TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/15 W147 1437431-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.02.2019
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Entscheidungsdatum

15.02.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §57
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W147 1437431-3/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Kanhäuser als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch Verein Menschenrechte, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25. Jänner 2019, Zl: 830756203-180920210, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 10 Abs. 1 Z 3 und 57 Asylgesetz 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52, 53 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation und der tschetschenischen Volksgruppe zugehörig, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am 7. Juni 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz ein.

Am 8. Juni 2013 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er zu seinen persönlichen Verhältnissen zusammenfassend vorbrachte, dass er Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Zugehöriger der tschetschenischen Volksgruppe sei. Er spreche Russisch und Tschetschenisch in Wort und Schrift und habe von 1989 bis 2000 die Grundschule besucht. Von 2000 bis 2009 habe er in XXXX studiert. Im Herkunftsland würden seine Mutter, sein Bruder und seine beiden Schwestern leben. Sein Vater sei bereits verstorben. Er habe weder Familienangehörige in Österreich noch in einem anderen Staat der europäischen Union.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab der Beschwerdeführer zusammengefasst an, dass er sein Herkunftsland verlassen habe, da ihm im März 2013 durch seinen Cousin telefonisch mitgeteilt worden sei, dass die Polizei bei dem Beschwerdeführer zuhause sei und nach diesem suchen würde. Aus diesem Grund sei der Beschwerdeführer umgehend nach XXXX geflüchtet. Der Beschwerdeführer habe Angst vor der Polizei gehabt, da er im Jahr 2009 festgenommen und für etwa einen Monat gefangen gehalten worden sei. Es sei ihm damals vorgeworfen worden, dass er Informationen besitze. Er sei während seiner Anhaltung auch geschlagen worden. Im Fall einer Rückkehr in seine Heimat befürchte er, möglicherweise verhaftet zu werden.

Am 23. Juli 2013 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt einvernommen, wobei er eingehend zu seinen Fluchtgründen befragt wurde. Des Weiteren gab er an, dass er im österreichischen Bundesgebiet über keine Verwandte verfüge. Seine Mutter und seine Geschwister würden nach wie vor in Tschetschenien leben und habe er Kontakt zu seiner Mutter. Zudem brachte er zu seinem Gesundheitszustand vor, dass er Probleme mit dem Kopf gehabt habe. Er sei einige Male beim Neurologen gewesen, wobei seine medizinischen Unterlagen in der Heimat geblieben seien. Seine genaue Diagnose kenne er nicht. Er bekomme ein Rauschen im Kopf und verliere sein Bewusstsein. Er sei bei einem Arzt, der Prothesen anfertige, gewesen. Die gesundheitlichen Probleme seien nicht seine Fluchtgründe, zumal er in XXXX gratis eine Prothese bekommen hätte.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. August 2013, Zl. 13 07.562-BAT, wurde der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 leg. cit. abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Abs. 1 leg. cit. wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen (Spruchpunkt III.).

Begründet führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, dass eine asylrelevante Verfolgung vom Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht habe werden können. Auch aus dem sonstigen Ergebnis des Ermittlungsverfahrens hätten sich keine Hinweise, die auf das Vorliegen eines Sachverhaltes, der gemäß Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK zur Gewährung von Asyl führen würde, ergeben. Den Angaben des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner Fluchtgründe hätte keine Glaubwürdigkeit beschieden werden können, da er eine individuelle Gefährdungslage nicht glaubhaft machen habe können. Zur Ausweisung führte das Bundesasylamt nach Wiedergabe des § 10 Abs. 1 Z. 2, Abs. 2, Abs. 5 AsylG 2005 und Art. 8 Abs. 1 und Abs. 2 EMRK aus, dass weder ein Eingriff in das Familienleben vorliege, noch der Eingriff in das Privatleben ungerechtfertigt wäre, zumal er sich zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung erst seit etwa zwei Monaten in Österreich aufgehalten habe und er in dieser Zeit keine nennenswerten wirtschaftlichen oder sozialen Kontakte aufgenommen habe. Er sei illegal eingereist und seien keine für einen Verbleib in Österreich sprechenden Gründe vom Bundesasylamt gefunden worden.

Mit Verfahrensanordnung vom 9. August 2013 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Asylgerichtshof amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Mit Schriftsatz vom 20. August 2013 wurde fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde eingebracht und der oben angeführte Bescheid des Bundesasylamtes in seinem gesamten Umfang angefochten.

Mit Schreiben vom 24. September 2013 wurde ein handschriftlicher Arztbrief eines im Verwaltungsakt näher bezeichneten Arztes übermittelt, aus dem hervorgeht, dass beim Beschwerdeführer eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Panikstörung diagnostiziert worden seien.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. August 2014, W103 1437431-1/4E, wurde die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. gemäß §§ 3 und 8 AsylG als unbegründet abgewiesen (Spruchpunkt I. und II.) Unter Spruchpunkt III. dieses Erkenntnisses wurde gemäß § 75 Abs. 20 AsylG das Verfahren zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

Im Wesentlichen stellte das Bundesverwaltungsgericht in seinem Erkenntnis fest, dass das Bundesasylamt zu Recht erkannt habe, dass dem Beschwerdeführer kein Recht auf Asyl zukomme, da der Beschwerdeführer nicht glaubhaft gemacht habe, in der Russischen Föderation eine Verfolgung durch staatliche Behörden befürchten zu müssen, in eine hoffnungslose Lage zu kommen, einem realen Risiko einer sonstigen Verfolgung oder einer Verletzung seiner Rechte auf Leben, unmenschlicher Behandlung oder Folter unterworfen zu werden und/oder nicht der Todesstrafe zu unterliegen und als Zivilperson einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes unterworfen zu sein. Dem Beschwerdeführer sei eine Teilnahme am Erwerbsleben grundsätzlich möglich, er lebe seit Juni 2013 in Österreich. Er sei im Bundesgebiet nicht berufstätig und könne seinen Lebensunterhalt in Österreich nicht eigenständig bestreiten. Dem bislang unbescholtenen Beschwerdeführer sei zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes in Österreich ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht zugekommen. Zudem würde in Österreich kein schützenswertes Privat-oder Familienleben im Sinne des Artikels 8 EMRK bestehen.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. September 2014, Ra2014/18/0121-2, wurde dem Beschwerdeführer Verfahrenshilfe gewährt.

Mit Eingabe vom 2. Oktober 2014 übermittelte der Beschwerdeführer ein Notfallprotokoll vom 19. Februar 2014, eine Therapiebestätigung vom 13. Juni 2014 sowie einen ärztlichen Befundbericht von einem psychosozialen Zentrum vom 16. September 2014. Demnach leide der Beschwerdeführer an einer Rezidivierenden depressiven Störung, an einer Panikstörung und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung.

Im fortgesetzten Verfahren wurde der Beschwerdeführer am 6. Oktober 2014 niederschriftlich einvernommen und zur beabsichtigten Rückkehrentscheidung und zu seiner privaten und sozialen Verfestigung in Österreich befragt. Zudem wurde ihm die Möglichkeit geboten zu den aktuellen Länderinformationen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl innerhalb einer zweiwöchigen Frist Stellung zu nehmen. Dabei brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, dass keine Familienangehörigen in Österreich leben würden. Seine Mutter wohne in XXXX , sein Bruder in XXXX und seine Schwester in XXXX . Seinen Lebensunterhalt bestreite er durch die Grundversorgung. Die Frage, ob er einen Deutschkurs besucht habe, bejahte der Beschwerdeführer und führte dazu aus, dass er bis A2 gekommen sei. Weiter habe es keine Möglichkeit gegeben. Die Fragen, ob noch weitere Bindungen zu Österreich oder, ob zu irgendjemandem in Österreich ein Abhängigkeitsverhältnis bestehe, verneinte der Beschwerdeführer. Seiner Mutter gehe es gut und arbeite sie. Befragt, gab er an, dass es den restlichen Familienmitgliedern in seiner Heimat auch "normal gehe". Im Falle einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, dass es im psychisch schlecht gehen würde und brachte diesbezüglich im Wesentlichen vor, dass er sich verfolgt fühle. Hinzu komme, dass es in Tschetschenien überhaupt keinen Arzt gebe und man die Kosten für die Behandlungen selbst tragen müsse. Zudem seien ihm in Tschetschenien falsche Therapien vorgeschlagen worden. Weiteres führte er aus, dass es in seinem Herkunftsland Prothesen gebe, aber diese würden nur für kurze Zeit reichen und dann würden sie zu schmerzen beginnen. In Österreich habe er eine Silikonprothese erhalten, welche gut passe. Solche gebe es in seinem Herkunftsland nicht.

Im Zuge der Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende Unterlagen in Kopie vor:

* Kursbesuchsbestätigung über die Niveaustufe A1++_A2 vom 24.07.2014;

* Kursbesuchsbestätigung über die Niveaustufe A2 vom 28.08.2014

Am 14. Oktober 2014 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers betreffend die ihm im Zuge der Einvernahme vorgehaltenen Länderinformationen beim Bundesamt ein.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Zudem wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgesetzt.

In seiner Begründung stellte das Bundesamt im Wesentlichen fest, dass dem Beschwerdeführer weder der Status des Asylberechtigten noch des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Zudem habe sich die allgemeine Lage im Herkunftsland des Beschwerdeführers seit der Entscheidung des Bundesamtes nicht verschlechtert. Der Beschwerdeführer sei seit dem 6. Juni 2013 in Österreich aufhältig. Er sei illegal eingereist und stütze sich sein Aufenthalt lediglich auf seine Asylantragstellung. Es seien weder eine legale Erwerbstätigkeit, umfassende Deutschkenntnisse, ein Studium oder eine Tätigkeit in einem Verein bis dato hervorgekommen. Derartiges habe der Beschwerdeführer weder vor der Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgebracht. Der Beschwerdeführer leide an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, Panikattacken und Depressionen und sei festzustellen, dass er an keinen lebensbedrohenden Erkrankungen, die einer Abschiebung in sein Heimatland entgegenstehen würden, leide. Zwar sei nach der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes im Rahmen der Einvernahme am 6. Oktober 2014 neuerlich ein psychiatrischer Befund vorgelegt worden, jedoch gehe daraus kein Erkrankungsbild, welches nicht bereits im Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes berücksichtigt worden sei, hervor. In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG nicht gegeben seien, da der Beschwerdeführer keinen unter § 57 AsylG fallenden Sachverhalt vorgebracht habe. Die Ausweisung des Beschwerdeführers stelle keinen Eingriff in sein Recht auf Familienleben dar, da der Beschwerdeführer keine familiären bzw. verwandtschaftlichen Bindungen in Österreich habe und somit kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führe. Da dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt werde, sei diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Da keine Gründe gemäß § 50 Abs. 1 bis Abs. 3 FPG ersichtlich seien, sei auszusprechen, dass die Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei. Ab Rechtskraft dieser Rückkehrentscheidung sei der Beschwerdeführer binnen 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise verpflichtet.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17. Oktober 2014 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 4. November 2014 fristgerecht Beschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften. Darin wurde insbesondere darauf hingewiesen, dass der Beschwerdeführer weiterhin engmaschige fachärztliche Behandlung benötigen würde. Im Falle einer Rückkehr sei aus fachärztlicher Sicht mit massiven Verschlechterungen zu rechnen. Des Weiteren wurde im Hinblick auf das Erkenntnis vom Bundesverwaltungsgericht vom 4. August 2014, W103 1437431, darauf verwiesen, dass mit Beschluss des VwGH der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe in vollem Umfang bewilligt worden sei.

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Dezember 2014, Ra2014/18/0121-6, wurde die außerordentliche Revision des Beschwerdeführers gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 4. August 2014, W103 143743-1/4E, zurückgewiesen.

Am 5. September 2018 leitete das Bundesministerium für Inneres eine Meldung der Landespolizeidirektion von XXXX an das Bundesverwaltungsgericht weiter. Darin wurde seitens der Landespolizeidirektion XXXX informiert, dass der Beschwerdeführer am 3. September 2018 in seiner Asylunterkunft jemanden mit einem Messer bedroht habe. Daraufhin sei eine Streife zur Zieladresse beordert worden. Im Zuge der Ersterhebung habe sich herausgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund von Unstimmigkeiten wegen Lärmerregung einen Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma mit einem ca. 30 cm langem Fleischmesser bedroht habe. Bis zum Eintreffen der Polizeibeamten habe der Bedrohte, mit Unterstützung von anderen Asylwerbern, den Angriff des Beschwerdeführers abwehren, diesen zu Boden ringen und entwaffnen können. Dieser Meldung wurde eine Lichtbildbeilage zu GZ: PAD/18/01646938/001/KRIM, auf der die Situation des Angriffes abgebildet wurde, angefügt.

Am 10. September 2018 wurde seitens des Innenministeriums ein Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 4. September 2018, GZ: PAD/18/01646938/003/VW, an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt. Dabei wurde mitgeteilt, dass eine Frau am 3. September 2018 Anzeige gegen den Beschwerdeführer erstattet habe, da dieser einen Mann mit einem Messer bedroht habe. Aufgrund des hohen Aggressionspotentials des Beschwerdeführers sei aus Sicht der Behörde künftig eine Bedrohung bzw. Gefährdung von weiteren in der Asylunterkunft wohnhaften Personen, insbesondere der Anzeigerin, nicht auszuschließen bzw. wahrscheinlich, weshalb gegen den Beschwerdeführer ein Betretungsverbot veranlasst worden sei. Des Weiteren wurde mit Vollzugsinformation darüber informiert, dass sich der Beschwerdeführer wegen dem aktuellen/offenen Verfahren wegen § 105 StGB in Untersuchungshaft befinde.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 2018, W196 1437431-2/6E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17. Oktober 2014, Zl. 830756203-1664675, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes I. wie folgt lautet:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG wird nicht erteilt."

Festgestellt wurde, der Beschwerdeführer sei Staatsangehöriger der Russischen Föderation und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG. Er gehöre der tschetschenischen Volksgruppe an und bekenne sich zum moslemischen Glauben.

Der Beschwerdeführer sei illegal in das österreichische Bundesgebiet eingereist und habe am 7. Juni 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. August 2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und der Beschwerdeführer in die Russische Föderation ausgewiesen worden sei. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde sei hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen und betreffend Spruchpunkt III. gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen worden. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision sei mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes am 10. Dezember 2014 zurückgewiesen worden.

Beim Beschwerdeführer sei eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Panikstörung diagnostiziert worden und leide der Beschwerdeführer an keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für eine Rückführung in die Russische Föderation/Tschetschenien darstellen würde.

Der Beschwerdeführer befinde sich seit 4. September 2018 durchgehend in Untersuchungs- bzw. Strafhaft, zumal der Beschwerdeführer am 3. September 2018 einen Mann mit einem Messer bedroht und ihm ein hohes Aggressionspotential und eine Gefahr für andere Personen (insbesondere für das Opfer und die Anzeigerin) bescheinigt worden sei.

Nicht festgestellt werde, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russischen Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der Beschwerdeführer sei ledig, kinderlos und habe keine Obsorgeverpflichtungen. Er sei erwerbsfähig. Der Beschwerdeführer beherrsche Russisch und Tschetschenisch in Wort und Schrift und habe in der Russischen Föderation von 1998 bis 2000 die Grundschule besucht und von 2000 bis 2009 an der Universität in XXXX studiert. In der Russischen Föderation verfüge der Beschwerdeführer über Familienangehörige. Vor seiner Ausreise habe der Beschwerdeführer mit seiner Mutter im gleichen Haus gelebt. Festgestellt werde, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation ein familiäres bzw. soziales Netz vorfinden und sohin nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten würde, er hingegen in Österreich über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte verfüge.

Nicht festgestellt werden könne, dass eine ausgeprägte und verfestigte Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliege. Der Beschwerdeführer lebe seit Antragstellung auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht sei nicht ersichtlich. Es könne nicht festgestellt werden, dass diese Zeit zur Integration genutzt worden sei. Der Beschwerdeführer habe zuletzt in einer Asylunterkunft gelebt. Der Beschwerdeführer sei in Österreich nicht erwerbstätig. Seit seiner Einreise in das Bundesgebiet beziehe der Beschwerdeführer Leistungen aus der Grundversorgung des Bundes. Der Beschwerdeführer habe einen Deutschkurs auf dem Niveau A1++ und A2 besucht und sei daher in der Lage, sich in einfacher Form in Deutsch zu verständigen. Darüber hinausgehende weitere Aus- oder Fortbildungen habe der Beschwerdeführer nicht absolviert. Der Beschwerdeführer sei auch nicht Mitglied in einem Verein, einer sonstigen Organisation oder ehrenamtlich tätig. Es würden keine sonstigen Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich vorliegen.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht hervorgekommen. Es hätten keine Umstände festgestellt werden können, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

Nunmehriges Verfahren:

Mit einem als "Parteiengehör" bezeichneten Schreiben vom 28. September 2018 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem befristeten Aufenthaltsverbot und zur Verhängung der Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung eingeleitet worden sei. Das Bundesamt beabsichtige, im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung iVm einem befristeten Aufenthaltsverbot sowie die Schubhaft (nach Ende der Strafhaft) zu veranlassen. Um den Sachverhalt im Lichte seiner persönlichen Verhältnisse beurteilen zu können, wurde der Beschwerdeführer zur Beantwortung eines Fragenkatalogs und zur Vorlage von entsprechenden Belegen aufgefordert. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer durch persönliche Übernahme am 13. Oktober 2018 zugestellt.

Über Ersuchen der belangten Behörde übermittelte das zuständige Gericht den Beschluss vom 5. September 2018, mit welchem über den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt wurde.

Am 17. Oktober 2018 wurde der Beschwerdeführer durch die belangte Behörde zum Zwecke der Erlangung eines Heimreisezertifikates niederschriftlich einvernommen. Im Zuge dieser gab der Beschwerdeführer nochmals seine Personalien an. Sein Vater sei in XXXX geboren, im Jahre 2008 oder 2009 verstorben und in XXXX begraben. Seine Mutter lebe in XXXX . Er habe zwei Schwerstern und einen Bruder. Dieser lebe ebenfalls in XXXX , eine Schwester in XXXX und eine in XXXX . Seine Großeltern seien alle bereits verstorben. Er selbst habe sein Heimatland erstmals im Jahre 2013 verlassen und sei über die Ukraine nach Österreich gereist. Er sei weder verheiratet noch habe er Kinder. In der Russischen Föderation habe er elf Jahre die Schule in XXXX besucht und nach sechsjährigem Besuch eines Instituts in XXXX ein Lehramtsstudium abgeschlossen. Führerschein besitze er keinen. Über Vorhalt, wonach gegen den Beschwerdeführer im Falle einer rechtskräftigen Verurteilung auch ein befristetes Einreiseverbot erlassen werde, führte der Beschwerdeführer aus, er werde Österreich freiwillig verlassen und ersuche um eine diesbezügliche Beratung.

Am 8. November 2018 langte bei der belangten Behörde die Verständigung von der Anklageerhebung vom 7. November 2018 gegen den Beschwerdeführer ein.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 erster Fall StGB, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 87 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon sechzehn Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt.

Mit nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt, sondern gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt I). und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. wurde gegen den Beschwerdeführer weiters gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde insbesondere aus, der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet stelle infolge der Tatbegehungen eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Eine positive Zukunftsprognose müsse im Fall des Beschwerdeführers wegen dessen offensichtlich erhöhten Gewaltpotentials vehement verneint werden. Zur Bemessung des Einreiseverbotes wurde in der rechtlichen Beurteilung ausgeführt, die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, seiner Lebensumstände und seiner familiären und privaten Anknüpfungspunkte hätte im Zug der Abwägungsentscheidung ergeben, dass die Erlassung des Einreiseverbotes in der angegebenen Dauer gerechtfertigt und notwendig sei, die vom Beschwerdeführer ausgehende schwerwiegende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit zu verhindern.

Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG vom 12. Februar 2019 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt wird.

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht verfahrensgegenständliche Beschwerde erhoben und ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer seit fünfeinhalb Jahren in Österreich aufhalte und zuletzt Deutschkurse auf dem Niveau A2 besucht habe. Eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot verletze ihn in seinem Recht auf Privatleben. Das Einreiseverbot in der Höhe von acht Jahren werde als zu hoch erachtet und ersuche er um angemessene Herabsetzung. Der Beschwerdeführer bereue seine Taten und möchte nach seiner Haftentlassung einen ordentlichen Lebenswandel führen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12. Februar 2019 wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet.

Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 14. Februar 2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Das Bundesverwaltungsgericht hat zur vorliegenden Beschwerde wie folgt erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Russischen Föderation, gehört der tschetschenischen Volksgruppe an und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und brachte am 7. Juni 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz ein, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. August 2013 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen und der Beschwerdeführer in die Russische Föderation ausgewiesen wurde. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. vom Bundesverwaltungsgericht als unbegründet abgewiesen und betreffend Spruchpunkt III. gemäß § 75 Abs. 20 AsylG zur Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Die dagegen erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes am 10. Dezember 2014 zurückgewiesen.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und gegen den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist. Zudem wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise innerhalb von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgesetzt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 2018, W196 1437431-2/6E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17. Oktober 2014, Zl. 830756203-1664675, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Spruchteil des Spruchpunktes I. wie folgt lautet:

"Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG wird nicht erteilt."

Beim Beschwerdeführer wurde im Zuge des Asylverfahrens eine Posttraumatische Belastungsstörung sowie eine Panikstörung diagnostiziert. Der Beschwerdeführer leidet jedoch an keiner akuten oder lebensbedrohlichen psychischen oder physischen Erkrankung, welche ein Hindernis für eine Rückführung in die Russische Föderation darstellen würde.

Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der schweren Nötigung gemäß §§ 15, 105 Abs. 1, 106 Abs. 1 Z 1 erster Fall StGB, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung gemäß §§ 15, 87 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Sachbeschädigung gemäß § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon sechzehn Monate unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt verurteilt.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerde-führers in die Russischen Föderation eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

Der Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos und hat keine Obsorgeverpflichtungen. Er ist erwerbsfähig. Der Beschwerdeführer beherrscht Russisch und Tschetschenisch in Wort und Schrift und hat in der Russischen Föderation von 1998 bis 2000 die Grundschule besucht und von 2000 bis 2009 an der Universität in XXXX Lehramt studiert. In der Russischen Föderation verfügt der Beschwerdeführer über Familienangehörige. Vor seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer mit seiner Mutter im gleichen Haus. Festgestellt wird sohin, dass der Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation ein familiäres bzw. soziales Netz vorfinden und sohin nicht in eine existenzgefährdende Lage geraten würde. Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer in Österreich über keine verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkte verfügt.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliegt. Der Beschwerdeführer lebte seit Antragstellung am 7. Juni 2013 bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. September 2018 auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht liegt nicht vor. Der Beschwerdeführer lebte zuletzt - bevor er in die Justizanstalt XXXX eingewiesen wurde - in einer Asylunterkunft, war in Österreich nie erwerbstätig und lebte seit seiner Einreise von Leistungen aus der Grundversorgung des Bundes. Der Beschwerdeführer hat einen Deutschkurs auf dem Niveau A1++ und A2 besucht und ist daher in der Lage, sich in einfacher Form in Deutsch zu verständigen. Darüber hinausgehende weitere Aus- oder Fortbildungen hat der Beschwerdeführer nicht absolviert. Der Beschwerdeführer ist auch nicht Mitglied in einem Verein, einer sonstigen Organisation oder ehrenamtlich tätig. Es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich vor.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.2. Zur aktuellen politischen und menschenrechtlichen Situation in der Russischen Föderation werden folgende Feststellungen getroffen:

0. "Politische Lage

Die Russische Föderation hat ca. 143 Millionen Einwohner (CIA 12.7.2018, vgl. GIZ 7.2018c). Russland ist eine Präsidialdemokratie mit föderativem Staatsaufbau. Der Präsident verfügt über weit reichende exekutive Vollmachten, insbesondere in der Außen- und Sicherheitspolitik (GIZ 7.2018a, vgl. EASO 3.2017). Er ernennt auf Vorschlag der Staatsduma den Vorsitzenden der Regierung, die stellvertretenden Vorsitzenden und die Minister und entlässt sie (GIZ 7.2018a). Wladimir Putin ist im März 2018, bei der Präsidentschaftswahl im Amt mit 76,7% bestätigt worden. Die Wahlbeteiligung lag der Nachrichtenagentur TASS zufolge bei knapp 67% und erfüllte damit nicht ganz die Erwartungen der Präsidialadministration (Standard.at 19.3.2018). Putins wohl ärgster Widersacher Alexej Nawalny durfte nicht bei der Wahl kandidieren. Er war zuvor in einem von vielen als politisch motivierten Prozess verurteilt worden und rief daraufhin zum Boykott der Abstimmung auf, um die Wahlbeteiligung zu drücken (Presse.at 19.3.2018). Oppositionelle Politiker und die Wahlbeobachtergruppe Golos hatten mehr als 2.400 Verstöße gezählt, darunter mehrfach abgegebene Stimmen und die Behinderung von Wahlbeobachtern. Wähler waren demnach auch massiv unter Druck gesetzt worden, um an der Wahl teilzunehmen. Auch die Wahlkommission wies auf mutmaßliche Manipulationen hin (Tagesschau.de 19.3.2018, FH 1.2018). Putin kann dem Ergebnis zufolge nach 18 Jahren an der Staatsspitze weitere sechs Jahre das Land führen. Gemäß der Verfassung darf er nach dem Ende seiner sechsjährigen Amtszeit nicht erneut antreten, da es eine Beschränkung auf zwei aufeinander folgende Amtszeiten gibt (Tagesschau.de 19.3.2018, vgl. OSCE/ODIHR 18.3.2018).

Die Verfassung wurde per Referendum am 12.12.1993 mit 58,4% der Stimmen angenommen. Sie garantiert die Menschen- und Bürgerrechte. Das Prinzip der Gewaltenteilung ist zwar in der Verfassung verankert, jedoch verfügt der Präsident über eine Machtfülle, die ihn weitgehend unabhängig regieren lässt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, trägt die Verantwortung für die Innen- und Außenpolitik und kann die Gesetzentwürfe des Parlaments blockieren. Die Regierung ist dem Präsidenten untergeordnet, der den Premierminister mit Zustimmung der Staatsduma ernennt. Das Parlament - Staatsduma und Föderationsrat - ist in seinem Einfluss stark beschränkt. Der Föderationsrat ist als "obere Parlamentskammer" das Verfassungsorgan, das die Föderationssubjekte auf föderaler Ebene vertritt. Er besteht aus 178 Abgeordneten: Jedes Föderationssubjekt entsendet je einen Vertreter aus der Exekutive und Legislative in den Föderationsrat. Die Staatsduma mit 450 Sitzen wird für vier Jahre nach dem Verhältniswahlrecht auf der Basis von Parteilisten gewählt. Es gibt eine Siebenprozentklausel. Wichtige Parteien sind die regierungsnahen Einiges Russland (Jedinaja Rossija) mit 1,9 Millionen Mitgliedern und Gerechtes Russland (Spravedlivaja Rossija) mit 400.000 Mitgliedern. Die Kommunistische Partei der Russischen Föderation (KPRF) mit 150.000 Mitgliedern, die die Nachfolgepartei der früheren KP ist. Die Liberaldemokratische Partei (LDPR) mit 185.000 Mitgliedern, die populistisch und nationalistisch ausgerichtet ist, die Wachstumspartei (Partija Rosta), die sich zum Neoliberalismus bekennt; Jabloko, eine demokratisch-liberale Partei mit 55.000 Mitgliedern, die Patrioten Russlands (Patrioty Rossii), linkszentristisch, mit 85.000 Mitgliedern, die Partei der Volksfreiheit (PARNAS) und die demokratisch-liberale Partei mit 58.000 Mitgliedern (GIZ 7.2018a). Die Zusammensetzung der Staatsduma nach Parteimitgliedschaft gliedert sich wie folgt: Einiges Russland (339 Sitze), Kommunistische Partei Russlands (42 Sitze), Liberaldemokratische Partei Russlands (40 Sitze), Gerechtes Russland (23 Sitze), Vaterland-Partei (1 Sitz), Bürgerplattform (1 Sitz) (AA 5.2018b).

Russland ist eine Föderation, die aus 85 Föderationssubjekten (einschließlich der international umstrittenen Einordnung der Republik Krim und der Stadt föderalen Ranges, Sewastopol) mit unterschiedlichem Autonomiegrad besteht. Die Föderationssubjekte (Republiken, Autonome Gebiete, Autonome Kreise, Gebiete, Regionen und Föderale Städte) verfügen über jeweils eine eigene Legislative und Exekutive (GIZ 7.2018a, vgl. AA 5.2018b). Die Gouverneure der Föderationssubjekte werden auf Vorschlag der jeweils stärksten Fraktion der regionalen Parlamente vom Staatspräsidenten ernannt. Dabei wählt der Präsident aus einer Liste dreier vorgeschlagener Kandidaten den Gouverneur aus (GIZ 7.2018a).

Es wurden acht Föderationskreise (Nordwestrussland, Zentralrussland, Südrussland, Nordkaukasus, Wolga, Ural, Sibirien, Ferner Osten) geschaffen, denen jeweils ein Bevollmächtigter des Präsidenten vorsteht. Der Staatsrat der Gouverneure tagt unter Leitung des Präsidenten und gibt der Exekutive Empfehlungen zu aktuellen politischen Fragen und zu Gesetzesprojekten. Nach der Eingliederung der Republik Krim und der Stadt Sewastopol in die Russische Föderation wurde am 21.3.2014 der neunte Föderationskreis Krim gegründet. Die konsequente Rezentralisierung der Staatsverwaltung führt seit 2000 zu politischer und wirtschaftlicher Abhängigkeit der Regionen vom Zentrum. Diese Tendenzen wurden bei der Abschaffung der Direktwahl der Gouverneure in den Regionen und der erneuten Unterordnung der regionalen und kommunalen Machtorgane unter das föderale Zentrum ("exekutive Machtvertikale") deutlich (GIZ 7.2018a).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (5.2018b): Russische Föderation - Außen- und Europapolitik,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/russischefoederation-node/russischefoederation/201534, Zugriff 1.8.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (12.7.2018): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/rs.html, Zugriff 1.8.2018

-

EASO - European Asylum Support Office (3.2017): COI-Report Russian Federation - State Actors of Protection, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1489999668_easocoi-russia-state-actors-of-protection.pdf, Zugriff 1.8.2018

-

FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2017 - Russia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1428824.html, Zugriff 1.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018a): Russland, Geschichte und Staat, https://www.liportal.de/russland/geschichte-staat/#c17836, Zugriff 1.8.2018

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (7.2018c): Russland, Gesellschaft, https://www.liportal.de/russland/gesellschaft/, Zugriff 1.8.2018

-

OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights (18.3.2018): Russian Federation Presidential Election Observation Mission Final Report,

https://www.osce.org/odihr/elections/383577?download=true, Zugriff 29.8.2018

-

Presse.at (19.3.2018): Putin: "Das russische Volk schließt sich um Machtzentrum zusammen",

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5391213/Putin_Das-russische-Volk-schliesst-sich-um-Machtzentrum-zusammen, Zugriff 1.8.2018

-

Standard.at (19.3.2018): Putin sichert sich vierte Amtszeit als Russlands Präsident,

https://derstandard.at/2000076383332/Putin-sichert-sich-vierte-Amtszeit-als-Praesident, Zugriff 1.8.2018

-

Tagesschau.de (19.3.2018): Klarer Sieg für Putin, https://www.tagesschau.de/ausland/russland-wahl-putin-101.html, Zugriff 1.8.2018

0.1. Tschetschenien

Die Tschetschenische Republik ist eine der 22 Republiken der Russischen Föderation. Die Fläche beträgt 15.647 km2 (Rüdisser 11.2012) und laut offizieller Bevölkerungsstatistik der Russischen Föderation zum 1.1.2018 beläuft sich die Einwohnerzahl Tschetscheniens auf 1,4 Millionen (GKS 25.1.2018), wobei die offiziellen Angaben von unabhängigen Medien infrage gestellt werden. Laut Aussagen des Republiksoberhauptes Ramzan Kadyrow sollen rund 600.000 TschetschenInnen außerhalb der Region leben, die eine Hälfte davon in der Russischen Föderation, die andere Hälfte im Ausland. Experten zufolge hat die Hälfte Tschetschenien während der Kriege nach dem Zerfall der Sowjetunion verlassen, bei der anderen Hälfte handle es sich um Siedlungsgebiete außerhalb Tschetscheniens, die bereits vor über einem Jahrhundert entstanden seien, teilweise durch Migration aus dem Russischen in das Osmanische Reich, und zwar über Anatolien bis in den arabischen Raum (ÖB Moskau 12.2017). In Bezug auf Fläche und Einwohnerzahl ist Tschetschenien somit mit der Steiermark vergleichbar. Etwa die Hälfte des tschetschenischen Territoriums besteht aus Ebenen im Norden und Zentrum der Republik.

Heutzutage ist die Republik eine nahezu monoethnische: 95,3% der Bewohner/innen Tschetscheniens gaben [bei der letzten Volkszählung] 2010 an, ethnische Tschetschenen/innen zu sein. Der Anteil ethnischer Russen/innen an der Gesamtbevölkerung liegt bei 1,9%. Rund 1% sind ethnische Kumyk/innen, des Weiteren leben einige Awar/innen, Nogaier/innen, Tabasar/innen, Türk/innen, Inguschet/innen und Tatar/innen in der Republik (Rüdisser 11.2012).

In Tschetschenien gilt Ramzan Kadyrow als Garant Moskaus für Stabilität. Mit Duldung der russischen Staatsführung hat er in der Republik ein autoritäres Herrschaftssystem geschaffen, das vollkommen auf seine eigene Person ausgerichtet ist und weitgehend außerhalb des föderalen Rechtsrahmens funktioniert (ÖB Moskau 12.2017, vgl. AA 21.5.2018). So musste im Mai 2016 der Vorsitzende des Obersten Gerichts Tschetscheniens nach Kritik von Kadyrow zurücktreten, obwohl die Ernennung/Entlassung der Richter grundsätzlich in föderale Kompetenz fällt. Fraglich bleibt auch die föderale Kontrolle über die tschetschenischen Sicherheitskräfte, deren faktische Loyalität vorrangig dem Oberhaupt der Republik gilt. Im Juni 2016 beschloss das tschetschenische Parlament die vorzeitige Selbstauflösung, um vorgezogene Neuwahlen parallel zu den Wahlen zum Oberhaupt der Republik durchzuführen. Bei den Wahlen vom 18.9.2016 lag die Wahlbeteiligung in Tschetschenien weit über dem landesweiten Durchschnitt. Kadyrow wurde laut offiziellen Angaben bei hoher Wahlbeteiligung mit überwältigender Mehrheit für eine weitere Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Unabhängige Medien berichteten über Unregelmäßigen bei den Wahlen, in deren Vorfeld Human Rights Watch über massive Druckausübung auf Kritiker des derzeitigen Machthabers berichtet hatte. Das tschetschenische Oberhaupt bekundet immer wieder seine absolute Loyalität gegenüber dem Kreml (ÖB Moskau 12.2017). Vertreter russischer und internationaler NGOs berichten immer wieder von Gewalt und Menschenrechtsverletzungen, einem Klima der Angst und Einschüchterung (AA 21.5.2018). Gegen vermeintliche Extremisten und deren Angehörige, aber auch gegen politische Gegner, wird rigoros vorgegangen. Anfang 2016 sorgte Kadyrow landesweit für Aufregung, als er die liberale Opposition in Moskau als Staatsfeinde bezeichnete, die danach trachteten, Russland zu zerstören. Nachdem er dafür von Menschenrechtsaktivisten sowie von Vertretern des präsidentiellen Menschenrechtsrats scharf kritisiert worden war, wurde in Grozny eine Massendemonstration zur Unterstützung Kadyrows organisiert (ÖB Moskau 12.2017).

Während der mittlerweile über zehn Jahre dauernden Herrschaft des amtierenden Republikführers Ramzan Kadyrow gestaltete sich Tschetscheniens Verhältnis zur Russischen Föderation ambivalent. Einerseits ist Kadyrow bemüht, die Zugehörigkeit der Republik zu Russland mit Nachdruck zu bekunden, tschetschenischen Nationalismus mit russischem Patriotismus zu verbinden, Russlands Präsidenten in der tschetschenischen Hauptstadt Grozny als Staatsikone auszustellen und sich als "Fußsoldat Putins" zu präsentieren. Andererseits hat er das Föderationssubjekt Tschetschenien so weit in einen Privatstaat verwandelt, dass in der Umgebung des russischen Präsidenten die Frage gestellt wird, inwieweit sich die von Wladimir Putin ausgebaute föderale Machtvertikale dorthin erstreckt. Zu Kadyrows Eigenmächtigkeit gehört auch eine Außenpolitik, die sich vor allem an den Mittleren Osten und die gesamte islamische Welt richtet. Kein anderer regionaler Führer beansprucht eine vergleichbare, über sein eigenes Verwaltungsgebiet und die Grenzen Russlands hinausreichende Rolle. Kadyrow inszeniert Tschetschenien als Anwalt eines russländischen Vielvölker-Zusammenhalts, ist aber längst zum "inneren Ausland" Russlands geworden. Deutlichster Ausdruck dieser Entwicklung ist ein eigener Rechtszustand, in dem islamische und gewohnheitsrechtliche Regelungssysteme sowie die Willkür

des Republikführers in Widerspruch zur Gesetzgebung Russlands geraten (SWP 3.2018).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (21.5.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

-

GKS - Staatliches Statistikamt (25.1.2018): Bevölkerungsverteilung zum 1.1.2018,

http://www.gks.ru/free_doc/new_site/population/demo/PrPopul2018.xlsx, Zugriff 1.8.2018

-

ÖB Moskau (12.2017): Asylländerbericht Russische Föderation

-

Rüdisser, V. (11.2012): Russische Föderation/Tschetschenische Republik. In: Länderinformation n°15, Österreichischer Integrationsfonds,

http://www.integrationsfonds.at/themen/publikationen/oeif-laenderinformation/, Zugriff 1.8.2018

-

SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (3.2018): Tschetscheniens Stellung in der Russischen Föderation. Ramsan Kadyrows Privatstaat und Wladimir Putins föderale Machtvertikale, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2018S01_hlb.pdf, Zugriff 1.8.2018

0.2. Dagestan

Dagestan ist mit ungefähr drei Millionen Einwohnern die größte kaukasische Teilrepublik und wegen seiner Lage am Kaspischen Meer für Russland strategisch wichtig. Dagestan ist das ethnisch vielfältigste Gebiet des Kaukasus (ACCORD 16.5.2018, vgl. IOM 6.2014). Im Unterschied zu den faktisch mono-ethnischen Republiken Tschetschenien und Inguschetien setzt sich die Bevölkerung Dagestans aus einer Vielzahl von Ethnien zusammen. In der Republik gibt es 60 verschiedene Nationalitäten, einschließlich der Vertreter der 30 alteingesessenen Ethnien. Alle sprechen unterschiedliche Sprachen. Dieser Umstand legt die Vielzahl der in Dagestan wirkenden Kräfte fest, begründet die Notwendigkeit eines Interessenausgleichs bei der Lösung entstehender Konflikte und stellt ein Hindernis für eine starke autoritäre Zentralmacht in der Republik dar. Allerdings findet dieser "Interessenausgleich" traditionellerweise nicht auf dem rechtlichen Wege statt, was in Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Clans münden kann (IOM 6.2014).

Dagestan ist hinsichtlich persönlicher Freiheiten besser gestellt als Tschetschenien, bleibt allerdings eine der ärmsten Regionen Russlands, in der die Sicherheitslage zwar angespannt ist, sich in jüngerer Zeit aber verbessert hat. War die weit überwiegende Anzahl von Gewaltopfern bei Auseinandersetzungen zwischen "Aufständischen" und Sicherheitskräften in den Jahren 2015 und 2016 in Dagestan zu verzeichnen, hat die Gewalt in den letzten Jahren abgenommen (AA 21.5.2018). Gründe für den Rückgang der Gewalt sind die konsequente Politik der Repression radikaler Elemente und das rigide Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer in die Kampfgebiete in Syrien und in den Irak (ÖB Moskau 12.2017).

Was das politische Klima betrifft, gilt die Republik Dagestan im Vergleich zu Tschetschenien noch als relativ liberal. Die Zivilgesellschaft ist hier stärker vertreten als in Tschetschenien. Ebenso existiert - anders als in der Nachbarrepublik - zumindest eine begrenzte Pressefreiheit. Die ethnische Diversität stützt ein gewisses Maß an politischem Pluralismus und steht autokratischen Herrschaftsverhältnissen entgegen. Im Jahr 2006 wurde Muchu Alijew vom Kreml als Präsident an die Spitze der Republik gesetzt. 2013 wurde er von Magomedsalam Magomedow ersetzt. Magomedow war vor allem mit Korruption und Vetternwirtschaft konfrontiert, die auch sein Vorgänger nicht lösen konnte. Anfang 2013 ersetzte der Kreml Magomedow durch Ramzan Abdulatipow, den in Moskau wohl bekanntesten Dagestaner. Abdulatipow galt dort als Experte für interethnische Beziehungen und religiöse Konflikte im Nordkaukasus. Abdulatipows Kampf gegen Korruption und Nepotismus führte zwar zum Austausch von Personal, doch die Strukturen, die dem Problem zugrunde liegen, wurden kaum angetastet. Es war auch nicht zu erwarten, dass sich ein Phänomen wie das Clan- und Seilschaftsprinzip, das für Dagestan so grundlegende gesellschaftlich-politische Bedeutung hat, ohne weiteres würde überwinden lassen. Dieses Prinzip wird nicht nur durch ethnische, sondern auch durch viele andere Zuordnungs- und Gemeinschaftskriterien bestimmt und prägt Politik wie Geschäftsleben der Republik auf entscheidende Weise. Zudem blieb der Kampf gegen den bewaffneten Untergrund oberste Priorität, was reformpolitische Programme in den Hintergrund rückte. Dabei zeugt die Praxis der Anti-Terror-Operationen in der Ära Abdulatipow von einer deutlichen Stärkung der "Siloviki", das heißt des Sicherheitspersonals. Zur Bekämpfung der Rebellen setzt der Sicherheitsapparat alte Methoden ein. Wie in Tschetschenien werden die Häuser von Verwandten der Untergrundkämpfer gesprengt, und verhaftete "Terrorverdächtige" können kaum ein faires Gerichtsverfahren erwarten. Auf Beschwerden von Bürgern über Willkür und Straflosigkeit der Sicherheitskräfte reagierte Abdulatipow mit dem Argument, Dagestan müsse sich "reinigen", was ein hohes Maß an Geduld erfordere (SWP 4.2015). Im Herbst 2017 setzte Präsident Putin ein neues Republiksoberhaupt ein. Mit dem Fraktionsvorsitzenden der Staatspartei Einiges Russland in der Staatsduma und ehemaligen hohen Polizeifunktionär Wladimir Wassiljew schreckte der Kreml die lokalen Eliten auf. Wassiljew ist keiner von ihnen, er war mit Blick auf das zuvor behutsam gepflegte Gleichgewicht der Ethnien wie eine Faust aufs Auge. Der Kreml hatte länger schon damit begonnen, ortsfremde Funktionäre in die Regionen zu entsenden. Im Nordkaukasus hatte er davon Abs

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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