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L00155 LVerwaltungsgericht Salzburg;Norm
BehindertenG Slbg 1981 §12 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stöberl und die Hofräte Dr. Lukasser, Dr. Hofbauer und Dr. Fasching sowie die Hofrätin Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Bleiweiss, über die Revision der Salzburger Landesregierung gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 1. August 2017, Zlen. 405- 9/292/1/13-2017, 405-9/293/1/13-2017, 405-9/302/1/10-2017, 405- 9/331/1/10-2017, betreffend Mindestsicherung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg; mitbeteiligte Partei: A B in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Februar 2017 wurde dem Mitbeteiligten für den Zeitraum von Februar 2017 bis Juni 2017 Mindestsicherung in Form einer monatlichen Geldleistung in der Höhe von EUR 197,38 zuerkannt.
2 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 2017 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 29. März 2017) wurde der Mitbeteiligte verpflichtet, den in der Zeit von 9. Februar 2017 bis 31. März 2017 entstandenen Mindestsicherungsaufwand in der Höhe von EUR 213,52 zurückzuzahlen.
3 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 28. März 2017 wurde die mit Bescheid vom 13. Februar 2017 zuerkannte Geldleistung mit 31. März 2017 eingestellt.
4 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. April 2017 wurde ein Antrag des Mitbeteiligten auf Weitergewährung von Mindestsicherung für den Monat April 2017 abgewiesen.
5 Mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Mai 2017 wurde ein Antrag des Mitbeteiligten auf Weitergewährung von Mindestsicherung für den Monat Mai 2017 abgewiesen.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 1. August 2017 wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom 14. März 2017 (in der Fassung des Berichtigungsbescheides vom 29. März 2017) Folge gegeben und dieser Bescheid ersatzlos aufgehoben (Spruchpunkt I.). Weiters wurde der Beschwerde des Mitbeteiligten gegen den Bescheid vom 28. März 2017 insoweit stattgegeben, als die mit Bescheid vom 13. Februar 2017 zuerkannte Geldleistung mit 31. März 2017 mit einem Teilbetrag von monatlich EUR 105,56 eingestellt wurde (Spruchpunkt II.). Weiters wurden die Beschwerden des Mitbeteiligten gegen die Bescheide vom 19. April 2017 und 10. Mai 2017 mit der Maßgabe abgewiesen, dass die diesen Bescheiden zugrundeliegenden Anträge des Mitbeteiligten wegen entschiedener Sache als unzulässig zurückgewiesen wurden (Spruchpunkt III.). Zudem wurde ausgesprochen, dass gemäß § 25a VwGG die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei (Spruchpunkt IV.).
7 Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die angefochtenen Bescheide beruhten auf der Auffassung der belangten Behörde, dass das Salzburger Mindestsicherungsgesetz (Sbg. MSG) nicht zur Anwendung komme, weil es sich beim Aufenthalt des Mitbeteiligten in der Einrichtung Z um eine Maßnahme der Eingliederungshilfe in stationärer Form im Rahmen der Behindertenhilfe handle. Das Sbg. MSG sei gemäß § 1 Abs. 3 leg. cit. auf Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht seien, nicht anwendbar. § 3 Z 7a Sbg. MSG definiere stationäre Einrichtungen als Senioren- oder Seniorenpflegeheime, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder der Behindertenhilfe sowie Einrichtungen zum Vollzug gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehungen oder andere Einrichtungen, in denen eine Vollversorgung gewährleistet sei, jedoch mit Ausnahme von Kranken- und Kuranstalten und anderen vergleichbaren Einrichtungen. Es zeige sich sohin, dass Einrichtungen der Behindertenhilfe dann als stationäre Einrichtungen gelten würden, wenn es sich nicht um Kranken- und Kuranstalten oder andere vergleichbare Einrichtungen handle.
8 Die §§ 1 Abs. 3, 3 Z 7a und 13 Sbg. MSG seien durch LGBl. 57/2012 novelliert bzw. neu eingefügt worden. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage finde sich die Überlegung, dass Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht seien, prinzipiell vom Erhalt von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung ausgeschlossen sein sollten. Beispielshaft würden dazu Senioren- und Seniorenpflegeheime sowie auch Einrichtungen der Behindertenhilfe ("zB die Wohnheime der Lebenshilfe") genannt. In den Erläuterungen zu § 13 Sbg. MSG in der Fassung LGBl. 57/2012 fände sich weiters der Hinweis, dass diese Regelung auch für Sonderkrankenanstalten zur Suchtmittelentwöhnung gelten solle. In der Praxis zeige sich hier nämlich immer wieder, dass Personen, die in Therapieeinrichtungen für Suchtkranke Aufnahme gefunden hätten (sogenannte Langzeitdrogenentwöhnungen dauerten nicht selten mindestens ein Jahr), nach Abschluss der Therapie bewusst mit dem alten Umfeld brechen und den Wohnort wechseln würden. Bestünden also für die Behörde Anhaltspunkte, dass die bisherige Unterkunft vom Hilfesuchenden nach der Entlassung nicht mehr genützt werden würde, so solle der Wohngrundbetrag ruhen, wobei jedoch eine solche Einschätzung nicht vorschnell getroffen werden solle. Zudem wäre zu prüfen, ob die Erhaltung dieser Wohnung wirtschaftlich sinnvoll sei. Davon könne nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage etwa dann nicht ausgegangen werden, wenn die Wohnkosten den höchstzulässigen Wohnaufwand gemäß der Mindestsicherungsverordnung-Wohnbedarfshilfe übersteigen würden und auch nicht durch eine Wohnbeihilfe nach den Salzburger Wohnbauförderungsgesetzen abgedeckt seien oder wenn aufgrund der voraussichtlichen Dauer des Aufenthaltes eine Neuanmietung voraussichtlich kostenmäßig deutlich günstiger wäre.
9 Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes würden diese Ausführungen auch für den vorliegenden Fall gelten. Der Mitbeteiligte befinde sich in einer Einrichtung zur Rehabilitation und Integration drogenabhängiger Personen, somit in einer Einrichtung zur Suchtmittelentwöhnung, in welcher er Krankenbehandlung in Form von stationärer Psychotherapie, psychologischer Betreuung und psychiatrischer Behandlung erfahre. Zudem ergebe sich aus dem Verweis in den Erläuterungen auf § 17 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes, dass auch bei einem Aufenthalt in einer Therapieeinrichtung der zur Deckung des Wohnbedarfs vorgesehene Grundbetrag nicht ruhen solle, soweit dieser Betrag nachweislich zur Abdeckung von Wohnkosten erforderlich sei und in absehbarer Zeit wieder ein Wohnbedarf bestehe oder die Erhaltung der konkreten Wohnmöglichkeit wirtschaftlich sinnvoll sei.
10 Außerdem ergebe sich im vorliegenden Fall, dass dem Mitbeteiligten im Rahmen der Behindertenhilfe eine Maßnahme der Eingliederungshilfe in Form der Heilbehandlung gemäß § 6 Salzburger Behindertengesetz (SBG) gewährt worden sei. Nach der Definition des § 6 SBG umfasse die Heilbehandlung gerade auch die Pflege in Kranken-, Kur- oder sonstigen geeigneten Anstalten, sodass es sich selbst nach dieser Definition bei der in Rede stehenden Einrichtung "offenkundig um eine Kranken- oder Kuranstalt oder eine vergleichbare Einrichtung" handle. Gerade für solche Einrichtungen solle nach der Legaldefinition des § 3 Z 7a Sbg. MSG jedoch von keiner stationären Einrichtung im Sinne des Sbg. MSG gesprochen werden, weshalb nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes der Mitbeteiligte trotz des Umstandes, dass sein Aufenthalt und seine Betreuung in der in Rede stehenden Einrichtung von der Behindertenhilfe finanziert werde, in den Anwendungsbereich des Sbg. MSG falle.
11 Als Konsequenz habe er gemäß § 13 Abs. 1 Z 1 Sbg. MSG für die Dauer des Aufenthaltes in dieser Einrichtung einen Anspruch auf Hilfe für den Lebensunterhalt im Ausmaß von 12,5 % des Mindeststandards gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 Sbg. MSG, im Jahr 2017 sohin Anspruch auf 12,5 % von EUR 844,46, somit EUR 105,56 monatlich. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes habe der Mitbeteiligte gemäß § 13 Abs. 2 Sbg. MSG zudem Anspruch auf Hilfe für den Wohnbedarf, zumal absehbar sei, dass er nach absolvierter Drogenlangzeittherapie zum einen wieder in die in der Stadt Salzburg gelegene Mietwohnung zurückkehren wolle und zum anderen auch die Erhaltung dieser Unterkunft wirtschaftlich sinnvoll erscheine, zumal der Mitbeteiligte für diese Wohnung einen monatlichen Mietzins von lediglich EUR 260,-- zu bezahlen habe, wobei ihm eine Wohnbeihilfe in Höhe von EUR 168,18 monatlich gewährt werde, sodass sich die effektiv zu tragenden Mietkosten auf EUR 91,82 monatlich beliefen. In Anbetracht der amtsbekannten Knappheit von günstigem und leistbarem Wohnraum in der Stadt Salzburg bedürfe die Annahme, dass die Erhaltung der Unterkunft im konkreten Fall wirtschaftlich sinnvoll erscheine, keiner näheren Erläuterung.
12 Auf Basis des ursprünglichen Leistungsbescheides vom 13. Februar 2017 habe der Mitbeteiligte für den Bedarfsmonat Februar 2017 EUR 197,38 an Mindestsicherung ausbezahlt erhalten, darin enthalten EUR 105,56 für den Lebensunterhalt und EUR 91,82 für den Wohngrundbetrag. Gleiches gelte für den Folgemonat März 2017. Weil der Mitbeteiligte jedoch ab Februar 2017 auch ein aus der Behindertenhilfe finanziertes Taschengeld ausbezahlt erhalten habe (im Februar anteilig EUR 71,51 und ab März 2017 monatlich EUR 105,56), sei der Bescheid der belangten Behörde vom 28. März 2017, mit welchem die Einstellung der Leistungen per 31. März 2017 verfügt worden sei, nicht ersatzlos aufzuheben gewesen, sondern unter Berücksichtigung des aus der Behindertenhilfe gewährten Taschengeldes, welches sich der Mitbeteiligte in der Mindestsicherung als Einkommen gemäß § 6 Sbg. MSG anrechnen lassen müsse, dahingehend abzuändern gewesen, dass die Leistungen per 31. März 2017 mit einem Teilbetrag in Höhe von EUR 105,56, also in Höhe des tatsächlich aus der Behindertenhilfe gewährten Taschengeldes, eingestellt würden. Für die verbleibenden Monate April, Mai und Juni 2017 gebühre dem Mitbeteiligten sohin der Wohngrundbetrag in Höhe von monatlich EUR 91,82.
13 Hingegen sei der Bescheid der belangten Behörde vom 14. März 2017 bezüglich Kostenersatz ersatzlos aufzuheben gewesen, weil ein nachträgliches Bekanntwerden des Umstandes, dass der Mitbeteiligte von der belangten Behörde eine Hilfeleistung im Sinne des SBG erhalte, einen Kostenersatz nach § 30 Abs. 1 Z 2 Sbg. MSG nicht zu begründen vermöge. § 30 Abs. 1 Z 2 leg. cit. stelle bloß auf ein nachträgliches Bekanntwerden von Einkommen oder Vermögen des Hilfesuchenden ab, nicht aber auf ein nachträgliches Bekanntwerden von Umständen, welche das Sbg. MSG von vornherein nicht zur Anwendung kommen ließen. Ungeachtet dessen könne nach Ansicht des Verwaltungsgerichtes ein nachträgliches Bekanntwerden des Umstandes, dass es sich beim Aufenthalt des Mitbeteiligten um eine von der Behindertenhilfe finanzierte Maßnahme handle, begrifflich nicht vorliegen. Sowohl die Bewilligung von Leistungen der Mindestsicherung als auch die Leistungsgewährung im Rahmen des SBG erfolge durch die belangte Behörde, sodass davon auszugehen sei, dass die belangte Behörde bereits mit Erlassung des Bescheides über die aus der Behindertenhilfe gewährte Unterstützung Kenntnis von der Hilfegewährung nach dem SBG gehabt habe. Ihr habe daher auch bekannt sein müssen, dass der Mitbeteiligte aus der Behindertenhilfe ein Taschengeld in Höhe von EUR 105,56 monatlich (bzw. im Eintrittsmonat Februar 2017 aliquot) erhalte. Auch der Bezug dieses als Einkommen anzurechnenden Taschengeldes sei somit nicht nachträglich hervorgekommen, sodass auch hieraus eine allfällige Kostenersatzpflicht gemäß § 30 Abs. 1 Z 2 Sbg. MSG nicht abgeleitet werden könne.
14 Zudem sei anzumerken, dass der Mitbeteiligte Anspruch auf den Wohngrundbetrag in Höhe von EUR 91,82 gehabt habe, sodass der Überbezug lediglich in den von der Behindertenhilfe gewährten Taschengeldbeträgen aus den Monaten Februar und März 2017 liegen könne, sohin bei einem Betrag von insgesamt EUR 177,07. Aber selbst zu einem Kostenersatz oder einer Rückerstattung gemäß § 28 Sbg. MSG dieses reduzierten Betrages sei der Mitbeteiligte nicht zu verpflichten. Es könne nämlich nicht angenommen werden, dass den Mitbeteiligten in Ansehung eines von der belangten Behörde ausbezahlten Taschengeldbetrages eine Anzeigepflicht gemäß § 27 Sbg. MSG gegenüber dieser Behörde treffen würde. Der Bescheid, mit welchem der Mitbeteiligte zum Kostenersatz verpflichtet worden sei, sei somit ersatzlos aufzuheben gewesen. Eine Verpflichtung zum Kostenersatz oder zur Kostenrückerstattung würde in Anbetracht des bloßen monatlichen Taschengeldbezuges in Höhe von EUR 105,56 zudem eine besondere Härte darstellen. Auch aus diesem Grund sei gemäß § 32 Abs. 2 bzw. § 28 Abs. 3 Sbg. MSG davon abzusehen.
15 In Ansehung der weiteren Bescheide, mit denen die Anträge des Mitbeteiligten auf Weitergewährung von Mindestsicherung für die Monate April und Mai 2017 abgewiesen worden seien, sei auszuführen, dass sich der weitere Anspruch des Mitbeteiligten auf Mindestsicherung aus dem ursprünglichen Leistungsbescheid vom 13. Februar 2017 ergebe, nunmehr jedoch in dem nach Spruchpunkt II. dieses Erkenntnisses reduzierten Ausmaß. Mit der Erlassung dieses Erkenntnisses sei die Entscheidung über den Leistungsanspruch des Mitbeteiligten für die Monate April und Mai 2017 rechtskräftig geworden, sodass hinsichtlich dieses Leistungsanspruches entschiedene Sache vorliege. Die Anträge auf Weitergewährung für die Monate April und Mai 2017 seien daher wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen.
16 Den Ausspruch nach § 25a VwGG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen gewesen wären. Dies betreffe zum einen das Verhältnis von Behindertenhilfe und Mindestsicherung, nämlich konkret die Frage, ob der Umstand, dass der Mitbeteiligte sich im Rahmen einer Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 6 SBG zur stationären Behandlung in der Einrichtung Z aufhalte, zum Ausschluss der Anwendung des Sbg. MSG führen solle, zum anderen aber auch die Frage, ob der Umstand der Gewährung einer Eingliederungshilfe nach dem SBG durch dieselbe Behörde eine Anzeigepflicht nach § 27 Sbg. MSG auslösen bzw. ein nachträgliches Bekanntwerden im Sinne von § 30 Abs. 1 Z 2 Sbg. MSG mit der Konsequenz der Kostenersatzpflicht des Hilfesuchenden bewirken könne. Dazu fehle höchstgerichtliche Judikatur.
17 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision der Salzburger Landesregierung.
18 Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor. Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
19 Das Salzburger Mindestsicherungsgesetz, LGBl. Nr. 63/2010
idF Nr. 100/2016 (Sbg. MSG), lautet auszugsweise:
"Ziel und Aufgabe der Bedarfsorientierten
Mindestsicherung
§ 1
...
(3) Auf Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, findet dieses Gesetz keine Anwendung.
...
Begriffsbestimmungen
§ 3
Im Sinn dieses Gesetzes bedeuten die Begriffe:
...
7a. Stationäre Einrichtungen: Senioren- oder
Seniorenpflegeheime, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder der Behindertenhilfe, Einrichtungen zum Vollzug gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehungen oder andere Einrichtungen, in denen eine Vollversorgung gewährleistet ist, mit Ausnahme von Kranken- und Kuranstalten und anderen vergleichbaren Einrichtungen;
...
Aufenthalt in einer Kranken- oder Kuranstalt § 13
(1) Für die Dauer eines Aufenthalts in einer Kranken- oder Kuranstalt oder einer vergleichbaren stationären Einrichtung beträgt die Hilfe für den Lebensunterhalt in Prozent des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 Z 1:
1.
bei volljährigen Personen
12,5 %,
2.
bei minderjährigen Personen
8,0 %.
Die Landesregierung hat die sich danach ergebenden Beträge gemeinsam mit den jeweiligen Mindeststandards der Bedarfsorientierten Mindestsicherung gemäß § 10 Abs 4 im Landesgesetzblatt kundzumachen.
(2) Die Hilfe für den Wohnbedarf ruht für die Dauer eines Aufenthaltes in einer unter Abs 1 fallenden Einrichtung, ausgenommen in den Fällen, in welchen in absehbarer Zeit wieder ein Wohnbedarf in der konkreten Unterkunft besteht oder die Erhaltung dieser Unterkunft wirtschaftlich sinnvoll erscheint.
(3) Die Abs 1 und 2 gelten nicht für den Aufnahme- und den Entlassungsmonat.
..."
20 Das Salzburger Behindertengesetz 1981, LGBl. Nr. 93/1981
idF Nr. 64/2016 (SBG), lautet auszugsweise:
"Hilfeleistungen
§ 3
(1) Als Hilfeleistungen nach diesem Gesetz kommen in Betracht:
1. die Eingliederungshilfe,
...
Maßnahmen der Eingliederungshilfe
§ 5
Im Rahmen der Eingliederungshilfe können nach den Erfordernissen des einzelnen Falles gewährt werden:
a) Heilbehandlung (§ 6);
...
Heilbehandlung
§ 6
Die Heilbehandlung umfaßt, soweit dies zur Behebung oder zur erheblichen Besserung der Behinderung erforderlich ist, die Vorsorge für ärztliche Hilfe sowie nach Maßgabe ärztlicher Anordnung die Vorsorge für Heilmittel, für Pflege in Kranken-, Kur- oder sonstigen geeigneten Anstalten und für die Betreuung des Menschen mit Behinderungen durch Hausbesuche als nachgehende Behandlungsmaßnahme.
...
Einrichtungen der Eingliederungshilfe
§ 12
(1) Für die Eingliederungshilfe dürfen, soweit im Abs 3 nicht anderes bestimmt ist, nur Einrichtungen in Anspruch genommen werden, mit deren Rechtsträger das Land Salzburg eine privatrechtliche Vereinbarung abgeschlossen hat. Solche Vereinbarungen sind grundsätzlich für die Dauer von zumindest drei Jahren zu schließen und haben insbesondere Regelungen zu enthalten über:
1. die sachlichen, personellen und wirtschaftlichen
Voraussetzungen;
2. den Inhalt und Umfang der zu erbringenden Leistungen;
3. die Qualitätssicherung und -kriterien.
...
(3) Die Inanspruchnahme von Einrichtungen nach dem Salzburger Kinderbetreuungsgesetz, von Schulen, Schülerheimen, Heil- und Pflegeanstalten, Kuranstalten und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe setzt keine Vereinbarung im Sinn des Abs 1 voraus. Das Gleiche gilt für die Inanspruchnahme von Einrichtungen außerhalb des Landes Salzburg und für Arbeitgeber bei Leistungen nach § 11, soweit es sich nicht um Betriebe gemäß § 11 Abs. 2 handelt. Die Behörde hat sich jedoch vor Inanspruchnahme von Einrichtungen außerhalb des Landes davon zu überzeugen, dass diese von der für sie zuständigen Behörde nach vergleichbaren Vorschriften förmlich anerkannt sind oder vom örtlichen zuständigen Träger vergleichbarer Hilfeleistungen selbst in Anspruch genommen werden. Die Beziehungen des Landes zu Rechtsträgern solcher Einrichtungen können durch privatrechtlichen Vertrag geregelt werden.
..."
21 Die vorliegende Amtsrevision erweist sich mit Blick auf die vom Verwaltungsgericht aufgeworfene Frage der Auslegung des § 1 Abs. 3 iVm § 3 Z 7a Sbg. MSG als zulässig.
22 Die Revision bringt diesbezüglich vor, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes beziehe sich die Ausnahme der Kranken- oder Kuranstalten sowie sonstiger vergleichbarer Einrichtungen lediglich auf die in § 3 Z 7a Sbg. MSG erwähnten "anderen Einrichtungen, in denen eine Vollversorgung gewährleistet" sei. Die in § 3 Z 7a Sbg. MSG erwähnten Einrichtungen der Behindertenhilfe seien - sofern eine Vollversorgung gegeben sei, was der Begriff der stationären Einrichtung beinhalte - jedenfalls unter § 1 Abs. 3 Sbg. MSG zu subsumieren. Der Umstand, dass es sich bei der Einrichtung Z um eine solche der Behindertenhilfe handle, werde vom Verwaltungsgericht nicht in Abrede gestellt. Es handle sich dabei um eine Einrichtung der Eingliederungshilfe gemäß § 12 Abs. 1 SBG.
23 Dazu ist Folgendes auszuführen:
24 Gemäß § 1 Abs. 3 Sbg. MSG findet dieses Gesetz auf Personen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind, keine Anwendung. Gemäß § 3 Z 7a Sbg. MSG bedeutet der Begriff "stationäre Einrichtungen" Senioren- oder Seniorenpflegeheime, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder der Behindertenhilfe, Einrichtungen zum Vollzug gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehungen oder andere Einrichtungen, in denen eine Vollversorgung gewährleistet ist, mit Ausnahme von Kranken- und Kuranstalten und anderen vergleichbaren Einrichtungen.
25 Zunächst spricht nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes schon der Aufbau des § 3 Z 7a Sbg. MSG gegen die Auslegung des Verwaltungsgerichtes, zumal die im letzten Halbsatz normierte Ausnahme in unmittelbarem Zusammenhang mit den davor erwähnten "anderen Einrichtungen, in denen eine Vollversorgung gewährleistet ist", steht; auch ergibt sich aus der zunächst erfolgten Aufzählung, dass sich die im letzten Halbsatz normierte Ausnahme erkennbar nicht auf die zuvor aufgezählten Einrichtungen bezieht, weil etwa Senioren- oder Seniorenpflegeheime in typisierender Betrachtungsweise keine Kranken- und Kuranstalten darstellen, sodass sich eine Ausnahmebestimmung insofern als überflüssig erwiese.
26 Die Materialien zur Novelle LGBl. Nr. 57/2012 (Blg. LT 14 GP, RV 577), mit denen die genannten Bestimmungen geschaffen wurden, führen auszugsweise Folgendes aus:
"Zu den Z 2 und 3:
Vom Erhalt von Leistungen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung sind prinzipiell Personen ausgeschlossen, die in stationären Einrichtungen untergebracht sind. Unter dem Begriff der stationären Einrichtungen sind solche zu verstehen, in denen eine weitgehende Vollversorgung für den Lebensunterhalt und den Wohnbedarf gewährleistet ist, wobei es für den Leistungsausschluss unbeachtlich ist, wenn eine Versorgung in der Einrichtung (zeitlich lückenlos) angeboten wird und diese während bestimmter Zeiten nicht in Anspruch genommen wird (vgl zB VwGH Erk 19.05.2009, 2006/10/0019).
Beispielhaft werden Senioren(pflege)heime, Einrichtungen der Jugendwohlfahrt, Einrichtungen der Behindertenhilfe (zB die Wohnheime der ‚Lebenshilfe'), ‚organisierte Quartiere' für Asylberechtigte (zB Quartiere der Caritas) und Einrichtungen zum Vollzug gerichtlich angeordneter Freiheitsentziehungen (Strafhaft, Untersuchungshaft und Maßnahmenvollzug gemäß §§ 21 bis 23 StGB; vgl zB VwGH Erk 09.09.2009, 2007/10/0153) aufgezählt.
...
Zu Z 9:
Für die Dauer eines Aufenthalts in einer Kranken- oder Kuranstalt oder einer vergleichbaren stationären Einrichtung soll die Hilfe für den Lebensunterhalt bei Volljährigen künftig einheitlich 12,5 % des Mindeststandards gemäß § 10 Abs 1 Z 1 MSG betragen (das sind für 2012 rd 96,66 EUR mtl). Die geltende Reglung, wonach die Hilfe für den Lebensunterhalt und Wohnbedarf auf 37,5 % der nach § 10 ‚maßgeblichen' Mindeststandards zu reduzieren ist, führt nämlich dazu, dass die Höhe der Leistung je nach Personengruppe variiert.
...
Abs 2: Für die Dauer eines Aufenthalts in einer Einrichtung nach Abs 1 soll die Hilfe für den Wohnbedarf ruhen. Diese Regelung ist angelehnt an § 17 Abs 2 des Wiener Mindestsicherungsgesetzes und gilt zB auch für Sonderkrankenanstalten zur Suchtmittelentwöhnung. In der Praxis zeigt sich hier nämlich immer wieder, dass Personen, die in Therapieeinrichtungen für Suchtkranke Aufnahme gefunden haben - sog ‚Langzeitdrogenentwöhnungen' dauern nicht selten mindestens ein Jahr -, nach Abschluss der Therapie bewusst mit dem ‚alten Umfeld brechen' und den Wohnort wechseln. Bestehen für die Behörde Anhaltspunkte, dass die bisherige Unterkunft vom Hilfesuchenden nach der Entlassung nicht mehr genützt werden wird, ruht der ‚Wohngrundbetrag', wobei eine solche Einschätzung nicht vorschnell getroffen werden soll. Außerdem ist zu prüfen, ob die Erhaltung dieser Wohnung wirtschaftlich sinnvoll ist. Davon kann etwa nicht ausgegangen werden, wenn die Wohnkosten den höchstzulässigen Wohnaufwand gemäß der ‚Mindestsicherungsverordnung-Wohnbedarfshilfe' übersteigen (und auch nicht durch eine Wohnbeihilfe nach den Salzburger Wohnbauförderungsgesetzen abgedeckt sind) oder wenn auf Grund der (voraussichtlichen) Dauer des Aufenthaltes eine Neuanmietung voraussichtlich kostenmäßig deutlich günstiger ist.
..."
27 Die vom Verwaltungsgericht eingenommene Sichtweise, wonach Einrichtungen der Behindertenhilfe nur dann als stationäre Einrichtungen gelten würden, wenn "es sich nicht um Kranken- und Kuranstalten und andere vergleichbare Einrichtungen" handelte, findet auch in den wiedergegebenen Materialien keine Stütze, geht der Gesetzgeber doch offenbar davon aus, dass die in § 3 Z 7a Sbg. MSG beispielhaft aufgezählten Einrichtungen - wie etwa jene der Behindertenhilfe - jedenfalls als stationäre Einrichtungen anzusehen und darin untergebrachte Personen gemäß § 1 Abs. 3 leg. cit. generell vom Anwendungsbereich des Sbg. MSG ausgenommen sind. Gegenteilige Hinweise lassen sich den Materialien zu den §§ 1 Abs. 3, 3 Z 7a Sbg. MSG - die auf die Ausnahmebestimmung für "Kranken- und Kuranstalten und andere vergleichbare Einrichtungen" nicht Bezug nehmen - nicht entnehmen. Die genannte Ausnahmebestimmung korrespondiert vielmehr mit der im Gesetz gesondert geregelten Leistungsgewährung "für die Dauer eines Aufenthalts in einer Kranken- oder Kuranstalten oder einer vergleichbaren stationären Einrichtung" gemäß § 13 Sbg. MSG, die eine Anwendbarkeit des Sbg. MSG voraussetzt.
28 Darüber hinaus spricht in diesem Zusammenhang aber auch § 12 Abs. 3 SBG gegen die Sichtweise des Verwaltungsgerichtes, zumal dem Gesetzgeber der Novelle LGBl. Nr. 57/2012 bekannt war, dass nach dieser Bestimmung "Einrichtungen der Eingliederungshilfe" nach dem SBG etwa auch "Heil- und Pflegeanstalten" bzw. "Kuranstalten" sein können, die ohne privatrechtliche Vereinbarung nach § 12 Abs. 1 SBG von der Behindertenhilfe in Anspruch genommen werden können. Den Materialien ist aber kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass für eine derartige Einrichtung der Behindertenhilfe eine Ausnahme (von der Nicht-Anwendbarkeit des Sbg. MSG) geschaffen werden sollte.
29 Im vorliegenden Fall geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass der Mitbeteiligte sich im Rahmen einer Maßnahme der Eingliederungshilfe gemäß § 6 SBG zur stationären Behandlung in der Einrichtung Z aufhält, wobei mit Bescheid der belangten Behörde vom 9. Februar 2017 gemäß § 6 leg. cit. das Ansuchen um Aufnahme in diese Einrichtung bewilligt wurde, die Kosten dieser Maßnahme übernommen wurden sowie ein Taschengeld von monatlich EUR 105,56 gewährt wurde. Dass es sich bei der Einrichtung Z um keine solche der Behindertenhilfe im Sinne des § 12 SBG handeln würde, hat das Verwaltungsgericht nicht festgestellt. Demnach kam im Grunde des § 1 Abs. 3 iVm § 3 Z 7a Sbg. MSG die Gewährung von Mindestsicherung ab Unterbringung in der Einrichtung Z nach dem Gesagten nicht mehr in Betracht, sodass das Verwaltungsgericht insoweit die Rechtslage verkannt hat.
30 Ein näheres Eingehen auf die mit dem angefochtenen Erkenntnis vorgenommenen Absprüche sowie auf das weitere Revisionsvorbringen erübrigt sich allerdings schon deshalb, weil sich das angefochtene Erkenntnis aus einem weiteren, vorrangig wahrzunehmenden Grund als rechtswidrig erweist:
31 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurden von zwei Einzelrichtern des Verwaltungsgerichtes in einer gemeinsamen Entscheidung vier Beschwerden des Mitbeteiligten teils Folge gegeben bzw. teils abgewiesen. Bei den vier verbundenen Beschwerdesachen lag mangels anders lautender bundes- oder landesrechtlicher Regelungen eine Einzelrichterzuständigkeit vor. Es ist aber unzulässig, wenn mehrere Richter gemeinsam mehrere Verfahren, in denen jeweils nur einer von ihnen der zuständige Richter ist, verbinden und eine alle Rechtssachen übergreifende, gemeinsam begründete Entscheidung fällen, die als Folge der gemeinsamen Genehmigung auch beiden genehmigenden Richtern kollegial zugerechnet werden muss. Die beiden, die Entscheidung in den verbundenen Rechtssachen genehmigenden Richter bilden keinen zulässigen Spruchkörper für diese Rechtssachen (vgl. VfGH 24.11.2017, E 2456/2016).
32 Eine Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes ist vom Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 VwGG von Amts wegen aufzugreifen, wenn sich die Revision - wie hier - als zulässig erweist (vgl. VwGH 27.11.2018, Ra 2017/02/0141, mwN).
33 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichtes aufzuheben.
Wien, am 27. Februar 2019
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Besondere RechtsgebieteAuslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RO2017100038.J00Im RIS seit
27.03.2019Zuletzt aktualisiert am
10.04.2019