TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/5 W161 2185435-1

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Veröffentlicht am 05.02.2019
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Entscheidungsdatum

05.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2

Spruch

W161 2185435-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom, 27.12.2017, Zl.: 1092625502-151644944, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 03.12.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der bei seiner Einreise nach Österreich noch minderjährige, nunmehr volljährige Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte am 15.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.

2. Bei seiner Erstbefragung am 29.10.2015 gab der BF an, er sei in Baghlan geboren und traditionell verheiratet. Seine Muttersprache sei Pashtu, er spreche auch Dari. Er sei sunnitischer Moslem und gehöre der Volksgruppe der Pashtunen an. Er habe fünf Jahre lang die Grundschule in Baghlan besucht. Er habe keine Berufsausbildung und noch nie gearbeitet. Seine Eltern, seine Gattin und sein Bruder seien in Afghanistan aufhältig. Er habe in der Provinz Baghlan, im Dorf XXXX gelebt. Seine Familie würde ein Haus und ein Grundstück besitzen. Die finanzielle Situation sei mittel gewesen und sie hätten von der Landwirtschaft gelebt.

Er habe vor ca. einem Monat Afghanistan mit Hilfe eines Schleppers verlassen und sei über den Iran und die Türkei nach Bulgarien gebracht worden. Von dort sei er selbständig mit Zügen und zu Fuß über unbekannte Länder nach Österreich gereist.

Als Fluchtgrund gab der BF an, dass sein Vater Mitglied der "Hezb-e-Islami" sei. Diese Partei habe vor Jahren mit den Taliban um die Macht gekämpft. Vor einigen Jahren habe die Partei seines Vaters die Macht in " XXXX " verloren. Der Vater sei mit seinen Freunden nach " XXXX " (Berg) geflüchtet. Inzwischen sei die Sicherheitslage durch die Amerikaner und die Regierung gut gewesen, zuletzt seien aber in ihrer Region Taliban und Daish mächtig geworden. Die Taliban würden ihre alten Feindschaften pflegen, deshalb seien sie zu ihnen nach Hause gekommen und hätten den Vater gesucht. Aus Angst, dass dem BF etwas passiere da er der älteste Sohn des Vaters sei, habe ihn die Mutter aus Afghanistan weggeschickt. Bei einer Rückkehr habe er Angst um sein Leben.

3. Am 14.11.2017 wurde der BF beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) niederschriftlich in der Sprache Paschtu einvernommen. Der BF gab an, sich psychisch und physisch dazu in der Lage zu fühlen, wahrheitsgemäße Angaben zu seinem Asylverfahren zu machen. Er habe im Verfahren bis dato der Wahrheit ensprechende Angaben getätigt, aber seine Geschichte bei der Erstbefragung nicht vollständig erzählen können. Er sei gesund, habe aber Magenschmerzen, wogegen er einen "Saft" einnehme. Er habe seit langem Hepatitis, welchen Typus wisse er nicht. Er mache deshalb aber keine Therapie. In der Heimat sei er in Behandlung gewesen, er habe es seit seiner Geburt. Früher habe er Medikamente genommen, jetzt nicht. Seine Ehefrau sei eine 16jährige Afghanin, mit welcher er weitschichtig verwandt sei. Sein Onkel mütterlicherseits habe gesagt, dass er das Land verlassen solle, weil er Probleme gehabt habe. Er sei mit Hilfe eines Schleppers nach Österreich gereist. Wieviel die Reise gekostet habe, wisser er nicht, der Onkel mütterlicherseits habe dies organisiert. Er habe nicht gearbeitet, sondern Cricket gespielt. Dort habe er auch die meiste Zeit verbracht. Seine Familienangehörigen würden alle in Baghlan leben. Zu den Wohnbedingungen und der finanziellen Situation gab er an, dass sie alles hätten, Grunstücke, Haus und Geld. Es sei nicht nötig von jemandem Geld zu verlangen. Seit drei Monanten habe er keinen Kontakt mehr zu seiner Familie. Weiters gab er an, nicht vorbestraft zu sein und keine Probleme mit den Behörden gehabt zu haben. Er sei nicht politisch tätig und kein Mitglied einer politischen Partei gewesen. Sein Vater sei aber Mitglied einer politischen Partei gewesen. Er habe im Herkunftsstaat keine Probleme wegen seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit gehabt. Er habe auch nicht an bewaffneten oder gewalttätigen Auseinandersetzungen teilgenommen.

Zu seinen Fluchtgründen gab der BF wie folgt an:

"A: Mein Vater war bei Hezb-e-Islami, ich hatte daher Probleme mit denTtaliban und mit der Regierung. Ich konnte nicht in meinem Dorf leben. Wir hatten Probleme mit Privatpersonen im Dorf, weil mein Vater bei Hezb-e-Islami war. Wenn etwas in unserem Dorf passiert wäre, dann hätte man dafür meinen Vater die Schuld gegeben. Deswegen hatte ich dort Probleme und konnte dort nicht mehr leben. Meine Mutter und meine Frau haben mir gesagt, dass ich nicht mehr dort leben könne, denn falls es Probleme gegeben hätte, dann hätten sie die Schuld bei meinem Vater gesucht. Ich als sein Sohn, hätte auch Schuld bekommen. Manchmal hat mich mein Vater mitgenommen, weil er Angst hatte, dass mich jemand verschleppen, töten oder Lösegeld fordern könnte. Aus diesen Gründen bin ich aus Afghanistan geflohen. Ich hätte auch in keinen anderen Provinzen leben können.

F: Haben Sie sämtliche Gründe, die Sie veranlasst haben, Ihr Heimatland zu verlassen,

vollständig geschildert?

A: Ja.

F: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren

müssten?

A: Ich könnte nicht in Sicherheit leben, mein Leben wäre in Gefahr.

...

F: Welche Funktion hat Ihr Vater bei der Hezb-e-Islami und wie lange ist er schon Mitglied?

A: So lang ich mich erinnern kann ist mein Vater Kommandant in Hezb-e-Islami. Sogar beim Einmarsch der Sovjetunion war mein Vater ein Kommandant von Mujaheddin. Er war sehr berühmt in der Provinz.

F: Welche Aufgabe hat Hezb-e-Islami und was halten Sie von dieser Partei?

A: Sie sind eine Gruppe wie die Taliban, sie kämpfen um die Macht. Es ist auch eine politische Partei.

F: Sind oder waren Sie auch Mitglied bei Hezb-e-Islami?

A: Mein Vater wollte das, aber ich nicht.

F: Unterstützen Sie Ihren Vater in irgendeiner Form oder unterstützen Sie Ihren Vater in

irgendeiner Form?

A: Nein ich habe seit 3 Monaten keinen Kontakt zu meinen Eltern.

F: Wann ist Ihr Vater mit seinen Freunden nach XXXX geflüchtet?

A: Als die Taliban zu uns nach XXXX kamen. Nachgefragt gebe ich an, dass ich

es nicht genau weiß. Aber es müsste ca. um das Jahr 2008 gewesen sein.

...

F: Hatten Sie jemals Kontakt zu den Taliban?

A: Nein. Die Taliban sind unsere Feinde. Sie haben mich und meinen Vater bedroht, die Taliban sagten er solle die Hezb-e-Islami verlassen. Mein Vater wurde mehrmals bedroht. Eines Tages stand eine unbekannte Person vor der Tür und klopfte. Ich öffnete die Türe. Dieser Mann wollte wissen, wo mein Vater sei. Ich antwortete, dass er nicht zu Hause sei. Darufhin hat er meine Mutter mit der Waffe geschlagen und mir den Arm gebrochen.

F: Sie sagten, dass gegen Sie staatliche Fahndungsmaßnahmen bestehen würden. Was

sagen sie dazu?

A: Die afghanische Regierung sucht mich, weil sie meinen Vater haben wollen. Wenn Sie mich finden, dann würde die Regierung die Nummer meines Vaters rausfinden und ihn auffordern sich der Regierung zu stellen."

Zu seinem Leben in Afghanistan gab der BF an, dass er nur Kontakt mit Cricketspielern gehabt habe. Die anderen Menschen hätten Angst vor seinem Vater gehabt. Sie hätten ein 5 Hektar Grundstück und ein Haus. Finanziell sei es ihnen sehr gut gegangen. Er habe in Österreich bzw. der EU Verwandte, aber kenne niemanden davon. In Österreich habe er nicht gearbeitet. Er habe Freunde und Bekannte in Österreich. Er spiele Cricket und habe Freunde trainiert. Er lebe von der Grundvesorgung. Abschließend gab er an, er hoffe, dass seine Krankheit - Hepatitis - geheilt werde, da er ganz schwach sei. Er habe seine Probleme ausführlich schildern können und den Dolmetscher einwandfrei verstanden.

Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme legte der BF folgende Unterlagen vor:

-

Übungs-Rückmeldung.

-

Empfehlungsschreiben für Asylverfahren.

-

Zertifikat, wonach der BF die Prüfung ÖSD-A2 nicht bestanden habe.

-

Zerfikat, wonach der BF die Prüfung ÖSD-A1 bestanden habe.

-

Teilnahmebestätigungen für die Kurse "Deutsch A1 Teil 1 und Teil 2" und "Deutsch A2 Teil 1 und Teil 2".

-

Bestätigung über den Abschluss des Lehrgangs "Übergangsstufe an AHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch" in der Zeit von 14.11.2016 bis 30.06.2017.

-

Medizinisches Behandlungsbeiblatt für Asylwerber in der Grundversorgung, wonach der BF dreimal bei Ärzten für Allgemeinmedizin vorstellig war.

-

TBC-Vorsorgepass, wonach am 30.10.2015 "kein Hinweis auf akute TBC" bestand.

4. Am 28.11.2017 langte eine Stellungnahme des BF ein. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan sehr schlecht und weiterhin höchst volatil sei. Insbesondere werde die zuletzt eingefügte Kurzinformation vom 25.09.2017 hervorgehoben. Die Situation in seiner Herkunftsprovinz Baghlan sei besorgniserregend. Die Taliban seien dort weiterhin aktiv und würde es zu Angriffen kommen. Zudem wurde auf zahlreiche Berichte aus dem Jahr 2017 hingewiesen. Dem BF sei Asyl, jedenfalls aber subsidiärer Schutz zu gewähren.

Der Stellungnahme wurden folgende Unterlagen angefügt:

-

Landkarten Afgahnistans und Luftaufnahme des Hauses des BF.

-

Anfragbeantwortung der Staatendokumentation vom 18.03.2016 zum Thema "Chronische Hepatitis B, Kardiologische Untersuchungen, Endokarditis".

-

Laborbefund vom 19.10.2016 eines Allgemeinmediziners. Als Ergebnis wurde "HAV postiv, HAVIGM negativ, HAVBEU Immunität nach abgelaufener Infektion mit Hepatitis A oder Hepatitis A - Impfung (keine frische Infektion), HBSAG negativ, HBS negativ, HBC negativ, HBVBEU kein Hinweis auf Infektion mit Hepatitis B, HC negativ, HCVBEU kein Hinweis auf Infektion mit Hepatitis C" festgehalten.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 27.12.2017 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des BF bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem BF unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Das Bundesamt stellte fest, dass der volljährige BF afghanischer Staatsangehöriger sei, sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben bekenne und der Volksgruppe der Paschtunen angehöre. Seine Identität habe mangels eines unbedenklichen Identitätsdokumentes nicht festgestellt werden können. Er stamme aus der Provinz Baghlan, sei gesund und erwerbsfähig. Es habe nicht festgestellt werden können, dass er in Afghanistan von den Taliban bedroht oder verfolgt worden sei, da sein Vater ein Mitglied von "Hezb-e-Islami" sei. Ebenso habe nicht festgestellt werden können, dass er in Afghanistan von Milizen, Privatpersonen oder der afghanischen Regierung bedroht oder verfolgt worden sei. Auch aus sonstigen Umständen hätte eine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Relgion, Natinalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung nicht festgestellt werden können.

Weiters traf das BFA Feststellungen zur Lage in Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinfo vom 25.09.2017).

Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass es dem BF nicht gelungen sei seinen Fluchtgrund glaubhaft und schlüssig darzulegen. Er habe nicht glaubhaft darstellen können, dass sein Vater im Heimatstaat von den Taliban bedroht oder verfolgt worden sei. Er habe in der Einvernahme angegeben, dass sein Vater seit seiner Flucht im Jahr 2008 nicht mehr zu Hause gewohnt habe, sondern bei einem Kommendanten gelebt hätte und die Taliban dann im Jahr 2015 eines Tages zu Hause vorbeigekommen wären, um nach dem Vater zu suchen. Es sei unverständlich, weshalb die Taliban den Vater erst im Jahr 2015 hätten aufsuchen sollen, da die Heimatregion schon seit dem Jahr 2008 von den Taliban kontrolliert werde. Der BF habe auch nicht schlüssig darlegen können, weshalb die Taliban ein Interesse an seiner Person haben sollten, zumal der BF auch ausgeführt habe, dass er sich von der politischen Tätigkeit des Vaters distanziert habe. Er habe auch nicht glaubhaft darlegen können, dass er selbst von den Taliban oder von Dorfbewohnern bedroht oder verfolgt worden wäre. So habe er in der Erstbefragung nur von "hypothetischen Problemen" gesprochen, während er in der niederschriftlichen Einvernahme dann einen konkreten Vorfall geschildert habe und sein Vorbringen gesteigert habe. Dort habe er dann angegeben, dass die Taliban ihm den Arm gebrochen hätten und die Mutter mit einer Waffe geschlagen hätten. Der BF habe sich wegen des gebrochenen Armes in Österreich nie in Behandlung begeben, dies obwohl die Reise nach Europa lediglich einen Monat gedauert habe. Hätte man ihm tatsächlich Gewalt angetan, wäre naheliegend, dass sich der BF in Österreich in Behandlung gegeben hätte. Auch habe er in der Einvernahme widersprüchlich angegeben, dass nicht die Mutter oder die Partnerin, sondern der Onkel gesagt habe, dass er das Land verlassen solle. Auch sei nicht logisch, dass der BF angegeben habe, dass der Vater bei seiner Ausreise aus Afghanistan zu Hause gewesen wäre, zumal der Vater auf der Flucht gewesen sein soll. Es sei weiters nicht glaubwürdig, dass der BF von der afghanischen Regierung oder von Privatpersonen bzw. Milizen gesucht werde, zumal der BF gar nicht vorgebracht habe, dass diese bei ihm zu Hause gewesen wären.

Betreffend die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der BF gesund und arbeitsfähig sei. Er habe im Verfahren vorgebracht, an Hepatitis zu leiden. In dem von ihm vorgelegten Laborbefund, sei jedoch attestiert, dass er bei allen Typen von Hepatitis negativ getest worden sei, bei Hepatitis A jedoch eine Immunität nach abgelaufener Infektion mit Hepatitis A oder einer Hepatitis A-Impfung festgestellt worden sei. Dies sei nicht behandlungsbedürftig. Seine Eltern, Partnerin, Onkel und Bruder würden sich in Afghanistan aufhalten. Er könne daher Unterstützung bekommen. Die Eltern seien wohlhabend. Er verfüge über eine 5-jährige Schulbildung und habe keine Berufserfahrung. Er sei wirtschaftlich genügend abgesichert und könne für seinen Unterhalt sorgen. Er werde bei einer Rückkehr nicht in eine die Existenz bedrohende Notlage geraten. Er könne Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen. Allerdings liege eine relevante Gefährdungslage in Bezug auf die unmittelbare Heimatprovinz Baghlan vor, die Sicherheitslage in Kabul sei aber ausreichend sicher und die Stadt über den Flughafen erreichbar. Er sei mit den kulturellen Gepflogenheiten im Heimatstaat vertraut.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der BF illegal eingereist sei und keine Angehörigen in Österreich habe. Er habe diverse Kurse besucht und eine Übergangsstufe an der AHS abgeschlossen. Er sei in keinem Verein aktiv und nehme nicht am gesellschaftlichen Leben seiner aktuellen Heimatgemeinde teil. Besondere soziale Beziehungen in Österreich würden nicht bestehen. Er sei unbescholten.

6. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde. Darin wird zunächst das Fluchtvorbringen des BF wiederholt und angegeben, dass die Taliban gut vernetzt seien und der BF auch in einer anderen Provinz nicht sicher sei. Auch die Regierung könne den BF in ganz Afghanistan auffinden. Er habe sein Vorbringen nicht gesteigert, sondern bereits bei seiner Erstbefragung kurz erzählt, dass die Taliban zu ihnen nach Hause gekommen seien, den Vater gesucht hätten und er als ältester Sohn in Gefahr gewesen sei. Er habe bei der Einvernahme die Wahrheit gesagt und sei sein Vorbringen detailliert, schlüssig und genügend substantiiert gewesen. Bei der Erstbefragung habe er die Asylgründe nur kurz erwähnen können und sei ihm gesagt worden, dass er seinen Asylgrund nur kurz zusammenfassen solle bzw. er bei der Einvernahme die Möglichkeit bekomme diesen noch weiter auszuführen. Durch die Verständigungsprobleme mit dem Dolmetscher seien auch Missverständnisse bzw. Widersprüche entstanden die dazu geführt hätten, dass sein Vobringen als nicht glaubhaft bewertet worden sei. Obwohl er oft erwähnt habe, dass er Verständigungsprobleme habe, weil der Dolmetscher nicht so gut Paschtu könne und er ersucht habe, den Dolmetscher zu tauschen, sei man seinem Ersuchen nicht nachgekommen. Bei der Einvernahme habe er ausführlicher erzählt. Im Falle einer Rückkehr befürchte er getötet bzw. entführt zu werden. Hinsichtlich der Sicherheitslage wurde auf zwei Berichte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aus 2016 hingewiesen. Daraus ergebe sich, dass sich die Sicherheitslage in allen Landesteilen in den letzten Monaten deutlich verschlechtert habe. Dabei sei auch Kabul betroffen. UNHCR würde aber eine innerstaatliche Fluchtalternative aufgrund der sich rapide verschlechternden Sicherheitslage auch in Kabul nicht mehr sehen. Es werde beantragt dem BF Asyl, ansonsten subsidiären Schutz zu gewähren.

7. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 03.12.2018 eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der BF in Anwesenheit seiner Vertreterin ausführlich zu seinen Fluchtgründen, zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat sowie zu seiner Integration in Österreich befragt wurde. Ein Vertreter des BFA nahm an der Verhandlung nicht teil. Die Verhandlungsschrift wurde der Erstbehörde übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des BF:

Der bei seiner Einreise nach Österreich minderjährige, nunmehr volljährige BF ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, bekennt sich zum muslimischen Glauben (Sunnit) und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Der BF hat keine Kinder. Seinen Angaben zufolge hat er im Jahr 2015 eine etwa 14-15jährige afghanische Frau traditionell geheiratet.

Die Muttersprache des BF ist Paschtu, er spricht auch Dari.

Seine Identität steht nicht fest.

Der BF wurde in Afghanistan in der Provinz Baghlan geboren, wo er gemeinsam mit seiner Familie bis zu seiner Ausreise lebte. Er besuchte fünf Jahre lang die Grundschule. Der BF hat in Afghanistan nicht gearbeitet und keine Berufsausbildung.

Der BF hat Kontakt mit seinem Onkel mütterlicherseits in Afghanistan und erkundigt sich bei ihm auch nach den restlichen Familienangehörigen. Sein Onkel mütterlicherseits lebt gemeinsam mit der Mutter in einem Haus im Heimtdorf des BF (Provinz Baghlan). Wo sich der Vater des BF aufhält, kann nicht konkret festgestellt werden. Die Familie des BF besitzt in Afghanistan in der Provinz Baghlan ein Haus und Grundstücke. Der BF verfügt somit über familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan.

Der BF verließ Afghanistan etwa im September 2015 und gelangte schlepperunterstützt über den Iran in die Türkei und weiter nach Bulgarien. Von dort ist er selbstständig nach Österreich gereist und stellte hier am 15.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF leidet an keinen schwerwiegenden psychischen oder physischen Erkrankungen, welche eine Rückkehr nach Afghanistan iSd Art. 3 EMRK unzulässig machen würden.

1.2. Zu den Fluchgründen des BF:

Das vom BF ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem BF aufgrund der Parteizugehörigkeit bzw. beruflichen Tätigkeit seines Vaters mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan eine an seine Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seine politische Überzeugung anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.

Der BF war bis zu seiner Ausreise in Afghanistan keiner Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt und ist im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keiner konkreten gegen ihn gerichteten Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt.

Er wurde in seinem Herkunftsstaat niemals inhaftiert und hatte mit den Behörden seines Herkunftsstaates weder aufgrund seiner Rasse, Nationalität, seines Religionsbekenntnisses oder seiner Volksgruppenzugehörigkeit noch sonst irgendwo Probleme. Er war nie politisch tätig und gehörte keiner politischen Partei an.

Dem BF droht individuell und konkret, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch die Taliban oder die afghanische Regierung.

Der BF hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung iSd GFK glaubhaft gemacht.

1.3. Zu einer möglichen Rückkehr des BF in den Herkunftsstaat:

Der BF ist volljährig, anpassungsfähig, arbeits- und leistungsfähig sowie kinderlos. Er verfügt in Afghanistan über familiäre Unterstützung.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der BF grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft befriedigen, ohne in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF im Fall einer Rückkehr in die Städte Mazar-e Sharif oder Herat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in eine existenzbedrohende Notlage geraten würde.

Es ist dem BF möglich nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Im Falle der Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif läuft er nicht Gefahr, augrund seines derzeitigen Gesundheitszustandes in einen unmittelbar lebensbedrohlichen Zustand zu geraten oder dass sich seine Gesundheit in einem lebensbedrohlichen Ausmaß verschlechtern würde. Es sind auch sonst keine Hinweise hervorgekommen, dass allenfalls andere körperliche oder psychsiche Erkrankungen eine Rückführung des BF in den Herkunfsstaat entgegenstünden.

Er kann die Städte Herat und Mazar-e Sharif von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Der Beschwerdeführer kann bei einer Rückkehr Unterstützungsleistungen in Anspruch nehmen.

1.4. Zum (Privat) Leben des BF in Österreich:

Der unbescholtene BF hält sich seit etwa drei Jahren und drei Monaten im Bundesgebiet auf. Er bezieht laufend Leistungen aus der Grundversorgung, geht keiner Beschäftigung nach und wohnt in einer Unterkunft für Asylwerber. Er hat in Österreich bereits Deutschkurse (A1 und A2) besucht und die Prüfung A1 erfolgreich abgeschlossen. Zudem hat der BF den Lehrgang "Übergangsstufe an AHS für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch" in der Zeit von 14.11.2016 bis 30.06.2017 besucht und abgeschlossen. In seiner Freizeit spielt er Cricket und trainiert Freunde. Der BF gehört keinem Verein, keiner religiösen Verbindung und keiner sonstigen Gruppierung in Österreich an. Er führt kein Familienleben in Österreich und hat auch keine sonstigen engen sozialen Bindungen.

1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018, zuletzt aktualisiert am 11.09.2018:

KI vom 11.9.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS/ISKP) in Kabul, Anschläge in Nangarhar und Aktivitäten der Taliban in den Provinzen Sar-i Pul und Jawzjan (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Anschläge in Nangarhar 11.9.2018

Am 11.9.2018 kamen nach einem Selbstmordanschlag während einer Demostration im Distrikt Mohamad Dara der Provinz Nangarhar mindestens acht Menschen ums Leben und weitere 35 wurden verletzt (Tolonews 11.9.2018; vgl. TWP 11.9.2018, RFE/RL 11.9.2018). Kurz zuvor wurde am Vormittag des 11.9.2018 ein Anschlag mit zwei Bomben vor der Mädchenschule "Malika Omaira" in Jalalabad verübt, bei dem ein Schüler einer nahegelegenen Jungenschule ums Leben kam und weitere vier Schüler verletzt wurden, statt (RFE/RL 11.9.2018; AFP 11.9.2018). Davor gab es vor der Mädchenschule "Biba Hawa" im naheligenden Distrikt Behsud eine weitere Explosion, die keine Opfer forderte, weil die Schülerinnen noch nicht zum Unterricht erschienen waren (AFP 11.9.2018).

Weder die Taliban noch der IS/ISKP bekannten sich zu den Anschlägen, obwohl beide Gruppierungen in der Provinz Nangarhar aktiv sind (AFP 11.9.2018; vgl. RFE/RL 11.9.2018, TWP 11.9.2018).

Kämpfe in den Provinzen Sar-e Pul und Jawzjan 11.9.2018

Am Montag, dem 10.9.2018, eroberten die Taliban die Hauptstadt des Kham Aab Distrikts in der Provinz Jawzjan nachdem es zu schweren Zusammenstößen zwischen den Taliban und den afghanischen Sicherheitskräften gekommen war (Tolonews 10.9.2018a; Tolonews 10.9.2018b). Sowohl die afghanischen Streitkräfte als auch die Taliban erlitten Verluste (Khaama Press 10.9.2018a).

Am Sonntag, dem 9.9.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt der Provinz Sar-i Pul, wo nach wie vor u.a. mit Einsatz der Luftwaffe gekämpft wird (Tolonews 10.9.2018b; vgl. FAZ 10.9.2018). Quellen zufolge haben die Taliban das Gebiet Balghali im Zentrum der Provinzhauptstadt eingenommen und unter ihre Kontrolle gebracht (FAZ 10.9.2018). Sar-i-Pul-Stadt gehört zu den zehn Provinzhauptstädten, die Quellen zufolge das höchste Risiko tragen, von den Taliban eingenommen zu werden. Dazu zählen auch Farah-Stadt, Faizabad in Badakhshan, Ghazni-Stadt, Tarinkot in Uruzgan, Kunduz-Stadt, Maimana in Faryab und Pul-i- Khumri in Baghlan (LWJ 10.9.2018; vgl. LWJ 30.8.2018). Weiteren Quellen zufolge sind auch die Städte Lashkar Gar in Helmand und Gardez in Paktia von einer Kontrollübernahme durch die Taliban bedroht (LWJ 10.9.2018).

IS-Angriff während Massoud-Festzug in Kabul 9.9.2018

Bei einem Selbstmordanschlag im Kabuler Stadtteil Taimani kamen am 9.9.2018 mindestens sieben Menschen ums Leben und ungefähr 24 weitere wurden verletzt. Der Anschlag, zu dem sich der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte, fand während eines Festzugs zu Ehren des verstorbenen Mudschahedin-Kämpfers Ahmad Shah Massoud statt (AJ 10.9.2018; vgl. Khaama Press 10.9.2018b).

IS-Angriff auf Sportverein in Kabul 5.9.2018

Am Mittwoch, dem 5.9.2018, kamen bei einem Doppelanschlag auf einen Wrestling-Klub im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi mindestens 20 Personen ums Leben und ungefähr 70 weitere wurden verletzt (AJ 6.9.2018; vgl. CNN 6.9.2018, TG 5.9.2018). Zuerst sprengte sich innerhalb des Sportvereins ein Attentäter in die Luft, kurz darauf explodierte eine Autobombe in der sich vor dem Klub versammelnden Menge (SO 5.9.2018) Der Islamische Staat (IS/ISKP) bekannte sich zum Anschlag (RFE/RL 5.9.2018).

KI vom 22.08.2018, Angriffe des Islamischen Staates (IS) in Kabul und Paktia und Aktivitäten der Taliban in Ghazni, Baghlan, Faryab und Kunduz zwischen 22.7.2018 und 20.8.2018

Entführung auf der Takhar-Kunduz-Autobahn 20.8.2018

Am 20.8.2018 entführten die Taliban 170 Passagiere dreier Busse, die über die Takhar-Kunduz-Autobahn auf der Reise nach Kabul waren (Tolonews 20.8.2018; vgl. IFQ 20.8.2018). Quellen zufolge wurden die Entführten in das Dorf Nikpe der Provinz Kunduz gebracht, wo es zu Kämpfen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen kam. Es wurden insgesamt 149 Personen freigelassen, während sich die restlichen 21 weiterhin in der Gewalt der Taliban befinden (IFQ 20.8.2018). Grund für die Entführung war die Suche nach Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte bzw. Beamten (IFQ 20.8.2018; vgl. BBC 20.8.2018). Die Entführung erfolgte nach dem von Präsident Ashraf Ghani angekündigten Waffenstillstand, der vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 gehen sollte und jedoch von den Taliban zurückgewiesen wurde (Reuters 20.8.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018).

IS-Angriff auf die Mawoud Akademie in Kabul 15.8.2018

Ein Selbstmordattentäter sprengte sich am Nachmittag des 15.8.2018 in einem privaten Bildungszentrum im Kabuler Distrikt Dasht-e Barchi, dessen Bewohner mehrheitlich Schiiten sind, in die Luft (NZZ 16.8.2018; vgl. BBC 15.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Detonation hatte 34 Tote und 56 Verletzte zur Folge (Reuters 16.8.2018a; vgl. NZZ 16.8.2018, Repubblica 15.8.2018). Die Mehrheit der Opfer waren Studentinnen und Studenten, die sich an der Mawoud Akademie für die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiteten (Reuters 16.8.2018b; vgl. RFE/RL 17.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Vorfall (RFE/RL 17.8.2018; vgl. Reuters 16.8.2018b).

Kämpfe in den Provinzen Ghazni, Baghlan und Faryab

Am Donnerstag, dem 9.8.2018, starteten die Taliban eine Offensive zur Eroberung der Hauptstadt Ghaznis, einer strategisch bedeutenden Provinz, die sich auf der Achse Kabul-Kandahar befindet (Repubblica 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018). Nach fünftägigen Zusammenstößen zwischen den afghanischen Sicherheitskräften und den Aufständischen konnten letztere zurückgedrängt werden (AB 15.8.2018; vgl. Xinhua 15.8.2018). Während der Kämpfe kamen ca. 100 Mitglieder der Sicherheitskräfte ums Leben und eine unbekannte Anzahl Zivilisten und Taliban (DS 13.8.2018; vgl. ANSA 13.8.2018).

Am 15.8.2018 verübten die Taliban einen Angriff auf einen Militärposten in der nördlichen Provinz Baghlan, wobei ca. 40 Sicherheitskräfte getötet wurden (AJ 15.8.2018; vgl. Repubblica 15.8.2018, BZ 15.8.2018).

Auch im Distrikt Ghormach der Provinz Faryab wurde gekämpft: Die Taliban griffen zwischen 12.8.2018 und 13.8.2018 einen Stützpunkt des afghanischen Militärs, bekannt als Camp Chinaya, an und töteten ca. 17 Mitglieder der Sicherheitskräfte (ANSA 14.8.2018; vgl. CBS 14.8.2018, Tolonews 12.8.2018). Quellen zufolge kapitulierten die Sicherheitskräfte nach dreitägigen Kämpfen und ergaben sich den Aufständischen (CBS 14.8.2018; vgl. ANSA 14.8.2018).

IS-Angriff auf schiitische Moschee in Gardez-Stadt in Paktia 3.8.2018

Am Freitag, dem 3.8.2018, kamen bei einem Selbstmordanschlag innerhalb der schiitischen Moschee Khawaja Hassan in Gardez-Stadt in der Provinz Paktia, 39 Personen ums Leben und weitere 80 wurden verletzt (SI 4.8.2018; vgl. Reuters 3.8.2018, FAZ 3.8.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Anschlag (SI 4.8.2018).

IS-Angriff vor dem Flughafen in Kabul 22.7.2018

Am Sonntag, dem 22.7.2018, fand ein Selbstmordanschlag vor dem Haupteingangstor des Kabuler Flughafens statt. Der Attentäter sprengte sich in die Luft, kurz nachdem der afghanische Vizepräsident Rashid Dostum von einem einjährigen Aufenthalt in der Türkei nach Afghanistan zurückgekehrt und mit seinem Konvoi vom Flughafen abgefahren war (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018). Es kamen ca. 23 Personen ums Leben und 107 wurden verletzt (ZO 15.8.2018; vgl. France24). Der Islamische Staat (IS) reklamierte den Anschlag für sich (AJ 23.7.2018; vgl. Reuters 23.7.2018).

1. Politische Lage

Nach dem Sturz des Taliban-Regimes im Jahr 2001 wurde eine neue Verfassung ausgearbeitet und im Jahr 2004 angenommen (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. Casolino 2011). Sie basiert auf der Verfassung aus dem Jahr 1964. Bei der Ratifizierung sah diese Verfassung vor, dass kein Gesetz gegen die Grundsätze und Bestimmungen des Islam verstoßen darf und alle Bürger Afghanistans, Mann wie Frau, gleiche Rechte und Pflichten vor dem Gesetz haben (BFA Staatendokumentation 3.2014; vgl. Casolino 2011, MPI 27.1.2004).

Die Verfassung der islamischen Republik Afghanistan sieht vor, dass der Präsident der Republik direkt vom Volk gewählt wird und sein Mandat fünf Jahre beträgt (Casolino 2011). Implizit schreibt die Verfassung dem Präsidenten auch die Führung der Exekutive zu (AAN 13.2.2015).

Nach den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2014 einigten sich die beiden Kandidaten Ashraf Ghani und Abdullah Abdullah Mitte 2014 auf eine Regierung der Nationalen Einheit (RNE) (AM 2015; vgl. DW 30.9.2014). Mit dem RNE-Abkommen vom 21.9.2014 wurde neben dem Amt des Präsidenten der Posten des CEO (Chief Executive Officer) eingeführt, dessen Befugnisse jenen eines Premierministers entsprechen. Über die genaue Gestalt und Institutionalisierung des Postens des CEO muss noch eine loya jirga [Anm.: größte nationale Versammlung zur Klärung von wichtigen politischen bzw. verfassungsrelevanten Fragen] entscheiden (AAN 13.2.2015; vgl. AAN o. D.), doch die Einberufung einer loya jirga hängt von der Abhaltung von Wahlen ab (CRS 13.12.2017).

Die afghanische Innenpolitik war daraufhin von langwierigen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Regierungslagern unter Führung von Präsident Ashraf Ghani und dem Regierungsvorsitzenden (Chief Executive Officer, CEO) Abdullah Abdullah geprägt. Kurz vor dem Warschauer NATO-Gipfel im Juli 2016 wurden schließlich alle Ministerämter besetzt (AA 9.2016).

Parlament und Parlamentswahlen

Die afghanische Nationalversammlung ist die höchste legislative Institution des Landes und agiert im Namen des gesamten afghanischen Volkes (Casolino 2011). Sie besteht aus dem Unterhaus, auch wolesi jirga, 'Kammer des Volkes', genannt, und dem Oberhaus, meshrano jirga auch 'Ältestenrat' oder 'Senat' genannt. Das Unterhaus hat 250 Sitze, die sich proportional zur Bevölkerungszahl auf die 34 Provinzen verteilen. Verfassungsgemäß sind für Frauen 68 Sitze, für die Minderheit der Kutschi zehn Sitze und für Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft ein Sitz im Unterhaus reserviert (AAN 22.1.2017; vgl. USDOS 20.4.2018, USDOS 15.8.2017, CRS 13.12.2017, Casolino 2011). Die Mitglieder des Unterhauses haben ein Mandat von fünf Jahren (Casolino 2011). Die verfassungsmäßigen Quoten gewährleisten einen Frauenanteil von ca. 25% im Unterhaus (AAN 22.1.2017).

Das Oberhaus umfasst 102 Sitze (IPU 27.2.2018). Zwei Drittel von diesen werden von den gewählten Provinzräten vergeben. Das verbleibende Drittel, wovon 50% mit Frauen besetzt werden müssen, vergibt der Präsident selbst. Zwei der vom Präsidenten zu vergebenden Sitze sind verfassungsgemäß für die Kutschi-Minderheit und zwei weitere für behinderte Personen bestimmt. Auch ist de facto ein Sitz für einen Vertreter der Hindu- bzw. Sikh-Gemeinschaft reserviert (USDOS 20.4.2018; vgl. USDOS 15.8.2017).

Die Rolle des Parlaments bleibt begrenzt. Zwar beweisen die Abgeordneten mit kritischen Anhörungen und Abänderungen von Gesetzentwürfen in teils wichtigen Punkten, dass das Parlament grundsätzlich funktionsfähig ist. Zugleich nutzt das Parlament seine verfassungsmäßigen Rechte, um die Arbeit der Regierung destruktiv zu behindern, Personalvorschläge der Regierung z. T. über längere Zeiträume zu blockieren und sich Zugeständnisse wohl auch durch finanzielle Zuwendungen an einzelne Abgeordnete abkaufen zu lassen. Insbesondere das Unterhaus hat sich dadurch sowohl die RNE als auch die Zivilgesellschaft zum Gegner gemacht. Generell leider die Legislative unter einem kaum entwickelten Parteiensystem und mangelnder Rechenschaft der Parlamentarier gegenüber ihren Wählern (AA 5.2018).

Die für Oktober 2016 angekündigten Parlamentswahlen konnten wegen ausstehender Wahlrechtsreformen nicht am geplanten Termin abgehalten werden. Daher bleibt das bestehende Parlament weiterhin im Amt (AA 9.2016; vgl. CRS 12.1.2017). Im September 2016 wurde das neue Wahlgesetz verabschiedet und Anfang April 2018 wurde von der unabhängigen Wahlkommission (IEC) der 20. Oktober 2018 als neuer Wahltermin festgelegt. Gleichzeitig sollen auch die Distriktwahlen stattfinden (AAN 12.4.2018; vgl. AAN 22.1.2017, AAN 18.12.2016).

Parteien

Die afghanische Verfassung erlaubt die Gründung politischer Parteien, solange deren Programm nicht im Widerspruch zu den Prinzipien des Islam steht (USDOS 15.8.2017). Um den Parteien einen allgemeinen und nationalen Charakter zu verleihen, verbietet die Verfassung jeglichen Zusammenschluss in politischen Organisationen, der aufgrund von ethnischer, sprachlicher oder konfessioneller Zugehörigkeit erfolgt (Casolino 2011). Auch darf keine rechtmäßig zustande gekommene Partei oder Organisation ohne rechtliche Begründung und ohne richterlichen Beschluss aufgelöst werden (AE o. D.). Der Terminus 'Partei' umfasst gegenwärtig eine Reihe von Organisationen mit sehr unterschiedlichen organisatorischen und politischen Hintergründen. Trotzdem existieren Ähnlichkeiten in ihrer Arbeitsweise. Einer Anzahl von ihnen war es möglich, die Exekutive und Legislative der Regierung zu beeinflussen (USIP 3.2015).

Die meisten dieser Gruppierungen erscheinen jedoch mehr als Machtvehikel ihrer Führungsfiguren, denn als politisch-programmatisch gefestigte Parteien. Ethnischer Proporz, persönliche Beziehungen und ad hoc geformte Koalitionen genießen traditionell mehr Einfluss als politische Organisationen. Die Schwäche des sich noch entwickelnden Parteiensystems ist auf strukturelle Elemente (wie z.B. das Fehlen eines Parteienfinanzierungsgesetzes) zurückzuführen sowie auf eine allgemeine Skepsis der Bevölkerung und der Medien. Reformversuche sind im Gange, werden aber durch die unterschiedlichen Interessenlagen immer wieder gestört, etwa durch das Unterhaus selbst (AA 9.2016). Ein hoher Grad an Fragmentierung sowie eine Ausrichtung auf Führungspersönlichkeiten sind charakteristische Merkmale der afghanischen Parteienlandschaft (AAN 6.5.2018).

Mit Stand Mai 2018 waren 74 Parteien beim Justizministerium (MoJ) registriert (AAN 6.5.2018).

Parteienlandschaft und Opposition

Nach zweijährigen Verhandlungen unterzeichneten im September 2016 Vertreter der afghanischen Regierung und der Hezb-e Islami ein Abkommen (CRS 12.1.2017), das letzterer Immunität für 'vergangene politische und militärische' Taten zusichert. Dafür verpflichtete sich die Gruppe, alle militärischen Aktivitäten einzustellen (DW 29.9.2016). Das Abkommen beinhaltete unter anderem die Möglichkeit eines Regierungspostens für den historischen Anführer der Hezb-e-Islami, Gulbuddin Hekmatyar; auch soll sich die afghanische Regierung bemühen, internationale Sanktionen gegen Hekmatyar aufheben zu lassen (CRS 12.1.2017). Tatsächlich wurde dieser im Februar 2017 von der Sanktionsliste des UN-Sicherheitsrates gestrichen (AAN 3.5.2017). Am 4.5.2017 kehrte Hekmatyar nach Kabul zurück (AAN 4.5.2017). Die Rückkehr Hekmatyars führte u.a. zu parteiinternen Spannungen, da nicht alle Fraktionen innerhalb der Hezb-e Islami mit der aus dem Friedensabkommen von 2016 erwachsenen Verpflichtung sich unter Hekmatyars Führung wiederzuvereinigen, einverstanden sind (AAN 25.11.2017; vgl. Tolonews 19.12.2017, AAN 6.5.2018). Der innerparteiliche Konflikt dauert weiter an (Tolonews 14.3.2018).

Ende Juni 2017 gründeten Vertreter der Jamiat-e Islami-Partei unter Salahuddin Rabbani und Atta Muhammad Noor, der Jombesh-e Melli-ye Islami-Partei unter Abdul Rashid Dostum und der Hezb-e Wahdat-e Mardom-Partei unter Mardom Muhammad Mohaqeq die semi-oppositionelle 'Coalition for the Salvation of Afghanistan', auch 'Ankara Coalition' genannt. Diese Koalition besteht aus drei großen politischen Parteien mit starker ethnischer Unterstützung (jeweils Tadschiken, Usbeken und Hazara) (AB 18.11.2017; vgl. AAN 6.5.2018).

Unterstützer des weiterhin politisch tätigen ehemaligen Präsidenten Hamid Karzai gründeten im Oktober 2017 eine neue politische Bewegung, die Mehwar-e Mardom-e Afghanistan (The People's Axis of Afghanistan), unter der inoffiziellen Führung von Rahmatullah Nabil, des ehemaligen Chefs des afghanischen Geheimdienstes (NDS). Später distanzierten sich die Mitglieder der Bewegung von den politischen Ansichten Hamid Karzais (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 11.10.2017).

Anwarul Haq Ahadi, der langjährige Anführer der Afghan Mellat, eine der ältesten Parteien Afghanistans, verbündete sich mit der ehemaligen Mujahedin-Partei Harakat-e Enqilab-e Eslami-e Afghanistan. Gemeinsam nehmen diese beiden Parteien am New National Front of Afghanistan teil (NNF), eine der kritischsten Oppositionsgruppierungen in Afghanistan (AAN 6.5.2018; vgl. AB 29.5.2017).

Eine weitere Oppositionspartei ist die Hezb-e Kongara-ya Melli-ye Afghanistan (The National Congress Party of Afghanistan) unter der Führung von Abdul Latif Pedram (AB 15.1.2016; vgl. AB 29.5.2017).

Auch wurde die linksorientierte Hezb-e-Watan-Partei (The Fatherland Party) wieder ins Leben gerufen, mit der Absicht, ein wichtiges Segment der ehemaligen linken Kräfte in Afghanistan zusammenzubringen (AAN 6.5.2018; vgl. AAN 21.8.2017).

Friedens- und Versöhnungsprozess

Am 28. Februar 2018 machte Afghanistans Präsident Ashraf Ghani den Taliban ein Friedensangebot (NYT 11.3.2018; vgl. TS 28.2.2018). Die Annahme des Angebots durch die Taliban würde, so Ghani, diesen verschiedene Garantien gewähren, wie eine Amnestie, die Anerkennung der Taliban-Bewegung als politische Partei, eine Abänderung der Verfassung und die Aufhebung der Sanktionen gegen ihre Anführer (TD 7.3.2018). Quellen zufolge wird die Annahme bzw. Ablehnung des Angebots derzeit in den Rängen der Taliban diskutiert (Tolonews 16.4.2018; vgl. Tolonews 11.4.2018). Anfang 2018 fanden zwei Friedenskonferenzen zur Sicherheitslage in Afghanistan statt: die zweite Runde des Kabuler Prozesses [Anm.: von der afghanischen Regierung ins Leben gerufene Friedenskonferenz mit internationaler Beteiligung] und die Friedenskonferenz in Taschkent (TD 24.3.2018; vgl. TD 7.3.2018, NZZ 28.2.2018). Anfang April rief Staatspräsident Ghani die Taliban dazu auf, sich für die Parlamentswahlen im Oktober 2018 als politische Gruppierung registrieren zu lassen, was von diesen jedoch abgelehnt wurde (Tolonews 16.4.2018). Ende April 2018 kam es in diesem Zusammenhang zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich des IS, aber auch der Taliban) auf mit der Wahlregistrierung betraute Behörden in verschiedenen Provinzen (vgl. Kapitel 3. 'Sicherheitslage').

Am 19.5.2018 erklärten die Taliban, sie würden keine Mitglieder afghanischer Sicherheitskräfte mehr angreifen, wenn diese ihre Truppen verlassen würden, und gewährten ihnen somit eine 'Amnestie'. In ihrer Stellungnahme erklärten die Aufständischen, dass das Ziel ihrer Frühlingsoffensive Amerika und ihre Alliierten seien (AJ 19.5.2018).

Am 7.6.2018 verkündete Präsident Ashraf Ghani einen Waffenstillstand mit den Taliban für den Zeitraum 12.6.2018 - 20.6.2018. Die Erklärung erfolgte, nachdem sich am 4.6.2018 über 2.000 Religionsgelehrte aus ganz Afghanistan in Kabul versammelt hatten und eine Fatwa zur Beendigung der Gewalt aussprachen (Tolonews 7.6.2018; vgl. Reuters 7.6.2018, RFL/RL 5.6.2018). Durch die Fatwa wurden Selbstmordanschläge für ungesetzlich (nach islamischem Recht, Anm.) erklärt und die Taliban dazu aufgerufen, den Friedensprozess zu unterstützen (Reuters 5.6.2018). Die Taliban selbst gingen am 9.6.2018 auf das Angebot ein und erklärten einen Waffenstillstand von drei Tagen (die ersten drei Tage des Eid-Fests, Anm.). Der Waffenstillstand würde sich jedoch nicht auf die ausländischen Sicherheitskräfte beziehen; auch würden sich die Taliban im Falle eines militärischen Angriffs verteidigen (HDN 10.6.2018; vgl. TH 10.6.2018, Tolonews 9.6.2018).

2. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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