abnützungsbedingte/verletzungsbedingte Gelenksveränderungen mit Beinverkürzung rechts -3 cm, Zustand nach Kniegelenksersatz rechts, Rotationsfehlstellung rechter Unterschenkel, dauernde erhebliche Funktionseinschränkung

2

Degenerative Wirbelsäulenbeschwerden mittleren Grades

3

Sehschwäche beiderseits leichten Grades

Zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde festgehalten, dass der BF einen Stock verwende, um die rechte untere Extremität möglichst zu entlasten, dieser erhöhe die Stabilität und Gangsicherheit. Die Verwendung eines Gehstockes sei zumutbar, das Gangbild damit unelastisch, rechts entlastend, mit verkürzter Schrittlänge und geringer Schrittverbreiterung. An den oberen Extremitäten bestünden keine maßgeblichen Funktionseinschränkungen. Eine dauerhafte oder gar höher dosierte Schmerzmedikation sei nicht notwendig. Die Funktion des Stütz- und Bewegungsapparates sei ausreichend, um eine kurze Wegstrecke mit Gehhilfe zurückzulegen, ein öffentliches Verkehrsmittel be- und diesem entsteigen zu können und unter üblichen Bedingungen den sicheren Transport zu gewährleisten. Eindeutige neurologische Defizite würden sich nicht finden. Die kardiopulmonale Belastbarkeit erscheine klinisch als altersentsprechend. Die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels erscheine unter normalen Bedingungen zumutbar. Es liege auch keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 07.02.2018 wurde der Antrag vom 11.12.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.

Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das oben angeführte ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX. Dieses sei als schlüssig erkannt und der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt worden. Danach liegen die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vor.

In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen.

4. Gegen den oben genannten Bescheid brachte die bevollmächtigte Vertretung des BF mit Schreiben vom 21.03.2018 binnen offener Frist Beschwerde ein. Begründend wurde ausgeführt, dass beim BF nach einer offenen Unterschenkelfraktur rechts, sich in weiterer Folge ein hochkomplizierter Verlauf eingestellt habe. Es seien ca. 20 operative Eingriffe notwendig gewesen, unter anderem Hauttransplantationen, Muskeltransfers und im Juni 2017 sei ein neuerlicher Eingriff im Bereich des rechten Unterschenkels wegen Narbenkontraktur durchgeführt worden. Es bestehe eine hochgradige muskuläre Schwäche der unteren Extremitäten, welche rechts größer sei als links. Zudem würden Schmerzen in beiden Sprunggelenken bestehen.

Der BF benötige beim Gehen kürzerer Wegstrecken zwei Stützkrücken. Trotz therapeutischer Maßnahmen habe sich das Gangbild nicht wesentlich verbessert, nicht zuletzt durch die hochgradige, auch schmerzhafte Bewegungseinschränkung des rechten oberen und unteren Sprunggelenkes. Gehen ohne Hilfsmittel sei nur für kürzeste Gehstrecken z.B. in der Wohnung möglich, da hier auch die Möglichkeit bestehe, sich anzuhalten. Weiters bestehe ein Zustand nach Knie-Totalendoprothesen-Operation bei Gonarthrose rechts und links, eine Zervikalneuralgie und ein Lumbovertebralsyndrom und es komme zum Auftreten nächtlicher Beinkrämpfe beidseits. Durch die erheblichen Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten sei der BF in der Mobilität stark eingeschränkt, wodurch der BF auch nicht in der Lage sei, wegen der Stand- und Gangunsicherheit ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen.

Der BF brachte einen ärztlichen Entlassungsbericht der Pensionsversicherungsanstalt, SKA-RZ XXXX vom 19.03.2018, in Vorlage.

In der Beschwerde wurden die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die Einholung von Sachverständigengutachten aus den Fachbereichen der Orthopädie und Neurologie beantragt. Des Weiteren wurde der Antrag gestellt, der Beschwerde Folge zu geben, den angefochtenen Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass stattzugeben.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 17.04.2018 vorgelegt.

6. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichts ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.

6.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX, Arzt für Allgemein- und Sportmedizin, vom 17.10.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF am selben Tag, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Diagnosen:

-

Zustand nach mehrfacher Operation im Bereich des rechten Beines mit Knieendoprothesenimplantation sowie multiplen Operationen und plastischen Deckungsoperationen nach 2-maligen Knöchelbruch und Wundinfektion

-

Beginnende Abnützung beider Schultern

-

Beginnende Abnützung des linken Kniegelenkes

-

Abnützung der Wirbelsäule ohne neuromotorische Ausfälle

Zum Gangbild und zur Mobilität wurde festgehalten, dass sich beim BF ein deutlich rechtshinkendes Gangbild zeige, wobei der Gang nur mit Stockhilfe (Stock werde links geführt) umgesetzt werden könne. Im geraden Stand zeige sich das rechte Bein nach außen gedreht und entsprechend drei cm verkürzt mit einer geringgradigen X-Bein-Stellung. Zehen- und Fersenstand seien nicht möglich; Einbeinstand ebenso nicht.

Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass aktuell aufgrund der massiven Abnützungszeichen und auch Strukturveränderungen im rechten Bein das Gehen nur mit Stockhilfe möglich sei und aufgrund der nachvollziehbaren Schmerzen aber auch durch die Gesamtfunktionsstörung eine geminderte Wegstrecke gegeben sei. Das Überwinden von Niveauunterschieden sei nur mit Anhalten und unter Stockhilfe möglich. Der sichere Transport sei, wenn überhaupt, nur im Sitzen gewährleistet. Beim BF würden keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen, jedoch eine deutliche im Bereich des rechten Beines.

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 22.10.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

8. Mit Schreiben vom 06.11.2018 erstattete die bevollmächtigte Vertretung eine Stellungnahme zum Parteiengehör. Darin wurde zusammengefasst vorgebracht, dass der BF zum Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens, somit zum Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX, keinen Einwand erhebe. Es sei dem BF nicht möglich, ein öffentliches Verkehrsmittel zu benützen. Es müssten daher die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung vorliegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist am XXXX geboren und im Besitz eines Behindertenpasses.

Der BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:

-

Zustand nach mehrfacher Operationen im Bereich des rechten Beines mit Knieendoprothesenimplantation sowie multiplen Operationen und plastischen Deckungsoperationen nach zweimaligen Knöchelbruch und Wundinfektion

-

Beginnende Abnützung beider Schultern

-

Beginnende Abnützung des linken Kniegelenkes

-

Abnützung der Wirbelsäule ohne neuromotorische Ausfälle

Der BF leidet an massiven Abnützungszeichen und Strukturveränderungen im rechten Bein. Dadurch liegt eine deutliche Funktionseinschränkung im Bereich des rechten Beines vor. Das Gehen ist nur mit Stockhilfe möglich; das Gangbild ist deutlich rechtshinkend und zudem besteht eine Beinlängendifferenz rechts im Sinne einer Verkürzung von 3cm. Der BF ist nicht in der Lage eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300-400 Metern selbständig zurückzulegen. Auch das Überwinden von Niveauunterschieden ist nur mit Anhalten und unter Stockhilfe möglich. Insgesamt ist der sichere Transport des BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen nicht gewährleistet.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Im seitens des erkennenden Gerichts eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX, Arzt für Allgemein- und Sportmedizin, vom 17.10.2018, welches auf einer persönlichen Untersuchung des BF basiert, wurde auf die Art der Leiden des BF und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Feststellungen diesbezüglich gründen sich darauf.

Insbesondere wurde ausgeführt, dass beim BF nur eine geminderte Wegstrecke aufgrund der Gesamtfunktionsstörung und der nachvollziehbaren Schmerzen gegeben ist. Daher wurde auf Basis dieser gutachterlichen Ausführung und aufgrund des sonstigen Leidenszustandes des BF festgestellt, dass er nicht in der Lage ist, eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300-400 Metern selbständig zurückzulegen.

Gutachterlich erscheint der sichere Transport des BF (wenn überhaupt - so die Ausführung des Sachverständigen) nur im Sitzen gewährleistet. Aus Sicht des erkennenden Senates ist dies nicht ausreichend, damit die Feststellung getroffen werden kann, dass ein sicherer Transport im öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen insgesamt gewährleistet ist, da nicht generell davon ausgegangen werden kann, dass immer ein Sitzplatz zur Verfügung steht und auch ein kurzes Fortbewegen im öffentlichen Verkehrsmittel aus verschiedensten Gründen (Ticketkauf, Sitzplatzsuche etc.) notwendig werden kann.

Der Inhalt dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. In der Stellungnahme des BF wurden dagegen keine Einwände erhoben. Die belangte Behörde erstattete keinerlei Stellungnahme dazu. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten und wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung von MR Dr. XXXX basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung des BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint und auch unstrittig ist, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.

Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind entsprechend der Erläuterungen der oben angeführten Verordnung ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt.

Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 - 400 m ausgeht (vgl. u.a. VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

In der gegenständlichen Rechtssache verfügt der BF aufgrund seiner gesundheitlichen Leiden, insbesondere aufgrund der massiven Abnützungszeichen und Strukturveränderungen im rechten Bein, nicht über die Fähigkeit ein öffentliches Verkehrsmittel insgesamt sicher zu benützen, da ein sicherer Transport des BF nur im Sitzen gewährleistet ist. Bei der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln sind jedoch auch Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen zu überwinden, oftmals mangels eines Sitzplatzes ein längeres Stehen notwendig und eine Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt erforderlich. Auch ist der BF trotz Verwendung einer Stockhilfe nicht in der Lage eine kurze Wegstrecke im Ausmaß von 300-400m selbstständig zurückzulegen.

Die beim BF vorliegende deutliche Einschränkung des rechten Beines ist auch als erhebliche Einschränkung der Funktionen der unteren rechten Extremität im Sinne der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen zu qualifizieren.

Da der BF zudem Inhaber eines Behindertenpasses ist, liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass jedenfalls vor.

Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2192727.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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