TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/8 W239 2161039-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.02.2019
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Entscheidungsdatum

08.02.2019

Norm

AsylG 2005 §5
BFA-VG §21 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W239 2161039-1/14E

W239 2161037-1/11E

W239 2161038-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN als Einzelrichterin über die Beschwerden von 1.) XXXX alias

XXXX , geb. XXXX , 2.) mj. XXXX , geb. XXXX , und 3.) mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.05.2017 zu den Zahlen

1.) XXXX , 2.) XXXX und 3.) XXXX zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen. Gemäß § 21 Abs. 5 erster Satz BFA-VG wird festgestellt, dass die Anordnung zur Außerlandesbringung zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Bescheide rechtmäßig war.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ( XXXX alias XXXX , geb. XXXX ) ist die Mutter der minderjährigen Zweitbeschwerdeführerin ( XXXX , geb. XXXX ) und der in Österreich nachgeborenen, minderjährigen Drittbeschwerdeführerin ( XXXX , geb. XXXX ). Alle sind Staatsangehörige der Russischen Föderation.

Zur Erstbeschwerdeführerin liegt zu Polen ein EURODAC-Treffer der Kategorie 1 (Asylantragstellung) vom 10.12.2015 vor.

2. Im Vorverfahren stellte die Erstbeschwerdeführerin am 11.07.2016 für sich und ihre minderjährige Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, in Österreich einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde am 12.07.2016 einer Erstbefragung unterzogen und gab hierbei an, im dritten Monat schwanger zu sein. Weiters erklärte sie im Wesentlichen, sie sei von Weißrussland nach Polen gereist, wo sie sich etwa sieben Monate aufgehalten habe, und sei anschließend nach Österreich gekommen. Ihr Asylantrag in Polen sei negativ beschieden worden. In Polen sei alles in Ordnung gewesen. Ihr Ex-Mann und dessen Familie befinde sich aber in Polen; er habe sie und ihre Tochter misshandelt. Aus Angst, dass er sie und ihre Tochter wiederfinden könne, wolle sie nicht nach Polen zurück.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) richtete am 08.08.2016 bezüglich der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (Dublin-III-VO) gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Polen.

Mit Schreiben vom 12.08.2016 stimmte die polnische Dublin-Behörde der Rückübernahme der Beschwerdeführerinnen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin-III-VO ausdrücklich zu.

Mit Schreiben vom 29.09.2016 setzte das BFA die polnische Dublin-Behörde davon in Kenntnis, dass die Beschwerdeführerinnen zwischenzeitlich untergetaucht waren, sodass sich die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin-III-VO auf 18 Monate verlängere.

Mit Bescheid des BFA vom 24.10.2016 wurden die Anträge der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin-III-VO für die Prüfung der Anträge auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die Beschwerdeführerinnen die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführerinnen nach Polen zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Gegen die Bescheide wurde kein Rechtsmittel erhoben; sie erwuchsen in Rechtskraft.

Am 09.11.2016 wurde gegen die Beschwerdeführerinnen ein Festnahmeauftrag erlassen.

3. Im nunmehr gegenständlichen Verfahren stellte die Erstbeschwerdeführerin am 16.12.2016 für sich und ihre minderjährige Tochter, die Zweitbeschwerdeführerin, in Österreich einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz.

Zu diesem Folgeantrag wurde die Erstbeschwerdeführerin am selben Tag (16.12.2016) durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes niederschriftlich einvernommen. Hierbei gab sie an, nunmehr im neunten Monat schwanger zu sein.

Die Erstbeschwerdeführerin wurde darüber belehrt, dass in Österreich über Angelegenheiten nur einmal entschieden werden könne; daher werde in ihrem gegenständlichen Verfahren aufbauend auf der bereits rechtskräftig festgestellten Unzuständigkeit Österreichs ausschließlich die Frage geprüft, ob seit der Rechtskraft der Vorentscheidung neue Tatsachen entstanden seien, wonach nunmehr Österreich für das Verfahren zuständig sei.

Dazu erklärte die Erstbeschwerdeführerin, dass für 01.09.2016 ihre Abschiebung nach Polen geplant gewesen sei. Sie sei aber zu einer Freundin gelaufen, habe sich versteckt und sei bis jetzt dort aufhältig gewesen. Gründe, die gegen eine neuerliche Überstellung nach Polen sprächen, gebe es insofern, als sie von ihrem Ehemann, dem Vater ihrer Tochter sowie ihres noch ungeborenen Kindes, davongelaufen sei.

Mit Aktenvermerk vom 20.12.2016 wurde Folgendes festgehalten: Da der Antrag auf internationalen Schutz ein Folgeantrag nach einer Entscheidung gemäß § 5 AsylG sei, kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG bestehe, die Zustimmung des Dublin-Staates erneut vorliege, keine relevante Änderung der Lage im Sinne des Art. 3 EMRK eingetreten sei und auch aus Gründen des Art. 8 EMRK oder anderen Gründen kein Selbsteintritt geboten sei, seien im gegenständlichen Fall die Voraussetzungen für den Entfall des faktischen Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 1 AsylG 2005 gegeben.

Mit Schreiben vom 01.02.2017 setzte das BFA die polnischen Dublin-Behörde von der Geburt der Drittbeschwerdeführerin in Kenntnis; diese stimmte der Übernahme der Drittbeschwerdeführerin mit Schreiben vom 07.02.2018 gemäß Art. 20 Abs. 3 Dublin-III-VO ausdrücklich zu.

Nach durchgeführter Rechtsberatung und in Anwesenheit einer Rechtsberaterin erfolgte am 15.02.2017 die niederschriftliche Einvernahme der Erstbeschwerdeführerin vor dem BFA. Hierbei erklärte die Erstbeschwerdeführerin zu Beginn, dass es ihr gut gehe. Ihre Angaben würden auch für ihre Töchter gelten. Die Kinder seien gesund.

In Österreich sei eine Cousine aufhältig. Diese habe einen Asylantrag gestellt und bereits eine weiße Karte erhalten. Ein weiterer Cousin sei in Frankreich oder Deutschland; zu diesem habe sie keinen Kontakt. Sie sei hier in Österreich mit ihren beiden Kindern. Als sie von Polen nach Österreich gekommen sei, habe sich ihr Ehemann, von dem sie noch nicht geschieden sei, in Polen aufgehalten. Wo dieser sich derzeit befinde, wisse sie nicht. Sie lebe nur mit ihren Kindern zusammen und sei von ihrer Cousine nicht finanziell abhängig. Sie würden sich zwar treffen, ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe aber nicht.

Auf die Frage, ob es konkrete Gründe gebe, die einer Ausweisung nach Polen entgegenstünden, antwortete die Erstbeschwerdeführerin, dass ihr Ehemann sie im Lager in Polen geschlagen habe. Er habe sie eines Tages so zusammengeschlagen, dass sie ins Krankenhaus eingeliefert werde habe müssen. Damals sei sie im ersten Monat schwanger gewesen und habe das Kind verloren. Der Polizei in Polen sei es bekannt gewesen, dass er sie zusammengeschlagen habe. Ihr Mann habe den Sicherheitsbehörden im Lager mitgeteilt, dass sie sich wieder versöhnt hätten und sie in eine private Unterkunft ziehen wollen würden. In dieser Unterkunft seien alle seine Verwandten gewesen. Als sie aus dem Krankenhaus entlassen worden sei, sei sie nicht gefragt worden, und sie sei in diese Wohnung umgezogen. Ihr Mann habe sie und ihre Tochter dann fast jeden Tag geschlagen. Er habe ihre Tochter mit dem Gürtel geschlagen, das Sozialgeld abgeholt, sich damit Tabletten gekauft und sie und ihr Kind hätten nichts zum Essen gehabt. Ihre Tochter habe auch ins Krankenhaus müssen, da sie Magenprobleme gehabt habe. Es habe ein Büro gegeben, wo man sich beschweren habe können. In diesem Büro sei ein Tschetschene gewesen, mit dem habe sie geredet. Er habe ihr versprochen, davon nichts ihrem Mann zu sagen. Dann habe er allerdings sogleich ihren Mann angerufen und diesem erzählt, dass sie sich über ihn beschwert habe. Sie sei danach von ihrem Mann geschlagen worden. Das sei im Juni 2016 gewesen. Im Juli 2016 sei sie dann ausgereist. Sie habe ihre Goldkette verkauft und sei mit einem Taxi nach Österreich gefahren.

Auf Nachfrage schilderte die Erstbeschwerdeführerin weitere Misshandlungen durch ihren Ehemann gegen sie und ihre Tochter. Weiters gab sie an, dass ihr Ehemann sie vergewaltigt habe und so die Drittbeschwerdeführerin entstanden sei.

Nachgefragt erklärte die Erstbeschwerdeführerin, die zwar im Beisein von einer Dolmetscherin und einer Rechtsberaterin, jedoch von einem männlichen Referenten einvernommen wurde, die Einvernahme hier so fortführen zu wollen. Sie habe nicht das Gefühl, etwas nicht sagen zu können und sie wolle kein weibliches Team. In der Folge schilderte die Erstbeschwerdeführerin die Vergewaltigungen durch ihren Ehemann. Bei der Polizei angezeigt habe sie ihren Mann in Polen nicht, da sie nur weg habe wollen und zudem Angst vor Rache gehabt habe.

Den gutachterlichen Stellungnahmen im Zulassungsverfahren (PSY-III-Gutachten) vom 22.03.2017 und vom 23.04.2017 ist abschließend nach einer zweiten Befundaufnahme zu entnehmen, dass bei der Erstbeschwerdeführerin eine Anpassungsstörung (F 43.2) vorliegt (vgl. AS 159: "Zur Zeit der zweiten Befundaufnahme finden sich relativ milde Symptome einer Anpassungsstörung (Restsymptomatik), das heißt, es handelt sich hier um ein subjektives Leiden als Reaktion auf Belastungen. Für eine andere Störung findet sich derzeit trotz häuslicher Gewalt, welche von der Frau angegeben wurde, aus medizinischer Sicht kein Substrat."). Therapeutische und medizinische Maßnahmen wurden nicht angeraten.

4. Hinsichtlich der Erstbeschwerdeführerin und der Zweitbeschwerdeführerin wurden die Anträge auf internationalen Schutz mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 15.05.2017 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführerinnen gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Polen gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin wurde der Antrag auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Polen gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d bzw. Art. 20 Abs. 3 Dublin-III-VO für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde gemäß § 61 Abs. 1 Z 1 FPG gegen die Beschwerdeführerin die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gemäß § 61 Abs. 2 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Polen zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Zur Lage in Polen traf das BFA folgende Feststellungen (unkorrigiert):

Allgemeines zum Asylverfahren

In erster Instanz für das Asylverfahren in Polen zuständig ist das Office for Foreigners (Urzad do Spraw Cudzoziemcow, UDSC), das dem Innenministerium untersteht. Es gibt ein mehrstufiges Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten: [...]

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

-

Eurostat (19.3.2015): Data in focus 3/2015, http://ec.europa.eu/eurostat/documents/4168041/6742650/KS-QA-15-003-EN-N.pdf/b7786ec9-1ad6-4720-8a1d-430fcfc55018, Zugriff 27.1.2016

-

Eurostat (3.3.2016a): Statistics explained, File: Asylum applicants (including first time asylum applicants), Q4 2014 - Q4 2015.png,

http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:Asylum_applicants_(including_first_time_asylum_applicants),_Q4_2014_%E2%80%93_Q4_2015.png, Zugriff 31.3.2016

-

Eurostat (18.9.2015a): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 1st quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_1st_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016

-

Eurostat (18.9.2015b): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 2nd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_2nd_quarter_2015.png, Zugriff 11.2.2016

-

Eurostat (10.12.2015): Statistics explained, File:First instance decisions by outcome and recognition rates, 3rd quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_3rd_quarter_2015.png, Zugriff 22.2.2016

-

Eurostat (3.3.2016b): Statistics explained, File: First instance decisions by outcome and recognition rates, 4th quarter 2015.png, http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/File:First_instance_decisions_by_outcome_and_recognition_rates,_4th_quarter_2015.png, Zugriff 31.3.2016

Verfolgung durch Dritte

Es wird von tschetschenischen Antragstellern immer wieder vorgebracht, sie fürchten in Polen von Agenten des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow, sogenannten Kadyrowzy, drangsaliert zu werden. ACCORD zitiert dazu in einer Anfragebeantwortung vom 22.11.2013 verschiedene Quellen, aus denen hervorgeht, dass es diese Berichte zwar gibt, jedoch keine greifbaren Beweise, wie dokumentierte Fälle oder ähnliches. Die polnischen Behörden dementieren derartige Vorgänge strikt (ACCORD 22.11.2013, vgl. auch: borderline 4.11.2013).

Die NGO Pax Christi hat im September 2010 eine Fact Finding Mission nach Polen zu dem Thema durchgeführt und gab an, es falle auf, dass es wenig Schriftliches gebe, obwohl Rechtsberater, Sozialhelfer, Anwälte und NGO-Mitarbeiter in verschiedenen EU-Ländern bei ihrer Arbeit mit tschetschenischen AW dieselben Geschichten zu hören bekämen. Die Berichte seien aber oft unspezifisch und es gebe kaum Zeugen und auch sonst keine Beweise (Pax Christi 1.12.2011).

Jedenfalls gibt es in Polen keine eigene Gesetzgebung, die speziell Asylwerber aus der Russischen Föderation unter besonderen Schutz stellen würde. Bei Vorliegen einer strafbaren Handlung gehen Polizei und Gerichte entsprechend der polnischen Rechtsordnung vor, wie bei jeder anderen Person auch. Es gibt auch keine eigene Statistik bezugnehmend auf Kriminalität unter Asylwerbern bzw. unter diversen Ethnien und es sind auch keine Berichte zu diesem Problemfeld bekannt (VB 11.2.2013).

Die Polizei und Grenzwache sorgen für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrages. Kommt es zu strafrechtlichen Handlungen werden diese von den Sicherheitskräften den Gerichten ausnahmslos angezeigt. Die Polizei/Grenzwache vollzieht ausnahmslos die Anordnungen der Staatsanwaltschaft und der Gerichte (VB 3.2.2010).

Quellen:

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ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (22.11.2013): Anfragebeantwortung zu Polen:

Aktivitäten des russischen Geheimdienstes in polnischen Flüchtlingslagern,

https://www.ecoi.net/local_link/270018/398486_de.html, Zugriff 1.4.2016

-

borderline-europe - Menschenrechte ohne Grenzen e.V.(4.11.2013):

Rückführungen im Rahmen von Dublin II nach Polen. Eine Ist-Stand-Erhebung zur Situation Geflüchteter, http://www.borderline-europe.de/sites/default/files/background/Bericht_Polen_2013.pdf, Zugriff 1.4.2016

-

Pax Christi (1.12.2011): Safety of Chechen asylum seekers in Poland,

http://www.paxchristi.be/wp/wp-content/uploads/2012/01/PaxChristi_SafetyofChechenasylumseekersinPoland_2011_def.pdf, Zugriff 1.4.2016

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VB des BM.I Polen (3.2.2010): Auskunft des VB, per E-Mail

-

VB des BM.I Polen (11.2.2013): Auskunft des VB, per E-Mail

Dublin-Rückkehrer

Es gibt keine Berichte über Zugangshindernisse zum Verfahren für Dublin-Rückkehrer. Personen, die im Rahmen der Dublin-Bestimmungen nach Polen zurückkehren, müssen beim Grenzschutz einen Asylantrag stellen oder die Wiedereröffnung eines etwaigen vorherigen Verfahrens beantragen, dem er sich entzogen hat. So eine Wiedereröffnung ist innerhalb von 9 Monaten möglich (bis November 2015 galten 2 Jahre als Frist und gelten für Altfälle auch weiterhin). Sind diese 9 Monate verstrichen, wird ihr Antrag als Folgeantrag betrachtet und auf Zulässigkeit geprüft. Hat der Antragsteller bereits eine Entscheidung im vorherigen Verfahren erhalten, wird der Antrag ebenfalls als Folgeantrag betrachtet. Der Grenzschutz verweist sie entweder an ein Unterbringungszentrum, oder inhaftiert sie gegebenenfalls für max. 12 Stunden und beantragt bei Gericht Unterbringung in einem geschlossenen Zentrum (guarded center). Inhaftierung ist dann möglich, wenn ein Rückkehrer Polen illegal verlassen hat (was bei Dublin-Fällen fast immer der Fall ist) oder keine Identitätsnachweise besitzt. Dublin-Rückkehrer sind zu denselben Bedingungen zu Versorgung in Polen berechtigt, wie alle anderen Antragsteller (AIDA 11.2015).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

Unbegleitete minderjährige Asylwerber (UMA) / Vulnerable

Als vulnerabel (im Sinne von: eine spezielle Behandlung benötigend) gelten in Polen laut Gesetz Minderjährige, Behinderte, Alte, Schwangere, alleinerziehende Eltern, Opfer von Menschenhandel, ernsthaft Kranke, psychische Beeinträchtigte, Folteropfer und Opfer psychischer, physischer bzw. Sexueller Gewalt. Am Anfang und während des Asylverfahrens sind vom Gesetz gewisse Identifikationsmechanismen vorgesehen, deren Umsetzung nach Meinung von UNHCR und NGOs aber noch mangelhaft sei. Wird ein vulnerabler Antragsteller identifiziert, bewertet die Behörde ob eine spezielle Behandlung (im Verfahren, wie auch in Bezug auf Unterbringung) nötig ist. Dazu können auch medizinische bzw. psychologische Untersuchungen veranlasst werden. Verweigert der Ast. diese Untersuchungen, wird er nicht als vulnerabel betrachtet. Wenn die Vulnerabilität bestätigt wird, ist im Verfahren speziell darauf Rücksicht zu nehmen (z.B. Beteiligung eines Arztes/Psychologen und eines Übersetzers bei den Verfahrensschritten) (AIDA 11.2015).

Wenn Zweifel an der Minderjährigkeit eines Antragstellers bestehen, ist, mit Zustimmung des Ast. oder seines Vertreters, eine Altersfeststellung vorgesehen. Es gibt drei Möglichkeiten hierfür:

allgemeine Untersuchung, Handwurzelröntgen und Zahnuntersuchung, in dieser Reihenfolge. Im Zweifelsfall wird die Minderjährigkeit angenommen. Wird die Zustimmung zur Altersfeststellung verweigert, wird der Betreffende als Erwachsener behandelt. Die Gesetze sehen vor, dass für UMA ein Vormund bestimmt werden muss. Dieser Vormund ist nur für das Asylverfahren zuständig, nicht für andere Lebensbereiche des UMA. Es wird ausnahmslos für jeden UMA von der Ausländerbehörde beim zuständigen Vormundschaftgericht ein Vormund beantragt und von jenem einer bestellt. Dies dauerte in der Regel ca. 2 Monate, seit November 2015 liegt die Frist jedoch bei 3 Tagen. Es gibt in der Praxis Probleme mit der zu geringen Zahl an Kandidaten für eine Vormundschaft. Meist sind dies NGO-Leute bzw. entsprechend engagierte Rechtswissenschaftsstudenten. Der Vormund soll während des Interviews des UMA anwesend sein, ebenso ein Psychologe (AIDA 11.2015).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

Non-Refoulement

Gemäß Asylgesetzesänderung vom 13.11.2015 gilt ein Antrag als unzulässig, wenn der ASt. bereits den Schutz eines anderen Landes genießt, in dem er vor Refoulement geschützt ist (AIDA 11.2015).

Die Gesetze kennen das Prinzip des sicheren Herkunfts- oder Transitstaats, enthalten aber auch Bestimmungen, denen zufolge Schutzbedürfnisse im Einzelfall berücksichtig werden können (USDOS 25.6.2015).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/306400/443675_de.html, Zugriff 1.4.2016

Versorgung

AW sind ab Registrierung in einem Ertaufnahmezentrum während des gesamten Asylverfahrens, sowie während der ersten Beschwerde im selben Ausmaß zu materieller Unterstützung berechtigt, auch im Zulassung-, im Dublinverfahren und bei Folgeanträgen. Im Erstaufnahmezentrum müssen sie sich binnen 2 Tagen ab Antragstellung registrieren, ansonsten wird das Verfahren eingestellt. Das Recht auf medizinische Versorgung besteht ab Antragstellung. Generell werden Unterbringung, materielle Hilfe und Gesundheitsversorgung bis zu 2 Monate nach der endgülitigen Entscheidung im Asylverfahren (positiv wie negativ) gewährt. Wird das Verfahren allerdings schlicht eingestellt (z.B. in der Zulassungsphase), verkürzt sich dieser Zeitram auf 14 Tage. Da Ast. mit einer abschließend negativen Entscheidung Polen allerdings binnen 30 Tagen zu verlassen haben und keine Versorgung mehr gewährt wird, wenn Ast. diese Frist zur freiwilligen Ausreise verstreichen lassen, werden sie in der Regel nur für 30 Tage weiterversorgt. Einzelne Asylwerber berichten, dass ihnen sogar ein längerer Verbleib im Zentrum gestattet wurde als rechtlich vorgesehen. Versorgung wird in Polen auch ohne Berücksichtigung der finanziellen Möglichkeiten des AW gewährt. Wenn gegen eine negative Entscheidung des Rats für Flüchtlingsfragen (2. Instanz) Beschwerde vor dem Regionalen Verwaltungsgericht in Warschau eingelegt wird, besteht generell kein Recht auf Versorgung bis das Gericht die Entscheidung des Rats suspendiert. Hier kann es zu einer Lücke in der Versorgung von 2-3 Monaten kommen. Und da seit Mai 2014 das Verfahren und die Rückkehr getrennt wurden und die Suspendierung der Entscheidung des Rates nicht mehr nötig ist um eine Außerlandesbringung zu verhindern, kann es passieren, dass das Gericht keine Suspendierung ausspricht und damit auch keine Versorgung gegeben ist. Es geht aber aus dem Bericht nicht hervor, wie oft das bisher vorgekommen ist. AW, die außerhalb des Zentrums wohnen dürfen, erhalten eine Zulage (AIDA 11.2015).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

Unterbringung

AW, die in einem Zentrum leben, erhalten Unterkunft, Mahlzeiten (oder PLN 9,-/Tag/Person), Taschengeld (PLN 50,-/Monat), Geld für Hygieneartikel (PLN 20,-/Monat), Einmalzahlung für Kleidung (PLN 140,-), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentl. Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. AW, die außerhalb der Zentren leben erhalten eine finanzielle Beihilfe (von PLN 25,-/Tag für eine Einzelperson; bis hin zu PLN 12,50/Tag und Person für Familien mit 4 oder mehr Familienmitgliedern), einen Polnisch-Sprachkurs und Unterrichtsmaterialien, Unterstützung für Schulkinder (plus außerschulische Aktivitäten), Geld für notwendige Fahrten mit öffentl. Verkehrsmitteln und medizinische Versorgung. Ende Juli 2015 erhielten 1.315 AW Versorgung innerhalb der Zentren und 2.460 außerhalb der Zentren. Die Höhe der Unterstützungen liegt unter dem sogenannten "sozialen Minimum" und wird als zu gering kritisiert, um in Polen außerhalb der Zentren einen angemessenen Lebensstandard zu führen. Vor allem Mieten in Warschau, wo die meisten AW ihr Asylverfahren abwickeln, seien so schwer abzudecken. Dies trage dazu bei, dass AW oft zu mehreren in beengten Wohnungen oder unsicheren Verhältnissen lebten und oft illegaler Beschäftigung nachgehen müssten. Selbst für Familien reiche die Unterstützung gerade einmal für die Miete (AIDA 11.2015).

In Polen gibt es 11 Unterbringungszentren mit gesamt 1.980 Plätzen. Zwei der Zentren dienen der Erstaufnahme. Mit Überbelegung gibt es keine Probleme. Alle Zentren unterstehen der polnischen Ausländerbehörde UDSC, 7 der Zentren werden aber von Vertragspartnern geführt. Es gibt keine speziellen Zentren für AW im Grenzverfahren oder in Transitzonen. AW dürfen die Zentren untertags jederzeit verlassen, sollten aber vor 23 Uhr zurück sein (AIDA 11.2015).

Wenn AW spezielle Bedürfnisse haben (Vulnerable) sind diese bei der Versorgung zu berücksichtigen. Einige Unterbringungszentren sind für Vulnerable angepasst: 3 Zentren haben behindertengerechte Eingänge und ein entsprechendes Zimmer und Badezimmer. 4 weitere Zentren sind teilweise angepasst. Ein Zentrum in Warschau ist speziell für alleinstehende Frauen bzw. alleinstehende Frauen mit Kindern gewidmet. UMA werden nicht zusammen mit Erwachsenen untergebracht, sondern in Kinderheimen oder übergangsweise in Pflegefamilien (AIDA 11.2015).

Es gibt Berichte über Vorfälle von geschlechterbezogener Gewalt, aber UNHCR berichtet, dass darauf unter Einbeziehung von Polizei, Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern reagiert wurde. UNHCR und NGOs berichten auch keine größeren oder anhaltenden Probleme mit Missbrauch in den Zentren (USDOS 25.6.2015).

Polen verfügt auch über mehrere geschlossene Unterbringungszentren (guarded centers), in denen Schubhäftlinge und unter bestimmten Voraussetzungen auch AW untergebracht werden können (Versuch der illegalen Überquerung der Grenze, keine Identitätsdokumente, usw.). Mitte 2015 wurden Schritte unternommen, um die bewachten Zentren zu reformieren und mehr Bewegungsfreiheit usw. zu gewährleisten. Ein Problem sei die zunehmende Zahl von Kindern (Familien dürfen geschlossen untergebracht werden, UMA bis 15 Jahre nicht) in den Zentren, welche keinen Zugang zu Schulunterricht haben. Die geschlossene Unterbringung ist nur auf gerichtliche Anordnung möglich (USDOS 25.6.2015).

UMA werden in Kinderfürsorgeeinrichtungen oder Familien in ganz Polen untergebracht (AIDA 11.2015).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

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USDOS - US Department of State (25.6.2015): Country Report on Human Rights Practices 2014 - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/306400/443675_de.html, Zugriff 1.4.2016

Medizinische Versorgung

MedCOI bearbeitet keine medizinischen Anfragen zu EU-Mitgliedsstaaten, da die medizinischen Mitarbeiter von MedCOI (Ärzte) davon ausgehen, dass medizinische Behandlungsmöglichkeiten in der EU generell in ausreichendem Maße verfügbar sind (MedCOI 14.5.2012).

AW in Polen haben ab Antragstellung das Recht auf medizinische Versorgung, das auch dann weiterbesteht, wenn die materielle Versorgung, aus welchen Gründen auch immer, reduziert oder beendet wird. Gesetzlich garantiert ist medizinische Versorgung im selben Ausmaß wie für versicherte polnische Staatsbürger. Die medizinische Versogung von AW wird öffentlich finanziert. In den Unterbringungszentren wird medizinische Basisversorgung vor Ort bereitgestellt. In den Erstaufnahmezentren werden AW auch medizinisch untersucht. Seit 1.7.2015 wird die medizinische Versorgung von AW durch die Vertragsfirma Petra Medica gewährleistet. Sie umfasst auch psychologische Versorung. Psychologische Betreuung ist in jedem Unterbringungszentrum und bei UDSC vorhanden. Pro 120 Personen sind 4 Stunden psychologische Versorgung zuzüglich eines Übersetzers vorgesehen. AW können, wenn nötig, aber auch zu Psychiatern oder psychiatrische Kliniken überwiesen werden. Nach Ansicht einiger Experten ist Spezialbehandlung für Folteropfer oder traumatisierte AW in der Praxis nicht verfügbar. In Polen existieren 2 NGOs, die sich auf psychologische Unterstützung vulnerabler AW spezialisiert haben: Die International Humanitarian Initiative, welche regelmäßig in Warschau ihre Dienste zur Verfügung stellt; und Ocalenie Foundation, welche dreimal die Woche Asylwerber in Warschau unterstützt. Ihre Psychologen sprechen Englisch und Russisch. Andere NGOs bieten aus finanziellen Gründen nur limitiert und unregelmäßig psychologische Unterstützung an (z.B. Caritas, Polish Humanitarian Action). Einige Organisationen spezialisieren sich auf bestimmte Gruppen (z.B. Kinder oder Opfer von Menschenhandel). Da mangelnde Sprachkenntnisse bisher das größte Zugangshindernis zu medizinischer Versorgung waren, wurde dies beim Vertrag mit Petra Medica beachtet und die Gewährleistung von Übersetzung bei medizinischer und psychologischer Betreuung festgeschrieben (AIDA 11.2015).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

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MedCOI - Medical COI (14.5.2012): Anfragebeantwortung, per E-Mail

Schutzberechtigte

Subsidiär Schutzberechtigte, humanitär Aufenthaltsberechtigte oder Geduldete, die nochmals um Asyl ansuchen, sind nicht zu materieller Versorgung berechtigt, wie sie AW normalerweise zukommt. Subsidiär Schutzberechtigte und andere Fremde mit Aufenthaltsberechtigung sind hingegen zu staatlichen Unterstützungsleistungen des allgemeinen Sozialhilfesystems berechtigt, wie polnische Staatsbürger. Humanitär Aufenthaltsberechtigte und Geduldete haben lediglich das Recht auf Unterkunft, Verpflegung, notwendige Bekleidung und eine spezielle Zulage (AIDA 11.2015).

Amnesty International kritisiert, dass Polen Ende 2015 noch immer über keine umfassende Integrationsstrategie verfügte und bezeichnet die Integrationsmaßnahmen als ungenügend (AI 24.2.2016).

Die Integrationsmaßnahmen für Schutzberechtigte umfassen individuelle Integrationsprogramme, die u.a. auf Sprachtraining und persönliche Beratung fokussieren. Eine umfassende Integrationsstrategie abseits des Erwerbs der Polnischen Sprache gibt es nicht, es wird aber an einer solchen gearbeitet. Die Dauer der individuellen Integrationsprogramme (12 Monate) wird von den Betroffenen als zu kurz beschrieben. Der Zugang zum Arbeitsmarkt wird von den Betroffenen als der kritischste Punkt betrachtet (ECRI 9.6.2015).

UNHCR kritisiert die polnischen Leistungen zur Integration anerkannter Flüchtlinge. So waren 2013 laut Schätzungen 20-30% der anerkannten Flüchtlinge in Polen zumindest zeitweise von Obdachlosigkeit betroffen. Dabei ist es anerkannten Flüchtlingen nach Erhalt der Entscheidung auf internationalen oder subsidiären Schutz für weitere 2 Monate gestattet in der AW-Unterkunft zu bleiben und um das individuelle Integrationsprogramm (IPI) anzusuchen, in dessen Rahmen ihnen die zuständige regionale Stelle (Family Support Center) für ein Jahr lang finanzielle Hilfe ausbezahlt. Personen mit einem lediglich tolerierten Aufenthalt haben keinen Anspruch auf die IPI, sie können aber um Sozialhilfe ansuchen. Unter Kennern der polnischen Flüchtlingsszene ist es aber umstritten, ob Tolerierte deswegen ein höheres Risiko der Obdachlosigkeit haben. Einige sind der Meinung, für diese sei der Anreiz zur Integration sogar höher und führe zu stabileren Verhältnissen betreffend Arbeit und Wohnen. Die Zahl der Nutznießer der IPI ist in den 2 Jahren davor außerdem um etwa 50% zurückgegangen, was es einfacher macht, den verbliebenen Berechtigten zu helfen. Der Bericht nennt auch von europäischem Flüchtlingsfonds und polnischem Staat kofinanzierte Services von NGOs, die Schutzberechtigten, deren IPI am Auslaufen ist, bzw. die obdachlos geworden sind, Übergangswohnungen zur Verfügung stellt - für einen Zeitraum von 12-18 oder gar 36 Monaten - und ihnen beim Finden von dauerhafter Wohnung hilft. Die Herangehensweise der lokalen Behörden bezüglich der Hilfe bei Obdachlosigkeit von Flüchtlingen hat sich laut dem Bericht auch verbessert. Als Beispiele genannt wird die Stadt Warschau, die nicht nur Wohnmöglichkeiten für Flüchtlinge unter dafür eingelangten Anträgen kompetitiv vergibt, sondern einige auch nach sozialen Gesichtspunkten an Härtefälle. Wenn in Warschau ein anerkannter Flüchtling in einem Zentrum lebt, kann er um eine Gemeindewohnung ansuchen und wird diese angeblich auch erhalten. In Lublin haben beispielsweise subsidiär Schutzberechtigte seit Juni 2012 Zugang zu Gemeindewohnungen. Als besonders schlecht werden die Wohnverhältnisse von Rückkehrern aus anderen europäischen Ländern geschildert, wobei unklar ist, ob damit Dublin-Rückkehrer gemeint sind (UNHCR 06.2013).

Quellen:

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AI - Amnesty International (24.2.2016): Amnesty International Report 2015/16 - The State of the World's Human Rights - Poland, https://www.ecoi.net/local_link/319771/458965_de.html, Zugriff 1.4.2016

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AIDA - Asylum Information Database (11.2015): HFHR - Helsinki Foundation for Human Rights, ECRE - European Council on Refugees and Exiles: National Country Report Poland, http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_pl_update.iv_.pdf, Zugriff 31.3.2016

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ECRI - European Commission against Racism and Intolerance (9.6.2015): ECRI Report Poland, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1441097708_pol-cbc-v-2015-20-eng.pdf, Zugriff 1.4.2016

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UNHCR (06.2013): Where is my home? Homelessness and Access to Housing among Asylum-Seekers, Refugees and Persons with International Protection in Poland, http://www.refworld.org/docid/51b57ce74.html, Zugriff 1.4.2016

Begründend wurde seitens des BFA im Wesentlichen ausgeführt, dass ein Familienverfahren vorliege und sich Polen mit Schreiben vom 12.08.2016 gemäß Art. 18 Abs. 1 lit. d Dublin-III-VO für die Führung der Verfahren für zuständig erklärt habe. Ein zuständigkeitsbeendendes Sachverhaltsmerkmal habe nicht festgestellt werden können, ebenso wenig eine besondere Integrationsverfestigung. Weiters habe nicht festgestellt werden können, dass die Beschwerdeführerinnen in Polen systematischen Misshandlungen bzw. Verfolgungen ausgesetzt gewesen seien oder diese dort zu erwarten hätten. Die Erstbeschwerdeführerin leide an einer Anpassungsstörung, eine Überstellung nach Polen sei zumutbar. Bei der Zweibeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführerin bestünden keine schweren psychischen Störungen und/oder schwere oder ansteckende Krankheiten. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17. Abs. 1 Dublin-III-VO ergeben.

5. Gegen diese Bescheide richtet sich die für alle Beschwerdeführerinnen gleichlautende Beschwerde vom 31.05.2017. Festgehalten wurde darin im Wesentlichen, dass die Bescheide im vollem Umfang wegen mangelhafter Beweiswürdigung, unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten würden. Gleichzeitig wurden die Anträge gestellt, den Beschwerden die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Einleitend wurde zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde festgehalten, dass - entgegen der in der Rechtsmittelbelehrung festgehaltenen Frist von einer Woche - auch für Folgenanträge die allgemeine gesetzliche Beschwerdefrist von zwei Wochen gelte. Die angefochtenen Bescheide seien am 17.05.2017 zugestellt worden, sodass die Beschwerde am 31.05.2017 binnen offener Frist eingebracht werde.

Inhaltlich wurde auf das bisherige Vorbringen verwiesen und ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin zu einer besonders vulnerablen Gruppe zähle, da sie von ihrem Ehemann körperlich schwer misshandelt worden sei. Sie sei derzeit in einem äußerst schlechten psychischen Zustand und befinde sich daher in psychotherapeutischer Behandlung. Auch die Zweitbeschwerdeführerin sei der Gewalt ihres Vaters ausgesetzt gewesen. Die Drittbeschwerdeführerin sei erst kürzlich geboren worden und zähle als Baby gerade im Hinblick auf den nicht gewährleisteten medizinischen Zugang in Polen, genauso wie die Erstbeschwerdeführerin und die Zweitbeschwerdeführerin, ebenfalls zur Gruppe besonders vulnerabler Personen. Die Drittbeschwerdeführerin habe sich aufgrund länger andauernder Lippenzyanose [Anm. BVwG: blaue Lippen] in ambulanter Behandlung befunden. Eine abermalige Kontrolluntersuchung sei notwendig und für Mitte Juni vereinbart worden. Allein aufgrund dieser Umstände sei eine zwangsweise Überstellung nach Polen nicht im Sinne des Kindeswohls und den Beschwerdeführerinnen nicht zumutbar. Verwiesen wurde auch auf die Istanbul-Konvention, welche die besonders gefährdete Position von geflüchteten und migrantischen Frauen anerkenne.

Die herangezogenen Länderfeststellungen seien lediglich allgemeiner Natur, es fänden sich darin keine detaillierten, aktuellen Feststellungen zur medizinischen Versorgung, Unterbringung und Behandlung von vulnerablen Asylsuchenden in Polen. Ergänzende Länderberichte stünden im Widerspruch zur Ansicht der belangten Behörde, wonach die Beschwerdeführerinnen im Falle einer Überstellung nach Polen hinreichende psychologische Betreuung zukomme. Darüber hinaus fehle im Hinblick auf die illegale Ausreise der Beschwerdeführerinnen aus Polen aktuelle, detaillierte Feststellungen zur Gefahr der Inhaftierung von AsylwerberInnen im Falle der Rücküberstellung. Diesbezüglich wurde auf den angeführten aktuellen Bericht von PICUM verwiesen, dem zu entnehmen sei, dass sogar Minderjährige und Familien mit Kindern inhaftiert würden.

Die Behörde habe es insbesondere entgegen des Verfahrensgrundsatzes der amtswegigen Erforschung iSd § 18 Abs. 1 AslyG unterlassen, den Gesundheitszustand der Beschwerdeführerinnen und ihren medizinischen Versorgungsbedarf zu ermitteln. Es sei zwar ein psychologisches Gutachten eingeholt worden, jenes würde jedoch kein vollständiges Untersuchungsergebnis und Angaben, die die Beschwerdeführerin in dieser Form nicht getätigt habe, enthalten. Die Erstbeschwerdeführerin leide an akuten Schlafstörungen und an Albträumen aufgrund des schweren körperliche Misshandlungen des Ehemannes, im Gutachten stehe jedoch, dass sie keine gesundheitlichen Beschwerden habe und normal schlafen könne. Es werde beantragt, ein psychologisches Gutachten bei der Erstbeschwerdeführerin und bei der Zweitbeschwerdeführerin einzuholen.

Weiters habe die Erstbeschwerdeführerin nachvollziehbar und sehr detailliert beschrieben, dass die Beschwerdeführerinnen im Falle einer Abschiebung nach Polen der Gewalt des Ehemannes schutzlos ausgeliefert wären, da die polnischen Sicherheitsbehörden mit dem Ehemann kooperiert hätten und trotz ihres Wissens von den Gewaltvorfällen kein Strafverfahren gegen den Ehemann eingeleitet hätten.

Der Beschwerde beigelegt waren:

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Sozialbericht vom 30.05.2017, aus dem hervorgeht, dass die Erstbeschwerdeführerin von den Misshandlungen durch ihren Mann erzählt habe und Angst vor diesem habe.

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Ambulanzbericht betreffend die Drittbeschwerdeführerin vom 10.04.2017. Diesem ist zu entnehmen, dass sie seit etwa einem Monat beim Weinen eine Lippenzyanose habe. Ihr Allgemeinzustand sei gut.

Die Diagnose lautet: "Naevus flammeus, Intertrigo, offenes Foramen ovale" [Anm. BVwG: Feuermal, Ekzem, ovales Loch am Herzen]. Als Therapie wurde eine Salbe für die Haut verschrieben. Angemerkt wurde zudem, dass eine Kontrolle beim niedergelassenen Facharzt möglich sei, bei Verschlechterung jederzeit in der Ambulanz.

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Bestätigung eines Arzttermins für die Drittbeschwerdeführerin bei einem Facharzt für Kinder- und Jugendheilkunde

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Stellungnahme eines Vereins betreffend häusliche Gewalt mit Hinweis auf die Istanbul-Konvention (IC)

6. Am 09.06.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerdeergänzung ein, in der die gutachterliche Stellungnahme vom 22.03.2017 übermittelt wurde. Weiters wurde angemerkt, dass für die Erstbeschwerdeführerin für Mitte Juni 2017 ein Befundtermin organisiert worden sei.

Am 24.07.2017 wurde beantragt, die angefochtenen Bescheide zu beheben und die Sache an die belangte Behörde zurückzuverweisen sowie eine mündliche Verhandlung durchzuführen und der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Im Akt liegen folgende Unterlagen auf:

Die Erstbeschwerdeführerin betreffend:

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Bestätigung eines Frauengesundheitszentrums vom 08.06.2017 über psychotherapeutische Beratungsgespräche seit 31.05.2017

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Wohnbestätigung Frauenhäuser Wien vom 24.07.2017

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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