TE Vwgh Beschluss 2019/2/28 Ra 2018/22/0285

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Veröffentlicht am 28.02.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
MRK Art8;
NAG 2005 §11 Abs3;
NAG 2005 §21 Abs3 Z2;
NAG 2005 §64;
NAG 2005 §69;
VwGG §34 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Robl sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Strasser, in der Revisionssache des T B in W, vertreten durch Dr. Josef Wegrostek, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Domgasse 6, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 4. Oktober 2018, VGW-151/082/14633/2017-15, betreffend Aufenthaltsbewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien (belangte Behörde) vom 6. Oktober 2017 wurde der Antrag des Revisionswerbers, eines minderjährigen Staatsangehörigen der Mongolei, auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung "Familiengemeinschaft mit Studierender" gemäß § 69 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wegen unzulässiger Inlandsantragstellung abgewiesen. Dem Zusatzantrag nach § 21 Abs. 3 NAG sei - so die belangte Behörde - nicht stattzugeben gewesen.

2 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 4. Oktober 2018 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof für unzulässig.

Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung im Wesentlichen folgenden Sachverhalt zugrunde: Die Eltern des Revisionswerbers seien Staatsangehörige der Mongolei. Die Mutter verfüge seit dem 18. Februar 2016 über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierende", zuletzt mit einer Gültigkeit bis zum 20. Februar 2019. Der Vater habe ab dem 22. April 2016 über eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" verfügt und verfüge seit dem 24. April 2018 über eine von seiner Ehefrau (der Mutter des Revisionswerbers) abgeleitete Aufenthaltsbewilligung "Familiengemeinschaft". Beide Elternteile seien im Ausmaß von jeweils zehn Stunden beschäftigt. Der Revisionswerber sei nach der Ausreise seiner Eltern im Jahr 2016 bei seinen Großeltern (in der Mongolei) verblieben und von diesen betreut worden. Am 11. Juli 2017 sei er mit einem Visum C nach Österreich eingereist, am 11. August 2017 habe er (durch seine Mutter) den gegenständlichen Erstantrag gestellt. Eine Wiederaufnahme des Zusammenlebens zwischen dem Revisionswerber und seinen Großeltern, wie es vor seiner Einreise nach Österreich bestanden habe, sei möglich.

In seinen rechtlichen Erwägungen verwies das Verwaltungsgericht auf § 21 Abs. 3 Z 2 NAG, dem zufolge eine Inlandsantragstellung zugelassen werden könne, wenn ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels bestehe. Bei der durchgeführten Interessenabwägung gelangte das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass den familiären Bindungen zwischen dem Revisionswerber und seinen Eltern gegenüber den öffentlichen Interessen kein überragendes Gewicht zukomme. Die mit einer Ausreise einhergehenden Umstellungen seien dem Revisionswerber - der sich im anpassungsfähigen Alter befinde, erst seit 15 Monaten im Inland aufhalte und für den hinsichtlich seiner Betreuung keine besonderen Bedürfnisse bestünden - zumutbar, wenn die Eltern eine Trennung im Interesse des Studiums der Mutter in Kauf nehmen würden. Dies sei auch in der Vergangenheit bei der Ausreise der Eltern (ohne den Revisionswerber) der Fall gewesen. Zudem sei der Vater (nach Umstellung seines Aufenthaltszwecks) jedenfalls nicht daran gehindert, den Revisionswerber zu begleiten. Selbst eine Unterbrechung des Studiums der Mutter im Fall der Begleitung des Revisionswerbers sei hinzunehmen, ein dadurch verursachter Zeitverlust bzw. finanzieller Mehraufwand sei nicht maßgeblich. Die Eltern des Revisionswerbers seien nicht dauerhaft niedergelassen und erst seit zweieinhalb bzw. zwei Jahren in Österreich aufhältig. Die Zulassung zur Stellung eines Erstantrags im Inland aus Gründen des Art. 8 EMRK sei somit nicht geboten.

3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5 In der Revision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, die Eltern des Revisionswerbers hätten im Beschwerdeverfahren nachvollziehbar dargelegt, dass eine Antragstellung lediglich bei der österreichischen Botschaft in Peking möglich wäre, die Bearbeitungsdauer ca. ein Jahr betrage und die Eltern bzw. die Mutter in dieser Zeit auf die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung für den Revisionswerber warten müssten. Der Mutter des Revisionswerbers, die zurzeit ihre Nostrifizierungsprüfungen in Österreich ablege, sei eine Unterbrechung ihres Studiums nicht zumutbar, weil dies ihren Studienerfolg gefährden würde.

6 Aus § 21 Abs. 3 Z 2 NAG ergibt sich, dass die Inlandsantragstellung auf begründeten Antrag dann zugelassen werden kann, wenn - ausnahmsweise, nämlich für den Fall der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Ausreise des Fremden - ein aus Art. 8 EMRK direkt abzuleitender Anspruch auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht. Bei der vorzunehmenden Beurteilung nach Art. 8 EMRK ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Versagung eines Aufenthaltstitels mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der im § 11 Abs. 3 NAG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (siehe VwGH 22.2.2018, Ra 2017/22/0086, mwN).

7 Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG ist (vgl. VwGH 4.10.2018, Ra 2018/22/0126, mwN).

8 Das Verwaltungsgericht hat seiner Entscheidung folgende Umstände zugrunde gelegt: Die Möglichkeit der "Wiederaufnahme der Wohnsituation" bei den Großeltern sei im Verfahren nicht bestritten worden. Die Eltern des Revisionswerbers seien erst seit ca. zweieinhalb Jahren im Inland aufhältig (vgl. dazu, dass eine derartige Aufenthaltsdauer für sich genommen keine maßgebliche Verstärkung der persönlichen Interessen bewirkt, VwGH 21.1.2016, Ra 2015/22/0119). Den Eltern seien lediglich Aufenthaltsbewilligungen erteilt worden und sie seien daher nicht dauerhaft in Österreich niedergelassen (vgl. im Gegensatz dazu VwGH 20.3.2012, 2010/21/0119, mwN, wonach einem besonderen aufenthaltsrechtlichen Status der Ankerperson - österreichische Staatsbürgerschaft, unionsrechtliches Aufenthaltsrecht, unbefristetes Niederlassungsrecht - bei der Interessenabwägung wesentliches Gewicht beizumessen ist). Ausgehend davon ist die Auffassung, es sei zumutbar, dass die Eltern (bzw. zumindest ein Elternteil) des Revisionswerbers diesen für die Dauer der Antragstellung in die gemeinsame Heimat begleiten, nicht zu beanstanden.

9 Daran vermag die in der Revision ins Treffen geführte Gefährdung des Studienerfolgs der Mutter nichts zu ändern. Diesbezüglich ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im Zusammenhang mit Verfahren betreffend Aufenthaltsbewilligungen nach § 64 NAG zu verweisen, der zufolge eine allfällige Unterbrechung des Studiums und ein damit einhergehender finanzieller Aufwand für sich genommen nicht als Umstände anzusehen sind, auf Grund derer eine Inlandsantragstellung nach § 21 Abs. 3 Z 2 NAG zuzulassen wäre (vgl. VwGH 10.5.2016, Ra 2015/22/0158, mwN). Nichts anderes kann aber in einem Verfahren nach § 69 NAG (Familiengemeinschaft mit Studierender) bezüglich der Frage gelten, ob der zusammenführenden Drittstaatsangehörigen die Begleitung des Antragstellers in den Heimatstaat und damit eine Unterbrechung des Studiums zuzumuten ist.

10 Schon aus diesem Grund kann die im vorliegenden Fall vorgenommene Interessenabwägung im Ergebnis nicht als unvertretbar angesehen werden.

11 Ob eine Trennung des Revisionswerbers von seinen Eltern und damit eine erneute Herstellung des im Jahr 2016 durch die Ausreise der Eltern freiwillig gewählten Zustandes (der Betreuung des Revisionswerbers durch seine Großeltern in der Mongolei) im vorliegenden Fall hinzunehmen wäre, kann daher dahinstehen.

12 In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme.

Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. 13 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte

gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 28. Februar 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018220285.L00

Im RIS seit

27.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

26.04.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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