TE Bvwg Beschluss 2019/1/24 W208 2206427-1

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Veröffentlicht am 24.01.2019
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Entscheidungsdatum

24.01.2019

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GebAG §18 Abs1 Z1
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W208 2206427-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Ewald SCHWARZINGER über die Beschwerde von Karin XXXX , gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts ST. PÖLTEN vom 26.07.2018, Zl.199 039 Hv 37/18x, wegen Zeugengebühren beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Präsidenten des Landesgerichts zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden: bP) war als Opfer eines Einbruches in ihr Einfamilienhaus zur durchgeführten Hauptverhandlung gegen die mutmaßlichen Täter am 28.06.2018, 09:00 Uhr im Landesgericht St. PÖLTEN (im Folgenden: LG) geladen (Zl. 3 XXXX /18x). Die Ladung enthielt den Hinweis, dass sie nicht verpflichtet wäre teilzunehmen, ausgenommen sie erhalte eine Zeugenladung.

Die bP erschien um 09:00 Uhr, wurde (nach den Angaben der bP) aber von der Richterin zu einem unbekannten Zeitpunkt aufgefordert den Saal zu verlassen, weil diese sie als Zeugin befragen wollte. Die bP wurde dann auch später in der Verhandlung "informativ befragt" (Seite 58 der Verhandlungsschrift [VHS] vom 28.06.2018). Sie gab an einen Schaden von € 1.200,-- zu haben, niemanden gesehen zu haben und sich nicht als Privatbeteiligte anschließen zu wollen. Wann sie den VHS betreten und wann aus dem Verhandlungssaal entlassen wurde ist in der VHS nicht vermerkt.

Mit dem im Akt einliegenden undatierten Formular "Gebührenbestimmung und Zahlungsanweisung" beantragte die bP gemäß § 18 Abs 1 GebAG eine Pauschalentschädigung für Zeitversäumnis von 6 Stunden.

2. Mit dem nun angefochtenen Bescheid vom 26.07.2018 wurden der Antrag der bP - auf Bitte der Richterin der Hauptverhandlung - abgewiesen.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgesprochen, dass die bP nicht als Zeugin geladen worden sei und Opfern - auch wenn diese informativ befragt worden seien - keine Gebühren nach den §§ 1 und 2 GebAG zustehen würden.

3. Am 27.08.2018 brachte die bP gegen den ihr am 30.07.2018 zugestellten Bescheid Beschwerde beim BG ein und beantrage die Auszahlung der ihr "zustehenden Gebühren", da sie selbstständig erwerbstätig sei und viel Zeit verloren habe.

4. Mit undatiertem Schreiben wurden die Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten dem BVwG - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - zur Bearbeitung vorgelegt (eingelangt 25.09.2018).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Es wird von dem unter I. festgestellten Verfahrensgang und Sachverhalt ausgegangen.

Im behördlichen Verfahren wurden - aufgrund einer Verkennung der Rechtslage - notwendige Ermittlungen des Sachverhalts nur ansatzweise und unzureichend geführt.

Es steht nicht fest, ob und wann die bP die als Opfer geladen wurde und erschienen ist, aufgefordert wurde den VHS zu verlassen, um für eine allfällige Zeugenaussage zur Verfügung zu stehen, wann sie ihn wieder betreten hat und wann sie von der Richterin entlassen wurde.

Die VHS gibt lediglich auf der Seite 58 einen Hinweis darauf, dass die bP im Beweisverfahren "informativ" befragt wurde, dort Angaben zur Schadenshöhe und zu ihren nicht getätigten Beobachtungen machte und schließlich angab sich nicht als Privatbeteiligte anzuschließen.

Danach wurde das Beweisverfahren geschlossen.

Es steht auch nicht fest, ob die bP durch ihre Anwesenheit bei Gericht dem Grunde nach einen Vermögensschaden als selbstständig Erwerbstätige erlitten hat, weil dazu keine Ermittlungen erfolgt sind bzw. die Vorlage von Bescheinigungsmitteln aufgetragen wurden.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Verfahrensgang und Sachverhalt ergibt sich aus der im Akt einliegenden Ladung, der Verhandlungsschrift und den Angaben der bP in ihrer Beschwerde.

Wenngleich bei objektiver Betrachtung einiges darauf hindeutet, dass die Angaben der bP, wonach sie bei der Verhandlung von der Richterin hinausgeschickt worden sei, um für eine Zeugenaussage zur Verfügung zu stehen und zu warten, steht dies nicht fest. Hierzu wäre die Richterin, sowie allenfalls die weiteren Anwesenden (Schriftführerin, Richteramtsanwärterin, Schöffen) zu befragen und dabei auch die relevanten Zeitpunkte festzustellen.

Auf der Seite 3 der VHS ist der Teil, wo es um die Privatbeteiligten und um die Aufforderung geht, dass diese den VHS verlassen sollen, nicht ausgefüllt. Am Gebührenbestimmungsformular ist die erforderliche Anwesenheitszeit nicht eingetragen und befinden sich am Formular - mit Ausnahme der bP - keine Unterschriften.

Die protokollierten Aussagen der bP im Beweisverfahren (VHS 58) deutet darauf hin, dass die bP tatsächlich als Zeugin befragt wurde, wenngleich die konkreten Fragen - im Gegensatz zu den übrigen befragten Personen - nicht protokolliert wurden. Die Antwort "Ich habe niemanden gesehen ..." impliziert, dass sie davor entsprechend zum Sachverhalt bzw. allfällige Beobachtungen gefragt wurde. Die bP gab dabei an sich nicht als Privatbeteiligte anschließen zu wollen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zulässigkeit und Verfahren

Die Beschwerde wurde gemäß § 7 Abs 4 VwGVG innerhalb der Frist von vier Wochen bei der belangten Behörde eingebracht. Es liegen auch sonst keine Anhaltspunkte für eine Unzulässigkeit der Beschwerde vor.

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) entscheidet das BVwG durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Mangels materienspezifischer Sonderregelung besteht somit gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit.

Gemäß § 20 Abs 4 GebAG sind - soweit im GebAG nichts anderes angeordnet ist - auf das Verfahren zur Bestimmung der Zeugengebühr vor der Justizverwaltungsbehörde das AVG und die §§ 89a bis 89i Gerichtsorganisationsgesetz, RGBl 1896/217 (GOG) - umfasst im Wesentlichen die Regelungen zum elektronischen Rechtsverkehr - anzuwenden.

§ 28 VwGVG lautet (Hervorhebungen durch BVwG):

"(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG Abstand genommen werden, da bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

3.2. Zuständigkeit und Anspruchsvoraussetzungen

Die Gebühr ist im Justizverwaltungsweg gemäß § 20 Abs 1 GebAG vom Leiter des Gerichts zu bestimmen, vor dem/der die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte.

Da es sich im Beschwerdefall um keine aus dem Ausland geladene Zeugin handelt, konnte der Leiter des Gerichts eine geeignete Bedienstete des Gerichts (die Kostenbeamtin) ermächtigen, in seinem Namen zu entscheiden.

Der Richterin des Grundverfahrens kommt diesbezüglich keine Zuständigkeit zu. Die Bitte um Erlassung der Abweisung der Zeugengebühr, enthebt die belangte Behörde daher nicht davon die Voraussetzungen dafür selbst zu prüfen.

§ 2 Abs 1 GebAG führt aus, dass als Zeuge im Sinne des GebAG jede Person anzusehen ist, die innerhalb oder außerhalb eines förmlichen gerichtlichen Beweisverfahresn zu Beweiszwecken, aber nicht als Sachverständiger, Partei oder Parteienvertreter gerichtlich vernommen oder durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen der Befundaufnahme beigezogen wird.

Die Befragung der bP im Beweisverfahren in der Hauptverhandlung erfüllt die genannten Voraussetzungen. Dass die bP ursprünglich als "Opfer" geladen wurden ändert daran nichts, weil sie von der Richterin als Zeugin befragt wurde und gemäß § 4 Abs 1 GebAG sogar dem Zeugen der ohne Ladung gekommen ist und vernommen wurde ein Gebührenanspruch zusteht. Maßgeblich ist, dass er gekommen und vernommen worden ist (VwGH 04.07.1997, 97/03/0048).

Im vorliegenden Beschwerdefall hat die Kostenbeamtin die Beschwerde "abgewiesen", weil sie die Rechtsmeinung vertreten hat, dass einer "informativ" als Opfer befragten Person, kein Anspruch auf eine Zeugengebühr zustehe. Dabei hat sie verkannt, dass auch als Opfer geladene Personen als Zeugen einvernommen werden können. Im Übrigen ist jede Befragung im Beweisverfahren "informativ" und kann eine derartige Titulierung den gesetzlich determinierten Zeugenbegriff nicht umdeuten. Die Ausnahmen vom Anspruch auf Gebühr des § 2 Abs 3 GebAG liegen nicht vor.

Zu A) 3.3. Zurückverweisung der Beschwerde

Die maßgeblichen gesetzlichen Grundlagen hinsichtlich der Zeugengebühr sind die §§ 6 - 16 GebAG. Die Zeugin macht die Pauschalgebühr gem. § 18 Abs 1 Z 1 GebAG für 6 Stunden geltend. Ob sie dem Grunde nach einen Vermögensnachteil erlitten hat, hat die belangte Behörde, aufgrund der Verkennung der Rechtslage jedoch nicht inhaltlich geprüft und auch keinerlei Ermittlungen dazu angestellt. Folgt man der Rechtsansicht der belangten Behörde, dann wäre der Antrag "zurückzuweisen" und nicht "abzuweisen" gewesen, weil sich die belangten Behörde (irrig) auf eine inhaltliche Prüfung gar nicht eingelassen hat.

Für die rechtliche Beurteilung in der Sache fehlen daher die vorne angeführten notwendigen Feststellungen.

Die aufgezeigten fehlenden Feststellungen können nicht ohne Durchführung von ergänzenden Ermittlungen getroffen werden. Aufgrund des Unterbleibens der oben genannten Ermittlungen und Feststellungen im behördlichen Verfahren zu diesen hier bedeutsamen Fragen im Tatsachenbereich, steht der für eine Entscheidung des BVwG in der Sache erforderliche Sachverhalt fallbezogen nicht fest.

Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG kommt bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken in Betracht, insbesondere dann, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063).

Fallbezogen liegen besonders schwerwiegende Mängel des behördlichen Verfahrens bei der Ermittlung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes im diesem Sinne vor.

Es kann nicht gesagt werden, dass die unmittelbare Beweisaufnahme durch das BVwG bei einer Gesamtbetrachtung zu einer - erheblichen - Ersparnis an Zeit und Kosten führen würde. Eine Befragung der Richterin und allfälliger weiterer Zeugen durch die belangten Behörde ist, da sich diese an der gleichen Örtlichkeit befinden, jedenfalls kostengünstiger und können auch die sonstigen notwendigen Feststellungen (Recherchen zur selbstständigen Tätigkeit und zum Vermögensnachteil) dort getroffen und sodann ein neuer - ausreichend inhaltlich begründeter - Bescheid erlassen werden.

Alternative wäre eine mündliche Verhandlung des BVwG in WIEN anzuberaumen - zu der alle Parteien und insb. die genannten Teilnehmer der Verhandlung als Zeugen zu laden wären (Unmittelbarkeitsgrundsatzes Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2018) Anm. 12 zu § 25 Abs. 6 VwGVG) - welche insgesamt wesentlich teurer käme (zu den Gebührenansprüchen von Zeugen und Beteiligten vergleiche § 26 VwGVG) und auch nicht zu einer rascheren Entscheidung führen würde.

Vor dem Hintergrund verwaltungsökonomischer Überlegungen und der Effizienzkriterien des § 39 Abs 2 AVG war daher - da nach dem oben Ausgeführten besonders gravierende Mängel des behördlichen Verfahrens vorliegen - von der Möglichkeit des Vorgehens nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG Gebrauch zu machen und der angefochtene Bescheid an die belangte Behörde zur Durchführung der genannten Ermittlungen und Erlassung eines neuen Bescheides zurückzuverweisen.

Der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass die Verwaltungsbehörde (lediglich) an die rechtliche Beurteilung des gemäß § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG aufhebenden und zurückverweisenden Beschlusses des Verwaltungsgerichtes gebunden ist (s. § 28 Abs 3 dritter Satz VwGVG); durch eine Zurückverweisung tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hatte (Wirkung der Aufhebung ex tunc, s. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2018) Anm. 14 zu § 28 VwGVG; vgl. auch VwGH 22.05.1984, 84/07/0012), sodass die belangte Behörde das im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstattete weitere Parteivorbringen zu berücksichtigen und dafür Sorge zu tragen hat, dass dieses Vorbringen ergänzt bzw. vervollständigt wird.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (zur den Voraussetzungen eines Vorgehens nach der Bestimmung des § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG s. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ermittlungspflicht, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung,
Pauschalgebühren, Vermögensnachteil, Zeugengebühr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W208.2206427.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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