Entscheidungsdatum
12.02.2019Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W147 2214037-1/3Z
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan KANHÄUSER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Russische Föderation, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Volkshilfe, 4020 Linz, Stockhofstraße 40, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27. Dezember 2018, Zl. 1077668604-170767287, beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Erstes Verfahren:
1. Die Beschwerdeführerin gelangte unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet und stellte am 13. Juli 2015 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz.
Im Zuge der Einvernahme am 14. September 2015 führte die Beschwerdeführerin aus, sie sei vollkommen gesund. Sie gab an, dass zwei ihrer Schwestern sowie ein Bruder in Österreich aufhältig seien. In der Russischen Föderation verfüge sie über ein Haus mit zwei getrennten Wohneinheiten, das von ihrer Mutter und ihrem weiteren Bruder bewohnt würde. Ihr Inlandspass wäre in Polen. Eine Kopie des Inlandspasses legte die Beschwerdeführerin dem Bundesamt vor. Zu den Gründen für das Verlassen ihres Herkunftsstaates gab die Beschwerdeführerin an, sie habe schon längere Zeit Probleme mit Kadyrov-Anhängern. Sie seien in ihr Geschäft gekommen und hätten Waren mitgenommen, ohne zu bezahlen. 2015 seien sie fünf Mal bewaffnet zur Beschwerdeführerin gekommen und hätten sie über ihren Bruder befragt. Sie habe Angst bekommen und habe ihr Herkunftsland verlassen.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 1. Oktober 2015 wurde die Beschwerdeführerin nach Polen ausgewiesen. Es wurde festgestellt, dass Polen für die Führung ihres Asylverfahrens zuständig sei. Mit Erkenntnis zur Zahl: W 144 2115971-1/3E vom 20.10.2015 wurde die Entscheidung des Bundesamtes durch das Bundesverwaltungsgericht bestätigt.
Zweites Verfahren:
2. Am 10. Juli 2016 stellte die Beschwerdeführerin in Österreich einen weiteren Asylantrag. Im Rahmen der am selben Tag durchgeführten Erstbefragung gab sie an, sie wäre seit dem Jahre
XXXX verwitwet. Zum Beweis ihrer Identität legte die Beschwerdeführerin nunmehr ein Identitätsdokument (nationaler Aufenthaltstitel Polen) vor.
Am 27. Juni 2016 gab die Beschwerdeführerin im Zuge einer weiteren Befragung an, sie hätte sich im Zeitraum vom 9. Februar 2016 bis 9. Juni 2016 in Polen aufgehalten. Sie führte aus, sie wäre dorthin abgeschoben worden. Als Grund für die neuerliche Einreise nach Österreich gab die Beschwerdeführerin an, sie wolle aus zwei Gründen nicht zurück nach Polen. Einerseits seien dort einige Tschetschenen aufhältig und seien die polnischen Leute nicht so nett wie die Österreicher. Sie hätte Angst vor den Tschetschenen in Polen. In Österreich lebe einer ihrer Schwestern.
Mit Bescheid des Bundesamtes vom 27. Jänner 2017 wurde der Asylantrag neuerlich gemäß § 5 AsylG zurückgewiesen und festgestellt, dass Polen für die Führung des Asylverfahrens zuständig sei. Diese Entscheidung wurde durch Hinterlegung im Akt zugestellt und erwuchs am 11. Februar 2017 in Rechtskraft.
Drittes (verfahrensgegenständliches) Verfahren:
3. Am 2. Juli 2017 brachte die Beschwerdeführerin gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein. In der Erstbefragung am selben Tag führte sie aus, sie sei im Zeitraum 15. Februar 2016 bis 2. Juli 2017 wieder in der Heimat Tschetschenien aufhältig gewesen, wohin sie nach dem zweiten erfolglosen Asylverfahren freiwillig zurückgekehrt sei. Zu den Asylgründen befragt, gab die Beschwerdeführerin an, es hätte sich diesbezüglich (im Vergleich zum ersten Asylantrag) keine Änderung ergeben.
Im weiteren Verfahren wurde die Beschwerdeführerin am 20. November 2017 und am 3. Dezember 2018 niederschriftlich einvernommen.
4. Mit nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom "13.07.2015" [sic] gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG, bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen (Spruchpunkt II.) Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt, sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführerin gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG wurde gegen die Beschwerdeführerin ein befristetes Einreiseverbot in der Dauer von fünf Jahre erlassen. (Spruchpunkt IV.). Schließlich wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 4 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).
5. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 63 Abs. 2 AVG vom selben Tag wurde der Beschwerdeführerin für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird.
6. Gegen diesen Bescheid richtet sich die rechtzeitig bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.
Zu A)
Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
Im vorliegenden Fall wurde die Beschwerdeführerin im Zuge ihrer nunmehrigen Antragstellung ua. auch am 20. November 2017 einvernommen. Im Zuge dieser Einvernahme gab die Beschwerdeführerin einen weiteren Grund für ihre Furcht bei einer allfälligen Rückkehr an, nämlich sie habe einen Mord an einer Frau beobachtet, sei der Täter ein Polizist und fühle sie sich dadurch bedroht. Die belangte Behörde hat es entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unterlassen, diese Einvernahme ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Weder im Verfahrensgang noch in den Feststellungen, der Beweiswürdigung und rechtlichen Beurteilung wird die Einvernahme vom 20. November 2017 berücksichtigt. Auch wurde dies der Beschwerdeführerin in der Einvernahme am 3. Dezember 2018 nicht vorgehalten. Es besteht daher Verhandlungspflicht vor dem Bundesverwaltungsgericht, da der Sachverhalt durch Außerachtlassung dieser Einvernahme ergänzungsbedürftig ist. Es kann daher nicht mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen werden, dass eine Abschiebung der beschwerdeführenden Partei eine reale Gefahr der Verletzung von Bestimmungen der EMRK bedeuten würde.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
aufschiebende WirkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W147.2214037.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.03.2019