Entscheidungsdatum
12.02.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G314 2214095-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, slowakischer Staatsangehöriger, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 08.01.2019,Zl.
XXXX, betreffend die Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu Recht:
A) Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene
Bescheid dahingehend abgeändert, dass es zu lauten hat:
"1. Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
2. Gemäß § 70 Abs 3 FPG wird dem Beschwerdeführer ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt."
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (BF) wurde am XXXX.2018 verhaftet und in der Folge in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 24.09.2018 wurde er aufgefordert, sich zur für den Fall seiner Verurteilung beabsichtigten Erlassung eines Aufenthaltsverbots zu äußern. Er erstattete keine Stellungnahme. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2018, XXXX, wurde er wegen gewerbsmäßig schweren Einbruchsdiebstahls zu einer zweijährigen teilbedingten Freiheitsstrafe verurteilt.
Mit dem oben angeführten Bescheid wurde gegen den BF gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG ein siebenjähriges Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III.). Dies wurde im Wesentlichen mit der strafgerichtlichen Verurteilung, seinem in der Slowakei gelegenen Lebensmittelpunkt und dem Fehlen nennenswerter familiärer und privater Bindungen in Österreich begründet.
Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben. Hilfsweise strebt der BF die Herabsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots an und stellt einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass bereits acht Jahre seit seinen Straftaten vergangen seien und er seither nicht mehr straffällig geworden sei. Von ihm gehe keine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit aus. Er lebe in XXXX, wo er berufstätig sei und ein Kaffeehaus sowie eine Autovermietung betreibe, sodass sein Lebensunterhalt gesichert sei. Aufgrund der geografischen Nähe halte er sich sehr oft in Österreich auf.
Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 06.02.2018 einlangten, und erstattete eine Stellungnahme zur Beschwerde, in der unter anderem auf die nach der bedingten Entlassung des BF am 12.02.2019 geplante Abschiebung hingewiesen wird.
Feststellungen:
Der BF ist slowakischer Staatsangehöriger. Er erlernte den Beruf eines Mechanikers. Bis zu seiner Verhaftung lag sein Lebensmittelpunkt in der Slowakei, wo er in XXXX einen Wohnsitz hat und erwerbstätig war. Er ist geschieden und für zwei minderjährige Kinder sorgepflichtig, spricht Slowakisch und ist gesund und arbeitsfähig.
Dem BF wurde nie eine Anmeldebescheinigung ausgestellt; er war in Österreich nie wohnhaft oder erwerbstätig. Er ist hier weder familiär noch privat verankert und auch nicht integriert, hielt sich aber aufgrund seines grenznahen Wohnorts häufig im Bundesgebiet auf.
Am 13.09.2010 wurde der BF im Bundesgebiet unmittelbar nach einem Autodiebstahl in einem Parkhaus am Flughafen XXXX in einem Fahrzeug mit Einbruchswerkzeug betreten und vorübergehend festgenommen, weil er das Parkhaus ohne Bezahlung verlassen hatte, aber kurz darauf wieder freigelassen, weil der Diebstahl damals noch nicht amtsbekannt war. Ende 2012 wurde gegen den BF eine Festnahmeanordnung erlassen, nachdem Mittäter in Frankreich wegen der Verbringung gestohlener Autos verhaftet worden waren. Am 02.09.2018 wurde er festgenommen und daraufhin in Untersuchungshaft genommen.
Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2018, XXXX, wurde der BF zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; ein 16-monatiger Strafteil wurde für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehen. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass er zwischen Juni und September 2010 gemeinsam mit mehreren Mittätern am Flughafen XXXX Autos stahl, indem sie die Schlösser aufbrachen und die Fahrzeugelektronik überwanden. Der BF fuhr mit einem VW-Bus, in dem sich das Einbruchswerkzeug befand, in das Parkhaus ein, wo die Autos abgestellt waren, brach sie gemeinsam mit einem Mittäter auf und machte sie wegfahrbereit. Ein weiterer Mittäter lenkte dann die Autos aus dem Parkhaus und verbrachte sie zum Verkauf ins Ausland. Am 02.07.2010, am 19.08.2010 und am 13.09.2010 stahlen sie jeweils einen PKW der Marke BMW X6 im Wert von EUR 100.100, EUR 90.500 bzw. EUR 80.000. Zwischen 15. und 17.06.2010 sowie zwischen 06. und 08.09.2010 versuchten sie, einen PKW der Marke BMW X5 im Wert von EUR 60.000 zu stehlen. Der BF beging dadurch das Verbrechen des gewerbsmäßig schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 5 und Abs 2, 129 Abs 1 Z 1, 130 Abs 1 erster Fall und Abs 2, 15 StGB. Bei der Strafzumessung wurden das umfassende Geständnis (nachdem sich der BF unmittelbar nach der Verhaftung noch leugnend verantwortet hatte), die Tatsachen, dass es in zwei Fällen beim Versuch blieb und in zwei Fällen die gestohlenen Autos wiedererlangt werden konnten, sowie der Umstand, dass die Taten zur Zeit der Verurteilung schon mehr als acht Jahre zurücklagen, als mildernd berücksichtigt, die mehrfache Qualifikation dagegen als erschwerend. Der BF wurde außerdem zur Zahlung von EUR 62.170 an eine privatbeteiligte Versicherung verurteilt. Es handelt sich um seine bislang einzige strafgerichtliche Verurteilung.
Der BF verbüßte den unbedingten Strafteil in den Justizanstalten XXXX und XXXX, wo er im gelockerten Vollzug angehalten wurde. Mit Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX.2019, XXXX, wurde seine bedingte Entlassung am XXXX.2019 unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bewilligt. Der BF hat vor, nach der Entlassung nach XXXX zurückzukehren.
Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens und des Gerichtsakts des BVwG.
Die Identität und die Staatsangehörigkeit des BF werden durch die im Akt erliegenden Ausweiskopien belegt. Laut der Mitteilung des Bundeskriminalamts vom 02.10.2018 wurde er von Interpol unter denselben Personendaten identifiziert.
Der vom BF erlernte Beruf geht aus der Vollzugsinformation hervor. Sein Lebensmittelpunkt in der Slowakei ergibt sich aus seinen Angaben, die durch die aktenkundige Entlassungsadresse in XXXX untermauert werden. Die Feststellungen zu seinen Familienverhältnissen basieren auf den Angaben zu seiner Person im Strafurteil. Sein Familienstand geht damit übereinstimmend auch aus der Vollzugsinformation und aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) hervor.
Slowakischkenntnisse des BF sind aufgrund seiner Staatsangehörigkeit und seines Lebensmittelpunkts plausibel und gehen auch aus der Erkennungsdienstlichen Evidenz hervor. Anhaltspunkte für Deutschkenntnisse sind nicht aktenkundig.
Es gibt keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme des BF. Seine Arbeitsfähigkeit kann deshalb, aufgrund seines erwerbsfähigen Alters und aufgrund der Behauptungen zur bisher in seinem Herkunftsstaat ausgeübten Erwerbstätigkeit festgestellt werden.
Der Beschwerdebehauptung über häufige Aufenthalte des BF im Bundesgebiet kann angesichts der räumlichen Nähe seines Wohnorts Bratislava zur österreichischen Grenze gefolgt werden. Es gibt keine Beweisergebnisse, die für eine darüber hinausgehende Anbindung des BF an das Bundesgebiet sprechen. Aus dem Fremdenregister gehen weder eine Anmeldebescheinigung noch ein entsprechender Antrag hervor, aus dem Versicherungsdatenauszug keine Erwerbstätigkeit im Inland. Laut ZMR wies der BF - abgesehen von Zeiten des Strafvollzugs - im Bundesgebiet nie eine Wohnsitzmeldung auf. Es gibt keine aktenkundigen Anhaltspunkte für familiäre, soziale oder berufliche Anbindungen in Österreich; auch Integrationsbemühungen sind nicht nachvollziehbar.
Die vorübergehende Festnahme des BF am 13.09.2010 ergibt sich aus dem Beschluss über die Verhängung der Untersuchungshaft vom 04.09.2018, aus der auch hervorgeht, dass sich der BF damals noch leugnend verantwortete. Auch im Strafurteil wird auf die damalige Verhaftung Bezug genommen. Die Festnahmeanordnung wird anhand einer entsprechenden Vormerkung in der Personeninformation des Innenministeriums festgestellt.
Die Feststellungen zu den vom BF in Österreich begangenen Straftaten, zu seiner Verurteilung und zu den Strafzumessungsgründen basieren auf dem vorliegenden Strafurteil. Die Rechtskraft der Verurteilung und die bedingte Entlassung werden durch das Strafregister belegt, in dem keine weiteren Verurteilungen des BF aufscheinen. Aus dem vom BVwG am 08.02.2019 ergänzend eingeholten ECRIS-Auszug gehen ebenfalls keine weiteren Vorstrafen des BF hervor. Der Vollzug des unbedingten Strafteils ergibt sich aus der Vollzugsinformation und aus den Wohnsitzmeldungen des BF in den Justizanstalten XXXX und XXXX laut ZMR.
Der Beschluss über die bedingte Entlassung des BF liegt vor. Da darin - wie auch in der Vollzugsinformation - eine künftige Anschrift des BF in XXXX aufscheint, ist davon auszugehen, dass er vorhat, dorthin zurückzukehren.
Rechtliche Beurteilung:
Der BF ist als Staatsangehöriger der Slowakei EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG.
Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Wenn der EWR-Bürger eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt (so etwa, wenn er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren verurteilt wurde), kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden. Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).
Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.
Gemäß § 9 BFA-VG ist (ua) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt Folgendes:
Mangels eines zumindest fünfjährigen kontinuierlichen Inlandsaufenthalts des BF ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter Satz FPG ("tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt") anzuwenden.
Da sich der BF im Bundesgebiet maßgeblich an professionell organisierter, arbeitsteilig ausgeführter Vermögenskriminalität beteiligte, wobei er sein Know-How als Mechaniker für gezielte Diebstähle hochpreisiger Fahrzeuge, die anschließend ins Ausland gebracht und dort verkauft werden sollten, einsetzte, stellt sein persönliches Verhalten eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr dar. Daran ändert auch die seit den Taten verstrichene Zeit und die mittlerweile offenbar erfolgte Stabilisierung seiner Lebensverhältnisse nichts, zumal aufgrund der gewerbsmäßigen Begehungsweise trotzdem eine erhebliche Wiederholungsgefahr besteht. Die Verhinderung derartiger qualifizierter Eigentumsdelinquenz berührt jedenfalls Grundinteressen der Gesellschaft.
Der Gesinnungswandel eines Straftäters ist grundsätzlich daran zu messen, ob und wie lange er sich - nach dem Vollzug einer Haftstrafe - in Freiheit wohlverhalten hat (siehe VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233). Derzeit kann daher noch nicht von einem Wegfall der durch die strafgerichtliche Verurteilung des BF indizierten Gefährlichkeit ausgegangen werden, zumal trotz gewichtiger Milderungsgründe und der zwischen der Begehung der Straftaten und der Verurteilung verstrichenen Zeit eine empfindliche Freiheitsstrafe mit einem mehrmonatigen unbedingten Strafteil ausgesprochen werden musste.
Das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot ist zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer dringend geboten. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist allerdings deutlich zu reduzieren, weil sich der BF vor seiner Verurteilung bereits über acht Jahre lang wohlverhalten hat und dem Erstvollzug im Allgemeinen eine erhöhte spezialpräventive Wirkung zuzubilligen ist. Da der Strafrahmen bei weitem nicht ausgeschöpft wurde, der BF zum ersten Mal in Haft war und vorzeitig bedingt entlassen werden konnte, ist - auch in Anbetracht der vom Strafgericht ebenfalls mit drei Jahren festgelegten Probezeit - ein dreijähriges Aufenthaltsverbot angemessen.
Das Privat- und Familienleben des BF, das in erster Linie auf seinen Herkunftsstaat ausgerichtet ist und keine signifikanten Inlandsbezüge aufweist, steht einem Aufenthaltsverbot in dieser Dauer nicht entgegen. Die zeitweilige Unmöglichkeit, sich im Bundesgebiet aufzuhalten, ist trotz des grenznahen Wohnorts des BF angesichts der überwiegenden öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Verhinderung von strafbaren Handlungen, Schutz der Rechte und Freiheiten anderer) in Kauf zu nehmen.
Das Aufenthaltsverbot laut dem ersten Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids ist somit in Stattgebung des entsprechenden Eventualantrags der Beschwerde auf drei Jahre zu reduzieren.
Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots grundsätzlich von Amts wegen ein einmonatiger Durchsetzungsaufschub zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist. Dabei kommt es nicht schlichtweg auf eine (durch die strafgerichtliche Verurteilung indizierte) Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit an, sondern darauf, ob angesichts einer solchen Gefährdung die sofortige Ausreise des BF aus dem Bundesgebiet erforderlich ist.
Bei Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs hat eine von der Verhängung des Aufenthaltsverbots gesonderte Begründung zu erfolgen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 70 FPG K 2). Ein Durchsetzungsaufschub ist, wenn sich die sofortige Ausreise des Fremden im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht als erforderlich erweist, unabhängig von konkret erforderlichen Vorbereitungen für eine Ausreise zu gewähren (VwGH 13.12.2012, 2012/21/0246).
Da die Straftaten des BF schon mehr als acht Jahre zurückliegen und er seither nicht mehr straffällig wurde, ist nicht erkennbar, warum seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist, zumal das BFA die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubs und die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nur mit der Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen im Bundesgebiet begründete, ohne auf den langen Wohlverhaltenszeitraum einzugehen. Dem BF ist daher in Abänderung von Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen. Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids hat ersatzlos zu entfallen.
Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt erscheint und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei der beantragten mündlichen Verhandlung weder ein Entfall noch eine weitere Reduktion des Aufenthaltsverbots möglich wäre, kann diese gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG entfallen. Von der Durchführung einer Beschwerdeverhandlung ist hier keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal ohnehin von der Richtigkeit der in der Beschwerde aufgestellten Tatsachenbehauptungen des BF ausgegangen wird.
Zu Spruchteil C):
Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284). Die Revision war nicht zuzulassen, weil sich das BVwG dabei an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.
Schlagworte
Aufenthaltsverbot, Durchsetzungsaufschub, strafrechtlicheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2214095.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.03.2019