Entscheidungsdatum
11.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W246 2141512-1/25E
Schriftliche Ausfertigung des am 06.12.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses:
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Heinz VERDINO als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX (alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX), StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2016, Zl. 1068290610/150501126, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) I. Der Beschwerde wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer
gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
II. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 12.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 14.05.2015 fand vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes die niederschriftliche Erstbefragung des Beschwerdeführers statt.
3. Am 05.08.2015 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, in der auf Grundlage eines zuvor eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens zur Altersbestimmung die Volljährigkeit des Beschwerdeführers festgestellt wurde.
4. Am 05.10.2016 erfolgte eine weitere niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Dabei gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater in ihrem Heimatdorf Mitglied im Rat der Dorfältesten gewesen sei und einer seiner Brüder der afghanischen Nationalarmee angehört habe. Sowohl der Vater als auch dieser Bruder des Beschwerdeführers seien von den Taliban getötet worden. In weiterer Folge hätten afghanische Sicherheitskräfte eine Operation im Nachbardorf des Beschwerdeführers durchgeführt, bei welcher ein hochrangiger Talibankommandant getötet worden sei. In der Folge hätten die Taliban den Beschwerdeführer verdächtigt, dass er mit den afghanischen Sicherheitskräften in Verbindung stehe. Aus diesen Gründen habe der Beschwerdeführer Afghanistan verlassen und sei nach Europa gereist.
Der Beschwerdeführer legte in dieser Einvernahme mehrere Dokumente zum Nachweis seiner Integrationsverfestigung in Österreich vor.
5. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz mit dem im Spruch genannten Bescheid bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 24/2016, und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg.cit. ab. Weiters erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit., erließ ihm gegenüber gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 25/2016, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016, und stellte gemäß § 52 Abs. 9 leg.cit. fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 leg.cit. zulässig sei (Spruchpunkt III.). Schließlich sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 leg.cit. die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.)
6. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde.
7. Mit Schreiben seiner Rechtsvertreterin vom 16.01.2017, 23.05.2017, 31.12.2017 und 28.03.2018 brachte der Beschwerdeführer weitere Unterlagen hinsichtlich seiner Integration in Österreich in Vorlage.
8. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 10.10.2018 u.a. im Beisein der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in welcher er ausführlich zu seinen Fluchtgründen, seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat und seiner Integration in Österreich befragt wurde. An der Verhandlung nahm kein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl teil; mit der Beschwerdevorlage hatte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mitgeteilt, dass es auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung verzichte.
In der Verhandlung wurde ein vom Beschwerdeführer beantragter Zeuge zur Integration des Beschwerdeführers in Österreich befragt. Der Beschwerdeführer legte in der Verhandlung zahlreiche weitere Unterlagen zum Nachweis seiner Integrationsverfestigung in Österreich und auch zu seinem gesundheitlichen Zustand vor.
9. Mit Schreiben vom 25.10.2018 nahm der Beschwerdeführer zu dem vom Bundesverwaltungsgericht in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterial Stellung.
10. Am 06.12.2018 setzte das Bundesverwaltungsgericht die mündliche Verhandlung fort. Nach Schluss der Verhandlung verkündete der Richter das gegenständliche Erkenntnis samt den wesentlichen Entscheidungsgründen. Das Verhandlungsprotokoll vom 06.12.2018 wurde dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl samt Hinweis auf die mündliche Verkündung am selben Tag mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes übermittelt.
11. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beantragte mit Schreiben vom 10.12.2018 fristgerecht eine schriftliche Ausfertigung des am 06.12.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des erhobenen Antrages auf internationalen Schutz, der Erstbefragung sowie Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, der erhobenen Stellungnahme und der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister sowie das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat:
Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und ist am XXXX geboren.
Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu.
Der Beschwerdeführer ist in einem Dorf in der Provinz Nangarhar geboren und aufgewachsen. Er besuchte in einem Nachbardorf fünf Jahre lang die Schule und arbeitete mehrere Jahre lang als Schneider.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
1.2. Zu den Fluchtgründen und zur Ausreise des Beschwerdeführers:
Der Vater des Beschwerdeführers war einer der Dorfältesten im Heimatdorf des Beschwerdeführers. In dieser Funktion traf der Vater des Beschwerdeführers bei einer Streitschlichtung zwischen zwei Familien eine Entscheidung, welche nicht den Regeln der Scharia entsprach. Nachdem die Taliban davon erfahren hatten, warfen sie dem Vater des Beschwerdeführers vor, dass er sich mit ihnen in dieser Angelegenheit nicht beraten hätte, weshalb er bestraft werden müsste. Ungefähr eine Woche später wurde der Vater des Beschwerdeführers von den Taliban erschossen. Etwa ein bis zwei Monate nach dem Tod des Vaters des Beschwerdeführers kam einer seiner Brüder, der damals bei der afghanischen Nationalarmee als Soldat tätig war, nach Hause in das Heimatdorf, wo er von den Taliban vom Elternhaus des Beschwerdeführers mitgenommen und kurz darauf ermordet wurde. Drei Tage später kamen Taliban zum Elternhaus des Beschwerdeführers und teilten seiner Mutter mit, dass der Beschwerdeführer ebenfalls von ihnen getötet würde, wenn er Polizist, Soldat oder Lokalpolizist werden bzw. wenn er für die Regierung spionieren würde. Etwa zwei Wochen später griffen afghanische Sicherheitskräfte einen Stützpunkt der Taliban in der Nähe des Heimatdorfes des Beschwerdeführers an. Die Taliban verdächtigten daraufhin den Beschwerdeführer, der Regierung Informationen über den Standort des Stützpunktes weitergeleitet zu haben. Aus diesem Grund reiste der Beschwerdeführer schließlich aus Afghanistan aus und gelangte in der Folge nach Österreich, wo er am 12.05.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Dem Beschwerdeführer droht aufgrund einer ihm seitens der Taliban (v.a. wegen der Tätigkeit seines Vaters als einer der Dorfältesten im Heimatdorf und der Tätigkeit eines seiner Brüder als Soldat für die Nationalarmee) unterstellten Weiterleitung von Informationen an die Regierung bei einer Rückkehr nach Afghanistan die Gefahr der Tötung durch die Taliban.
1.3. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
1.3.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 mit Aktualisierungen bis 23.11.2018 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
Nangarhar
Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und an den Gebirgszug Spinghar im Süden (Pajhwok o.D.g). Die Provinzhauptstadt Jalalabad ist 120 km von Kabul entfernt (Xinhua 10.2.2017). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.573.973 geschätzt (CSO 4.2017).
Die Provinz Nangarhar besteht, neben der Hauptstadt Jalalabad, aus folgenden Distrikten: Ghani Khil/Shinwar, Sherzad, Rodat, Kama, Surkhrod, Khogyani, Hisarak/Hesarak, Pachiragam/Pachir Wa Agam, DehBala/Deh Balah/Haska Mina, Acheen/Achin, Nazyan, Mohmand Dara/Muhmand Dara, Batikot, Kot, Goshta, Behsood/Behsud, Kuz Kunar/Kuzkunar, Dara-e Noor/Dara-e-Nur, Lalpora/Lalpur, Dur Baba/Durbaba und Chaparhar (UN OCHA 4.2014; vgl. EASO 12.2017).
Nangarhar zählte 2017 zu den Provinzen mit der höchsten Opium-Produktion (UNODC 11.2017).
Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage
In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert (Khaama Press 2.1.2018; vgl Reuters 14.5.2018); Nangahar war seit dem Sturz des Taliban-Regimes eine der relativ ruhigen Provinzen im Osten Afghanistans, jedoch versuchen bewaffnete Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Provinz auszuweiten (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018, GT 22.1.2018). Begründet wird das damit, dass seit dem Fall des Talibanregimes von weniger Vorfällen berichtet worden war (Khaama Press 28.1.2018). In den letzten Jahren versuchten Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen (Khaama Press 11.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018, Khaama Press 3.2.2018, Khaama Press 5.10.2017, GT 22.1.2018, SD 22.2.2018). Befreiungsoperationen, in denen auch Luftangriffe gegen den IS getätigt werden, werden in den unruhigen Distrikten der Provinz durchgeführt (Pajhwok 16.3.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018). Angriffe auch auf lokale Beamte und Sicherheitskräfte in der Provinz werden regelmäßig von Aufständischen der Taliban und dem IS durchgeführt (RFERL 12.3.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 795 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert.
Nangarhar war die Provinz mit den meisten im Jahr 2017 registrierten Anschlägen (Pajhwok 14.1.2018).
Im gesamten Jahr 2017 wurden in Nangarhar 862 zivile Opfer (344 getötete Zivilisten und 518 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 1% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (UNAMA 2.2018).
Militärische Operationen in Nangarhar
In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen ausgeführt (VoA 11.1.2018), um gewisse Distrikte von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 4.3.2018; vgl. Khaama Press 3.2.2018, Khaama Press 14.1.2018, Khaama 7.1.2018, Khaama Press 13.5.2017). Ebenso werden Luftangriffe durchgeführt (ABNA 16.3.2018; vgl. Khaama Press 11.3.2018, GT 22.1.2018, Khaama Press 1.3.2018, Khaama Press 14.1.2018a, Khaama Press 2.1.2018); in manchen Fällen wurden Aufständische getötet (Tolonews 26.5.2018; vgl. Khaama Press 11.3.2018, SD 22.2.2018, Khaama Press 1.3.2018, Khaama Press 2.3.2018, Khaama Press 7.1.2018, Khaama Press 13.5.2017), darunter auch IS-Kämpfer (Tolonews 31.5.2018; vgl. ABNA 16.3.2018, GT 22.1.2018).
Regierungsfeindliche Gruppierungen in Nangarhar
Anhänger der Taliban, als auch des IS haben eine Präsenz in gewissen Distrikten der Provinz (Pajhwok 16.3.2018; vgl. Khaama Press 4.3.2018), zu diesen werden mehrere südliche Distrikte gezählt (VoA 11.1.2018). Nachdem die Grausamkeit des IS ihren Höhepunkt erreicht hat, sind die Taliban in Nangarhar beliebter geworden und haben an Einfluss gewonnen. Auch ist es dem IS nicht mehr so einfach möglich, Menschen zu rekrutieren (AN 6.3.2018).
Obwohl militärische Operationen durchgeführt werden, um Aktivitäten der Aufständischen zu unterbinden, sind die Taliban in einigen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 12.1.2018). In Nangarhar kämpfen die Taliban gegen den IS, um die Kontrolle über natürliche Minen und Territorium zu gewinnen, insbesondere in der Tora Bora Region, die dazu dient, Waren von und nach Pakistan zu schmuggeln (AN 6.3.2018). Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und IS fanden statt, dabei ging es um Kontrolle von Territorium (UNGASC 27.2.2018). In einem Falle haben aufständische Taliban ihren ehemaligen Kommandanten getötet, da ihm Verbindungen zum IS nachgesagt wurden (Khaama Press 20.1.2018).
Seit dem Jahr 2014 tauchen immer mehr Berichte zu einem Anstieg von Aktivitäten des IS in manchen abgelegenen Teilen der Provinz, dazu zählt auch der Distrikt Achin (Pajhwok 16.3.2018; vgl. Khaama Press 14.1.2018, Khaama Press 20.1.2018). Der IS zeigte weiterhin große Widerstandsfähigkeit, wenngleich die afghanischen und internationalen Kräfte gemeinsame Operationen durchführten. Die Gruppierung führte mehrere Angriffe gegen die zivile Bevölkerung und militärische Ziele aus, insbesondere in Kabul und Nangarhar (UNGASC 27.2.2018).
Eine Anzahl Aufständischer der Taliban und des IS haben sich in der Provinz Nangarhar dem Friedensprozess angeschlossen (Khaama Press 5.10.2017; vgl. Khaama Press10.1.2018).
Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Nangharhar IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen Zivilisten, Auseinandersetzungen mit den Streitkräften und Gewalt) gemeldet (ACLED 23.2.2018).
Religionsfreiheit
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten (CIA 2017; vgl. USCIRF 2017). Schätzungen zufolge sind etwa 10 - 19% der Bevölkerung Schiiten (AA 5.2018; vgl. CIA 2017). Andere in Afghanistan vertretene Glaubensgemeinschaften wie die der Sikhs, Hindus, Baha¿i und Christen machen ca. 0,3% der Bevölkerung aus. Offiziell lebt noch ein Jude in Afghanistan (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (USDOS 15.8.2017). Der politische Islam behält in Afghanistan die Oberhand; welche Gruppierung - die Taliban (Deobandi-Hanafismus), der IS (Salafismus) oder die afghanische Verfassung (moderater Hanafismus) - religiös korrekter ist, stellt jedoch weiterhin eine Kontroverse dar. Diese Uneinigkeit führt zwischen den involvierten Akteuren zu erheblichem Streit um die Kontrolle bestimmter Gebiete und Anhängerschaft in der Bevölkerung (BTI 2018).
Das afghanische Strafgesetzbuch, das am 15.2.2018 in Kraft getreten ist, enthält keine Definition von Apostasie (vgl. MoJ 15.5.2017). Laut der sunnitisch-hanafitischen Rechtsprechung gilt die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion als Apostasie. Jeder Konvertit soll laut islamischer Rechtsprechung drei Tage Zeit bekommen, um seinen Konfessionswechsel zu widerrufen. Sollte es zu keinem Widerruf kommen, gilt Enthauptung als angemessene Strafe für Männer, während Frauen mit lebenslanger Haft bedroht werden. Ein Richter kann eine mildere Strafe verhängen, wenn Zweifel an der Apostasie bestehen. Auch kann die Regierung das Eigentum des/der Abtrünnigen konfiszieren und dessen/deren Erbrecht einschränken. Des Weiteren ist gemäß hanafitischer Rechtssprechung Proselytismus (Missionierung, Anm.) illegal. Dasselbe gilt für Blasphemie, die in der hanafitischen Rechtssprechung unter die Kapitalverbrechen fällt (USDOS 15.8.2017) und auch nach dem neuen Strafgesetzbuch unter der Bezeichnung "religionsbeleidigende Verbrechen" verboten ist (MoJ 15.5.2017: Art. 323). Zu Verfolgung von Apostasie und Blasphemie existieren keine Berichte (USDOS 15.8.2017).
Die Religionsfreiheit hat sich seit 2001 zwar verbessert, jedoch wird diese noch immer durch Gewalt und Drangsale gegen religiöse Minderheiten und reformerische Muslime behindert (FH 11.4.2018).
Anhänger religiöser Minderheiten und Nicht-Muslime werden durch das geltende Recht diskriminiert (USDOS 15.8.2017; vgl. AA 5.2018); so gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung für alle afghanischen Bürger/innen unabhängig von ihrer Religion (AA 5.2018). Wenn weder die Verfassung noch das Straf- bzw. Zivilgesetzbuch bei bestimmten Rechtsfällen angewendet werden können, gilt die sunnitisch-hanafitische Rechtsprechung. Laut Verfassung sind die Gerichte dazu berechtigt, das schiitische Recht anzuwenden, wenn die betroffene Person dem schiitischen Islam angehört. Gemäß der Verfassung existieren keine eigenen, für Nicht-Muslime geltende Gesetze (USDOS 15.8.2017).
Ein Muslim darf eine nicht-muslimische Frau heiraten, aber die Frau muss konvertieren, sofern sie nicht Anhängerin einer anderen abrahamitischen Religion (Christentum oder Judentum) ist. Einer Muslima ist es nicht erlaubt, einen nicht-muslimischen Mann zu heiraten (USDOS 15.8.2017). Ehen zwischen zwei Nicht-Muslimen sind legal, solange das Paar nicht öffentlich ihren nicht-muslimischen Glauben deklariert (HO U.K. 2.2017; vgl. USDOS 10.8.2016). Die nationalen Identitätsausweise beinhalten Informationen über die Konfession des Inhabers/der Inhaberin. Das Bekenntnis zum Islam wird für den Erwerb der Staatsbürgerschaft nicht benötigt (USDOS 15.8.2017). Religiöse Gemeinschaften sind gesetzlich nicht dazu verpflichtet, sich registrieren zu lassen (USDOS 15.8.2017).
Laut Verfassung soll der Staat einen einheitlichen Lehrplan, der auf den Bestimmungen des Islam basiert, gestalten und umsetzen; auch sollen Religionskurse auf Grundlage der islamischen Strömungen innerhalb des Landes entwickelt werden. Der nationale Bildungsplan enthält Inhalte, die für Schulen entwickelt wurden, in denen die Mehrheiten entweder schiitisch oder sunnitisch sind; ebenso konzentrieren sich die Schulbücher auf gewaltfreie islamische Bestimmungen und Prinzipien. Der Bildungsplan beinhaltet Islamkurse, nicht aber Kurse für andere Religionen. Für Nicht-Muslime an öffentlichen Schulen ist es nicht erforderlich, am Islamunterricht teilzunehmen (USDOS 15.8.2017).
Christen berichteten, die öffentliche Meinung stehe ihnen und der Missionierung weiterhin feindselig gegenüber. Mitglieder der christlichen Gemeinschaft, die meistens während ihres Aufenthalts im Ausland zum Christentum konvertierten, würden aus Furcht vor Vergeltung ihren Glauben alleine oder in kleinen Kongregationen in Privathäusern ausüben (USDOS 15.8.2017).
Hindus, Sikhs und Schiiten, speziell jene, die den ethnischen Hazara angehören, sind Diskriminierung durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt (CRS 13.12.2017).
Beobachtern zufolge sinkt die gesellschaftliche Diskriminierung gegenüber der schiitischen Minderheit weiterhin; in verschiedenen Gegenden werden dennoch Stigmatisierungsfälle gemeldet (USDOS 15.8.2017).
Mitglieder der Taliban und des IS töten und verfolgen weiterhin Mitglieder religiöser Minderheiten aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Beziehungen zur Regierung (USDOS 15.8.2017; vgl. CRS 13.12.2017, FH 11.4.2018). Da Religion und Ethnie oft eng miteinander verbunden sind, ist es schwierig, einen Vorfall ausschließlich durch die religiöse Zugehörigkeit zu begründen (USDOS 15.8.2017).
Ethnische Minderheiten
In Afghanistan leben laut Schätzungen vom Juli 2017 mehr als 34.1 Millionen Menschen (CIA Factbook 18.1.2018). Zuverlässige statistische Angaben zu den Ethnien Afghanistans und zu den verschiedenen Sprachen existieren nicht (BFA Staatendokumentation 7.2016; vgl. CIA Factbook 18.1.2018). Schätzungen zufolge sind 40% Paschtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Auch existieren noch andere ethnische Minderheiten, wie z.B. die Aimaken, die ein Zusammenschluss aus vier semi-nomadischen Stämmen mongolisch-iranischer Abstammung sind, sowie die Belutschen, die zusammen etwa 4% der Bevölkerung ausmachen (GIZ 1.2018; vgl. CIA Factbook 18.1.2018).
Artikel 4 der Verfassung Afghanistans besagt: "Die Nation Afghanistans besteht aus den Völkerschaften der Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Paschai, Nuristani, Aimaq, Araber, Kirgisen, Qizilbasch, Gojar, Brahui und anderen Völkerschaften. Das Wort ‚Afghane' wird für jeden Staatsbürger der Nation Afghanistans verwendet." (BFA Staatendokumentation 7.2016). Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung (Art. 16) sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten eingeräumt, wo die Mehrheit der Bevölkerung (auch) eine dieser Sprachen spricht: Usbekisch, Turkmenisch, Belutschisch, Pashai, Nuristani und Pamiri (AA 5.2018; vgl. MPI 27.1.2004). Es gibt keine Hinweise, dass bestimmte soziale Gruppen ausgeschlossen werden. Keine Gesetze verhindern die Teilnahme der Minderheiten am politischen Leben. Nichtsdestotrotz beschweren sich unterschiedliche ethnische Gruppen, keinen Zugang zu staatlicher Anstellung in Provinzen haben, in denen sie eine Minderheit darstellen (USDOS 20.4.2018).
Der Gleichheitsgrundsatz ist in der afghanischen Verfassung rechtlich verankert, wird allerdings in der gesellschaftlichen Praxis immer wieder konterkariert. Soziale Diskriminierung und Ausgrenzung anderer ethnischer Gruppen und Religionen im Alltag besteht fort und wird nicht zuverlässig durch staatliche Gegenmaßnahmen verhindert (AA 5.2018). Ethnische Spannungen zwischen unterschiedlichen Gruppen resultierten weiterhin in Konflikten und Tötungen (USDOS 20.4.2018).
Paschtunen
Ethnische Paschtunen sind die größte Ethnie Afghanistans. Sie sprechen Paschtu/Pashto; die meisten ihrer Regierungsvertreter sprechen auch Dari (CSR 12.1.2015). Die Paschtunen haben viele Sitze in beiden Häusern des Parlaments, jedoch nicht mehr als 50% der Gesamtsitze (USDOS 20.4.2018). Die Paschtunen sind im nationalen Durchschnitt mit etwa 44% in der Afghan National Army (ANA) und der Afghan National Police (ANP) repräsentiert (Brookings 25.5.2017).
Paschtunen siedeln in einem halbmondförmigen Gebiet, das sich von Nordwestafghanistan über den gesamten Süden und die Gebiete östlich von Kabul bis in den Nordwesten Pakistans erstreckt. Kleinere Gruppen sind über das gesamte Land verstreut, auch im Norden des Landes, wo Paschtunen Ende des 19. Jahrhunderts speziell angesiedelt wurden und sich seitdem auch selbst angesiedelt haben (BFA Staatendokumentation 7.2016).
Grundlage des paschtunischen Selbstverständnisses sind ihre genealogischen Überlieferungen und die darauf beruhende Stammesstruktur. Eng mit der Stammesstruktur verbunden ist ein komplexes System von Wertvorstellungen und Verhaltensrichtlinien, die häufig unter dem Namen Pashtunwali zusammengefasst werden und die besagen, dass es für einen Paschtunen nicht ausreicht, Paschtu zu sprechen, sondern dass man auch die Regeln dieses Ehren- und Verhaltenskodex befolgen muss. Die Zugehörigkeit zu einem bestimmten Stammlinienverband bedeutet viele Verpflichtungen, aber auch Rechte, weshalb sich solche Verbände als Solidaritätsgruppen verstehen lassen (BFA Staatendokumentation 7.2016).
1.3.2. Auszug aus der gutachterlichen Stellungnahme der Ländersachverständigen Mag. MALYAR vom 23.09.2017 im Verfahren betreffend einen anderen Asylwerber vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Zl. W246 2137371-1 (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
"[...]
Fragestellung des Gerichts: Ist in Afghanistan im Allgemeinen Schutzfähig- und Schutzwilligkeit des Polizei- und Justizapparats vor Gewalthandlungen durch Privatpersonen vorhanden?
In der Strategie der westlichen Besatzer, bis 2014 durch Aufrüstung der afghanischen Sicherheitskräfte, kommt der afghanischen Polizei eine wichtige Rolle zu: Sie soll die vom Militär befreiten Gebiete halten und die Sicherheit garantieren, die für einen zivilen Aufbau notwendig ist. Die afghanische Polizei sowie der Justizapparat sind jedoch als hochgradig korrupt bekannt. Der schlechte Ruf der Sicherheitskräfte und der Justiz ist seit Jahren konstant. Somit sind Justiz und Polizei weiterhin häufig schlecht ausgestattet und ausgebildet. Diese mangelhafte Ausbildung der Polizisten stellt ein großes Problem dar. Beim Aufbau des Polizeiapparates wurde lange Zeit die Quantität der Qualität bevorzugt. Dennoch sind die Armee und Polizei gewachsen. Allerdings sind bei der Besetzung höherer Stellen innerhalb der Polizei persönliche Beziehungen wichtiger als der professionelle Hintergrund. Auch die schlechte Ausrüstung wurde immer wieder bemängelt, so fehlt es beispielsweise vielen Polizisten an Munition und Fahrzeugen. All dies führt dazu, dass weder die Polizei noch die Justiz wirklich in der Lage sind, der Bevölkerung Schutz zu gewähren.
[...]"
1.3.3. Auszug aus dem Gutachten der Ländersachverständigen STAHLMANN vom 28.03.2018 u.a. zur Reichweite von Überwachung und Verfolgung durch die Taliban in Afghanistan im Verfahren betreffend einen Asylwerber vor dem Verwaltungsgericht Wiesbaden zur Zl. AZ: 7 K 1757/16.WI.A (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
"[...]
Reichweite von Überwachung und Verfolgung
Die Gefahr, die von Verfolgung als Kriegsstrategie ausgeht, ergibt sich aus der nationalen geheimdienstlichen Organisation, deren Methoden der Überwachung, dem internen Informationsfluss und der sozialen wie lokalen Reichweite der Verfolgung. Zusammenfassend konstatiert UNHCR: ‚Angesichts des geografisch großen Wirkungsradius einiger regierungsfeindlicher Kräfte (AGEs) existiert für Personen, die durch solche Gruppen verfolgt werden, keine sinnvolle interne Schutzalternative.' (UNHCR 19.04.2016, vgl. Immigration and Refugee Board of Canada 15.02.2016)
Da die Verfolgung von Gegnern, wie oben dargestellt, der Abschreckung, Einschüchterung und als Druck zur Kooperation dient, würde sie weitgehend ihre Macht verlieren, wenn man ihr alleine durch einen Wechsel der Provinz entkommen könnte. Stattdessen stellt die Flucht vor der Zusammenarbeit selbst einen Akt des Widerstands dar [...] und so unterschiedlich lokale Talibanverbände sein mögen, teilen sie doch das Interesse, dass die Autorität der Taliban grundsätzlich nicht in Frage gestellt wird. Je weniger prominent Opfer dieser Verfolgung sind, desto größer ist hierbei die abschreckende Breitenwirkung. Es ist also unabhängig von Rang, Berufsstand oder Prominenz davon auszugehen, dass Flucht nicht geduldet wird [und] das Verfolgungsinteresse landesweit besteht.
Seit 2010 hat, wie von Giustozzi ausführlich dokumentiert, in diesem Sinne eine erhebliche Professionalisierung der geheimdienstlichen Strukturen der Überwachung und Verfolgung stattgefunden. So betreiben zwar die einzelnen Shuras ihre eigenen Geheimdienste, haben aber, mit Ausnahme der Rasool Shura, Mechanismen etabliert, durch die sie Informationsaustausch gewährleisten. Unter anderem pflegen sie so eine nationale Liste von Zielpersonen, die zu Gegnern deklariert und zur Exekution freigegeben sind. (Giustozzi 23.08.2017b)
Eingespeist werden in diese Liste Informationen aus einer Vielzahl von Quellen. Dazu gehören zum einen speziell ausgebildete hauptamtliche Geheimdienstmitarbeiter, von denen es in 2016 landesweit sowie im Iran und Pakistan geschätzt 6000 gab. Dazu zählen allein in Kabul 1.500 hauptamtliche Spitzel. (Giustozzi 23.08.2017b: 10 und 19)
Neben diesen gibt es zwei weitere Kategorien von Informanten. Zum einen jene, die unbezahlt aus Sympathie oder im Tausch für Schutz vor Verfolgung Informationen bereitstellen, zum anderen jene, die sich für Informationen bezahlen lassen. In der Überprüfung, wer sich oppositionell positioniert hat oder einfach nur nützlich sein könnte, bedienen sich die Taliban so eines landesweiten Überwachungsapparats. [...]
Informanten finden sich in allen Gesellschaftsschichten und -bereichen, von ehemaligen Kämpfern über einfache Dorfbewohner, Geschäftsleute, Ladenbesitzer, Fahrer, Bettler, bis hin zu Imamen. (vgl. Immigration and Refugee Board 15.02.2016, Giustozzi 23.08.2017b: 7) Besondere Zielgruppe in der Rekrutierung von Informanten sind jedoch Angehörige der Sicherheitskräfte und der Polizei, Regierungsmitarbeiter, des NDS und jener, die Zugang zu kritischen Zielen haben. Da Sicherheitskräfte meist das erste Ziel derartiger Unterwanderung sind, ist es gleich in mehrerlei Hinsicht gefährlich, der Polizei Taliban-Drohungen anzuzeigen -einerseits, weil es die Veröffentlichung der Verweigerung der Kooperation darstellt, andererseits, weil die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass es in der Polizei Spitzel gibt, die diesen Verrat direkt den Taliban melden. (Immigration and Refugee Board of Canada 10.02.2015) In 2015 sollen die Taliban allein 900 Informanten in den Sicherheitskräften und der Regierung gehabt haben. (Giustozzi 23.08.2017b: 7)
Was die Überwachung der Bevölkerung verhältnismäßig einfach macht ist, dass die relevanten Informationen durch ohnehin stattfindende alltägliche soziale Kontrolle generiert werden. Diese soziale Kontrolle diente traditionell nicht nur der Durchsetzung sozialer Normen im direkten sozialen Umfeld - also des Verhaltens und der Beziehungen jedes Einzelnen. Sie war auch immer schon Grundlage für den vertrauensvollen Umgang mit Fremden. Traditionell ging es hierbei darum zu überprüfen, ob und wieweit ein Fremder in eine soziale Gemeinschaft Einlass finden dürfte, ob er sich längerfristig an dem Ort aufhalten und vielleicht sogar ansiedeln darf, ob es klug und verantwortungsvoll wäre mit ihm Handels- oder gar Heiratsbeziehungen zu etablieren, etc. Für diese Überprüfung werden traditionell biografische Angaben abgefragt, über bestehende Netzwerke an den angegebenen biografischen Stationen überprüft und zugleich Informationen über den Leumund des Betroffenen und seiner Familie eingeholt.
[...]
Dazu kommt die - auch durch die Taliban genutzte - Überwachung mithilfe sozialer Medien, sowie die Durchsuchung und Befragung von Reisenden an Checkpoints (Immigration and Refugee Board of Canada 15.02.2016). Die ohnehin stattfindende Kontrolle der Straßen dient so auch der Kontrolle von Reisenden und der Verhinderung von Flucht:
[...]
Zwar haben die Taliban wohl keinen direkten Zugriff auf die Mitarbeiterdatenbanken der Regierung (Giustozzi 23.08.2017b: 13f.), doch nach der Besetzung von Kunduz in 2015 gab es Berichte, dass sie auch Fingerabdruckscanner der afghanischen Sicherheitskräfte erobert hätten, was bedeuten würde, dass sie die Identifizierung von staatlichem Sicherheits- und Regierungspersonal vornehmen könnten (Khan/The Express Tribune 10.06.2016, Webermann/Deutschlandfunk 23.08.2016). Verdachtsmomente ob der Loyalität der Reisenden zu den Taliban werden auch an Kleidung, Gepäck, mitgeführten Dokumenten, Akzent, Haarschnitt, ethnischer Zugehörigkeit und ähnlichen offensichtlichen Markern festgemacht. (Beispiele in: Maley 15.10.2014, Pro Asyl 01.06.2017, Refugee Support Network April 2016:
30) Nach eigenen Angaben haben sie auch Informanten in der Grenzpolizei am Flughafen Kabul sowie an den Grenzübergängen. (Giustozzi 23.08.2017b: 14)
Die Informationen über Gegner werden dann mit Kontaktdetails wie Adressen und Telefonnummern in landesweite Such-und Exekutionslisten eingepflegt, von denen wiederum lokale Unterlisten an die lokalen Geheimdienstsektionen ausgegeben werden, die sie an die lokalen Exekutionseinheiten, Checkpoints und lokalen Patrouillen weitergeben. (Giustozzi 23.08.2017b: 8 und 19) Formelle und informelle Methoden der landesweiten Überwachung und Verfolgung greifen so ineinander und das erfolgreich etablierte Wissen um die Ernsthaftigkeit der Bedrohung und ihre Unausweichlichkeit auch in offiziell von der Regierung kontrolliertem Kabul hat sich längst als überlebenswichtiges Alltagswissen durchgesetzt. So [...]: ‚In Kabul kommt es häufig zu Fällen, in denen junge Männer getötet werden und Gerüchte wollen wissen, dass es sich um Racheakte der Taliban handle. Die Kabuler Kriminalpolizei bestätigt, dass in Kabul sehr häufig junge Männer ‚verschwinden'. Auf ihre Vermisstenanzeigen erhalten die Angehörigen bei der Polizei oft die Auskunft, dann seien sie vermutlich von den Taliban entführt worden. Häufig werden Leichen von Verschwundenen in der Umgebung von Kabul gefunden (zitiert in Christ 08.04.2016: 14). Die meisten Tötungen und Anschläge finden hierbei nach Talibanangaben außerhalb des Zentrums in den weniger geschützten Bezirken statt. (Giustozzi 23.8.2017b: 10)
Doch nicht nur die geografische Reichweite von Verfolgung, sondern auch die Langfristigkeit der Bedrohung und die soziale Reichweite machen sie unausweichlich.
[...]"
1.3.4. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 08.06.2017 u.a. zur Verfolgung durch die Taliban in Kabul (bereinigt um grammatikalische und orthographische Fehler):
"[...]
Das Immigration and Refugee Board of Canada berichtet am 15.2.2016 unter Berufung auf ein Telefoninterview mit einem Experten des Afghanistan Analyst Networks, dass die Taliban in der Lage sind, sich auf lokaler Ebene in Kabul Informationen zu beschaffen und somit gezielte Angriffe in einigen städtischen Zentren durchführen können. Der Professor [Anmerkung: ein Professor, Direktor des Programmes für Culture and Conflict at the Naval Postgraduate School in California] erklärte, dass die Taliban über Schattengouverneure und militärische Kommandanten in fast allen Provinzen verfügen. Der Austausch von Kommunikation und Informationen zwischen den Kommandostrukturen ist ebenso wahrscheinlich, wie Informationen über den Hintergrund einer Person zu erhalten.
Nach Angabe des oben genannten Professors ist es schwieriger, Menschen zu verfolgen, welche in städtische Umgebungen umgezogen sind. Doch haben auch dort die Taliban ihre Spione und Mitglieder, welche beträchtliche Informationen sammeln können.
[...]"
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seinen persönlichen Umständen im Herkunftsstaat (Pkt. II.1.1.):
Die Feststellung zum Namen des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen dahingehenden Angaben im Verfahren (s. u.a. Aktenseiten [in der Folge: AS] 27 und 167 sowie S. 12 des Verhandlungsprotokolls vom 10.10.2018); der Beschwerdeführer vermochte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft darzulegen, dass die in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2016 vorgenommene Protokollierung seines Namens mit "XXXX" fehlerhaft zustande gekommen ist (vgl. S. 12 des Verhandlungsprotokolls vom 10.10.2018). Die Feststellung zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers ergibt sich in erster Linie aus dem vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten zur Altersbestimmung (AS 75 ff.), welcher der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die zur Identität des Beschwerdeführers (Name und Geburtsdatum) getroffenen Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung des Beschwerdeführers im Verfahren.
Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des Beschwerdeführers gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen - im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden - Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.
Die Feststellungen zu seinem Geburtsort und seinem schulischen sowie beruflichen Werdegang ergeben sich aus seinen im Laufe des Verfahrens getätigten, im Wesentlichen gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben. Das Datum der Antragstellung ergibt sich aus dem Akteninhalt.
Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem eingeholten Strafregisterauszug.
2.2. Zu den Feststellungen zu den Fluchtgründen und zur Ausreise des Beschwerdeführers (Pkt. II.1.2.):
2.2.1. Der Beschwerdeführer wiederholte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht glaubhaft die in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 05.10.2016 getätigten Angaben zu seinem Fluchtgrund und führte diese nach konkreterer Befragung durch den erkennenden Richter näher aus. Er vermochte mit seinen Ausführungen ein eindeutig nachvollziehbares Bild der von ihm erlebten Geschehnisse zu zeichnen und vermittelte neben seinen im Kern widerspruchsfreien Angaben auch durch sein Auftreten, durch seine klare sowie authentische Art der Schilderung der relevanten Ereignisse und v.a. durch sein - teils von sich aus, teils auf Nachfrage durch den erkennenden Richter dargelegtes - Detailwissen zu den im Zusammenhang mit dem Fluchtvorbringen stehenden Umständen und Gegebenheiten einen äußerst glaubwürdigen Eindruck.
So vermochte der Beschwerdeführer z.B. die Fragen zur Tätigkeit seines Vaters als einer der "Dorfältesten" relativ genau zu beantworten und auch auf Nachfrage des erkennenden Richters detaillierte und plausible Angaben abzugeben (s. v.a. S. 15 ff. des Verhandlungsprotokolls vom 10.10.2018).
Auch bezüglich der Tötung seines Vaters durch die Taliban offenbarte der Beschwerdeführer Detailwissen, welches den Eindruck einer wahrheitsgetreuen Schilderung vermittelte (s. u.a. S. 18 des Verhandlungsprotokolls vom 10.10.2018: "R: Hat Ihr Vater alleine oder mit noch jemandem zu diesem Zeitpunkt vor seiner Tötung auf den Feldern gearbeitet? BF: Auf unseren Feldern war mein Vater damals alleine. Am Nachmittag kommen aber die Dorfbewohner hinaus, um ihre letzten Erledigungen zu machen, weil es in dieser Gegend nicht möglich ist, nach Einbruch der Dunkelheit draußen etwas vorzunehmen.
Es gibt dort keinen Strom, demzufolge ist es draußen sehr dunkel. R:
Sind Sie damals alleine nach draußen gegangen, als Sie die Schüsse gehört haben, oder sind noch andere Familienangehörige mit Ihnen nach draußen gegangen, die ebenfalls zu diesem Zeitpunkt zu Hause anwesend waren? BF: Ich bin am Anfang alleine hinausgelaufen. Ich möchte kurz beschreiben, wo sich diese Felder befinden, die liegen nämlich nahe bei unserem Haus. Auf einer Seite liegt das Flussbett, daneben sind Felder und neben den Feldern liegen, etwas höher gelegen in Richtung des Berges, die Häuser. Das Zimmer, in dem ich gearbeitet habe, war am nächsten zum Haupteingang. Deshalb bin ich als erster hinausgegangen. Als ich erfahren habe, dass die Taliban meinen Vater getötet haben, habe ich auch gesehen, dass meine Mutter dort war. Sie hatte allerdings ihr Kopftuch verloren und hat geweint sowie geschrien. [...]").
Weiters schilderte der Beschwerdeführer auch die Geschehnisse bezüglich der kurz darauf erfolgten Mitnahme und Tötung eines seiner Brüder durch die Taliban relativ präzise und lebensnah (vgl. S. 19 des Verhandlungsprotokolls vom 10.10.2018: "[...] BF: Mein Bruder und meine Schwägerin hatten ihr eigenes Zimmer, welches näher zum Haupteingang lag. Meine Schwägerin hat erzählt, dass es in der Nacht am Tor geklopft hätte. Mein Bruder sei zum Tor gegangen, meine Schwägerin habe Stimmen wahrgenommen. Danach habe es Lärm gegeben, meine Schwägerin habe geschrien. Davon seien ihre Kinder aufgewacht, auch sie hätten geschrien. Bis wir aufgewacht sind und zum Tor gegangen sind, hatten die Taliban bereits meinen Bruder mitgenommen. Am nächsten Tag haben sie seine Leiche vor unserem Tor hinterlegt. Sie hatten meinen Bruder sowohl erschossen als auch seinen Kopf abgetrennt. Sie haben bei der Leiche meines Bruders einen Brief hinterlassen, dass es für meinen Bruder kein Trauergebet geben dürfe und dass niemand an seiner Beerdigung teilnehmen dürfe.").
Die sich in den Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Ausreise aus Afghanistan, seinem Aufenthalt in der Türkei und seiner Ankunft in Österreich findenden zeitlichen Ungereimtheiten konnte der Beschwerdeführer von sich aus sowie auf Nachfrage durch den erkennenden Richter weitgehend beseitigen (s. S. 6 f. des Verhandlungsprotokolls vom 10.10.2018), weshalb an der insgesamt bestehenden Annahme der Richtigkeit seiner Angaben für das Bundesverwaltungsgericht kein Zweifel besteht.
Soweit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in der Beweiswürdigung des angefochtenen Bescheides von einer nicht nachvollziehbaren Steigerung der Angaben des Beschwerdeführers zwischen Erstbefragung und Einvernahme ausgeht (s. AS 342), ist Folgendes festzuhalten: Gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 dient die Erstbefragung "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden und hat sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen (vgl. dazu auch VfGH 27.06.2012, U 98/12). Es wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes hierzu zwar nicht verkannt, dass damit kein Beweisverwertungsverbot normiert ist, weshalb die Verwaltungsbehörde in ihrer Beweiswürdigung durchaus die Ergebnisse der Erstbefragung in ihre Beurteilung miteinbeziehen kann. Die im vorliegenden Fall durch den Beschwerdeführer in seiner Einvernahme und mündlichen Verhandlung erfolgte, wesentlich detailliertere Ausführung der in der Erstbefragung nur sehr kurz und allgemein gehaltenen Ausreisegründe ist nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedoch nicht als nicht nachvollziehbare Steigerung seines Fluchtvorbringens zu werten, sondern entspricht diese vielmehr der Intention des Gesetzgebers, die "näheren" Fluchtgründe in der Erstbefragung noch nicht angeben zu müssen.
2.2.2. Dass dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund einer ihm seitens der Taliban (v.a. wegen der Tätigkeit seines Vaters als einer der Dorfältesten im Heimatdorf und der Tätigkeit eines seiner Brüder als Soldat für die Nationalarmee) unterstellten Weiterleitung von Informationen an die Regierung die Gefahr der Tötung durch die Taliban drohen würde, ergibt sich aus den - wie soeben dargestellt - glaubhaften Angaben und zudem aus dem in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterial (s. u.a. Pkt. II.1.3.).
2.3. Zu den Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat (Pkt. II.1.3.):
Die Feststellungen zur im vorliegenden Zusammenhang maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Quellen. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche darbieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums (s. u.a. die Kurzinformationen vom 08.01.2019 und 31.01.2019 zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018) für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben.
Das unter Pkt. II.1.3.1. teilweise wiedergegebene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 samt Aktualisierungen bis 11.09.2018 wurde - neben darüber hinaus gehendem Berichtsmaterial - in der mündlichen Verhandlung am 10.10.2018 in das Verfahren eingeführt und dem Beschwerdeführer dahingehend Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben (s. S. 25 des Verhandlungsprotokolls vom 10.10.2018). Der Beschwerdeführer nahm zu dem bis zu diesem Zeitpunkt in das Verfahren eingeführten Länderberichtsmaterial mit Schreiben vom 25.10.2018 Stellung. Die unter Pkt. II.1.3.2., 1.3.3. und 1.3.4. auszugsweise angeführten Länderberichte wurden dem Beschwerdeführer - neben darüber hinaus gehendem Berichtsmaterial - mit der Ladung zum Verhandlungstermin am 06.12.2018 übermittelt. Die Kurzinformation vom 23.11.2018 zum Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 29.06.2018 wurde in der mündlichen Verhandlung am 06.12.2018 in das Verfahren eingeführt.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 56/2018, (in der Folge: BFA-VG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 22/2018, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 idF BGBl. I Nr. 56/2018, (in der Folge: AsylG 2005) eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 57/2018, (in der Folge: VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg.cit. trat dieses Bundesgesetz mit 01.01.2014 in Kraft. Nach § 58 Abs. 2 leg.cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A) Stattgabe der - zulässigen - Beschwerde:
3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß den §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Statusrichtlinie verweist).
Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (vgl. VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074 uva.). Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr (vgl. VwGH 10.06.1998, 96/20/0287). Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten (VwGH 24.02.2015, Ra 2014/18/0063); auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. VwGH 28.01.2015, Ra 2014/18/0112 mwN). Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (vgl. VwGH 22.03.2000, 99/01/0256 mwN).
Die Voraussetzung der "wohlbegründeten Furcht" vor Verfolgung wird in der Regel aber nur erfüllt, wenn zwischen den Umständen, die als Grund für die Ausreise angegeben werden, und der Ausreise selbst ein zeitlicher Zusammenhang besteht (vgl. VwGH 17.03.2009, 2007/19/0459). Relevant kann nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein; sie muss bei Bescheiderlassung vorliegen, auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (vgl. u.a. VwGH 20.06.2007, 2006/19/0265 mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierungen ausgehenden Verfolgung nur dann Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintan zu halten. Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der GFK genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (vgl. VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).
Gemäß § 3 Abs. 3 Z 1 und § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Asylwerber in einem Teil seines Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihm der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann ("innerstaatliche Fluchtalternative"). Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK vorliegen kann (vgl. zur Rechtslage vor dem AsylG 2005 z.B. VwGH 15.3.2001, 99/20/0036, wonach Asylsuchende nicht des Schutzes durch Asyl bedürfen, wenn sie in bestimmten Landesteilen vor Verfolgung sicher sind und es ihnen insoweit auch zumutbar ist, den Schutz ihres Herkunftsstaates in Anspruch zu nehmen). Damit ist - wie der Verwaltungsgerichtshof zur GFK judiziert - nicht das Erfordernis einer landesweiten Verfolgung gemeint, sondern vi