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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AuslBG §24 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl, die Hofrätin Mag.a Merl und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache der M Y in W, vertreten durch Dr. Alexander T. Scheuwimmer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Am Heumarkt 19, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien vom 12. November 2018, VGW-151/074/9453/2018-7, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Die Revisionswerberin, eine japanische Staatsangehörige, hält sich seit dem Jahr 2002 mit immer wieder (zuletzt bis 28. November 2016) verlängerten Aufenthaltsbewilligungen als Schülerin in Österreich auf. Sie verfügt über Gewerbeberechtigungen für die Gewerbe "Organisation von öffentlichen Veranstaltungen" (seit 3. März 2010) und "Sprachdienstleistungen (Übersetzen, Dolmetschen, Gebärdendolmetschen, Synchronisation), ausgenommen literarische Übersetzungen" (seit 14. Februar 2009).
5 Am 24. November 2016 beantragte die Revisionswerberin eine Zweckänderung ihres Aufenthaltstitels von Schülerin auf "Rot-Weiß-Rot - Karte" als selbständige Schlüsselkraft.
6 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (Behörde) vom 16. April 2018 wurde dieser Antrag gemäß § 41 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 4 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) abgewiesen, weil die Revisionswerberin keine selbständige Schlüsselkraft sei. Dabei verwies die Behörde auf die Gutachten der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice (AMS) gemäß § 24 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) vom 1. Februar 2018 und vom 11. April 2018.
7 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht Wien (VwG) die Beschwerde der Revisionswerberin ab und erklärte eine ordentliche Revision für unzulässig.
Begründend führte das VwG zusammengefasst aus, die gutachterlichen Stellungnahmen des AMS vom 1. Februar 2018 und vom 11. April 2018 seien schlüssig. Es treffe zwar zu, dass der Revisionswerberin im Dezember 2017 von einer Bank in Japan EUR 100.000,-- überwiesen worden seien, für die Organisation von öffentlichen Veranstaltungen und Dolmetschertätigkeiten seien jedoch nur Anschaffungen (EDV-Ausstattung, Kopierer, Werbematerial) im Wert von etwa EUR 10.000,-- erforderlich. Nur in diesem Rahmen treffe die Revisionswerberin eigene Investitionsentscheidungen; daraus sei weder ein gesamtwirtschaftlicher Nutzen noch eine Bedeutung für die Region abzuleiten. Nach der hg. Rechtsprechung seien einmalige Investitionen in Höhe von etwa EUR 40.000,-- nicht als maßgeblicher Transfer von Investitionskapital zu werten (Hinweis auf VwGH 19.11.2014, 2012/22/0102). Die Revisionswerberin biete Eventdienstleistungen an, lukriere ihr Einkommen aber hauptsächlich aus Dolmetscherdiensten. Für eine realistische Abschätzung der künftigen Unternehmensentwicklung für das Jahr 2019 habe die Revisionswerberin einige unverbindliche Empfehlungsschreiben, jedoch keine konkreten Aufträge vorgelegt. Sofern ihre Tätigkeit in die Nähe der Anbahnung von Geschäftskontakten gerückt werde, werde auf VwGH 10.5.2016, Ro 2016/22/0006, verwiesen, wonach eine Tätigkeit zur Begünstigung ausländischer Investitionen in Österreich nicht der Erwerbstätigkeit im Rahmen des (dortigen) Taxigewerbes zugeordnet werden könne. Durch die Geschäftsanbahnung und Vermittlung der Revisionswerberin als Dolmetscherin und Eventorganisatorin könnten Investitionsentscheidungen von Unternehmen zugunsten der heimischen Wirtschaft entstehen. Diese könnten jedoch - so sie glaubhaft gemacht würden - nicht als erzielter gesamtwirtschaftlicher Nutzen der Erwerbstätigkeit der Revisionswerberin im Rahmen ihrer gewerblichen Tätigkeit zugeordnet werden.
8 In ihrer Zulässigkeitsbegründung rügt die Revision ein Abweichen von der bisherigen Rechtsprechung, weil das VwG bei der Beurteilung des gesamtwirtschaftlichen Nutzens bzw. der Bedeutung für die Region auf die in der Vergangenheit erzielten Umsätze abgestellt habe (Hinweis auf VwGH 13.9.2011, 2008/22/0809; 10.5.2016, Ra 2016/22/0023), die von der Revisionswerberin begünstigten Investitionen nicht als gesamtwirtschaftlichen Nutzen ihrer Tätigkeit zugeordnet habe (Hinweis auf VwGH 20.11.2008, 2007/21/0255; allenfalls uneinheitliche Rechtsprechung mit Hinweis auf VwGH 10.5.2016, Ro 2016/22/0006) und einen gesamtwirtschaftlichen Nutzen bzw. eine Bedeutung für die Region erst ab einer Investitionssumme von mindestens EUR 100.000,-- anerkannt habe (Hinweis auf VwGH 20.11.2008, 2007/21/0255; 13.10.2011, 2008/22/0850 und 0851; 10.12.2013, 2013/22/0200). Es fehle hg. Rechtsprechung zu der seit dem 1. Oktober 2017 neu eingeführten Formulierung in § 24 AuslBG betreffend "Bedeutung für die Region", den Anforderungen an den Transfer von Investitionskapital in der Höhe von mindestens EUR 100.000,--, den Anforderungen an den Nachweis der Herkunft dieser Geldmittel und dazu, was - abgesehen vom Transfer an Investitionskapital und von der Schaffung bzw. Sicherung von Arbeitsplätzen - als gesamtwirtschaftlicher Nutzen bzw. Bedeutung für die Region in Frage komme.
9 Zunächst ist festzuhalten, dass der Vorwurf, das VwG habe bei der Beurteilung des gesamtwirtschaftlichen Nutzens bzw. der Bedeutung für die Region nur auf die in der Vergangenheit erzielten Umsätze abgestellt, nicht zutrifft. Das VwG führte vielmehr aus, für eine realistische Abschätzung der künftigen Unternehmensentwicklung für das Jahr 2019 habe die Revisionswerberin nur einige unverbindliche Empfehlungsschreiben, jedoch keine konkreten Aufträge vorgelegt. Dem wird in der Zulässigkeitsbegründung nicht entgegengetreten.
10 Die Revision missversteht offenbar die hg. Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Bedingungen die Begünstigung ausländischer Investitionen einer Tätigkeit als gesamtwirtschaftlicher Nutzen zugeordnet werden kann. Im hg. Beschluss Ro 2016/22/0006 wird diese Zuordnung verneint, weil eine solche Vermittlertätigkeit nicht vom Aufgabenbereich eines Taxiunternehmens umfasst ist. Dem hg. Erkenntnis 2007/21/0255 lag hingegen die Tätigkeit eines Beraters und Maklers zugrunde, der Geschäftsbeziehungen zwischen indischen und österreichischen Unternehmen anbahnte.
Fallbezogen geht aus den mit Schriftsatz vom 8. 0ktober 2018 vorgelegten Unterlagen - soweit sie auch in deutscher oder englischer Sprache verfasst sind - hervor, dass die Revisionswerberin Koordinierungsarbeiten für Firmenseminare, Dolmetscherarbeiten und eine Eventberatung durchführte sowie als Eventmanagerin tätig war. Diese von der Revisionswerberin nachgewiesenen Tätigkeiten sind nicht geeignet, Investitionsentscheidungen ausländischer Unternehmen unmittelbar zu fördern. Die Revisionswerberin ist nicht Veranstalterin, sondern nur Organisatorin bzw. Koordinatorin der Seminare und Events. Angesichts dessen verneinte das VwG zutreffend die Zuordnung allfälliger ausländischer Investitionen als gesamtwirtschaftlicher Nutzen zur Tätigkeit der Revisionswerberin.
11 Seit der Novelle zum Ausländerbeschäftigungsgesetz, BGBl. I Nr. 66/2017, hat § 24 Abs. 1 leg. cit. folgenden Wortlaut:
"AusländerInnen werden als selbständige Schlüsselkräfte zugelassen, wenn ihre beabsichtigte Erwerbstätigkeit insbesondere hinsichtlich des damit verbundenen Transfers von Investitionskapital in der Höhe von mindestens EUR 100.000 oder der Schaffung von neuen oder Sicherung von bestehenden Arbeitsplätzen von gesamtwirtschaftlichem Nutzen ist oder zumindest eine Bedeutung für eine Region hat."
Mit dem Vorbringen, es fehle Rechtsprechung zu verschiedenen Aspekten des § 24 Abs. 1 AuslBG in der genannten Fassung wird in keiner Weise aufgezeigt, welche konkreten, fallbezogen entscheidungsrelevanten Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung der Verwaltungsgerichtshof zu beantworten hätte. Für die Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof aus Anlass einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 1 B-VG nicht zuständig (VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0014, Rn. 7, mwN). Gleiches gilt für die in der Revision aufgeworfenen rechtspolitischen Fragen.
12 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher zurückzuweisen.
Wien, am 28. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018220311.L00Im RIS seit
27.03.2019Zuletzt aktualisiert am
08.04.2019