TE Lvwg Erkenntnis 2019/2/19 LVwG-2019/37/0248-2

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Veröffentlicht am 19.02.2019
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Entscheidungsdatum

19.02.2019

Index

L66507 Flurverfassung Zusammenlegung landw Grundstücke
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

FlVfLG Tir 1996 §33
FlVfLG Tir 1996 §71
FlVfLG Tir 1996 §73
FlVfLG Tir 1996 §74
VwGVG §24
VwGVG §28

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Dr. Hirn über die Beschwerde des AA, Adresse 1, Z, sowie über die Beschwerde des BB, Adresse 2, Y, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde vom 07.01.2019, Zl ******, betreffend eine Feststellung gemäß § 73 Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (mitbeteiligte Parteien: CC, Gemeinde Y, DD, EE, FF und GG; belangte Behörde: Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde),

zu Recht:

1.       Die Beschwerden werden mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass im Spruch des angefochtenen Bescheides die Wortfolge „das Gst. Nr. **1 in EZ ***1 GB **** Y“ durch die Wortfolge „das Gst. Nr. **1 in EZ ****2 GB **** Y“ ersetzt wird.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz
(B-VG) nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde hat zur Klärung des Bestehens von Teilwaldrechten auf dem Gst Nr **1 in EZ ****2, GB **** Y, ein Feststellungsverfahren nach dem Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996 (TFLG 1996) eingeleitet und in dessen Rahmen am 18.10.2018 eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

Mit Schriftsatz vom 30.10.2018 hat BB, Adresse 2, Y, insbesondere „Einspruch“ gegen die Verhandlungsführung sowie das „vermeintliche Ergebnis“ erhoben. Sein Vorbringen hat BB in seiner Mitteilung vom 18.11.2018 ergänzt.

Mit Schriftsatz vom 19.11.2018, Zl *****, hat die Agrarbehörde die Verhandlungsteilnehmer auf einen Übertragungsfehler hingewiesen und die korrigierte Verhandlungsschrift nochmals übermittelt.

Mit Bescheid vom 07.01.2019, Zl ******, hat die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde festgestellt, dass das Gst Nr **1 in EZ ***1 (richtig: 203), GB **** Y, kein agrargemeinschaftliches Grundstück gemäß § 33 Abs 2 lit d TFLG 1996 darstellt und auf diesem Grundstück somit keine Teilwaldrechte im Sinne des § 33 Abs 3 TFLG 1996 lasten.

Gegen diesen Bescheid hat AA, Adresse 1, Z, mit Schriftsatz vom 28.01.2019 Beschwerde erhoben. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass das Gst Nr **1, GB **** Y, „seit jeher im privaten Eigentum gestanden ist“. Der Beschwerdeführer verweist allerdings auf die anlässlich der mündlichen Verhandlung am 18.10.2018 zwischen CC als Eigentümerin des Gst Nr **1, GB **** Y, und den anwesenden Teilwaldberechtigten abgeschlossene Vereinbarung. Der Spruch des angefochtenen Bescheides umfasse aber lediglich die Feststellung, dass das Gst Nr **1 in EZ ****2, GB **** Y, kein agrargemeinschaftliches Grundstück gemäß § 33 Abs 2
lit d TFLG 1996 darstelle und auf diesem Grundstück somit keine Teilwaldrechte im Sinne des § 33 Abs 3 TFLG 1996 lasten würden. Mit dieser Feststellung untrennbar verbunden sei jedoch die anlässlich der mündlichen Verhandlung am 18.10.2018 getroffene Vereinbarung. Die Agrarbehörde habe es unterlassen, diese Vereinbarung in den Spruch als Nebenbestimmung aufzunehmen. Folglich sei der Spruch des angefochtenen Bescheides unvollständig geblieben. Dementsprechend begehrt der Beschwerdeführer die ersatzlose Aufhebung des Bescheides der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde vom 07.01.2019, Zl  ******.

Mit den Schriftsätzen vom 11.01.2019 und 05.02.2019 hat BB, Adresse 2, Y, Beschwerde gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde vom 07.01.2019, Zl ******, erhoben und dessen ersatzlose Aufhebung beantragt. Der Beschwerdeführer BB bringt im Wesentlichen vor, die Teilwaldrechte seien spätestens seit 1738 klar und widerspruchsfrei geregelt. Es bestehe kein Bedarf an einer Regulierung. Der Beschwerdeführer betont, dass das Gst Nr **1, GB **** Y, ursprünglich Gemeindegrund gewesen sein müsse, da die Waldrechte „schon vor Anlegung des Privatgrunds“ bestanden hätten. Eine Privatisierung dieses Grundstückes setze einen entsprechenden Verkauf durch die Gemeinde voraus, es hätte in weiterer Folge eine Verhandlung stattfinden und das Waldprotokoll angepasst werden müssen. Dies sei aber nie geschehen. Diese „dubiose Situation“ wolle die „vermeintliche Eigentümerin“ und die Agrarbehörde durch eine ebenso dubiose Verhandlung legitimieren. Die Agrarbehörde habe es dementsprechend unterlassen, die Rechtmäßigkeit des privaten Eigentums am Gst Nr **1, GB **** Y, zu ermitteln.

Mit Schriftsatz vom 07.02.2019, Zl *****, hat die Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde die Beschwerden des BB und des AA gegen den Bescheid vom 07.01.2019, Zl ******, einschließlich des Teiles V des Aktes Zl  ***** mit dem Ersuchen um Entscheidung vorgelegt.

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat beim Tiroler Landesarchiv eine Kopie des im Verfachbuch dokumentierten Übergabevertrages aus dem Jahr 1890 anfertigen lassen. Zudem hat die Agrarbehörde mit Schriftsatz vom 14.02.2019 einen Auszug aus dem Waldprotokoll betreffend den für das gegenständliche Verfahren relevanten Teilwald „J“ übermittelt. Es handelt sich dabei um Ablichtungen des Waldprotokolls aus dem Jahr 1738 und dessen Abschrift aus dem Jahr 1840.

II.      Sachverhalt:

Im Rahmen der Grundbuchsanlegung im Jahr 1907 ? vergleiche Grundbuchs-anlegungsprotokoll zu Post-Nr 180 der Katastralgemeinde Y ? wurde KK als Eigentümer der Liegenschaften in den EZ ****2 II und **4 II, sämtliche KG Y, eingetragen. Bereits zum Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung war das verfahrens-gegenständliche Gst Nr **1 im Grundbuchskörper **3 II vorgetragen. Grundlage für die Einverleibung des Eigentumsrechtes zugunsten des KK war der Übergabevertrag vom 27.02.1890, abgeschlossen zwischen LL und dessen Sohn KK.

Nunmehrige Eigentümerin des Gst Nr **1, vorgetragen in EZ ****2, GB **** Y, ist CC, Adresse 3, Y.

Entsprechend der im Jahr 1967 angefertigten Teilwaldskizze der Gemeinde Y ist das Gst Nr **1, GB ***** Y, zur Gänze mit Holz- und Streunutzungsrechten belastet. Die Teilwaldrechte erstrecken sich über die Wegparzelle Gst Nr **2, GB **** Y, auf das Gst Nr **1, GB **** Y.

Grundlage für die Erstellung der Teilwaldskizze des Jahres 1967 sind Eintragungen im Waldprotokoll, wonach die Teilwälder südlich an den M-Bach angrenzen.

III.     Beweiswürdigung:

Das Grundbuchanlegungsprotokoll betreffend die Grundbuchskörper **3 II und **4 II der Katastralgemeinde Y aus dem Jahr 1907 liegt vor. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat beim Landesarchiv den im Grundbuchanlegungsprotokoll angeführten ? zwischen LL und dessen Sohn KK abgeschlossenen ? Übergabevertrag vom 27.02.1890 eingeholt.

Über die Agrarbehörde hat das Landesverwaltungsgericht Tirol den relevanten Auszug aus dem Waldprotokoll eingeholt. Entsprechend den dortigen Eintragungen ist die Fläche des nunmehrigen Gst Nr **1, GB **** Y, mit Teilwäldern belastet. Auf der Grundlage des Waldprotokolls wurde die dem Landesverwaltungsgericht Tirol ebenfalls vorliegende Teilwaldskizze des Jahres 1967 angefertigt.

Dementsprechend lauten die Feststellungen in der Sachverhaltsdarstellung des gegenständlichen Erkenntnisses.

Der Beschwerdeführer BB behauptet in seinem Rechtsmittel, dass der Erwerb von Privateigentum an dem Gst  Nr  **1, GB **** Y, „klammheimlich regelrecht erschlichen worden sein muss“. Der Beschwerdeführer zeigt damit aber keinen Umstand auf, dass die Eintragung des Eigentumsrechtes zugunsten des KK im Grundbuchsanlegungsprotokoll gesetzwidrig erfolgt sei. Darüber hinaus lag dem Erwerb des Eigentums am Gst  Nr  **1, GB **** Y, im Jahr 1890 der zwischen KK und seinem Vater LL abgeschlossene Übergabevertrag zugrunde. Auch im Jahr 1890 war die Gemeinde Y somit nicht Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstückes.

IV.      Rechtslage:

1.       Tiroler Flurverfassungslandesgesetz 1996:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996 (TFLG 1996), LGBl Nr 94/1996 (§ 73) und in den Fassungen LGBl Nr 70/2014 (§§ 33 und 71) sowie LGBl 26/2017 (§ 74), lauten samt Überschriften auszugsweise wie folgt:

„Agrargemeinschaftliche Grundstücke

§ 33. (1) Agrargemeinschaftliche Grundstücke im Sinne dieses Gesetzes sind Grundstücke, die von allen oder mehreren Mitgliedern einer Gemeinde oder von den Mitgliedern einer Nachbarschaft, einer Interessentschaft, einer Fraktion oder einer ähnlichen Mehrheit von Berechtigten kraft einer mit einer Liegenschaft (Stammsitzliegenschaft) verbundenen oder einer persönlichen (walzenden) Mitgliedschaft gemeinschaftlich und unmittelbar für land- und forstwirtschaftliche Zwecke auf Grund alter Übung genutzt werden. Als gemeinschaftliche Nutzung gilt auch eine wechselweise sowie eine nach Raum, Zeit und Art verschiedene Nutzung.

(2) Agrargemeinschaftliche Grundstücke sind, unbeschadet der Rechte aus einer bereits vollendeten Ersitzung, insbesondere:

[…]

d) Waldgrundstücke, die im Eigentum einer Gemeinde oder einer Mehrheit von Berechtigten (Agrargemeinschaft) stehen und auf denen Teilwaldrechte (Abs. 3) bestehen (Teilwälder). Diese Grundstücke zählen im Fall des Vorliegens der Voraussetzungen nach lit. c zum Gemeindegut; soweit Teilwälder auf Grundstücken im Sinn der lit. c Z 2 bestehen, sind die für Grundstücke im Sinn der lit. c Z 2 geltenden Bestimmungen dieses Gesetzes mit der Maßgabe anzuwenden, dass das ausschließliche Holz- und Streunutzungsrecht der Teilwaldberechtigten gewahrt bleibt.

(3) Teilwaldrechte sind Holz- und Streunutzungsrechte, die auf Grund öffentlicher Urkunden oder auf Grund örtlicher Übung zugunsten bestimmter Liegenschaften oder bestimmter Personen auf nach Größe, Form und Lage bestimmten oder bestimmbaren Teilflächen von Waldgrundstücken bestehen. Teilwaldrechte gelten als Anteilsrechte im Sinne dieses Gesetzes. […]“

„Allgemeine Zuständigkeit der Agrargemeinde

§ 71. (1) Agrarbehörde ist die Landesregierung. Zusammenlegungen, Flurbereinigungen sowie die Ordnung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse an agrargemein-schaftlichen Grundstücken durch Regulierungen, Teilungen oder ein Auseinandersetzungs-verfahren sind unter Ausschluss des ordentlichen Rechtsweges von der Agrarbehörde durchzuführen.

[…]“

„Zuständigkeit der Agrarbehörde außerhalb eines Verfahrens

§ 73. Der Agrarbehörde steht außerhalb eines Verfahrens (§ 72) die Entscheidung über die Fragen zu,

a)   ob in einem gegebenen Falle eine Agrargemeinschaft vorhanden ist,

b)   auf welches Gebiet sich die Grundstücke einer Agrargemeinschaft erstrecken (§ 33),

c)   wer Eigentümer der agrargemeinschaftlichen Grundstücke ist (§ 38 Abs 1),

d)   ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt oder ob es sich um Grundstücke nach § 33 Abs. 2 lit d handelt,

e)   ob und in welchem Umfang einer Stammsitzliegenschaft oder einer Person Anteilsrechte an agrargemeinschaftlichen Grundstücken zustehen.

Parteien, Beteiligte

§ 74. […]

(8) Im Übrigen kommt Personen eine Parteistellung nur insoweit zu, als ihnen in diesem Gesetz Rechte eingeräumt oder Pflichten auferlegt werden.

[…]“

2.       Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz:

Die entscheidungswesentlichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG), BGBl I Nr 33/2013 in der Fassung (idF) BGBl I Nr 138/2017, lauten auszugsweise samt Überschriften wie folgt:

„Verhandlung

§ 24. (1) Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

[…]

(4) Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

[…]“

„Erkenntnisse

§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

[…]“

V.       Erwägungen:

1.       Zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde:

Gemäß § 7 Abs 4 VwGVG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Behörde vier Wochen.

Der angefochtene Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 11.01.2019 zugestellt. AA hat seine Beschwerde am 29.01.2019 und somit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Post aufgegeben. Die Beschwerde des BB ist am 06.02.2019 und damit innerhalb der vierwöchigen Beschwerdefrist bei der Tiroler Landesregierung als Agrarbehörde eingelangt.

2.       In der Sache:

2.1.    Allgemeines zu den Teilwaldrechten:

Die Teilwälder in Tirol stellen eine regionale rechts- und wirtschaftsgeschichtliche Besonderheit dar. Sie entstanden seit Beginn der Neuzeit, vor allem in der Zeit nach 1730. Nach der damaligen forstwirtschaftlichen Einstellung sollten Waldkomplexe von bestimmten Berechtigten in kleinen Teilen selbstständig bewirtschaftet und genutzt werden, wobei der Grund und Boden der Allgemeinheit und somit die Weideausübung allen Gemeindebürgern verblieb.

Für die Waldaufteilungen wurden handgeschriebene Protokolle (Waldaufteilungsprotokolle) angelegt und bei den Gemeinden meist auch handschriftlich fortgeführt. Mit dem Flurverfassungs-Landesgesetz 1935 ? vergleiche dessen § 36 Abs 1 und Abs 2 lit e ? erfolgte die gesetzliche Zuordnung der Teilwälder zum Gemeindegut und damit zu den agrargemein-schaftlichen Grundstücken sowie zu den Anteilsrechten. Bis zur Novelle LGBl Nr 33/1969 lasteten Teilwaldrechte ausschließlich auf im Eigentum der Gemeinden stehenden Grundstücken. Durch die mit der Novelle LGBl Nr 33/1969 erfolgte Gesetzesänderung können Teilwälder auch auf dem Grundeigentum von Agrargemeinschaften bestehen (vergleiche Lang, Tiroler Agrarrecht II, S 176 ff).

Gemäß dem nunmehr geltenden § 33 Abs 2 lit d TFLG 1996 zählen Teilwälder zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken und werden als „Waldgrundstücke, die im Eigentum einer Gemeinde oder einer Mehrheit von Berechtigten (Agrargemeinschaft) stehen und auf denen Teilwaldrechte (Abs. 3) bestehen“ definiert. Die inhaltliche Ausgestaltung von Teilwaldrechten normiert § 33 Abs 3 TFLG 1996. Teilwaldrechte gelten als Anteilsrechte im Sinn des TFLG 1996, weisen aber gegenüber den sonstigen agrargemeinschaftlichen Anteilrechten zwei Besonderheiten auf: einerseits sind sie jeweils nur mit einer Liegenschaft oder Person verbunden, sodass dritte Personen von der Nutzung des territorial abgegrenzten Teilwaldes ausgeschlossen sind; andererseits sind sie nicht auf den Haus- und Gutsbedarf des Nutzungsberechtigten beschränkt (Näheres dazu VfGH 01.10.2013, Zl G27/2012-25, sowie VfGH 09.12.2014, Zlen B891/2013-10 und B927/2013-12, mit weiteren Nachweisen).

2.2.    Zum Feststellungsverfahren nach § 73 lit d TFLG 1996:

2.2.1.  Zur Parteistellung der Beschwerdeführer:

Mit der gemäß § 73 lit d TFLG 1996 getroffenen Feststellung wird auch ausgesprochen, ob das jeweilige Grundstück mit Teilwaldrechten belastet ist oder nicht. Personen die auf einem derartigen Grundstück das Bestehen von Teilwaldrechten behaupten, sind daher in einem Feststellungsverfahren Partei gemäß § 74 Abs 8 TFLG 1996. Folglich ist den beiden Beschwerdeführern in dem mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen Feststellungs-verfahren Parteistellung zuzuerkennen.

2.2.2.  Zur rechtlichen Qualifikation des Gst Nr **1, GB **** Y:

In dem mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen, auf § 73 lit d TFLG 1996 gestützten Feststellungsverfahren hatte die Agrarbehörde zu klären, ob das Gst Nr **1, GB **** Y, als agrargemeinschaftliches Grundstück im Sinn des § 33 Abs 2 lit d TFLG 1996 zu qualifizieren ist. Die Agrarbehörde hatte somit zu prüfen, ob es sich beim verfahrensgegenständlichen Grundstück um ein Waldgrundstück im Eigentum einer Gemeinde oder einer Mehrheit von Berechtigten (Agrargemeinschaft) handelt, auf dem Teilwaldrechte gemäß § 33 Abs 3 TFLG 1996 bestehen.

Im Zeitpunkt der Grundbuchsanlegung war nicht die Gemeinde Y, sondern KK und damit eine Privatperson Eigentümer des Gst Nr **1, GB 81119 Y. Grundlage für den Eigentumserwerb an diesem Grundstück, aber auch an weiteren in den Grundbuchskörpern **3 II und **4 II der Katastralgemeinde Y vorgetragenen Grundstücken, war der zwischen KK und dessen Vater LL abgeschlossene Übergabevertrag vom 27.02.1890 und somit ein gültiger Titel.

Mit dem Flurverfassungs-Landesgesetz 1935 erfolgte die Zuordnung der Teilwälder zu den agrargemeinschaftlichen Grundstücken und damit zu den Anteilsrechten. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 36 Abs 2 lit e Flurverfassungs-Landesgesetz 1935 sind agrargemeinschaftliche Grundstücke die der Ortsgemeinde grundbücherlich zugeschriebenen Waldgrundstücke, für die zugunsten bestimmter Liegenschaften oder Personen ausschließliche Holz- und Streunutzungsrechte einverleibt sind (Teilwälder). Mit der eben zitierten Bestimmung war die Belastung von im Eigentum von Privatpersonen stehenden Waldgrundstücken mit ausschließlichen Holz- und Streunutzungsrechte rechtlich ausgeschlossen. Die Novelle LGBl Nr 33/1969 hat diesbezüglich nur insofern eine Änderung herbeigeführt, als seit Inkrafttreten dieser Novelle auch im Eigentum von Agrargemeinschaften stehende Waldgrundstücke mit Teilwälder belastet sein dürfen.

Das Gst Nr **1, GB **** Y, steht jedenfalls seit 1890 ? und damit lange vor Inkrafttreten des Flurverfassungs-Landesgesetzes 1935 ? im Privateigentum. Die diesem Umstand widersprechenden Eintragungen im Waldprotokoll der Gemeinde Y vermögen die Richtigkeit der Grundbuchseintragung, insbesondere die Richtigkeit der Grundbuchsanlegung im Jahre 1907, nicht zu erschüttern. Das Gst Nr **1, GB **** Y, unterliegt somit nicht dem Tatbestand des § 33 Abs 2 lit d TFLG 1996. Eine Belastung dieses Grundstückes mit Teilwaldrechten ist daher rechtlich nicht zulässig. Daran vermag auch die langjährige forstliche Nutzung durch die vermeintlichen Teilwaldberechtigen nichts zu ändern. Agrargemeinschaftliche Anteilsrechte, zu denen auch die Teilwaldreche trotz der bereits angeführten Besonderheiten zählen, können nicht ersessen werden und durch Nichtausübung nicht erlöschen (vgl VwGH 21.10.2004, Zl 2003/07/0107; VwGH 30.06.2011, Zl 2010/07/0091).

2.2.3.  Zum Vorbringen des Beschwerdeführers AA:

Der Beschwerdeführer AA hat die Eigentumsverhältnisse am Gst Nr **1, GB ***** Y, nicht bestritten. Laut seinem Vorbringen ist der angefochtene Bescheid allerdings rechtswidrig, da in dessen Spruch die anlässlich der mündlichen Verhandlung am 18.10.2018 zwischen der Eigentümerin des verfahrensgegenständlichen Grundstückes und den (vermeintlichen) Teilwaldberechtigten abgeschlossene Vereinbarung nicht aufgenommen sei. Diese Vereinbarung sei jedoch untrennbar mit der im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellung verbunden. Folglich sei der Spruch des angefochtenen Bescheides unvollständig.

Dazu hält das Landesverwaltungsgericht Tirol Folgendes fest:

Gegenstand des auf § 73 lit d TFLG 1996 gestützten Verfahrens ist ausschließlich die Entscheidung über die Frage „ob Gemeindegut oder Gemeindevermögen vorliegt oder ob es sich um Grundstücke nach § 33 Abs. 2 lit d handelt“. Die Agrarbehörde hatte daher lediglich die Frage zu klären, ob das Gst Nr **1, GB **** Y, als Grundstück nach § 33 Abs 2 lit d TFLG 1996 zu qualifizieren und folglich mit Teilwaldrechten belastet ist. Diese Frage hat die Agrarbehörde geklärt und eine dementsprechende Feststellung im angefochtenen Bescheid getroffen.

Die zwischen CC und den vermeintlichen Teilwaldberechtigten getroffene Vereinbarung anlässlich der mündlichen Verhandlung am 18.10.2018 ? das Zustandekommen dieser Vereinbarung bestreitet der weitere Beschwerdeführer BB ausdrücklich ? steht mit der von der Agrarbehörde zu klärenden rechtlichen Frage nach der Qualifikation des Gst Nr **1, GB **** Y, in keinem Zusammenhang. Die rechtliche Qualifikation eines Grundstückes in einem Verfahren nach § 73 lit TFLG 1996 ist ausschließlich Angelegenheit der Agrarbehörde und somit einer privatrechtlichen Disposition entzogen.

Die Agrarbehörde hat daher zu Recht die anlässlich der mündlichen Verhandlung am 18.10.2018 getroffene Vereinbarung zwischen den vermeintlichen Teilwaldberechtigten und CC nicht in den Spruch des angefochtenen Bescheides aufgenommen.

3.       Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Ein Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC) entgegenstehen.

Eine mündliche Verhandlung kann demgemäß entfallen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder „hoch-technische“ Fragen betrifft. Ebenso wenig ist eine Verhandlung geboten, wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten oder die Tatsachen-feststellungen nicht bestritten sind (vergleiche VwGH 18.11.2013, Zl  2013/05/0022, und VwGH 22.02.2015, Zl 2012/06/0207-9, zu der mit § 24 Abs 4 VwGVG vergleichbaren Bestimmung des § 39 Abs 2 Z 6 Verwaltungsgerichtshofgesetz).

Diese Voraussetzungen liegen im gegenständlichen Beschwerdefall vor. Die Eigentums-verhältnisse am Gst Nr **1, GB **** Y, sind unter Berücksichtigung der Grund-buchsanlegung im Jahr 1907 geklärt. Daran vermögen auch Eintragungen im Waldprotokoll aus dem Jahr 1738 nichts zu ändern. Das Landesverwaltungsgericht Tirol hatte zu prüfen, ob das Gst Nr **1, GB **** Y, als Grundstück im Sinn des § 33 Abs 2 lit d TFLG 1996 zu qualifizieren ist. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt, insbesondere die Eigentums-verhältnisse an diesem Grundstück, ergeben sich bereits aus den dem Landesverwaltungs-gericht Tirol zur Verfügung stehenden Unterlagen. Es bedarf diesbezüglich keiner weiteren Klärung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung.

Das Begehren des Beschwerdeführers AA zielt darauf ab, dass in den Spruch des angefochtenen Bescheides die anlässlich der mündlichen Verhandlung am 18.10.2018 getroffene Vereinbarung aufgenommen werde. Sein Vorbringen betrifft somit ausschließlich rechtliche Fragen.

Im gegenständlichen Verfahren konnte daher entgegen den Anträgen der beiden Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs 4 VwGVG die Durchführung einer mündlichen Verhandlung entfallen.

4.       Ergebnis:

Grundlage für das gegenständliche Verfahren ist § 73 lit d TFLG 1996. Aufgabe der Agrarbehörde war zu klären, ob das Gst Nr **1, GB **** Y, dem Tatbestand des §  33 Abs 2 lit d TFLG 1996 unterliegt. Die Agrarbehörde hat dies ? ausgehend von den Eigentumsverhältnissen an diesem Grundstück seit 1890 ? richtigerweise verneint und ergänzend festgestellt, dass dieses Grundstück nicht mit Teilwaldrechten belastet ist.

Der angefochtene Bescheid ist somit nicht rechtswidrig. Die Agrarbehörde hat lediglich aus einem Versehen im Sinne des § 62 Abs 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz ? AVG das Gst Nr **1 der EZ ***1, GB **** Y, statt der EZ ****2, GB **** Y, zugeordnet. Die Beschwerden des AA und des BB waren daher als unbegründet abzuweisen, der Spruch des angefochtenen Bescheides betreffend die angeführte EZ ***1, GB **** Y, zu berichtigen und diese durch die EZ ****2, GB **** Y, zu ersetzen. § 62 Abs 4 AVG erlaubt dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine derartige Richtigstellung (vergleiche Spruchpunkt 1. des gegenständlichen Erkenntnisses).

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat sich bei der gegenständlichen Entscheidung auf den klaren und eindeutigen Wortlaut des § 33 Abs 2 lit d und Abs 3 TFLG 1996 gestützt und ist auch von der zu dieser Bestimmung ergangenen einheitlichen Judikatur der Höchstgerichte
? vergleiche insbesondere die beiden zitierten Erkenntnisse des VfGH ? nicht abgewichen. Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung waren folglich nicht zu klären (VwGH 13.12.2018, Zl  Ro 2018/37/0048, mit weiteren Nachweisen).

Dementsprechend wird die ordentliche Revision für nicht zulässig erklärt (vergleiche Spruchpunkt 2. des gegenständlichen Erkenntisses).

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Dr. Hirn

(Richter)

Schlagworte

Teilwald; Teilwaldrecht; Holz- und Streunutzrechte; Feststellungsverfahren;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2019.37.0248.2

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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