TE Vwgh Erkenntnis 1999/4/30 95/21/1009

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Veröffentlicht am 30.04.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §13 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §37 Abs2;
FrG 1993 §54 Abs1;
MRK Art13;
MRK Art3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr, Dr. Pelant und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Ogris, über die Beschwerde des FK, (geboren am 5. Jänner 1968), vertreten durch Dr. Rudolf Tobler, Dr. Karl-Heinz Götz und Dr. Rudolf Tobler jun., Rechtsanwälte in 7100 Neusiedl am See, Untere Hauptstraße 72, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 18. August 1995, Zl. Fr-321/95, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien, war nach der Aktenlage im Juli 1995 von Ungarn kommend unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich eingereist, wo er nach seiner Aufgreifung zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung von der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See in Schubhaft genommen und u. a. zu seiner Reise nach Österreich und seinen Barmitteln einvernommen wurde. Der Beschwerdeführer gab hiebei auch Folgendes an:

"Sollte ich in mein Heimatland abgeschoben werden ... werde ich sicher eingesperrt, weil ich im Ausland war."

Mit Bescheid vom 10. Juli 1995, der dem Beschwerdeführer durch persönliche Übergabe am selben Tage zugestellt worden war, wurde der Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 2 Z. 6 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.

Mit am 26. Juli 1995 bei der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See eingelangtem Antrag vom 25. Juli 1995 begehrte der Beschwerdeführer ausdrücklich die Feststellung, dass seine Abschiebung nach "Restjugoslawien (wozu auch der Kosovo gehört) unzulässig" sei. Er begründete dies damit, dass er als qualifizierter Panzerfahrer der Reserve neuerlich einberufen worden sei und feststehe, dass er an der serbischen Front in Bosnien eingesetzt würde. Als muslimischer Albaner sei er von den Serben schwer unterdrückt und politisch verfolgt und nicht bereit, gegen Bosnier bzw. Kroaten zu kämpfen, was aber fraglos seine sofortige standrechtliche Hinrichtung zur Folge hätte. Es werde nach ihm im Kosovo gefahndet, und er hätte im Fall seiner Rückkehr mit sofortiger Verhaftung und fraglos unmenschlicher Behandlung sowie mit dem Einsatz im Rahmen einer Strafkompanie (in vorderster Front mehr oder weniger als "Kanonenfutter") zu rechnen. Zugleich stellte der Beschwerdeführer auch einen Asylantrag.

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 18. August 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 FrG gemäß § 54 Abs. 2 leg. cit. als unzulässig zurückgewiesen. Diese Entscheidung wurde damit begründet, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung nach Restjugoslawien erst am 25. Juli 1995 eingebracht worden sei. An diesem Tag sei der dem Beschwerdeführer am 10. Juli 1995 zugestellte Ausweisungs-Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See jedoch deswegen bereits rechtskräftig gewesen, weil der Beschwerdeführer dagegen keine Berufung erhoben habe. Ein Antrag gemäß § 54 Abs. 1 FrG könne dem Abs. 2 der genannten Gesetzesstelle zufolge jedoch nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden. Die Auffassung des Beschwerdeführers, dass er bereits mit seiner Äußerung bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 10. Juli 1995: "Sollte ich in mein Heimatland abgeschoben werden ... werde ich sicher eingesperrt, weil ich im Ausland war." einen Antrag gemäß § 54 FrG eingebracht hätte, treffe nicht zu. Hätte er diese Absicht gehabt, so wäre es ihm freigestanden, sofort nach entsprechender Inkenntnissetzung durch die Behörde erster Instanz gemäß § 54 Abs. 2 FrG, von der Möglichkeit der Stellung eines solchen Antrages Gebrauch zu machen und noch während der niederschriftlichen Einvernahme den erforderlichen Antrag zu stellen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 54 Abs. 1, 2 und 4 FrG lautet:

"§ 54. (1) Auf Antrag eines Fremden hat die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 bedroht ist.

(2) Der Antrag kann nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.

...

(4) Bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag darf der Fremde in diesen Staat nicht abgeschoben werden. Nach Abschiebung des Fremden in einen anderen Staat ist das Feststellungsverfahren als gegenstandslos einzustellen."

Mit § 54 FrG wurde bezweckt, "einem von der Abschiebung bedrohten Fremden eine 'wirksame Beschwerde' im Sinne des Art. 13 EMRK" einzuräumen, "sich gegen eine vermeintliche unmenschliche Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK zur Wehr zu setzen" (vgl. die Erl. der RV zum Fremdengesetz 692 BlgNR 18. GP, 55).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind für die Beurteilung eines Anbringens (§ 13 AVG) dessen wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend. Es kommt nicht auf Bezeichnungen und zufällige Verbalformen an, sondern auf den Inhalt des Anbringens, das erkennbare oder zu erschließende Ziel eines Parteischrittes. Ist erkennbar, dass ein Antrag entgegen seinem Wortlaut auf etwas anderes abzielt, kommt es auf die erkennbare Absicht des Einschreiters an (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1999, Zl. 95/21/1079). Hat ein Anbringen einen unklaren oder einen nicht genügend bestimmten Inhalt, so hat die Behörde den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen - etwa durch Vernehmung der Beteiligten - zu ermitteln (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 1996, Zl. 96/20/0530). An Anträge gemäß § 54 Abs. 1 FrG dürfen in formeller Hinsicht im Lichte der Art. 3 und 13 EMRK keine zu hohen Anforderungen gestellt werden.

Für den vorliegenden Fall bedeutet dies, dass die belangte Behörde das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen seiner Vernehmung vor der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See am 10. Juli 1995 als Antrag auf Feststellung, dass er im Fall seiner Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien im Sinn des § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sei, zu werten gehabt hätte und dass es sich bei dem mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesenen Antrag vom 25. Juli 1995 betreffend die Unzulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien um keinen neuen Feststellungsantrag, sondern um eine Bekräftigung des ursprünglichen Antrages handelt.

Da somit die belangte Behörde verkannte, dass der Beschwerdeführer bereits anlässlich seiner Vernehmung am 10. Juli 1995, somit noch vor rechtskräftiger Erlassung des Ausweisungs-Bescheides, den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit seiner Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien im Sinn des § 54 Abs. 1 FrG gestellt hatte, und sie das Vorbringen des Beschwerdeführers keiner Beurteilung nach § 37 Abs. 1 oder 2 FrG unterzog, belastete sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 30. April 1999

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1995211009.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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