TE Lvwg Erkenntnis 2017/6/23 LVwG-2017/18/0771-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.2017
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

23.06.2017

Index

27/01 Rechtsanwälte

Norm

RAO §16 Abs4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Dr. Alois Huber über die Beschwerde des Dr. AA, Z, gegen den Bescheid des Plenums des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 01.12.2016, Zahl ****, nach durchgeführter öffentlicher mündlicher Beschwerdeverhandlung

zu Recht erkannt:

1.   Gemäß § 28 VwGVG wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 B-VG unzulässig.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Soweit die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof in Wien für zulässig erklärt worden ist, kann innerhalb von sechs Wochen ab dem Tag der Zustellung dieser Entscheidung eine ordentliche Revision erhoben werden. Im Fall der Nichtzulassung der ordentlichen Revision kann innerhalb dieser Frist nur die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden.

Wenn allerdings in einer Verwaltungsstrafsache oder in einer Finanzstrafsache eine Geldstrafe von bis zu Euro 750,00 und keine Freiheitsstrafe verhängt werden durfte und im Erkenntnis eine Geldstrafe von bis zu Euro 400,00 verhängt wurde, ist eine (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichthof wegen Verletzung in Rechten nicht zulässig.

Jedenfalls kann gegen diese Entscheidung binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, erhoben werden.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen, und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die (ordentliche oder außerordentliche) Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Sie haben die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden kann.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

Mit Bescheid des Plenums des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 01.12.2016, Zahl ****, wurde der Antrag des Rechtsanwaltes Dr. AA auf Bestimmung einer Vergütung gemäß § 16 Abs 4 RAO für seine im Kalenderjahr 2015 erbrachten Leistungen als Verfahrenshelfer für BB in Höhe von Euro 73.536,86 abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat Rechtsanwalt Dr. AA fristgerecht mit Schriftsatz vom 06.02.2017 Beschwerde erhoben.

Dabei wurde in der Beschwerde angeführt, dass Herrn BB mit Beschluss vom 22.06.2012 zu **** des Landesgerichtes Z die Verfahrenshilfe bewilligt worden sei. Daraufhin sei der Beschwerdeführer mit Bescheid der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 27.06.2012 zu **** zum Verfahrenshelfer für BB bestellt worden. Die Bewilligung der Verfahrenshilfe habe Forderungen von ca Euro 40 Millionen gegen die CC GmbH und gegen die Firma DD umfasst.

Nach aufwendiger Prüfung der komplexen Forderungen habe der Beschwerdeführer am 15.07.2013 gegen die CC GmbH über Euro 4.629.172,46 eine Klage zu **** des Landesgerichtes Z eingebracht. Mit Schriftsatz vom 04.12.2014 sei das Klagebegehren auf Euro 8.429.172,46 ausgedehnt worden.

Weiters habe der Beschwerdeführer für BB am 23.12.2014 die DD wegen Euro 7.247.005,88 samt Anhang zu **** des Landesgerichtes Z geklagt.

Der Zeitaufwand für diese Verfahren habe sich allein im Jahr 2015 auf fast 200 Stunden, nämlich 41,5 Verhandlungsstunden und 157 Stunden für die Vorbereitung der Verhandlungen inclusive Besprechungen und Telefonate mit BB und die Erstellung zahlreicher Schriftsätze, unter anderem einer Berufung und einer außerordentlichen Revision, belaufen. Die Kanzlei des Beschwerdeführers sei durch umfangreiche Urkundenvorlagen beansprucht worden und habe im Jahr 2015 ca 1.800 Seiten kopieren, bzw einscannen müssen.

Bis zur Einbringung des streitgegenständlichen Antrages habe der Beschwerdeführer insgesamt ca 550 Stunden in die Bearbeitung des Aktes investieren müssen.

Mit Eingabe vom 28.01.2016 habe der Beschwerdeführer unter Berufung auf § 16 Abs 4 RAO einen Antrag auf Gewährung einer Sonderpauschalvergütung gestellt, die er mit Euro 73.536,86 beziffert habe. Dieser Betrag entspreche den im Jahr 2015 entstandenen tarifmäßige Kosten in den beiden angeführten Verfahren unter Abzug der Kosten für die verrichteten Verhandlungsstunden.

Weiters wurde ausgeführt, dass das Plenum des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer den Antrag des Beschwerdeführers aufgrund des Umstandes abgewiesen habe, dass der Beschwerdeführer im Jahr 2015 als bestellter Verfahrenshelfer die im Gesetz genannten Anforderungen, nämlich Verrichtung von jährlich mehr als 50 Verhandlungsstunden bzw 10 Verhandlungstage nicht erfüllt habe.

Richtig sei, dass der Beschwerdeführer mit der Verrichtung von 41,5 Verhandlungsstunden im Jahr 2015 die 50 Verhandlungsstunden gemäß § 16 Abs 4 RAO nicht erreicht habe. Das Überschreiten dieses Schwellwertes sei jedoch nicht in jedem Fall Voraussetzung für ein Vergütung und zwar aus folgenden Gründen:

Wie die belangte Behörde richtig erkannt habe, hätten sich sämtliche bisherigen Entscheidungen über die Gewährung einer Sonderpauschalvergütung auf erbrachte Tätigkeiten von Verfahrenshelfern in überlangen Strafverfahren bezogen. Auch die im Jahr 2008 eingeführte Bestimmung, wonach ein Vergütungsanspruch nach § 16 Abs 4 RAO entstehe, sofern die Frist zur Ausführung des Rechtsmittels gemäß § 285 Abs 2 StPO verlängert werde, beziehe sich auf Leistungen eines zum Verfahrenshelfer in einem Strafverfahren bestellten Verteidigers. Die gesetzlichen Bestimmungen würden deswegen eingeführt worden sein, weil man erkannt habe, dass das Abstellen auf die tatsächliche Verhandlungstätigkeit vor Gericht dort nicht sachgerecht erscheine, wo das Gesetz selbst auf die besondere Komplexität und den besonderen Umfang einer Rechtssache Bedacht nehme und anerkenne, dass mit der üblicher Weise für die Erstellung einer Rechtsmittelschrift zur Verfügung stehenden Zeit nicht das Auslangen gefunden werden könne. Hinsichtlich der Rechtsmittel in solchen „Monsterverfahren“, in denen der ganz besondere Aufwand, der mit der Erstellung des Rechtsmittels verbunden sei, durch die Entscheidung des Gerichts auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist letztlich objektiviert sei, erscheine es auch angemessen, auf diesen im Rahmen der Sondervergütung nach § 16 Abs 4 RAO besonders Bedacht zu nehmen.

Der Umstand, dass eine Verlängerung der Rechtsmittelfrist nur in einem Strafverfahren, nicht jedoch in einem Zivilverfahren möglich sei, bedeute jedoch nicht, dass im Zivilverfahren keine Rechtsmittel auszuführen seien, die den Umfang und die Komplexität eines Rechtsmittels in Strafverfahren erreichen würden. Tatsächlich könne der Umstand, dass in Zivilverfahren keine Verlängerung der Rechtsmittelfrist möglich sei, sogar zu einer erheblichen Mehrbelastung führen, da ein Verfahrenshelfer nur vier Wochen Zeit habe, um das Rechtsmittel auszuführen, selbst wenn die Rechtssache besonders umfangreich und kompliziert sei. Neben der Ausarbeitung des Rechtsmittels müsse der Verfahrenshelfer ja auch andere Akten bearbeiten.

Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdeführer im Verfahren des Landesgerichtes Z zu **** nach mehreren ganztägigen Verhandlungen am 21.04.2015 einen umfangreichen Schriftsatz mit 23 Seiten und zahlreichen Urkunden einbringen müssen. Gegen das klagsabweisende Teilurteil vom 10.08.2015 habe der Beschwerdeführer fristgerecht am 28.08.2015 eine 33-seitige Berufungsschrift eingebracht. Gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Z zu ****, mit welchem der Berufung keine Folge gegeben worden sei, habe der Beschwerdeführer am 27.11.2015 fristgerecht eine 28-seitige außerordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof erhoben. Dies sei aufgrund des Umstandes, dass auch Ausführungen zur Zulässigkeit der Revision notwendig gewesen seien, besonders zeitaufwendig gewesen.

Zudem habe der Beschwerdeführer im Parallelverfahren zu **** des Landesgerichtes Z im Jahre 2015 Schriftsätze am 13.03.2015 (13 Seiten, zahlreiche Urkunden vorgelegt), am 23.06.2015 (8 Seiten) und am 19.10.2015 (16 Seiten, zahlreiche Urkunden vorgelegt) eingebracht und auch zwei Streitverhandlungen verrichtet.

De facto sei der Beschwerdeführer im Jahr 2015 in einem existenzbedrohenden Ausmaß, nämlich fast 200 Stunden, für den Verfahrensbefohlenen tätig gewesen. Ab der Bestellung als Verfahrenshelfer im Jahr 2012 bis Ende 2015 seien es sogar ca 550 Stunden gewesen. Allein im Jahr 2015 habe somit der zeitliche Aufwand des Beschwerdeführers den in § 16 Abs 4 RAO normierten Schwellenwert von 50 Verhandlungsstunden um das Vierfache überstiegen. Schon daraus ergebe sich, dass die starre Anwendung des Schwellenwertes – zumindest bei einer Verfahrenshilfebestellung in Zivilprozessen (in Strafsachen gebe es immerhin die Zusatzregelung des 2. Satzes des § 16 Abs 4 RAO) – zu einem unsachlichen Ergebnis führen würde. Jede unsachliche Unterscheidung sei jedoch unter dem Blickwinkel des Gleichheitssatzes verfassungswidrig. Während der in einem Strafverfahren bestellte Verfahrenshelfer ausgehend von den Ausführungen der belangten Behörde schon dann einen Vergütungsanspruch habe, wenn er mehr als 50 Verhandlungsstunden verrichtet habe, wobei diesfalls sogar Leistungen erfasst werden könnten, die vor der ersten Hauptverhandlung erfolgt seien, habe der Beschwerdeführer mit der in dem betreffenden Jahr vierfachen Belastung keinen Vergütungsanspruch. Vollkommen unsachlich werde das Ergebnis, wenn man sich vor Augen halte, dass der Beschwerdeführer den Verfahrensbeholfenen nicht nur im Jahr 2015, sondern über mehrere Jahre zu vertreten gehabt habe.

Würde man ausschließlich darauf abstellen, ob der Schwellenwert von 50 Verhandlungsstunden bzw 10 Verhandlungstagen überschritten sei, würde man der Rechtsvorschrift des § 16 Abs 4 RAO damit fälschlicher Weise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellen, da Rechtsanwälte, die in Zivilprozessen bestellt worden seien, im Vergleich zu solchen in Strafprozessen massiv benachteiligt werden würden.

Wenn die belangte Behörde darauf hinweise, dass sich aus der Entscheidung des VwGH zu 2006/06/0264 ergebe, dass ein Anspruch auf Sonderpauschalvergütung dann nicht gebühre, wenn der im Gesetz geforderte Schwellenwert nicht erreicht werde, so sei dem zu entgegnen, dass es in dieser Entscheidung – wie auch in den anderen von der belangten Behörde zitierten Entscheidungen – um erbrachte Tätigkeiten von Verfahrenshelfern in überlangen Strafverfahren gegangen sei. Im Erkenntnis zu Zahl 2006/06/0264 weise der Verwaltungsgerichtshof darauf hin, dass eine Einschränkung darauf, dass § 16 Abs 4 RAO nur eine Vergütung für zusätzliche Verhandlungsstunden in der Hauptverhandlung zuerkenne, nicht bestehe. Angemessen sei jene Vergütung, die sich unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Bedachtnahme darauf, was in gleichgelagerten Fällen geschehe, ergebe. Bei der Bemessung sei auch darauf Bedacht zu nehmen, dass die Vergütung nicht zuletzt der Abwendung der vom Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis VfSlg 12.638 dargelegten Auswirkungen der Belastung der Rechtsanwälte durch überlange Verfahren, die bis zur Existenzbedrohung gehen könnten, diene.

In diesem Zusammenhang verwies der Beschwerdeführer auf Seite 8 dieses Erkenntnisses des VwGH:

„Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, dass alle Leistungen eines Verfahrenshelfers vor der ersten Hauptverhandlung durch die allgemeine Pauschalvergütung berücksichtigt würden, diesbezüglich also kein individueller Anspruch gemäß § 16 Abs 4 RAO bestehe.

Diesem Vorbringen kommt Berechtigung zu. Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem eingangs angeführten Vorerkenntnis vom 28. Februar 2006 (unter Verweis auf Vorjudikatur) bereits zum Ausdruck gebracht, die Passage „hat er … für alle darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtsanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung“ sei dahin zu verstehen, dass ein solcher Anspruch auf angemessene Vergütung für erbrachte Leistungen in jenem Ausmaß gewährt werden soll, in welchem die Leistungen des Rechtsanwalts als Verfahrenshelfer die Leistungen eines Verteidigers in einem typischen Strafverfahren unterhalb der Schwelle des § 16 Abs 4 RAO übersteigen. Der vorliegende Vergütungsanspruch des Rechtsanwaltes erfasst somit auch Leistungen, die vor der ersten Hauptverhandlung erfolgt sind, wenn sie über jenes Ausmaß an Leistungen eines Rechtsanwaltes in einem Verfahren hinausgehen, die ein Verteidiger in einem typischen Strafverfahren hat.“

Wenn somit in Strafverfahren Nebenleistungen selbst dann zu ersetzen seien, wenn sie vor der ersten Hauptverhandlung erfolgt seien, sofern sie über das Normalausmaß hinausgehen würden, so könne daraus zumindest für das Zivilverfahren auch der Schluss gezogen werden, dass ein Vergütungsanspruch auch bei Nichterreichen des Schwellenwertes entstehen könne. Durch die Festsetzung des „Schwellenwertes“ solle ja nur gewährleistet werden, dass mit der individuellen Vergütung nach dieser Gesetzesstelle nur jene Leistungen (angemessen) vergütet werden sollen, die über das normale Ausmaß hinausgehen würden. Dadurch solle jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Vergütungsanspruch bei Nichterreichen dieses Schwellenwertes nicht entstehen könne. So könne es ja durchaus sein, dass der Verfahrenshelfer – wie im vorliegenden Fall – bereits vor Erreichen des Schwellenwertes wochen- oder monatelang in Anspruch genommen worden sei, weil er zahlreiche Nebenleistungen zu erbringen habe.

De Verfassungsgerichtshof habe in seinem Erkenntnis vom 27.02.1991 zu VfSlg 12.638/1991 ausgeführt, dass solche Fälle besonders umfangreicher und arbeitsintensiver Vertretungen und Strafverteidigungen, die Verfahrenshelfer wochen- und auch monatelang in Anspruch nehmen würden – selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sie eher selten vorkommen würden, keine Härtefälle darstellen würden, die aus der Sicht des Gleichheitsgrundsatzes vernachlässigbar wären. Im vorliegenden Fall liege nicht nur eine wochen- oder monatelange, sondern eine mehrere Jahre andauernde Inanspruchnahme vor. Gehe man wie die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer aufgrund der starren Anwendung des Schwellenwertes des § 16 Abs 4 RAO keinen Vergütungsanspruch habe, würde der Beschwerdeführer nicht nur in seinem Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, sondern aufgrund der jahrelangen Inanspruchnahme ohne jegliche Vergütung auch in seinem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt sein.

Im vorliegenden Fall komme noch erschwerend hinzu, dass das Landesgericht Z mit Beschluss vom 22.06.2012 zu **** dem Verfahrensbeholfenen die Verfahrenshilfe nicht nur für die Geltendmachung von Forderungen gegenüber der CC GmbH, sondern auch für die Geltendmachung von Forderungen gegenüber der Firma DD bewilligt habe. Daraufhin habe die belangte Behörde den Beschwerdeführer mit einem einzigen Bescheid zum Verfahrenshelfer bestellt. Aus Sicht des Beschwerdeführers sei es mangels Vorliegens der rechtlichen Voraussetzungen nicht möglich gewesen, eine einzige Klage einzubringen, sondern hätten letztlich zwei Verfahren geführt werden müssen. Dass die belangte Behörde nunmehr aufgrund des Umstandes, dass nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht worden sei, für die teilbaren Ansprüche gegenüber der CC GmbH und der DD zwei Rechtsanwälte zu Verfahrenshelfern zu bestellen, sondern die gesamte Belastung einem Rechtsanwalt aufgebürdet habe, nunmehr argumentiere, dem Beschwerdeführer würde auch deswegen kein Vergütungsanspruch zustehen, weil es zwei Verfahren gewesen seien, bedeute eine zweifache Benachteiligung des Beschwerdeführers. Zunächst sei der Beschwerdeführer mit einem einzigen Bescheid für zwei Verfahren zum Verfahrenshelfer bestellt worden, mit welchem im Jahre 2012 auch nur eine Verfahrenshilfe angerechnet worden sei. Sodann sei der Vergütungsanspruch mit der Begründung abgewiesen worden, dass die Leistungen nicht zusammenzuzählen seien, weil es sich um zwei Verfahren handle. Tatsächlich sei das von der belangten Behörde zitierte Erkenntnis des VwGH vom 13.09.2016 zu Zahl Ra 2015/03/0088 auf den gegenständlichen Fall schon deswegen nicht anwendbar, da hier – anders als in der zitierten Entscheidung – nur ein Bestellungsbescheid ergangen sei, sodass die in beiden Verfahren erbrachten Leistungen sehr wohl zusammenzuzählen seien.

Im Übrigen sei bei der gegenständlichen Bestellung des Beschwerdeführers zum Verfahrenshelfer dem Gleichheitsgebot in keiner Weise Rechnung getragen worden. So sei der Beschwerdeführer am 27.06.2012 mit einem einzigen Bescheid nicht nur verpflichtet worden, den Verfahrensbeholfenen in zwei hochkomplexen und umfangreichen Zivilprozessen über mehrere Jahre zu vertreten, wobei jeder Prozess für sich allein schon eine massive Belastung dargestellt habe, sondern habe der Beschwerdeführer darüber hinaus seit der Bestellung zum Verfahrenshelfer keine Sondervergütung erhalten, obwohl die Zivilprozesse für den Beschwerdeführer eine weit über dem Durchschnitt liegende Dauer erreicht habe und der Zeitaufwand allein im Jahr 2015 das Vierfache des Schwellenwertes – was die gesamte Dauer der Inanspruchnahme betreffe – erreicht habe.

Entgegen der Ansicht der belangten Behörde habe der Beschwerdeführer daher sehr wohl Anspruch auf eine Vergütung gemäß § 16 Abs 4 RAO. Im Folgenden schlüsselt der Beschwerdeführer den behaupteten Anspruch auf Nebenleistungen weiters auf und kam zu einer Forderung in der Höhe von Euro 73.536,86.

Bei der öffentlichen mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde der Beschwerdeführer einvernommen und der Akt der Tiroler Rechtsanwaltskammer zu Zahl **** verlesen.

Der Beschwerde kam keine Berechtigung zu.

Dem verlesenen Akt der Tiroler Rechtsanwaltskammer ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 28.01.2016 bei der Tiroler Rechtsanwaltskammer einen Antrag auf Sonderpauschalvergütung nach § 16 Abs 4 RAO gestellt hat. Dabei wurde angeführt, dass er mit Bescheid der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 27.06.2012 zu **** zum Verfahrenshelfer für BB bestellt worden sei. Nachfolgend wurden die dabei eingeleiteten Zivilprozesse gegen die CC GmbH und gegen die Firma DD im Einzelnen angeführt und auf die damit verbundene Arbeit im Detail hingewiesen.

Diesem Antrag waren Kostenverzeichnisse, einmal in der Höhe von Euro 73.536,86 (ohne Berücksichtigung der Verhandlungen) sowie ein weiteres Kostenverzeichnis im Gesamtausmaß von Euro 298.137,45 angeschlossen.

In rechtlicher Hinsicht ist auszuführen, dass § 16 Abs 3 der geltenden Rechtsanwaltsordnung wie folgt lautet:

„Für die Leistungen, für die die nach den §§ 45 oder 45a bestellten Rechtsanwälte zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonst keinen Entlohnungsanspruch hätten, haben die in der Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwälte an diese Rechtsanwaltskammer einen Anspruch darauf, dass sie jedem von ihnen aus dem ihr zugewiesenen Betrag der Pauschalvergütung einen gleichen Anteil auf seinen Beitrag zur Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenenversorgung anrechnet, soweit nicht ein Anspruch auf Vergütung nach Abs 4 besteht.“

§ 16 Abs 4 der geltenden Rechtsanwaltsordnung hat folgenden Inhalt:

„In Verfahren, in denen der nach den §§ 45 oder 45a bestellte Rechtsanwalt innerhalb eines Jahres mehr als zehn Verhandlungstage oder insgesamt mehr als 50 Verhandlungsstunden tätig wird, hat er unter den Voraussetzungen des Abs 3 für alle jährlich darüber hinausgehenden Leistungen an die Rechtsanwaltskammer Anspruch auf eine angemessene Vergütung. Auf Antrag des Rechtsanwalts ist bei Verfahren, in denen das Gericht unter Heranziehung von § 285 Abs 2 StPO eine Verlängerung der Frist zur Ausführung des Rechtsmittels beschließt, die Tätigkeit zur Erstellung der Rechtsmittelschrift in Ansehung jeder volle Woche, um die die Rechtsmittelfrist verlängert wurde, der Teilnahme an zehn Verhandlungsstunden gleichzuhalten. Der Antrag auf Vergütung ist vom Rechtsanwalt bei sonstigem Ausschluss bis spätestens zum 31. März des auf das abgelaufene Kalenderjahr, in dem der Rechtsanwalt seine Leistungen erbracht hat, folgenden Jahres bei der Rechtsanwaltskammer einzubringen. Auf diese Vergütung ist dem Rechtsanwalt auf sein Verlangen nach Maßgabe von Vorschusszahlungen nach § 47 Abs 5 letzter Satz von der Rechtsanwaltskammer ein angemessener Vorschuss zu gewähren. Über die Höhe der Vergütung, sowie über die Gewährung des Vorschusses und über dessen Höhe entscheidet der Ausschuss. Im Rahmen der Festsetzung der angemessenen Vergütung sind die vom Rechtsanwalt in seinem Antrag verzeichneten Leistungen entsprechend der zeitlichen Abfolge ihrer Erbringung zu berücksichtigen und zu beurteilen. Ist die Vergütung, die der Rechtsanwalt erhält, geringer als der ihm gewährte Vorschuss, so hat der Rechtsanwalt den betreffenden Betrag dem Ausschuss der Rechtsanwaltskammer zurückzuerstatten.“

Schon das Plenum des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer hat sich in ihrer rechtlichen Beurteilung im angefochtenen Bescheid ausführlich mit der Argumentation des Beschwerdeführers auseinandergesetzt. Dabei wurde insbesondere als plausibel angesehen, dass vom Beschwerdeführer tatsächlich im Jahr 2015 ein Zeitaufwand von 200 Stunden für diese Tätigkeiten entstanden ist. Allerdings ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst nicht in Abrede stellt, dass der in § 16 Abs 4 RAO normierte Schwellenwert von mehr als 50 Verhandlungsstunden bzw von mehr als 10 Verhandlungstagen in einem Jahr nicht erreicht worden ist. Die Überschreitung dieses Schwellenwertes ist jedoch im Gegensatz zur Ansicht des Beschwerdeführers unabdingbare Voraussetzung für einen Vergütungsanspruch im Sinne des § 16 Abs 4 RAO.

Bei Durchsicht der einschlägigen Judikatur ist festzuhalten, dass sich aus keinem höchstgerichtlichen Erkenntnis ergeben würde, dass ein derartiger Vergütungsanspruch auch dann entstehen könnte, wenn der Schwellenwert nicht überschritten worden ist. In den beiden angeführten Verfahren des BB zu **** und **** des LG Z wurden vom Beschwerdeführer insgesamt an sechs Verhandlungstagen in einer Gesamtdauer von 41,5 Stunden Verhandlungen verrichtet.

Damit lässt der eindeutige Gesetzestext des § 16 Abs 4 RAO keinen Raum dafür, dass im gegenständlichen Fall dem Beschwerdeführer eine außerordentliche Vergütung nach § 16 Abs 4 RAO zuzusprechen gewesen wäre. Dabei verkennt auch das Landesverwaltungsgericht Tirol in keiner Weise, dass der Aufwand, den der Beschwerdeführer mit diesen beiden Verfahren gehabt hat, eine außerordentlich große Belastung für ihn gewesen ist. Anders als im Strafverfahren ist jedoch in Zivilverfahren eine beschlussmäßige Verlängerung der Rechtsmittelfrist nicht vorgesehen, sodass die Möglichkeit, durch die Verlängerung der Rechtsmittelfrist schließlich den Schwellenwert in § 16 Abs 4 RAO überschreiten zu können, nicht besteht.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hegt gegen die Bestimmung des § 16 Abs 4 RAO keine nachhaltigen verfassungsrechtlichen Bedenken, sodass von der Einleitung eines Normprüfungsverfahrens beim Verfassungsgerichtshof abgesehen wird.

Unzulässigkeit der außerordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision war im gegenständlichen Fall nicht zulässig, zumal zur Frage, welche Voraussetzungen für eine Vergütung nach § 16 Abs 4 RAO gegeben sein müssen, eine relativ umfangreiche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes besteht.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Alois Huber

(Richter)

Schlagworte

Verfahrenshilfe; außerordentliche Vergütung; Überschreitung des Schwellenwertes;

Anmerkung

Mit Erkenntnis vom 06.03.2019, Z Ra 2017/03/0084-12, wies der Verwaltungsgerichtshof die gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 23.06.2017, Z LVwG-2017/18/0771-2, erhobene außerordentliche Revision als unbegründet ab.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2017:LVwG.2017.18.0771.2

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten