Entscheidungsdatum
11.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W210 2188999-1/38E
Schriftliche Ausfertigung des am 24.01.2019 mündlich verkündeten Erkenntnisses
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Anke SEMBACHER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, Alser Straße 20, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.02.2018, Zl 1138951101-161724236/BMI-BFA_SBG_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.08.2018 und am 24.01.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 24.01.2020 erteilt.
IV. Die Spruchpunkte III., IV., V. und VI. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Einreisebestimmungen in das Bundesgebiet ein und stellte am 23.12.2016 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Am 24.12.2016 wurde der Beschwerdeführer von einem Organwalter des öffentlichen Sicherheitsdienstes zu seinem Fluchtgrund und einer allfälligen Rückkehrgefährdung befragt, dabei verwies der Beschwerdeführer auf die schlechte Sicherheitslage in Afghanistan sowie auf die Einschränkung seiner Arbeitsfähigkeit aufgrund der Verletzung seines Armes und der mangelnden medizinischen Behandlung desselbigen in Afghanistan.
3. Aufgrund seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA, belangte Behörde) gehegter Zweifel an der behaupteten Minderjährigkeit des Beschwerdeführers wurde ein Sachverständigengutachten zur Bestimmung des Knochenalters des Beschwerdeführers eingeholt, dieses ergab als Geburtsdatum den XXXX
.
4. Der Beschwerdeführer wurde am 05.01.2018 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen und zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen befragt.
5. Mit nunmehr angefochtenem Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) als auch bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Weiters wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Es wurde weiter festgestellt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die Ausführungen des Beschwerdeführers nicht glaubwürdig seien, er habe sein Fluchtvorbringen in der Einvernahme vor dem BFA gesteigert und nun eine Anhaltung in einer Koranschule durch die Taliban vorgebracht. Zudem habe der Beschwerdeführer nicht plausibel darlegen können, weshalb die Taliban gerade an seiner Person ein Interesse hegen sollten. Die Nichtzuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten begründete das BFA damit, dass der Beschwerdeführer aus einer Provinz, Nangarhar, komme, in der Taliban keine große Bedrohung darstellen würden, zudem stehe dem Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Mazar-e Sharif offen.
6. Mit Verfahrensanordnung vom 23.02.2018 wurde dem Beschwerdeführer für ein allfälliges Beschwerdeverfahren amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.
7. Mit Schreiben vom 01.03.2018 erhob der Beschwerdeführer die vorliegende vollinhaltliche Beschwerde gegen den spruchgegenständlichen Bescheid zusammengefasst wegen Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger Tatsachenfeststellung, unrichtiger Beweiswürdigung und unrichtiger rechtlicher Beurteilung.
8. Mit Datum vom 05.03.2018 legte das BFA die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Die belangte Behörde verzichtete auf die Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und beantragte die Abweisung der Beschwerde.
9. Mit Schreiben vom 23.05.2018 wurden der Beschwerdeführer, das BFA und eine Dolmetscherin zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.08.2018 geladen.
10. Mit Eingabe vom 26.07.2018 wurden Integrationsunterlagen sowie Befundberichte zum Arm des Beschwerdeführers vorgelegt.
11. Das Bundesverwaltungsgericht führte am 06.08.2018 in Anwesenheit einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu und des Vertreters des Beschwerdeführers eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, im Zuge derer der Beschwerdeführer ausführlich zu seinen Beweggründen hinsichtlich der Ausreise aus Afghanistan und zu seinen Rückkehrbefürchtungen befragt wurde.
Die erkennende Richterin brachte ein Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan vom 29.06.2018, EASO Guidance Notes zu Afghanistan vom Juni 2018, UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfes afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 samt Anmerkungen vom Dezember 2016, ein Landinfo-Bericht vom 29.06.2017 zu Afghanistan: "Rekrutierung durch die Taliban", ein Landinfo-Bericht zu Netzwerken in Afghanistan vom Jänner 2018 sowie ein Dossier der Staatendokumentation zu den Grundlagen der Stammes- und Clanstruktur aus 2016 in das Verfahren ein.
12. Eine gesonderte Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Berichten sowie weitere Befundberichte langten in weiterer Folge bei Gericht ein, die auf die mangelnde Behandelbarkeit in Afghanistan hinwiesen sowie auf die schlechte Situation von Menschen mit Behinderung im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.
13. Mit Schreiben vom 10.09.2018 wurden die Parteien von der beabsichtigten Bestellung des allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten SV XXXX aus dem Fachgebiet der Orthopädie und Traumatologie zur Begutachtung des Arms in Kenntnis gesetzt und Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. allfälligen Einwänden gegeben. Es langten keine Einwände oder Stellungnahmen dazu ein.
14. Mit Beschluss vom 26.09.2018 wurde der oben angeführte Sachverständige bestellt, die Befundaufnahme für 22.10.2018 ausgeschrieben und Fragen an den Sachverständigen übermittelt.
15. Am 19.10.2018 langte ein Taufschein vom 23.09.2018 der XXXX ein.
16. Am 02.11.2018 langte das Gutachten des beauftragten Sachverständigen bei Gericht ein. Dieses wurde den Parteien samt neuen Länderberichten am 20.11.2018 zur Stellungnahme übermittelt. Stellungnahmen langten nicht ein.
17. Mit Schreiben vom 18.12.2018 wurde für den 24.01.2019 eine Verhandlungsfortsetzung ausgeschrieben und ein Zeuge zur behaupteten Konversion geladen. Dieser Zeuge entschuldigte sich für den 24.01.2019 und legte auf Aufforderung eine Mietwagenbuchung vom 17.12.2018, eine Flugbuchung vom 18.12.2018 sowie eine AirBnb-Buchung vom 27.10.2018, alles für den Reisezeitraum 21.01.2019 bis 06.02.2018 und das Ziel XXXX vor.
18. Mit Schreiben vom 17.01.2019 informierte die belangte Behörde, dass kein Vertreter an der mündlichen Verhandlung teilnehmen werde und beantragte die Abweisung der Beschwerde sowie die Übermittlung des Verhandlungsprotokolls.
19. Am 24.01.2019 fand die fortgesetzte Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt, im Zuge derer der Beschwerdeführer zu den Umständen seiner Konversion befragt wurde, das Gutachten erörtert wurde sowie neue Länderberichte in das Verfahren eingebracht wurden, sohin die Aktualisierung des Länderinformationsblattes zu Afghanistan vom 08.01.2019, eine Accord-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zur Situation vom Islam abgefallener Personen, christlicher Konvertiten, Personen, die Kritik am Islam äußerten, Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und Rückkehrern aus Europa sowie eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 12.07.2017 zu Christen und Konvertiten in Afghanistan. Nach Schluss der mündlichen Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis mündlich verkündet. Eine Abschrift des Protokolls wurde dem Beschwerdeführer ausgehändigt, er stellte innerhalb der ihm zustehenden Frist keinen Antrag auf Ausfertigung.
20. Mit Schreiben vom 24.01.2019, der belangten Behörde zugestellt am 29.01.2019, wurde das Protokoll der Verhandlung übermittelt.
21. Mit Schreiben vom 08.02.2019 beantragte die belangte Behörde die schriftliche Ausfertigung.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den zugrundeliegenden Verwaltungsakt der belangten Behörde, in die im Verfahren vorgelegten Dokumente und Integrationsunterlagen, durch Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.08.2018 und am 24.01.2019, Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Gebiet der Orthopädie und Traumatologie, Einsicht in die ins Verfahren eingebrachten Berichte und den hiergerichtlichen Gerichtsakt:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers, seinem Fluchtvorbringen und seinem Leben in Österreich:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, der Volksgruppe der Paschtunen und der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Die Identität des Beschwerdeführers steht nicht fest. Sein Geburtsdatum wurde mit XXXX festgestellt. Er reiste gegen Ende 2016 nach Österreich ein und stellte den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Paschtu. Er ist ledig und kinderlos.
Der Beschwerdeführer ist in der Provinz XXXX , Distrikt XXXX , Dorf XXXX geboren und aufgewachsen; er hat an keinem anderen Ort Afghanistans gelebt. Der Beschwerdeführer besuchte in seiner Heimatprovinz drei Jahre die Grundschule. Er hat weder eine Berufsausbildung noch Berufserfahrung außerhalb der familieneigenen Landwirtschaft. In Afghanistan lebt noch die Mutter des BF, seine Geschwister sowie mehrere Onkel. Der Beschwerdeführer hat zur Zeit keinen Kontakt mit seiner Familie, er hat auch keinen Kontakt mehr zu Freunden in Afghanistan. Der Vater ist bereits verstorben. Es kann nicht festgestellt werden, woran der Vater verstorben ist.
Im Jahr 2010 oder 2011 brach sich der Beschwerdeführer bei einem Autounfall den rechten Arm, dieser wurde in Afghanistan operativ versorgt, es fand keine Nachsorge statt. Seitdem hat der Beschwerdeführer eine eingeschränkte Bewegungsfähigkeit des Arms. Er leidet unter einer posttraumatischen Versteifung des rechten Ellenbogengelenks, die einer dauerhaften Behandlung bedarf. Im Untersuchungszeitpunkt durch den Gutachter lag eine Grad der Behinderung von 40% nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. 261/2010, vor, eine Behandlung kann zu einer Verbesserung auf 20 % bis 30 % führen. Der Beschwerdeführer leidet weiters an keiner akut lebensbedrohenden Krankheit.
Der Beschwerdeführer lebt derzeit in der österreichischen Gemeinde XXXX . Er absolvierte einen A1-Deutschkurs und besucht zwei Mal pro Woche einen weiterführenden Deutschkurs.
Der Beschwerdeführer hat in Österreich keine Familienangehörigen. Es besteht weder eine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers in Österreich noch gibt es in Österreich geborene Kinder des Beschwerdeführers.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer war in seinem Herkunftsstaat nie Mitglied einer Partei oder einer politischen Vereinigung. Der Beschwerdeführer hatte weder durch seine Zugehörigkeit zur paschtunischen Volksgruppe noch durch jene zur sunnitischen Glaubensrichtung Probleme in Afghanistan. Auch wurde ihm nie vorgeworfen, gegen islamische Grundwerte oder Normen verstoßen zu haben.
Keines der vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Fluchtvorbringen kann festgestellt werden.
1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (Länderinformationsblatt für Afghanistan vom 29.06.2018 mit Kurzinformation vom 08.01.2019 - LIB 08.01.2019, S.44).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (LIB 08.01.2019, S.44).
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren. Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt) bedrohen. Dies ist den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zuzuschreiben (LIB 08.01.2019, S.47).
Im Jänner 2018 waren 56.3% der Distrikte unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung, während Aufständische 14.5% der Distrikte kontrollierten bzw. unter ihrem Einfluss hatten. Die übriggebliebenen 29.2% der Distrikte waren umkämpft. Die Provinzen mit der höchsten Anzahl an Distrikten, die von Aufständischen kontrolliert werden, waren mit Stand Jänner 2018 Uruzgan, Kunduz und Helmand. Alle Provinzhauptstädte befanden sich unter der Kontrolle bzw. dem Einfluss der afghanischen Regierung (LIB 08.01.2019, S.55).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht. In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt. Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheits-operationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden; auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (LIB 08.01.2019, S.48).
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (LIB 23.11.2018, S. 46). Die Auflistung der high-profile Angriffe zeigt, dass die Anschläge in großen Städten, auch Kabul, hauptsächlich im Nahebereich von Einrichtungen mit Symbolcharakter (Moscheen, Tempel bzw. andere Anbetungsorte), auf Botschaften oder auf staatliche Einrichtungen stattfinden. Diese richten sich mehrheitlich gezielt gegen die Regierung, ausländische Regierungen und internationale Organisationen (LIB 08.01.2019, S.48 ff.).
Es gibt kein Meldewesen in Afghanistan (LIB 08.01.2019, S. 331 f.)
Zur Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers - Nangarhar:
Die Provinz Nangarhar liegt im Osten von Afghanistan. Im Norden grenzt sie an die Provinzen Kunar und Laghman, im Westen an die Hauptstadt Kabul und die Provinz Logar und an den Gebirgszug Spinghar im Süden. Die Provinzhauptstadt Jalalabad ist 120 Kilometer von Kabul entfernt. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf
1.573.973 geschätzt. Nangarhar zählte 2017 zu den Provinzen mit der höchsten Opium-Produktion (LIB 08.01.2019, S. 173 f.).
In den letzten Jahren hat sich die Sicherheitslage in der Provinz Nangarhar verschlechtert; Nangahar war seit dem Sturz des Taliban-Regimes eine der relativ ruhigen Provinzen im Osten Afghanistans, jedoch versuchen bewaffnete Aufständische in den letzten Jahren ihre Aktivitäten in der Provinz auszuweiten. In den letzten Jahren versuchen Aufständische der Taliban und des IS in abgelegenen Distrikten Fuß zu fassen. Befreiungsoperationen, in denen auch Luftangriffe gegen den IS getätigt werden, werden in den unruhigen Distrikten der Provinz durchgeführt. Angriffe auch auf lokale Beamte und Sicherheitskräfte in der Provinz werden regelmäßig von Aufständischen der Taliban und dem IS durchgeführt (LIB 08.01.2019, S. 174 f.).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 795 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (LIB 08.01.2019, S. 174); Nangarhar war die Provinz mit den meisten im Jahr 2017 registrierten Anschlägen. Im gesamten Jahr 2017 wurden in Nangarhar 862 zivile Opfer (344 getötete Zivilisten und 518 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Bodenoffensiven, gefolgt von IEDs und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 1% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 08.01.2019, S. 175).
In der Provinz werden regelmäßig militärische Operationen ausgeführt, um gewisse Distrikte von Aufständischen zu befreien. Ebenso werden Luftangriffe durchgeführt, in manchen Fällen wurden Aufständische getötet, darunter auch IS-Kämpfer (LIB 08.01.2019, S. 175).
Anhänger der Taliban, als auch des IS haben eine Präsenz in gewissen Distrikten der Provinz; zu diesen werden mehrere südliche Distrikte gezählt. Nachdem die Grausamkeit des IS ihren Höhepunkt erreicht hat, sind die Taliban in Nangarhar beliebter geworden und haben an Einfluss gewonnen. Auch ist es dem IS nicht mehr so einfach möglich, Menschen zu rekrutieren. Obwohl militärische Operationen durchgeführt werden, um Aktivitäten der Aufständischen zu unterbinden, sind die Taliban in einigen Distrikten der Provinz aktiv. In Nangarhar kämpfen die Taliban gegen den IS, um die Kontrolle über natürliche Minen und Territorium zu gewinnen; insbesondere in der Tora Bora Region, die dazu dient, Waren von und nach Pakistan zu schmuggeln. Bewaffnete Zusammenstöße zwischen Taliban und IS fanden statt, dabei ging es um Kontrolle von Territorium. In einem Falle haben aufständische Taliban ihren ehemaligen Kommandanten getötet, da ihm Verbindungen zum IS nachgesagt wurden. Seit dem Jahr 2014 tauchen immer mehr Berichte zu einem Anstieg von Aktivitäten des IS in manchen abgelegenen Teilen der Provinz - dazu zählt auch der Distrikt Achin (LIB 08.01.2019, S. 175 f.).
Der IS zeigte weiterhin große Widerstandsfähigkeit, wenngleich die afghanischen und internationalen Kräfte gemeinsame Operationen durchführten. Die Gruppierung führte mehrere Angriffe gegen die zivile Bevölkerung und militärische Ziele aus - insbesondere in Kabul und Nangarhar (LIB 08.01.2019, S. 176).
Eine Anzahl Aufständischer der Taliban und des IS haben sich in der Provinz Nangarhar dem Friedensprozess angeschlossen. Im Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Nangharhar IS-bezogene Vorfälle (Gewalt gegen Zivilisten, Auseinandersetzungen mit den Streitkräften und Gewalt) gemeldet (LIB 08.01.2019, S. 176). Von 01.01.2018 bis 30.09.2018 wurde die höchste Zahl an zivilen Opfern (1.494) registriert: davon 554 Tote und 940 Verletzte (LIB 08.01.2019, S. 18).
Kabul:
Die Provinzhauptstadt von Kabul und gleichzeitig Hauptstadt von Afghanistan ist Kabul-Stadt. Die Stadt hat 22 Stadtgemeinden und 14 administrative Einheiten. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf
4.679.648 geschätzt. In der Hauptstadt Kabul leben unterschiedliche Ethnien: Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Usbeken, Turkmenen, Belutschen, Sikhs und Hindus. Ein Großteil der Bevölkerung gehört dem sunnitischen Glauben an, dennoch lebt eine Anzahl von Schiiten, Sikhs und Hindus nebeneinander. In der Hauptstadt Kabul existieren etwa 60 anerkannte informelle Siedlungen, in denen 65.000 registrierte Rückkehrer/innen und IDPs wohnen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen durch den die Stadt sicher erreichbar ist (LIB 08.01.2019, S. 69 f.). Der Flughafen befindet sich im Stadtgebiet (EASO Country Guidance, Seite 102).
Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen, die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben. Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen. Im Zeitraum 1.1.2017- 30.4.2018 wurden in der Provinz 410 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert, die sich überwiegend in der Hauptstadt Kabul ereigneten (LIB 08.01.2019, S.70).
Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.
Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (LIB 08.01.2019, S.71).
Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt. Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt. Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt (LIB 08.01.2019, S. 71 f.).
Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul, auch das Haqqani-Netzwerk soll Angriffe in der Stadt Kabul verübt haben. So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (LIB 08.01.2019, S. 72 f.).
Provinz Balkh und Mazar-e Sharif:
Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst (LIB 08.01.2019, S. 87). Mazar-e Sharif ist auf dem Straßenweg mitttels Bus erreichbar, eine Fahrt kostet zwischen 400 und 1.000 Afghani (LIB 08.01.2019, S.243). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt über den Luftweg von Kabul sicher zu erreichen ist (LIB 08.01.2019, S. 88, 246). Der Flughafen befindet sich 9 km östlich der Stadt (EASO Country Guidance, Seite 102). Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (LIB 08.01.2019, S.88). Im Zeitraum 1.1.2017 - 30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt (LIB 08.01.2019, S. 88f.).
Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich wie im Rest von Afghanistan als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.
Herat:
Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Provinzhauptstadt ist Herat-Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat. In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler, etwa 10 km außerhalb von Herat-Stadt (LIB 08.01.2019, S. 246) und ein militärischer in Shindand. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt. In der Provinz leben Paschtunen, Tadschiken, Hazara, Turkmenen, Uzbeken und Aimaken. Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz. Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran-Produktion. Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz. Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (LIB 08.01.2019, S.124 f.)
Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv. Es gibt interne Konflikten zwischen verfeindeten Taliban-Gruppierungen. Anhänger des IS haben sich in Herat zum ersten Mal für Angriffe verantwortlich erklärt, die außerhalb der Provinzen Nangarhar und Kabul verübt wurden (LIB 08.01.2019, S. 125).
Mitte Februar 2018 wurde von der Entminungs-Organisation Halo Trust bekannt gegeben, dass nach zehn Jahren der Entminung 14 von 16 Distrikten der Provinz sicher seien. In diesen Gegenden bestünde keine Gefahr mehr, Landminen und anderen Blindgängern ausgesetzt zu sein, so der Pressesprecher des Provinz-Gouverneurs. Aufgrund der schlechten Sicherheitslage und der Präsenz von Aufständischen wurden die Distrikte Gulran und Shindand noch nicht von Minen geräumt. In der Provinz leben u.a. tausende afghanische Binnenflüchtlinge (LIB 08.01.2019, S.125).
Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 139 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Im gesamten Jahr 2017 wurden in der Provinz Herat 495 zivile Opfer (238 getötete Zivilisten und 257 Verletzte) registriert. Hauptursache waren IEDs, gefolgt von Selbstmordanschlägen/komplexen Attacken und gezielten Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 37% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016 (LIB 08.01.2019, S. 125 und 126).
In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt, um einige Gegenden von Aufständischen zu befreien. Auch werden Luftangriffe verübt. Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt. In Herat sind Truppen der italienischen Armee stationiert, die unter dem Train Advise Assist Command West (TAAC-W) afghanische Streitmächte im Osten Afghanistans unterstützen (LIB 08.01.2019, S. 126).
Die Versorgung mit Lebensmitteln erweist sich wie im Rest von Afghanistan als grundsätzlich gegeben (EASO Country Guidance, Seite 104), ist aber den Einflüssen von Wetterextremen wie der im Jahr 2018 herrschenden Dürre (UNHCR-Richtlinien, 30.08.2018, Seite 35) ausgesetzt.
Medizinische Versorgung
Es gibt keine staatliche Krankenkasse und die privaten Anbieter sind überschaubar und teuer, somit für die einheimische Bevölkerung nicht erschwinglich. Eine begrenzte Zahl staatlich geförderter öffentlicher Krankenhäuser bieten kostenfreie medizinische Versorgung. Alle Staatsbürger haben Zugang zu medizinischer Versorgung und Medikamenten. Die Kosten für Medikamente in diesen Einrichtungen weichen vom lokalen Marktpreis ab. Privatkrankenhäuser gibt es zumeist in größeren Städten wie Kabul, Jalalabad, Mazar-e-Sharif, Herat und Kandahar. Medikamente sind auf jedem Markt in Afghanistan erwerblich, Preise variieren je nach Marke und Qualität des Produktes (LIB 08.01.2019, S. 342 f.) Psychische Erkrankungen sind in öffentlichen und privaten Klinken grundsätzlich behandelbar. Die Behandlung in privaten Kliniken ist für Menschen mit durchschnittlichen Einkommen nicht leistbar. In öffentlichen Krankenhäusern müssen die Patienten nichts für ihre Aufnahme bezahlen. In Kabul gibt es zwei psychiatrische Einrichtungen: das Mental Health Hospital und die Universitätsklinik Aliabad. Zwar gibt es traditionelle Methoden bei denen psychisch Kranke in spirituellen Schreinen unmenschlich behandelt werden. Es gibt jedoch aktuelle Bemühungen, die Akzeptanz und Kapazitäten für psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zu stärken und auch Aufklärung zu betreiben. Die Bundesregierung finanziert Projekte zur Verbesserung der Möglichkeiten psychiatrischer Behandlung und psychologischer Begleitung in Afghanistan (LIB 08.01.2019, S. 344 f.). In Mazar-e Sharif gibt es ein privates neuropsychiatrisches Krankenhaus (Alemi Hospital) und ein öffentliches psychiatrisches Krankenhaus (LIB 08.01.2019, S. 344).
Wirtschaft
Angesichts des langsamen Wachstums, sicherheitsbedingter Versorgungsunterbrechungen und schwacher landwirtschaftlicher Leistungen, nimmt die Armut weiterhin zu (LIB 08.01.2019, S. 338). Mehr als 60% der afghanischen Arbeitskräfte arbeiten im Landwirtschaftssektor, dieser stagniert. Für ca. ein Drittel der Bevölkerung ist die Landwirtschaft (inklusive Tiernutzung) die Haupteinnahmequelle. Die Arbeitslosigkeit betrifft hauptsächlich gering qualifizierte bildungsferne Personen; diese sind auch am meisten armutsgefährdet. 55% der afghanischen Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Es müssten jährlich geschätzte 400.000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden, um Neueinsteiger in den Arbeitsmarkt integrieren zu können. Mehr als ein Drittel der männlichen Bevölkerung (34,3%) Afghanistans und mehr als die Hälfte der weiblichen Bevölkerung (51,1%) sind nicht in der Lage, eine passende Stelle zu finden (LIB 08.01.2019, S. 338 f., UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, Seite 19 und 20).
Rückkehrer:
Im Jahr 2017 kehrten sowohl freiwillig, als auch zwangsweise insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück. Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück. Im Jahr 2018 kehrten mit Stand
21.3. 1.052 Personen aus den an Afghanistan angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (LIB 08.01.2019, S. 351).
Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen. Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig. Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden. So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung, wo Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden können (LIB 08.01.2019, S. 352 f.)
IOM, IRARA, ACE und AKAH bieten Unterstützung und nachhaltige Begleitung bei der Reintegration einschließlich Unterstützung bei der Suche nach einer Beschäftigung oder Schulungen an. NRC bietet Rückkehrer/innen aus Pakistan, Iran und anderen Ländern Unterkunft sowie Haushaltsgegenstände und Informationen zur Sicherheit an und hilft bei Grundstücksstreitigkeiten. Das Internationale Komitee des Roten Kreuzes (ICRC) unterstützt Rückkehrer/innen dabei, ihre Familien zu finden (LIB 08.01.2019, S. 353 f.).
Psychologische Unterstützung von Rückkehrer/innen wird über die Organisation IPSO betrieben - alle Leistungen sind kostenfrei. Diejenigen, die es benötigen und in abgelegene Provinzen zurückkehren, erhalten bis zu fünf Skype-Sitzungen von IPSO. Für psychologische Unterstützung könnte auch ein Krankenhaus aufgesucht werden; möglicherweise mangelt es diesen aber an Kapazitäten (LIB 08.01.2019, S. 355 f.).
Die Großfamilie ist die zentrale soziale Institution in Afghanistan und bildet das wichtigste soziale Sicherheitsnetz der Afghanen. Alle Familienmitglieder sind Teil des familiären Netzes. Die Großfamilie trägt zu Schutz, Betreuung und Versorgung ihrer Mitglieder bei. Sie bildet auch eine wirtschaftliche Einheit; die Männer der Familie sind verpflichtet, die Mitglieder der Großfamilie zu unterstützen und die Familie in der Öffentlichkeit zu repräsentieren. Auslandsafghanen pflegen zumeist enge Kontakte mit ihren Verwandten in Afghanistan. Nur sehr wenige Afghanen in Europa verlieren den Kontakt zu ihrer Familie. Die Qualität des Kontakts mit der Familie hängt möglicherweise auch davon ab, wie lange die betreffende Person im Ausland war bzw. wie lange sie tatsächlich in Afghanistan lebte, bevor sie nach Europa migrierte. Der Faktor geographische Nähe verliert durch technologische Entwicklungen sogar an Wichtigkeit. Der Besitz von Mobiltelefonen ist mittlerweile "universell" geworden und digitale Kommunikation wird eine zunehmende Selbstverständlichkeit, vor allem in den Städten. Ein fehlendes familiäres Netzwerk stellt eine Herausforderung für die Reintegration von Migranten in Afghanistan dar. Dennoch haben alleinstehende afghanische Männer, egal ob sie sich kürzer oder länger außerhalb der Landesgrenzen aufhielten, sehr wahrscheinlich eine Familie in Afghanistan, zu der sie zurückkehren können. Eine Ausnahme stellen möglicherweise jene Fälle dar, deren familiäre Netze in den Nachbarstaaten Iran oder Pakistan liegen (LIB 08.01.2019, S. 355 f.).
Familien in Afghanistan halten in der Regel Kontakt zu ihrem nach Europa ausgewanderten Familienmitglied und wissen genau Bescheid, wo sich dieses aufhält und wie es ihm in Europa ergeht. Dieser Faktor wird in Asylinterviews meist heruntergespielt und viele Migranten, vor allem Minderjährige, sind instruiert zu behaupten, sie hätten keine lebenden Verwandten mehr oder jeglichen Kontakt zu diesen verloren (LIB 08.01.2019, S. 356).
Ein Netzwerk ist für das Überleben in Afghanistan wichtig. So sind einige Rückkehrer auf soziale Netzwerke angewiesen, wenn es ihnen nicht möglich ist, auf das familiäre Netz zurückzugreifen. Die Rolle sozialer Netzwerke - der Familie, der Freunde und der Bekannten - ist für junge Rückkehrer besonders ausschlaggebend, um sich an das Leben in Afghanistan anzupassen. Sollten diese Netzwerke im Einzelfall schwach ausgeprägt sein, kann die Unterstützung verschiedener Organisationen und Institutionen in Afghanistan in Anspruch genommen werden (LIB 08.01.2019, S. 357).
Ethnische Minderheiten:
In Afghanistan leben mehr als 34.1 Millionen Menschen. Es sind ca. 40% Pashtunen, rund 30% Tadschiken, ca. 10% Hazara und 9% Usbeken. Die afghanische Verfassung schützt sämtliche ethnische Minderheiten. Neben den offiziellen Landessprachen Dari und Paschtu wird in der Verfassung sechs weiteren Sprachen ein offizieller Status in jenen Gebieten, wo diese mehrheitlich gesprochen werden, eingeräumt (LIB 08.01.2019, S. 299).
Religionen:
Etwa 99,7% der afghanischen Bevölkerung sind Muslime, davon zwischen 84,7 und 89,7% Sunniten. Laut Verfassung ist der Islam die Staatsreligion Afghanistans. Anhänger anderer Religionen sind frei, ihren Glauben im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften auszuüben (LIB 08.01.2019, S. 289 ff; weiters unten unter II.1.4.).
1.3. Zur Rekrutierung von Minderjährigen:
Im Februar 2016 trat das Gesetz über das Verbot der Rekrutierung von Kindern im Militär in Kraft. Berichten zufolge rekrutieren die ANDSF und andere regierungsfreundliche Milizen in limitierten Fällen Kinder; die Taliban und andere regierungsfeindliche Gruppierungen benutzen Kinder regelmäßig für militärische Zwecke (LIB 08.01.2019, S. 327).
Das Konfliktschema in Afghanistan hat sich seit der Übergangsperiode 2014 verändert, die Taliban konzentrieren sich seither auf den Aufbau einer professionelleren militärischen Organisation. Das hat Folgen für die Rekrutierung, sowohl im Hinblick auf das Profil der rekrutierten Personen, als auch im Hinblick auf ihre Ausbildung. Religion und die Idee des Dschihad spielen bei der Rekrutierung weiterhin eine bedeutsame Rolle, ebenso die wirtschaftlichen Gegebenheiten. Es sind Fälle von Zwangsrekrutierung dokumentiert, sie bilden allerdings die Ausnahme. Die Rekrutierung durch die Taliban ist nicht durch Zwang, Drohungen und Gewalt gekennzeichnet. Die Veränderungen des Konfliktschemas wirken sich auf die Rekrutierungsstrategien der Taliban aus, sowohl im Hinblick auf das Profil der rekrutierten Personen als auch auf die Ausbildung der Rekruten. Das Profil hat sich insofern verändert, als es sich nun um Personal handelt, das im direkten Konflikt mit dem Feind stehen wird. Das lässt vermuten, dass die Taliban sich aktiver als bisher bemühen, Personal mit militärischem Hintergrund und/oder militärischen Fertigkeiten zu rekrutieren. Die Mitglieder werden auf der Grundlage ihrer Beziehung, ihres Rufes und ihrer Position von den Kommandanten persönlich rekrutiert. Ohne Zustimmung der Familie, insbesondere des Familienoberhaupts, wird für gewöhnlich nicht rekrutiert. Diejenigen zwischen 15 und 18 Jahren, die den Taliban eingegliedert werden, werden vermutlich nur nach Einsatzfähigkeit und Qualifikationen beurteilt, d.h. man wird mobilisiert, wenn man als tauglich befunden wird (Landinfobericht zur Rekrutierung durch die Taliban, insbesondere Seiten 20 bis 27).
1.4. Zu Christen, Konvertiten und vom Islam abgefallenen Personen sowie Apostaten:
Christen:
Afghanische Christen sind in den meisten Fällen vom Islam zum Christentum konvertiert. Ihre Zahl kann nicht verlässlich angegeben werden, da Konvertiten sich nicht öffentlich bekennen. Die gesellschaftliche Einstellung gegenüber konvertierten Christen ist ablehnend. Zu einer Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis, die speziell Christen diskriminiert, kommt es in Afghanistan in der Regel schon deshalb nicht, weil sich Christen nicht offen zu ihrem Glauben bekennen. Konversion wird als Akt der Abtrünnigkeit und Verbrechen gegen den Islam gesehen, der mit dem Tod bestraft werden könnte - sofern die Konversion nicht widerrufen wird. Keiner wurde bisher aufgrund von Konversion durch den afghanischen Staat hingerichtet (LIB 08.01.2019, S. 294).
Eine Konversion vom Islam wird als Apostasie betrachtet und gemäß der Auslegung des islamischen Rechts durch das Gericht mit dem Tod bestraft. Betroffene Personen haben vor Gericht drei Tage Zeit die Apostasie zu widerrufen. Widerrufen sie nicht, so haben sie die für die Apostasie vorgesehene Strafe zu erhalten. Richter könne zudem geringere Strafen verhängen, wenn Zweifel am Vorliegen von Apostasie bestehen (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 4f). Geistig zurechnungsfähige Bürger die vom Islam konvertieren und ihre Konversion nicht innerhalb von drei Tagen widerrufen riskieren die Annullierung ihrer Ehe und eine Enteignung ihres gesamten Grundes und sonstigen Eigentums. Sie könne von der Familie und der Gesellschaft zurückgewiesen werden und ihre Arbeit verlieren (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 6).
Es gibt heute eine ganze Reihe von Afghanen die zum Christentum übergetreten sind. Diese geben weitgehend nicht einmal gegenüber der eigenen Familie ihren Glaubensübertritt bekannt (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 8f). Mitglieder religiöser Minderheiten, wie etwa Christen, vermeiden es aus Angst vor Diskriminierung, Misshandlung, willkürlicher Verfolgung oder Tötung, sich öffentlich zu ihrer Religion zu bekennen oder sich offen zum Gebet zu versammeln. Mitglieder der kleinen christlichen Gemeinden, von denen viele im Ausland zum Christentum konvertiert sind, halten aus Angst vor Diskriminierung oder Verfolgung weiterhin alleine oder in kleinen Gruppen in Privathäusern Gottesdienste ab. Es gibt keine öffentlichen Kirchen in Afghanistan. Die einzige bekannte Kirche in Afghanistan ist auf dem Gelände der italienischen Botschaft (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 8, 10).
Apostaten (Abfall vom Islam):
Es gibt viele Personen die freitags nicht beten oder während des Ramadans nicht fasten. Dies ist eine heiklere Angelegenheit in den ländlichen Gebieten, als in den städtischen Gebieten. Für das Nichtbeten des Freitagsgebetes werden solche Personen nicht bestraft und von den staatlichen Behörden nicht angewiesen, dies zu tun. Für das Nichtfasten während des Ramadans würden staatliche Behörden bzw. die Gesellschaft dem Nichtfastenden-des-Ramadan anraten und anweisen den Ramadan einzuhalten. Die Gesellschaft behandelt dies als kleine Vergehen (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Christen, Konvertiten, Abtrünnige in Afghanistan, 12.07.2017, S. 5f).
Für gebürtige Muslime ist ein Leben in der afghanischen Gesellschaft möglich, ohne, dass sie den Islam praktizieren würden und auch dann, wenn sie Apostaten oder Konvertiten sind. Solche Personen sind dann in Sicherheit, wenn diese Stillschweigen bewahren. Es kann zu einer Gefährdung kommen, wenn öffentlich bekannt wird, dass diese aufgehört haben an den Islam zu glauben (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 7).
Apostasie und Blasphemie stellen Kapitalverbrechen dar, bei denen Todesstrafe droht. In beiden Fällen haben die Betroffenen vor Gericht drei Tage Zeit um ihre "Tat" zu widerrufen (Anfragebeantwortung von ACCORD, Apostaten, Christen vom 01.06.2017, S. 14).
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich:
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Heimatprovinz, seinen Sprachkenntnissen, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und zu seinem Familienstand gründen auf den gleichlautenden und daher glaubwürdigen Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (BFA-Akt, AS 21; BVwG-Akt, OZ 8, Seite 5 ff.).
Der im Spruch angeführte Name dient mangels Vorlage eines geeigneten Identitätsnachweises lediglich zur Identifizierung des Beschwerdeführers als Verfahrenspartei und wurde auch schon von der belangten Behörde verwendet, was in der Beschwerde nicht beanstandet wird.
Das Geburtsdatum ergibt sich aus dem vom BFA in Auftrag gegeben Sachverständigengutachten (BFA-Akt, AS 55 ff.)
Die Feststellung zur Schulbildung des Beschwerdeführers gründet auf dessen konsistenten Angaben im Verfahren. Bereits im Rahmen seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, über eine dreijährige Grundschulbildung zu verfügen (BFA-Akt, AS 19), ebenso vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG-Akt, OZ 8, Seite 5).
Die Negativfeststellungen hinsichtlich einer Berufsausbildung und Berufserfahrung des Beschwerdeführers resultieren aus den Angaben des Beschwerdeführers. Dieser gab bereits in seiner Erstbefragung an, über keine Berufsausbildung zu verfügen und keinen Beruf ausgeübt zu haben (BFA-Akt, AS 19). In der mündlichen Verhandlung führte er sodann aus, weder gearbeitet, noch eine Ausbildung gemacht zu haben. Er habe lediglich in der familieneigenen Landwirtschaft geholfen (BVwG-Akt, OZ 8, Seite 6).
Der Aufenthaltsort der weiteren Familienmitglieder in Afghanistan ergibt sich aus den gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers im Verfahrens (BFA-Akt, AS 136 ff.; BVwG-Akt, OZ 8, Seite 5 ff.), ebenso die Tatsache, dass der Beschwerdeführer nun keinen Kontakt mehr mit der Familie hat (BVwG-Akt, OZ 8, Seite 6) sowie keinen Kontakt mehr zu Freunden in Afghanistan (BVwG-Akt, OZ 8, Seite 17). Die Feststellung zum Tod des Vaters fußt auf den diesbezüglich konsistenten Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (BFA-Akt, AS 21; BVwG-Akt, OZ 8, Seite 7 ff.). Die Negativfeststellung hinsichtlich der Todesursache ergibt sich daraus, dass der Beschwerdeführer einerseits vorbrachte, der Vater habe ihm selbst erzählt, er sei aufgrund eines Motorradunfalls erkrankt (BFA-Akt, AS 141; BVwG-Akt, OZ 8, Seite 9), andererseits habe er erst durch Erzählungen der Mutter infolge eines behaupteten Talibanübergriffs erfahren, dass der Vater von den Taliban geschlagen worden sei, er deshalb Krebs bekommen hätte und danach verstorben sei (BFA-Akt, AS 141; BVwG-Akt, OZ 8, Seite 8 ff.). Der Beschwerdeführer konnte auf Nachfrage die Krebsart, an der der Vater angeblich gestorben sei, nicht nennen, beharrte darauf, dass der Krebs eine unmittelbare Folge von Schlägen durch die Taliban gewesen wäre (BVwG-Akt, OZ 8, Seite 8). Im Asylverfahren ist es Aufgabe des Asylwerbers, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 25.03.1999, 98/20/0559). Zum Tode des Vaters unter Bezug auf das vom Beschwerdeführer vor der belangten Behörde erstmals erstattete Vorbringen zur Verfolgung durch die Taliban wurde weder ein stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen erstattet noch geeignete Bescheinigungsmittel vorgelegt, weshalb die Todesursache des Vaters nicht festgestellt werden konnte.
Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren (BFA-Akt, AS 143; BVwG-Akt, OZ 8, Seite 15 und 16) in Zusammenschau mit dem im Verfahren Sprachzertifikat und den Empfehlungsschreiben.
Dass der Beschwerdeführer in Österreich keine Familienangehörigen hat, in Österreich keine Lebensgemeinschaft des Beschwerdeführers besteht und es auch keine in Österreich geborenen Kinder des Beschwerdeführers gibt, führte der Beschwerdeführer selbst an (BFA-Akt, AS 137), dies wurde in der Beschwerde nicht beanstandet.
Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers basieren auf den in das Verfahren eingebrachten Dokumenten in Zusammenschau mit den übereinstimmenden Angaben des Beschwerdeführers sowie die eingeholten Sachverständigengutachten. Aus diesem ergeben sich die oben getroffenen Feststellungen hinsichtlich des rechten Arms des Beschwerdeführers eindeutig und zweifelsfrei (BVwG-Akt, OZ 22). Das Gutachten wurde sowohl dem Beschwerdeführer als auch der belangten Behörde zur Kenntnis gebracht, die belangte Behörde gab keine Stellungnahme dazu ab, das Gutachten wurde im Rahmen der Verhandlung am 24.01.2019 erörtert, an dieser nahm die belangte Behörde aus personellen Gründen nicht teil. Darüber hinaus ergab sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers kein akut lebensbedrohender Gesundheitszustand des Beschwerdeführers.
Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers in Österreich ergibt sich aus der eingeholten Strafregisterauskunft.
2.2. Zu den Feststellungen hinsichtlich des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers:
Voranzustellen ist, dass es Aufgabe des Asylwerbers ist, durch ein in sich stimmiges und widerspruchsfreies Vorbringen, allenfalls durch entsprechende Bescheinigungsmittel, einen asylrelevanten Sachverhalt glaubhaft zu machen (vgl. VwGH 25.03.1999, 98/20/0559). Es entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, dass Gründe, die zum Verlassen des Heimatlandes bzw. Herkunftsstaates geführt haben, im Allgemeinen als nicht glaubwürdig angesehen werden, wenn der Asylwerber die nach seiner Meinung einen Asyltatbestand begründenden Tatsachen im Laufe des Verfahrens - niederschriftlichen Einvernahmen - unterschiedlich oder sogar widersprüchlich darstellt, wenn seine Angaben mit den der Erfahrung entsprechenden Geschehnisabläufen oder mit tatsächlichen Verhältnissen bzw. Ereignissen nicht vereinbar und daher unwahrscheinlich erscheinen, oder wenn er maßgebliche Tatsachen erst sehr spät im Laufe des Asylverfahrens vorbringt (VwGH 06.03.1996, 95/20/0650; vgl. auch Art. 4 Abs. 5 der Richtlinie 2004/83/EG - StatusRL, ABl. L Nr. 304, 12, sowie Putzer, Leitfaden Asylrecht2, [2011], Rz 31). Kann ein Beschwerdeführer sein Vorbringen nicht durch Bescheinigungsmittel untermauern, ist es umso wichtiger, sein Vorbringen gleichbleibend, konkret und nachvollziehbar zu gestalten. Allgemein gehaltene Behauptungen reichen jedenfalls für eine Glaubhaftmachung nicht aus (vgl. VwGH 17.10.2007, 2006/07/0007). Der Verwaltungsgerichtshof hat zudem in mehreren Erkenntnissen betont, dass die Aussage des Asylwerbers die zentrale Erkenntnisquelle darstellt und daher der persönliche Eindruck des Asylwerbers für die Bewertung der Glaubwürdigkeit seiner Angaben von Wichtigkeit ist (VwGH 24.06.1999, 98/20/0453; VwGH 25.11.1999, 98/20/0357).
Im vorliegenden Verfahren hat der Beschwerdeführer in der Erstbefragung und sodann in einer ausführlichen Einvernahme vor dem BFA Gelegenheit gehabt, seine Fluchtgründe umfassend darzulegen. Aus dem Protokoll der niederschriftlichen Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem BFA geht hervor, dass die belangte Behörde ausführliche Rückfragen tätigte und dem Beschwerdeführer aufgekommene Widersprüche sogleich vorhielt. Die erkennende Richterin konnte zudem im Zuge der mündlichen Verhandlung einen persönlichen Eindruck vom Beschwerdeführer gewinnen und sich von der Glaubwürdigkeit seines Vorbringens ein eigenes Bild machen.
Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers ist unter diesen Gesichtspunkten zu würdigen und ist hierzu Folgendes auszuführen:
Dem Beschwerdeführer ist es nicht gelungen, eine konsistente und nachvollziehbare Sachverhaltsdarstellung wiederzugeben.
In seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, wegen der schlechten Sicherheitslage und der schlechten Arbeitssituation sowie wegen seines Arms ausgereist zu sein (BFA-Akt, AS 27). Demgegenüber gab er vor dem BFA zum Besuch einer Koranschule gezwungen worden zu sein, im Jihad unterrichtet worden zu sein sowie Gefahr zu laufen, zu Kampfhandlungen gezwungen zu werden (BFA-Akt, AS 140 f.). Dieses Ereignis erwähnte der Beschwerdeführer in seiner Erstbefragung allerdings mit keinem Wort. Dabei wird nicht verkannt, dass sich die Angaben in der Erstbefragung gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen haben (vgl. VfGH 20.02.2014, U 1919/2013 ua; 27.06.2012, U 98/12) und auch auf das Alter, den Entwicklungsstand und die psychische Gesundheit des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen ist. Ein Beweisverwertungsverbot ist damit jedoch nicht normiert. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes muss vielmehr den ersten Angaben des Asylwerbers ein erhöhter Wahrheitsgehalt zuerkannt werden (so schon VwGH 08.04.1987, 85/01/0299), weil es der Lebenserfahrung entspricht, dass Angaben, die in zeitlich geringerem Abstand zu den darin enthaltenen Ereignissen gemacht werden, dem tatsächlich Geschehenen in der Regel am nächsten kommen (VwGH 11.11.1998, 98/01/0261 mwN). Auch ist aus den ins Verfahren eingeführten Länderberichten, insbesondere im Landinfobericht "Rekrutierung durch die Taliban", Seite 22, zur Rekrutierung von Jugendlichen zwischen 15 und 18 Jahren, festgehalten, dass "diejenigen, die den Taliban eingegliedert werden, (..) vermutlich nur nach Einsatzfähigkeit und Qualifikationen beurteilt, d.h. man wird mobilisiert, wenn man als tauglich befunden wird", werden (vgl. dazu die auf diesem Bericht basierenden Feststellungen unter II.1.3). Der BF war drei Jahre in der Schule, hat keinen Beruf gelernt, war Landwirt auf den eigenen Grundstücken und selbst zum damaligen Zeitpunkt bereits körperlich zumindest schon eingeschränkt gewesen, fällt also eindeutig nicht unter diese Gruppen.
Zudem darf nicht außer Acht gelassen werden, dass seine Schilderungen vor dem BFA und vor dem BVwG zum Besuch einer Koranschule und den Überfall der Taliban auf seine Familie, während der Beschwerdeführer sich auf eine Hochzeit befunden haben will, nicht übereinstimmen: zu allererst fällt auf, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA angab, er habe die Koranschule für fünf Monate besucht und er habe immer dort bleiben müssen (BFA-Alt, AS 140), während er vor dem BVWG angab, dass die Taliban nach fünf Monaten, in denen er die Koranschule besuchte, ihm gesagt hätten, sie würden ihn mitnehmen (BVwG-Akt, OZ 8, Seite 12). Nach seiner Weigerung, die Koranschule zu besuchen, habe der Beschwerdeführer eine Hochzeit besucht, doch auch diese Angaben dazu divergieren:
einmal heiratete ein Verwandter (BFA-Akt, AS 140), vor dem BVwG gab der Beschwerdeführer an, er sei mit dem Bräutigam nicht verwandt gewesen (BVwG-Akt, OZ 8, Seite 13). Vor dem BFA gab er zur Zeit nach dem Überfall in der Nacht der Hochzeit wiederum an, er habe sich noch zwei bis drei Tage in seinem Dorf aufgehalten (BFA-Akt, AS 141), vor dem BVwG gab er an, er habe sich noch vier Tage nach der Hochzeit dort aufgehalten, nachdem er sich an den Dorfvorsteher um Hilfe gewandt hätte (BVwG-Akt, OZ 8, Seite 12), von einem Ersuchen um Hilfe an den Dorfvorsteher erwähnte der Beschwerdeführer vor dem BFA jedoch nichts. Auch gelang es dem Beschwerdeführer nicht, plausibel darzulegen, weshalb gerade seine Person in den Fokus der Taliban geraten sein soll. In einer Gesamtschau entstand für die erkennende Richterin der Eindruck, dass der Beschwerdeführer das von ihm Geschilderte nicht selbst erlebt hat, da die Angaben in Eckpunkten voneinander abwichen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit der - erstmals vor dem BFA im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 05.01.2018 - behaupteten Anhaltung in einer Koranschule und dem angeblich darauffolgenden Übergriff durch die Taliban sein ursprüngliches Fluchtvorbringen, welches sich auf die Geltendmachung einer schlechten Sicherheitslage in Afghanistan und die eingeschränkte Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers aufgrund seines rechten Armes beschränkte und eine konkrete Bedrohung seiner Person mit keinem Wort erwähnte, steigerte. Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein spätes, gesteigertes Vorbringen als unglaubwürdig qualifiziert werden kann. Denn kein Asylwerber würde wohl eine sich bietende Gelegenheit, zentral entscheidungsrelevantes Vorbringen zu erstatten, ungenützt vorübergehen lassen (VwGH 07.06.2000, 2000/01/0250).
Auch die während des Beschwerdeverfahrens vorgebrachte Konversion konnte nicht zugrundegelegt werden, dies aus den folgenden Erwägungen:
In allen Einvernahmen im Verfahren bis inklusive der Verhandlung vom 06.08.2018, der ersten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG, gab der BF an, sunnitischer Moslem zu sein und keine Probleme aufgrund seiner Religion in Afghanistan gehabt zu haben (BFA-Akt, AS 19, AS 143), so gab er insbesondere auf Nachfrage der erkennenden Richterin in der Verhandlung am 06.08.2018, ob er gläubig sei, an, dass er Moslem sei. Im Zuge der Verhandlung vom 24.1.2019 gab der Beschwerdeführer jedoch auf Vorhalt dieser Angaben und Nachfrage, wann er den Entschluss zur Konversion gefasst hätte, an, bereits circa 2 bis 3 Monate vor der Verhandlung vom 06.08.2018 den Entschluss zur Konversion gefasst zu haben (BVwG-Akt, OZ 34, Seite 4 ff.), er habe es n