TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/11 VGW-151/023/17017/2018

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Veröffentlicht am 11.03.2019
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Entscheidungsdatum

11.03.2019

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

NAG §51 Abs1
NAG §51 Abs1 Z2
NAG §53a Abs1
NAG §53 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien hat durch seinen Richter Mag. Fischer über die Beschwerde des Herrn A. B., Wien, ..., gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien, Magistratsabteilung 35, vom 03.10.2018, Zahl ..., mit welchem der Antrag vom 15.01.2018 auf Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthalts gemäß § 53a Abs. 1 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz 2005 - NAG in der geltenden Fassung abgewiesen wurde, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 18. Februar 2019,

zu Recht e r k a n n t:

I. Gemäß § 53a Abs. 1 NAG in Verbindung mit § 51 Abs. 1 Z 2 NAG wird der Beschwerde Folge gegeben und dem Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthaltes von EWR-Bürgern für Herrn A. B., geb. am ... 1944, stattgegeben.

II. Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundesverfassungsgesetz - B-VG an den Verwaltungsgerichtshof unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 3. Oktober 2018 wurde zur Zahl ... der Antrag des nunmehrigen Rechtsmittelwerbers vom 15. Jänner 2018 auf Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthaltes gemäß § 53a Abs. 1 NAG abgewiesen.

Begründend führte die Behörde zusammengefasst sinngemäß aus, der Beschwerdeführer verfüge zwar seit dem 5. März 2008 über einen Wohnsitz in Österreich, allerdings habe er in den Zeiträumen zwischen 1. September 2010 und 30. April 2011 sowie zwischen 1. September 2011 und 31. August 2013 Mittel aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung in Wien bezogen, weswegen zumindest in den genannten Zeiträumen die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG als nicht erfüllt erscheinen. Weiters beziehe der Einschreiter seit dem 1. September 2013 eine Pension in Österreich, welche jedoch unter dem Mindestbedarf nach dem Mindestsicherungsgesetz liege. Zusätzlich habe er am 13. Februar 2017 einen Antrag auf Gewährung einer Ausgleichzulage eingebracht, womit die Annahme, der Einschreiter sei nicht in der Lage, für seinen Lebensunterhalt ohne Heranziehung von Sozialhilfen zu sorgen, weiter erhärtet werde. Aus diesen Gründen sei der Beschwerdeführer keine fünf Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig, weswegen sein Antrag auf Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthaltes von EWR-Bürgern im Sinne des § 53a NAG abzuweisen gewesen wäre.

In der dagegen rechtzeitig eingebrachten Beschwerde legte der nunmehrige Rechtsmittelwerber nach Darstellung des Verfahrensganges und Wiedergabe diverser höchstgerichtlicher Entscheidungen Nachstehendes dar:

Darstellung meiner Lebens- und Einkommensverhältnisse:

Ich bin ungarischer Staatsbürger. Von meinem Familienstand her bin ich ledig und habe keine Kinder.

Ich lebe seit dem Jahr 1973 ununterbrochen in Österreich.

Somit lebe ich seit 45 Jahren dauerhaft in Österreich.

Wie meinem in Kopie beigelegten WGKK-Versicherungsdatenauszug vom 9.10.2018 zu entnehmen ist, bin ich seit 15.10.1973, mit Unterbrechungen, in Österreich erwerbstätig bzw. seit 1.9.2013 im Alterspensionsbezug.

Ich habe von Oktober 1973 bis Jänner 1982 durchgehend in der Firma C. gearbeitet.

Von März 1983 bis Jänner 1986 sowie von März 1986 bis August 1995 habe ich durchgehend in der Firma D.-GmbH gearbeitet.

Ich hätte aufgrund meiner in Österreich erfolgten Erwerbstätigkeit bereits im Alter von 65 Jahren, also im Jahr 2009, eine Alterspension beantragen können. Aufgrund meiner Unwissenheit und aufgrund von persönlichen Problemen brachte ich meinen Antrag auf Alterspension jedoch erst vier Jahre später ein; daher wurde mir erst ab 1.9.2013 eine Alterspension ausbezahlt.

Wie aus dem Schreiben der PVA vom Jänner 2018 - welches der MA 35 vorlag - klar ersichtlich ist, wird mir von meiner Alterspension von 871,16€ brutto monatlich (ohne Pflegegeld) ein Krankenversicherungsbeitrag von insgesamt 48,05€ monatlich abgezogen Auf dem Schreiben der PVA vom Jänner 2018 ist klar ersichtlich, dass „davon für ausländische Leistung EUR 3.62 abgezogen werden.

Es ist somit offensichtlich, dass ich für eine ausländische Pensionsleistung einen Krankenversicherungsbeitrag in der Höhe von 3,62€ monatlich an die PVA leiste.

Ich erhalte seit 1.5.2008 eine Leistung der ungarischen Pensionsversicherung in der Höhe von umgerechnet 68€ im Jahr 2008 und umgerechnet 76€ monatlich im Jahr 2018. Diese Leistung wird auf mein Konto bei der Bank Austria seit mehr als fünf Jahren regelmäßig angewiesen.

823,11 € netto monatliche österreichische Alterspension plus 76€ monatlich von der ungarischen Pensionsversicherung ergeben 899,11€ netto monatlich insgesamt an Alterspension. - Mein Alterspensionsbezug liegt somit über dem Mindeststandard in der Höhe von 863,04€ im Jahr 2018.

Im Hinblick auf meinen 45jährigen Aufenthalt in Österreich hätte auch mein durch Artikel 8 EMRK geschütztes Recht auf Privat- und Familienleben von der MA 35 entsprechend gewürdigt werden sollen.

unrichtige rechtliche Beurteilung durch die MA35:

Wie oben dargestellt hätte die MA 35 unter Berücksichtigung der oben zitierten EuGH- Judikate mein Pflegegeld als Bestandteil meines Einkommens berücksichtigen müssen.

Die MA 35 hat im oben angegebenen Bescheid den Mindeststandard eines Erwachsenen im Jahr 2018 gar nicht genannt. Die MA 35 geht aufgrund meines seit 13.2.2017 bei der PVA in erster Instanz anhängigen Antrags auf Ausgleichszulage davon aus, dass ich nicht in der Lage wäre, meinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Ausgleichszulage zu bestreiten. Die MA 35 führt an, dass sie österreichische PVA meinen Antrag auf Ausgleichszulage aufgrund einer fehlenden Antwort des ungarischen Sozialversicherungsträgers nicht bearbeiten könne. Ich habe zwar diesen Antrag auf Ausgleichszulage eingebracht. Mittlerweile weiß ich, dass dieser Antrag von der PVA nach Einlangen der Antwort des ungarischen Sozialversicherungsträgers abgewiesen werden wird. Die MA 35 kann nicht aufgrund einer bloßen Antragstellung davon ausgehen, dass mir eine Ausgleichszulage zusteht - zumal aus dem Schreiben der PVA vom Jänner 2018 hervorgeht, dass ich für eine ausländische Pensionsleistung einen Krankenversicherungsbeitrag an die PVA zahle.

Völlig unerklärlich bleibt, dass die MA 35 im Bescheid vom 3.10.2018 nicht nur die letzten fünf Jahre, also beispielsweise September 2013 bis September 2018, zur Berechnung meines Einkommens heranzieht.

Die MA 35 wirft mir einen Bezug von Mindestsicherung im Zeitraum vom 1.9.2010 bis 30.4.2011 und vom 1.9.2011 bis 31.8.2013 vor. Beide Zeiträume lagen bereits zum Zeitpunkt, als die MA 35 den Bescheid erlassen hatte, mehr als fünf Jahre zurück. Ich muss jedoch nicht alle 45 Jahre durchgehend, auch nicht ab EU-Beitritt Ungarns durchgehend, ein Einkommen in Höhe des Sozialhilferichtsatzes vorweisen können, sondern lediglich in einem durchgehenden Zeitraum von fünf Jahren. Wie oben dargestellt verfüge ich seit 1.9.2013, somit sehr mehr als fünf Jahren durchgehend über eine Alterspensionsleistung, die den Mindeststandard übersteigt sowie über eine Krankenversicherung.

Ich beantrage daher, meiner Beschwerde stattzugeben und mir die beantragte Bescheinigung des Daueraufenthalts auszustellen.“

Diese Beschwerde wurde dem Verwaltungsgericht Wien durch den Landeshauptmann von Wien samt dem Bezug habenden Verfahrensakt am 28. Dezember 2018 einlangend zur Entscheidung vorgelegt.

Auf Grund des Beschwerdevorbringens und zur weiteren Abklärung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes wurde am 18. Februar 2019 vor dem Verwaltungsgericht Wien eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, zu welcher neben dem Beschwerdeführer und einem informierten Vertreter der belangten Behörde Herr E. F. als Zeuge geladen waren. Der Landeshauptmann von Wien verzichtete mit Eingabe vom 04. Februar 2019 ausdrücklich auf die Teilnahme an der mündlichen Verhandlung.

Der Beschwerdeführer legte in dieser Verhandlung eingangs dar, er habe in Österreich keine Schulden und in der Zeit zwischen 1995 und 2008 in Österreich gelebt. Er sei in diesem Zeitraum obdachlos gewesen und habe seinen Lebensunterhalt durch Zuwendungen karitativer Einrichtungen bestritten. Er habe sich deshalb nie an einer Anschrift gemeldet, weil es ihn nicht interessiert habe.

Herr E. F., Betreuer des Beschwerdeführers, legte im Zuge seiner zeugenschaftlichen Einvernahme Nachstehendes dar:

„Ich bin mit der persönlichen Situation des Herrn B. vertraut. Ich arbeite seit Oktober 2017 in diesem Haus. Herr B. lebt seit Anfang der 70er Jahre in Österreich. Er war damals erwerbstätig, dies bis 1995. Meinen Informationen zufolge lebte Herr B. auf der Straße. Soweit mir bekannt ist, war dies vordergründig im Bereich des …bahnhofes. Er hat dort auch bei der Caritas Bahnhof-Sozialarbeit angedockt. Ich beziehe mich diesbezüglich auf die Aussagen des Herrn B.. Ich versuchte in weiterer Folge dies dokumentieren zu können, allerdings fanden sich keinerlei Aufzeichnungen von damals. Meiner Information zufolge kam Herr B. aufgrund seines damaligen Gesundheitszustanden auf Initiative von Sozialarbeitern ins Geriatriezentrum, dies war im Jahre 2008. Damals begann dann auch die Suche nach einem geeigneten Heimplatz. Wie lange Herr B. Mindestsicherung bezogen hat kann ich nicht angeben. Jedenfalls bezog er, als ich in dem Haus zu arbeiten begann, keine Mindestsicherung. Das Pflegegeld, das Her B. bekommt, wird für Heimhilfedienste verwendet. Dieses Geld verbleibt ihm nicht als Einkommen.

Herr B. ist einer der sparsamsten Menschen die mir in meiner beruflichen Tätigkeit über den Weg gelaufen sind.

Meiner Information zu Folge verfügt der Beschwerdeführer noch immer über einen Bausparertrag. Dieser weist ein Guthaben von aktuell EUR 3.600,-- auf.“

Das der Beschwerde Folge gebende Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien wurde im Anschluss in dieser Verhandlung mündlich verkündet und eine Ausfertigung des Verhandlungsprotokolls der rechtsfreundlichen Vertreterin des Beschwerdeführers unmittelbar nach der Verkündung des Erkenntnisses ausgefolgt. Mit Schreiben des Verwaltungsgerichtes Wien vom 18. Februar 2019 wurde die Niederschrift dem Landeshauptmann von Wien sowie dem Bundesminister für Inneres zugestellt. Mit Eingabe vom 26. Februar 2019 beantragten die belangte Behörde sowie mit Eingabe vom 6. März 2019 das Bundesministerium für Inneres rechtzeitig die Ausstellung einer schriftlichen Ausfertigung des verkündeten Erkenntnisses.

Nach Durchführung des Beweisverfahrens ergibt sich folgender entscheidungsrelevanter Sachverhalt, der als erwiesen angenommen wird:

Der am ... 1944 geborene Beschwerdeführer ist ungarischer Staatsangehöriger und verfügt seit 3. April 2008 über durchgehende Meldeanschriften als Hauptwohnsitz in Österreich. Aktuell ist er seit 16. September 2008 an der Anschrift Wien, ..., in einem Seniorenwohnheim hauptgemeldet.

Der Beschwerdeführer war im Zeitraum zwischen 15. Oktober 1973 und 27. August 1995 mit kurzen Unterbrechungen durchgehend in Österreich als Arbeiter unselbständig erwerbstätig, nämlich bis 30. November 1982 bei Herrn C. und ab 14. März 1983 bei der D. gesellschaft m.b.H. Im Zeitraum zwischen August 1995 und April 2008 scheinen keine Erwerbstätigkeiten oder Meldungen des Einschreiters im Bundesgebiet auf.

Seit zumindest September 2010 bis 30. April 2011 und im Zeitraum zwischen 1. September 2011 und 31. August 2013 war der Einschreiter als Mindestsicherungsbezieher in Österreich krankenversichert. Seit 1. September 2013 bezieht der Beschwerdeführer in Österreich eine Alterspension und ist auf Grund dieses Pensionsbezuges in Österreich krankenversichert. Konkret bezog der Einschreiter im Jahre 2013 eine Alterspension in der Höhe von EUR 779,74 monatlich, eine ebenso hohe Pension im Jahre 2014. Im Jahre 2015 bezog er eine Alterspension in der Höhe von EUR 792,99 monatlich, im Jahre 2016 EUR 802,51, im Jahre 2017 EUR 805,32, im Jahre 2018 EUR 823,11 und im Jahre 2019 EUR 844,71. Weiters bezieht er seit dem 1. Mai 2008 auf Grund seiner in Ungarn im Zeitraum zwischen 6. März 1959 und 12. Oktober 1973 erworbenen Dienstzeit von ebendort eine Alterspension in der Höhe von HUF 16.750,--, welche ihm zumindest seit Jänner 2013 regelmäßig überwiesen wird. Die diesbezüglichen Überweisungen belaufen sich auf durchschnittlich monatlich EUR 70,--.

Zusätzlich bezog der Beschwerdeführer seit zumindest Jänner 2014 Pflegegeld der Stufe 1. Dieses Pflegegeld wird zur Gänze für pflegebezogene Leistungen verwendet.

Am 13. Februar 2017 beantragte der Einschreiter bei der Pensionsversicherungsanstalt die Zuerkennung einer Ausgleichszulage, wobei er diesen Antrag mit Schreiben vom 30. Oktober 2018 zurückzog.

Zu diesen Feststellungen gelangte das Gericht auf Grund nachstehender Beweiswürdigung:

Die getätigten Feststellungen zur Höhe der aus Ungarn stammenden Alterspension des Beschwerdeführers gründen sich auf die vorgelegte Bestätigung der Regionalen Pensionsversicherungsdirektion, Abteilung 1 für internationale Pensionssachen, in Budapest vom 8. Juli 2009 sowie die durch den Beschwerdeführer vorgelegten Kontoauszüge, aus welchen die Gutschriften aus dieser Pension lückenlos ersichtlich sind.

Die weiteren getätigten Feststellungen gründen sich auf den insoweit unbestritten gebliebenen und unbedenklichen Akteninhalt sowie insbesondere auf die Ausführungen des Beschwerdeführers sowie des Zeugen E. F. im Zuge ihrer Einvernahme im Rahmen der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Wien.

Rechtlich folgt daraus:

Gemäß § 51 Abs. 1 des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) sind auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie sind EWR-Bürger zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie

1. in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind;

2. für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen, oder

3. als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen.

Gemäß § 53a Abs. 1 NAG erwerben EWR-Bürger, denen das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht zukommt (§§ 51 und 52), unabhängig vom weiteren Vorliegen der Voraussetzungen gemäß §§ 51 oder 52 nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Recht auf Daueraufenthalt. Ihnen ist auf Antrag nach Überprüfung der Aufenthaltsdauer unverzüglich eine Bescheinigung ihres Daueraufenthaltes auszustellen.

Gemäß § 53a Abs. 2 NAG wird die Kontinuität des Aufenthalts im Bundesgebiet wird nicht unterbrochen von

      1. Abwesenheiten von bis zu insgesamt sechs Monaten im Jahr;

      2. Abwesenheiten zur Erfüllung militärischer Pflichten oder

      3. durch eine einmalige Abwesenheit von höchstens zwölf aufeinander folgenden Monaten aus wichtigen Gründen wie Schwangerschaft und Entbindung, schwerer Krankheit, eines Studiums, einer Berufsausbildung oder einer beruflichen Entsendung.

Die belangte Behörde stützte die Abweisung des vorliegenden Antrages auf Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthaltes von EWR-Bürgern auf den Umstand, dass der Einschreiter mangels ausreichender Mittel zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes während fünf Jahren nicht rechtmäßig in Österreich aufhältig gewesen sei. Dies, da er Mittel aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung bis zum 31. August 2013 bezogen und zudem am 13. Februar 2017 einen Antrag auf Gewährung der Ausgleichszulage eingebracht habe.

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass der belangten Behörde insoweit beizupflichten ist, als nicht jeder über fünf Jahre währende Aufenthalt eines EWR-Bürgers in Österreich zur Ausstellung einer Daueraufenthaltsbescheinigung im Sinne des § 53A NAG berechtigt, sondern dass dieser Aufenthalt mit hier nicht in Betracht kommenden Ausnahmen durchgehend und insbesondere im Lichte des § 51 NAG rechtmäßig sein muss (vgl. diesbezüglich bereits VwGH, 5. Juli 2011, Zl. 2008/21/0522). Rechtmäßig ist dieser Aufenthalt etwa dann, wenn der EWR-Bürger für sich und seine Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügt, so dass er während seines Aufenthalts keine Sozialhilfeleistungen oder die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen muss.

Bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie - in Österreich umgesetzt durch § 51 Abs. 1 Z 2 NAG - in Anspruch nehmen zu können, ist nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen, ohne die beantragten Sozialleistungen zu berücksichtigen, was notwendig impliziert, dass die Beantragung von Sozialleistungen und allenfalls ein Bezug derselben nicht schon per se bedeutet, dass keine ausreichenden Existenzmittel vorliegen (vgl. EuGH 11.11.2014, Dano, C-333/13; EuGH 19.09.2013, Brey, C-140/12, VwGH, 30. August 2018, Zl. Ra 2018/21/0047).

Nach Art. 8 Abs. 4 der Freizügigkeitsrichtlinie (RL 2004/38 EG) dürfen die Mitgliedstaaten weiters keinen festen Betrag für die Existenzmittel festlegen, die sie als ausreichend betrachten, sondern müssen die persönliche Situation des Betroffenen berücksichtigen. Demgemäß ist bei der Beurteilung, ob ein Unionsbürger über ausreichende Existenzmittel verfügt, um ein Aufenthaltsrecht nach Art. 7 Abs. 1 lit. b der Freizügigkeitsrichtlinie in Anspruch nehmen zu können, eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation jedes Betroffenen vorzunehmen (vgl. EuGH (Große Kammer) 11.11.2014, Dano, C-333/13). Die Mitgliedstaaten können zwar einen bestimmten Betrag als Richtbetrag angeben, sie können aber nicht ein Mindesteinkommen vorgeben, unterhalb dessen ohne eine konkrete Prüfung der Situation des einzelnen Betroffenen angenommen würde, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt (vgl. EuGH 19.9.2013, Brey, C-140/12). Es bedarf also bei der Frage, ob ausreichende Existenzmittel zur Verfügung stehen, einer konkreten Einzelfallbeurteilung (vgl. VwGH 10.4.2014, 2013/22/0034, sehr aktuell VwGH, 15. März 2018, Zl. Ra 2017/21/0222). Für das Vorliegen ausreichender Existenzmittel genügt, wenn dem Unionsbürger die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen; hingegen stellt die Bestimmung keine Anforderungen an die Herkunft der Mittel, sodass diese auch von einem Drittstaatsangehörigen - etwa dem Elternteil des betroffenen Unionsbürgers - stammen können (vgl. EuGH 19.10.2004, Zhu und Chen, C-200/02; EuGH 16.7.2015, Singh u. C- 218/14), VwGH, 12.12.12017, Zl. Ra 2015/22/0149). Nichts anderes kann für den Bezug einer zusätzlichen Alterspension aus dem Ausland gelten.

Diese Judikatur zusammengefasst steht somit fest, dass zur Beurteilung ausreichender Existenzmittel des Unionsbürgers im Sinne des § 51 Abs. 1 Z 2 NAG keine fixen Beträge herangezogen werden dürfen, sondern dass eine konkrete Prüfung der wirtschaftlichen Situation des Betroffenen vorzunehmen ist. Weiters steht fest, dass die Beantragung oder gar der Bezug von Sozialleistungen per se die Annahme ausreichender Existenzmittel nicht ausschließt und dass die Herkunft dieser Mittel – deren rechtmäßige Provenienz vorausgesetzt – bei der Beurteilung ausreichender Mittel nicht ins Gewicht fällt.

Vorliegend steht fest, dass der Beschwerdeführer seit 1. September 2013 in Österreich eine Alterspension bezieht und auf Grund dieses Pensionsbezuges in Österreich krankenversichert ist. Konkret bezog der Einschreiter im Jahre 2013 eine Alterspension in der Höhe von EUR 779,74 monatlich, eine ebenso hohe Pension im Jahre 2014. Im Jahre 2015 bezog er eine Alterspension in der Höhe von EUR 792,99 monatlich, im Jahre 2016 EUR 802,51, im Jahre 2017 EUR 805,32, im Jahre 2018 EUR 823,11 und im Jahre 2019 EUR 844,71. Weiters bezieht er seit dem 1. Mai 2008 auf Grund seiner in Ungarn im Zeitraum zwischen 6. März 1959 und 12. Oktober 1973 erworbenen Dienstzeit von ebendort eine Alterspension in der Höhe von HUF 16.750,-- per 8. Juli 2009, welche ihm zumindest seit Jänner 2013 regelmäßig überwiesen wird.

Unter Heranziehung dieser Einkommen steht fest, dass der Einschreiter im Jahre 2014 ohne Berücksichtigung des Pflegegeldes ein Nettoeinkommen in der Höhe von durchschnittlich EUR 849,74 lukrierte, im Jahre 2015 bezog er monatlich EUR 862,99, im Jahre 2016 EUR 872,51, im Jahre 2017 EUR 875,32 sowie im Jahre 2018 EUR 893,11. Somit steht jedoch ohne jeden Zweifel fest, dass das Nettoeinkommen des Einschreiters, welcher zudem keine Schulden zu bedienen hatte und welcher zusätzlich über einen Bausparvertrag verfügt, im gesamten hier relevanten Zeitraum den Mindestbedarf nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz klar überstieg und somit sein Einkommen in den letzten fünf Jahren auch ohne Heranziehung der oben wiedergegebenen Judikatur zur Beachtlichkeit des Bezuges von Sozialleistungen jedenfalls als ausreichend erscheint, um seinen Lebensunterhalt ohne den Bezug von Sozialleistungen sichern zu können.

Nur der Vollständigkeit halber ist im gegebenen Zusammenhang festzuhalten, dass die österreichische Ausgleichszulage Sozialhilfecharakter hat, soweit sie dem Empfänger im Fall einer unzureichenden Rente ein Existenzminimum gewährleisten soll (vgl. EuGH 29.4.2004, Skalka, C- 160/02). Die Ausgleichszulage kann als "Sozialhilfeleistung" (iSd Art. 7 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 2004/38/EG) angesehen werden. Der Umstand, dass ein EWR-Bürger zum Bezug dieser Leistung berechtigt ist, kann einen Anhaltspunkt dafür darstellen, dass er nicht über ausreichende Existenzmittel verfügt (vgl. EuGH 19.9.2013, Brey, C-140/12). (VwGH, 4. Oktober 2018, Zl. Ra 2017/22/0218). Die Beantragung einer derartigen Leistung für sich alleine genommen kann jedoch keinesfalls dafür herangezogen werden, um das Vorliegen ausreichender Existenzmittel des Einschreiters auszuschließen, zumal das Ermittlungsverfahren eindeutig ergeben hat, dass der Einschreiter über ausreichendes Einkommen während der letzten fünf Jahre verfügte. Dass der Einschreiter weiters bis Juli 2015 Mittel aus der Bedarfsorientierten Mindestsicherung etwa in Höhe seiner ungarischen Alterspension bezog und – offensichtlich – der hier nachgewiesene Bezug dieser ungarischen Alterspension bei der Bemessung dieser Mittel nicht als anzurechnendes Einkommen berücksichtigt wurde, kann im vorliegenden Verfahren nicht dahingehend berücksichtigt werden, dass trotz eines über dem Mindestbedarf liegenden Einkommens des Einschreiters nunmehr vom fehlenden Vorliegen ausreichender Mittel auszugehen ist. Eine nachträgliche Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zuerkennung von Sozialleistungen durch den Träger der Sozialhilfe steht der Aufenthaltsbehörde gegenständlich somit nicht zu und liegt es an der Sozialhilfebehörde – sohin konkret am Magistrat der Stadt Wien – im Falle des unrechtmäßigen Bezuges von Sozialleistungen entsprechende Schritte in die Wege zu leiten.

Somit steht zusammenfassend fest, dass der Beschwerdeführer seit zumindest 1. Jänner 2014 über ein den Mindestbedarf nach dem Wiener Mindestsicherungsgesetz übersteigendes monatliches Nettoeinkommen verfügt und somit zumindest seit diesem Zeitpunkt in Österreich durchgehend rechtmäßig aufhältig ist. Er bezieht weiters dieses Einkommen laufend nach wie vor. Die erfolgte Beantragung einer Ausgleichszulage steht dem rechtmäßigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich im hier relevanten Zeitraum ebenso wenig entgegen wie der erfolgte Bezug von Mindestsicherung in ungefährer Höhe der bezogenen ungarischen Alterspension. Auch ist der Einschreiter im hier relevanten Zeitraum auf Grund seines Alterspensionsbezuges krankenversichert und leistet dementsprechend Krankenversicherungsbeiträge. Auf Grund des so begründeten durchgehend rechtmäßigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers im Bundesgebiet hat dieser als ungarischer Staatsangehöriger Anspruch auf Ausstellung einer Bescheinigung des Daueraufenthaltes von EWR-Bürgern nach § 53a NAG.

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Freizügigkeitsrichtlinie; unionsrechtliches Aufenthaltsrecht; EWR-Bürger; Recht auf Daueraufenthalt; Daueraufenthaltsbescheinigung; rechtmäßiger Aufenthalt; ausreichende Existenzmittel; Einzelfallbeurteilung; Ausgleichszulage; Sozialhilfeleistungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2019:VGW.151.023.17017.2018

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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