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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 2005 §35 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des K A T, vertreten durch MMag. Boris Steinmair, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Linke Wienzeile 40/20, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 19. Jänner 2018, Zl. W175 2131245- 1/16E, betreffend Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Österreichische Botschaft Nairobi), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein somalischer Staatsangehöriger, stellte am 12. Jänner 2016 bei der Österreichischen Botschaft Nairobi einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005). Als Bezugsperson nannte er seine Ehegattin, eine somalische Staatsangehörige, der in Österreich der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei.
2 Seitens des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl erging gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 eine negative Mitteilung betreffend die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes. Dem Revisionswerber wurde durch die Botschaft Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt. Dieser übermittelte ohne weitere Ausführungen eine Kopie des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts, mit welchem der Bezugsperson der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden war.
3 Mit Bescheid vom 12. April 2016 wies die Österreichische Botschaft Nairobi den Antrag des Revisionswerbers ab. Begründend hielt die Behörde fest, der vorgelegten somalischen Heiratsurkunde sei die Echtheit abzusprechen. Zudem könne nicht davon ausgegangen werden, dass bereits im Herkunftsland ein gemeinsames Familienleben bestanden habe.
4 Der Revisionswerber erhob Beschwerde und führte aus, dass aufgrund des Fehlens staatlicher Strukturen in seinem Herkunftsland somalischen Urkunden unbestritten jeglicher Beweiswert fehle. Dieser Umstand sei jedoch nicht geeignet, die Abweisung des in Rede stehenden Antrages zu tragen. Vielmehr müssten im vorliegenden Fall andere Belege wie beispielsweise die Aussagen des Revisionswerbers und seiner Ehegattin herangezogen werden. Letztere habe in ihrem Asylverfahren durchgehend angegeben, mit dem Revisionswerber verheiratet zu sein. Es liege nach somalischem Recht eine gültige Eheschließung vor, die bereits im Herkunftsstaat erfolgt sei. Die im Zusammenhang mit den fluchtauslösenden Ereignissen stehende Trennung der Ehegatten ändere nichts daran, dass ein schützenswertes Familienleben bestehe.
5 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 16. Juni 2016 wies die Österreichische Botschaft Nairobi die Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 14 VwGVG als unbegründet ab. Die Behörde vertrat die Ansicht, es sei auch aufgrund der Beschwerde nicht zu erkennen, dass eine Eheschließung nach somalischem Recht erfolgt sei. Es habe zudem in Somalia kein Familienleben mit einer gewissen Intensität (gemeinsamer Haushalt, Unterhaltsleistungen) bestanden.
6 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage seiner Beschwerde und verwies darauf, dass in Somalia eine nach religiösen Bestimmungen eingegangene Ehe staatlich anerkannt und somit auch nach österreichischem Recht als rechtsgültige Ehe zu betrachten sei.
7 In weiterer Folge beauftragte das Bundesverwaltungsgericht - zwecks Aufklärung verschiedener Widersprüche zwischen den Angaben des Revisionswerbers und jenen der Bezugsperson - die Österreichische Botschaft Nairobi mit der neuerlichen Einvernahme des Revisionswerbers, welche von der Botschaft durchgeführt wurde.
8 Mit Bescheid vom 25. Jänner 2017 wies die Österreichische Botschaft Nairobi den Antrag des Revisionswerbers auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 erneut ab. Es bestünden nach wie vor Zweifel am tatsächlichen Bestehen des behaupteten Familienverhältnisses.
9 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 7. März 2017 wies die Österreichische Botschaft Nairobi die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Revisionswerbers gemäß § 14 VwGVG ab und führte aus, der Revisionswerber zähle nicht zu dem nach § 35 Abs. 5 AsylG 2005 begünstigten Personenkreis, weshalb sich auch die Frage nach einem allfälligen Eingriff in dessen durch Art. 8 EMRK gewährleistete Rechte nicht stelle.
10 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die gegen den Bescheid vom 12. April 2016 gerichtete Beschwerde gemäß § 35 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt A.I.). Weiters hob das Gericht den Bescheid vom 25. Jänner 2017 sowie die Beschwerdevorentscheidung vom 7. März 2017 ersatzlos auf (Spruchpunkt A.II.) und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei (Spruchpunkt B.).
11 Das Bundesverwaltungsgericht führte begründend aus, dass die negative Mitteilung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose über die (mangelnde) Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes inhaltlich zutreffend sei. Der vorgelegten Heiratsurkunde komme kein ausreichender Beweiswert zu. Diese sei daher nicht geeignet, das Bestehen einer rechtsgültigen Ehe im Herkunftsstaat zu belegen. Der Revisionswerber habe mit der Bezugsperson in Somalia niemals ein gemeinsames Familienleben geführt. Der Revisionswerber und die Bezugsperson hätten aus von ihnen unterschiedlich geschilderten Gründen nach der behaupteten Eheschließung den Kontakt zueinander verloren. Die Bezugsperson halte sich seit dem Jahr 2008 in Österreich auf und es bestehe zumindest seit dieser Zeit kein persönlicher Kontakt mehr zu dem Revisionswerber. Das Vorliegen eines schützenswerten Familienlebens habe daher nicht nachvollziehbar dargelegt werden können. Darüber hinaus hätten (vom Verwaltungsgericht im Einzelnen dargelegte) gravierende Widersprüche zwischen den Angaben des Revisionswerbers und den Angaben der Bezugsperson zu den Umständen der Eheschließung bestanden, weshalb auch aus diesem Grund nicht davon auszugehen sei, dass das behauptete Familienverhältnis bestehe.
12 Betreffend Spruchpunkt A.II. (ersatzlose Behebung des Bescheides vom 25. Jänner 2017 sowie der Beschwerdevorentscheidung vom 7. März 2017) ging das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass zur Erlassung eines neuerlichen Bescheides bzw. einer neuerlichen Beschwerdevorentscheidung keine Zuständigkeit der Österreichischen Botschaft Nairobi bestanden habe, weil in derselben Sache bereits der Bescheid vom 12. April 2016 bzw. die Beschwerdevorentscheidung vom 16. Juni 2016 ergangen seien.
13 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, in der zur Zulässigkeit geltend gemacht wird, das Bundesverwaltungsgericht sei von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insofern abgewichen, als es unzulässiger Weise der vorgelegten Heiratsurkunde jeglichen Beweiswert abgesprochen habe; dies ohne selbst weitergehende Ermittlungen zum Bestehen einer Ehe anzustellen. Die Frage der Gültigkeit der Eheschließung sei nach somalischem Recht zu beurteilen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, mit welcher der Bezugsperson der Status der Asylberechtigten zuerkannt worden sei, weil ihr Verfolgung aufgrund der Eheschließung drohe, entfalte auch im vorliegenden Verfahren hinsichtlich der Frage des Bestehens einer rechtsgültigen Ehe Bindungswirkung. Es seien seitens des Revisionswerbers neben der Heiratsurkunde auch andere Beweismittel vorgelegt worden und zwar u.a. Aktenbestandteile aus dem Asylverfahren der Bezugsperson, deren Einvernahme der Revisionswerber mehrmals beantragt habe. Darüber hinaus sei die Annahme des Bundesverwaltungsgerichts, es habe kein Familienleben zwischen dem Revisionswerber und seiner Ehegattin bestanden, im Hinblick auf die diesbezüglichen Angaben der Ehegatten unzutreffend. Richtigerweise sei ungeachtet der Frage des Bestehens formalisierter familiärer Beziehungen vom Vorliegen eines im Sinne von Art. 8 EMRK geschützten Familienlebens auszugehen.
14 Die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde erstattete eine Revisionsbeantwortung, in der sie u.a. die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision beantragte.
15 Mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen gelingt es der Revision nicht, das Vorliegen einer Rechtsfrage im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B-VG darzulegen:
16 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
17 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
18 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
19 Vorauszuschicken ist, dass die Revision betreffend Spruchpunkt A.II. des angefochtenen Erkenntnisses kein Zulassungsvorbringen erhält, weshalb schon aus diesem Grund betreffend den zuletzt genannten Spruchpunkt (ersatzlose Behebung des Bescheides vom 25. Jänner 2017 sowie der Beschwerdevorentscheidung vom 7. März 2017) keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufgezeigt wird.
20 Im Übrigen stützte das Bundesverwaltungsgericht das angefochtene Erkenntnis nicht ausschließlich auf Überlegungen betreffend die fehlende Beweiskraft der vorgelegten Heiratsurkunde, sondern tragend auch auf schlüssige Erwägungen zu näher dargelegten Widersprüchen zwischen den Angaben des Revisionswerbers und der Bezugsperson zu zentralen Aspekten der behaupteten Eheschließung. Nicht zuletzt in Anbetracht dieser Widersprüche sowie im Hinblick auf die im Laufe des Verfahrens wechselnden eigenen Angaben des Revisionswerbers gelangte das Gericht zu dem Ergebnis, dass die behauptete Eheschließung mangels glaubhafter Angaben der vermeintlichen Eheleute nicht erfolgt sei, weshalb sich auch weitere Ermittlungen zum somalischen Eherecht und der Rechtsgültigkeit traditionell geschlossener Ehen in Somalia erübrigten.
21 Der Verfahrensmangel, der im Zusammenhang mit der unterbliebenen, jedoch erstmals in der Beschwerde beantragten Einvernahme der Bezugsperson behauptet wird, ist schon in Anbetracht des in § 11a Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) für neue Tatsachen und Beweismittel normierten Neuerungsverbotes nicht geeignet, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu begründen (zur Anwendbarkeit des § 11a FPG in Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 vgl. VwGH 27.6.2017, Ra 2017/18/0146).
22 Bei der Frage hingegen, ob im Einzelfall weiterführende amtswegige Erhebungen erforderlich sind, handelt es sich regelmäßig um keine Rechtsfrage im Sinn von Art. 133 Abs. 4 B-VG (VwGH 28.6.2018, Ra 2018/18/0358; 22.2.2017, Ra 2016/19/0238, mwN). Solchen Fragen kann nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen (siehe auch VwGH 6.9.2018, Ra 2018/18/0370). Dass die zuletzt genannte Voraussetzung im vorliegenden Fall erfüllt wäre, wird von der Revision nicht aufgezeigt.
23 Zudem entfaltet nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Begründung in anderen Verfahren gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 VwGVG ergangener verwaltungsgerichtlicher Entscheidungen keine Bindungswirkung (vgl. VwGH 10.9.2018, Ra 2018/19/0172; 19.1.2016, Ra 2015/01/0070). Es zeigen daher auch die Ausführungen des Revisionswerbers zu den Schlussfolgerungen, die sich seiner Ansicht nach rechtlich bindend aus der Begründung des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts, mit dem der Bezugsperson der Status der Asylberechtigten zuerkannt wurde, ergäben, keine Rechtsfrage im Sinne von Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.
24 Schließlich ist das Bestehen einer Ehe nach dem klaren Wortlaut des § 35 Abs. 5 AsylG 2005 für die Qualifikation von Ehepartnern als Familienangehörige maßgeblich (vgl. z.B. VwGH 25.10.2018, Ra 2017/20/0513; siehe auch VfGH 27.11.2017, E 1001/2017 u.a.). Nach den - wie oben dargelegt - unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu beanstandenden Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts liegt keine rechtsgültige Eheschließung vor. Es sind somit die weiteren Ausführungen der Zulassungsbegründung betreffend den Schutzbereich des Art. 8 EMRK, welcher auch rechtlich nicht formalisierte familiäre Beziehungen umfasse, nicht geeignet, die Zulässigkeit der Revision zu begründen.
25 Aus den dargelegten Erwägungen erweist sich die Revision mangels Vorliegens der Voraussetzungen nach Art. 133 Abs. 4 B-VG als nicht zulässig.
Wien, am 14. Februar 2019
Schlagworte
Sachverhalt SachverhaltsfeststellungSpruch und BegründungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018180128.L00Im RIS seit
27.03.2019Zuletzt aktualisiert am
02.04.2019