TE Lvwg Erkenntnis 2019/3/4 LVwG-2014/42/2399-4

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Veröffentlicht am 04.03.2019
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Entscheidungsdatum

04.03.2019

Index

40/01 Verwaltungsverfahrensgesetz

Norm

VVG §4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Schaber über die Beschwerde des AA als Rechtsnachfolger der BB, vertreten durch die RAe CC, Adresse 1, Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 21.07.2014, Zl ***, betreffend eine Vollstreckungsverfügung nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz,

zu Recht:

1.       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 21.07.2014, Zl ***, behoben.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang, Sachverhalt und Beschwerdevorbringen:

Mit Bescheid vom 20.05.2011, ZI. ***, trug der Bürgermeister der Gemeinde Y unter Spruchpunkt A) BB und DD als Eigentümer des Bestandsgebäudes Adresse 2 unter Vorschreibung von Auflagen auf, alle Geschoße des nordöstlichen Teiles des Bestandsgebäudes (die nordöstlich der auf beiliegender Plankopie gelb markierten Teilungslinie gelegenen Teile) bis spätestens 30.07.2011 abzutragen. Unter Spruchpunkt B) wurde ihnen die (vorläufige) Weiterbenützung des unter A) beschriebenen abzutragenden Teiles untersagt. Unter Spruchpunkt C) wurde einer eventuellen Berufung wegen Gefahr im Verzug die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Y vom 20.07.2011, ZI. ***, wurde eine Berufung der BB als unbegründet abgewiesen.

Mit Bescheid vom 04.05.2012 behob die Tiroler Landesregierung in Stattgebung der Vorstellung der BB den Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Y.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Y vom 03.05.2013, ZI. ***, wurde der Berufung der Frau BB teilweise stattgegeben und Spruchpunkt A des Bescheides des Bürgermeisters vom 20.05.2011 insofern abgeändert, als den nunmehrigen Vorstellungswerbern als Eigentümer des Bestandsgebäudes Y, Adresse 2, aufgetragen wurde, den nachstehend angeführten Teil dieses Bestandsgebäudes bis spätestens 20.08.2013 unter Einhaltung angeführter Auflagen abzutragen. Abzutragen wären alle Geschoße des nordöstlichen Teiles des Bestandsgebäudes, welche nordöstlich der, auf anhängenden Beilagen A und B gelb markierten, Abbruchlinien lägen. Auflagen wurden aus statischer Sicht, geotechnischer Sicht sowie aus Sicht des Orts- und Straßenbildes vorgeschrieben.

Die geotechnischen Auflagen im Spruch des Bescheides lauten:

„1. Die nachstehend beschriebenen Maßnahmen sind in der angeführten Reihenfolge unter Beiziehung eines Geotechnikers auszuführen. Die zu den einzelnen Arbeitsschritten vom Geotechniker verlangten Vorkehrungen sind zusätzlich zu den Auflagen dieses Bescheides zu erfüllen.

2. Zuerst müssen das Dach und das Dachgeschoß abgetragen werden, wobei die an der Grenze zum Grundstück Nr. **1 bestehende Betonmauer stehen bleiben muss.

Hinweis:

Diese Betonmauer gehört nicht zu jenem Teil des Bestandsgebäudes, der abzutragen ist.

3. Danach sind vom beizuziehenden Geotechniker die Abstände zwischen dem abzubrechenden Teil des Bestandsgebäudes Adresse 2 und dem Bestandsgebäude Adresse 3 einzumessen sowie die Höhenlage des abzubrechenden Gebäudeteiles gegenüber der Höhe des untersten Stockwerkes des Bestandsgebäudes Adresse 3, damit das Ausmaß des mit Erddruck belasteten Mauerbereiches klar ist.

4. Nun ist das Obergeschoß des abzutragenden Teiles zu entfernen.

5. Zur Kontrolle der abzutragenden Grenzmauer hat nun der beizuziehende Geotechniker den bestehenden Teil der Grenzmauer des abzutragenden Teiles des Bestandsgebäudes einzusehen und zu beurteilen, weiche Belastung infolge Erddruck diese Grenzmauer noch aufnehmen kann. Dies insbesondere unter der Voraussetzung, dass die Querwände entfernt werden und somit keine Stützung mehr ermöglichen.

6. Der beizuziehende Geotechniker hat daraufhin die Erddrucksituation nachzurechnen und die Auswirkungen auf die abzutragende Grenzmauer festzustellen.

7. Auf Grundlage dieser Nachrechnung sind nun jene zusätzlichen Stützmaßnahmen festzulegen, die notwendig sind, damit durch die Entfernung der Querwände im Erdgeschoß keine nachteiligen Deformationen im Bestandsgebäude Adresse 3 entstehen.

8. Danach sind die durch den beizuziehenden Geotechniker festgestellten notwendigen Sicherungsmaßnahmen im Bereich der abzutragenden Grenzmauer auszuführen.

9. Der beizuziehende Geotechniker hat diese Arbeiten (Arbeitsschritte) zu kontrollieren und die Sicherungsarbeiten abzunehmen, bevor mit dem Abbruch fortgefahren werden darf.

10. Danach ist der verbliebene Teil des abzutragenden Bestandsgebäudes zu entfernen, wobei auch dabei die an der Grenze zum Grundstück Nr. **1 bestehende Betonmauer stehen bleiben muss.

11. Zuletzt sind all jene Stellen mit einer Absturzhöhe von mindestens 1,0 m, die durch den Abbruch am verbleibenden Gebäude und am Gelände entstanden sind, durch fachgerechte, standfeste, mindestens 1,0 m hohe Absturzsicherungen mit Durchbrechungsweiten von höchstens 12 cm fachgerecht abzusichern.“

Mit Bescheid vom 27.11.2013, Zahl ***, wies die Tiroler Landesregierung die Vorstellungen der BB und des DD als unbegründet ab.

Nachdem dem baupolizeilichen Auftrag innerhalb der eingeräumten Frist nicht nachgekommen worden war, ersuchte der Bürgermeister der Gemeinde Y die belangte Behörde um Vollstreckung des Bescheides.

Mit Schreiben vom 21.01.2014, Zahl ***, drohte die belangte Behörde BB und DD gemäß § 4 VVG 1991 unter Setzung einer letztmaligen Erfüllungsfrist die Ersatzvornahme des Bescheides des Gemeindevorstandes der Gemeinde Y vom 03.05.2013, ZI. ***, an.

Am 09.05.2014 teilte der Bauamtsleiter der Gemeinde Y der belangten Behörde telefonisch mit, dass Auflagepunkt 7 der geotechnischen Auflagen im Bescheid vom 03.05.2013 noch nicht erfüllt ist.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 12.05.2014, Zahl ***, erging an BB und DD eine „Androhung der Ersatzvornahme“ mit folgendem Wortlaut:

„Mit Bescheid des Gemeindevorstands der Gemeinde Y vom 3.5.2013 zu Zahl ***, wurde Ihnen als Eigentümer des Bestandsgebäudes Y, Adresse 2, gemäß § 40 Abs. 2 Tiroler Bauordnung 2011 aufgetragen, den nachstehend angeführten Teil des Bestandsgebäudes Y, Adresse 2, bis spätestens 30.8.2013 abzutragen. Neben weiteren Auflagen wurde in diesem Bescheid unter „geotechnische Auflagen“ zu Punkt 7. folgende Auflage vorgeschrieben:

Auf Grundlage dieser Nachrechnung sind nun jene zusätzlichen Stützmaßnahmen festzulegen, die notwendig sind, damit durch die Entfernung der Querwände im Erdgeschoß keine nachteiligen Deformationen im Bestandsgebäude Adresse 3 entstehen.“

Der Bescheid ist in Rechtskraft erwachsen.

Am 9.5.2014 wird seitens der Baubehörde Y mitgeteilt, dass dem verfahrensgegenständlichen Abbruchauftrag im Wesentlichen nachgekommen worden sei, jedoch sei die oben angeführte geotechnische Auflage zu Punkt 7 bis dato nicht erfüllt worden.

Gemäß § 4 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 (VVG 1991) kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

Gemäß § 4 VVG 1991 werden Sie, Herr DD, sowie Sie, Frau BB, als verpflichtete Parteien aufgefordert, die lt. o. a. Bescheid geforderten Maßnahmen bis längstens 23.5.2014 zu bewerkstelligen. Widrigenfalls müsste diese Maßnahme auf Kosten und Gefahr der verpflichteten Parteien durch die Behörde vorgenommen werden.“

Nachdem die Verpflichteten die gesetzte Frist ungenützt verstreichen haben lassen, beauftragte die belangte Behörde den nichtamtlichen Sachverständigen DI EE mit der Erstellung eines Gutachtens gemäß Punkt 7. der geotechnischen Auflagen im Bescheid vom 03.05.2013.

Der Sachverständige EE kommt in seinem Gutachten vom 13.06.2014 zum Ergebnis, dass „…die derzeit offene Mauer gegenüber dem Nachbarbauwerk nicht in der Lage ist, den Erddruck mit den heute geforderten Sicherheiten aufzunehmen“. Zur Sicherung der bestehenden Außenwand schlug der Sachverständige die Anbringung von „vernageltem Spritzbeton“ vor. Die dazu notwendigen Arbeitsschritte wurden im Gutachten graphisch dargestellt (PlanNr ***). Das Gutachten enthält auch auftragsgemäß eine Schätzung der dafür zu veranschlagenden Kosten.

Mit Vollstreckungsverfügung vom 21.07.2014, Zahl *** wurde von der belangten Behörde im Spruch angeordnet wie folgt:

„Gemäß § 4 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 in der geltenden Fassung wird durch die Bezirkshauptmannschaft Z die mit Bescheid des Gemeindevorstands der Gemeinde Y vom 3.5.2013 zu Zahl *** unter Auflagenpunkt 8 der geotechnischen Auflagen verfügte Ausführung von Sicherungsmaßnahmen, welche trotz Androhung der Ersatzvornahme bis heute nicht durchgeführt wurde, im Wege der Ersatzvornahme

angeordnet.

Gemäß § 4 Abs. 2 Verwaltungsvollstreckungsgesetz werden die verpflichteten Parteien vor Beginn der Ersatzvornahme aufgefordert, die für die Beseitigung des Nebengebäudes anfallenden Kosten in der Höhe von EUR 6.495,17 (inkl. 20,00 % USt) binnen zwei Wochen ab Zustellung dieses Bescheides auf unten angeführtes Konto unter Anführung des genannten Verwendungszwecks zur Einzahlung zu bringen.

Kontonummer: ***

Bankleitzahl:          ***

Verwendungszweck: ***

Begründend führt die belangte Behörde aus, dass BB und DD mit rechtskräftigem Bescheid des Gemeindevorstands der Gemeinde Y vom 3.5.2013 zu Zahl *** gemäß § 40 Abs. 2 Tiroler Bauordnung 2011 der Teilabbruch des Bestandsgebäudes in Y, Adresse 2, unter Einhaltung der im Bescheid angeführten Auflagen aufgetragen worden sei. Am 4.12.2013 sei seitens des Bürgermeisters der Gemeinde Y das Ersuchen an die belangte Behörde ergangen, den oben angeführten Bescheid zu vollstrecken. Am 21.1.2014, zugestellt am 24.1.2014, sei den Verpflichteten die Ersatzvornahme für den Fall angedroht worden, dass sie nicht bis längstens 30.3.2014 dem oben angeführten Abbruchauftrag nachkommen würden. In der Folge wäre die belangte Behörde seitens der Baubehörde Y informiert worden, dass der betreffende Hausteil zwischenzeitlich zwar abgebrochen worden sei, die durchzuführenden geotechnischen Sicherungsmaßnahmen aber nicht gesetzt worden seien. Es sei daher der geotechnische Sachverständige Dl EE in X *** zum nichtamtlichen Sachverständigen bestellt worden und führe dieser in seinem Gutachten vom 13.6.2014 aus, dass der betreffende Hausteil des Anwesens Haus Adresse 2 nun ohne auf die im Bescheid angeführten Auflagen Rücksicht zu nehmen abgerissen worden wäre. Der Sachverständige habe in seinem Gutachten die durchzuführenden Sicherungsmaßnahmen gemäß dem oben angeführten Abbruchauftrag festgelegt und zwei Kostenschätzungen, welche sich je nach Ausführung auf EUR 26.000,00 bzw. auf EUR 29.000,00 (netto) belaufen würden, erstellt. Das Gutachten vom 13.6.2014 samt Kostenschätzung sei den Verpflichteten am 16.6.2014 per e-mail zur Kenntnis gebracht worden und sei Ihnen die Möglichkeit gegeben worden, bis zum 23.6.2014 dazu Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme sei nicht erfolgt. DD habe der Bezirkshauptmannschaft Z am 17.6.2014 per e-mail mitgeteilt, dass er die Firma FF in W, Adresse 4, um die Erstellung eines Angebotes über die durchzuführenden Arbeiten gebeten habe. Am 26.6.2014 sei bei der Bezirkshauptmannschaft Z ein Angebot der Firma FF über die durchzuführenden Arbeiten eingelangt. Dieses belaufe sich auf EUR 6.495,17 (inkl. USt). Dieses Angebot sei den Verpflichteten per e-mail am 27.6.2014 zur Kenntnis gebracht und sei ihnen die Möglichkeit gegeben worden, bis zum 4.7.2014 dazu Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme sei nicht erfolgt. Das im Vergleich mit der Kostenschätzung des Sachverständigen Dl EE günstigere Angebot der Firma FF sei herangezogen worden.

Gegen diese Vollstreckungsverfügung erhob die rechtsfreundlich vertretene BB fristgerecht Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Tirol. Begründend wird in der Beschwerde ausgeführt, dass die Vollstreckungsverfügung inhaltlich nicht bestimmt sei. Sie verweise auf den Bescheid vom 3.5.2013 Punkt 8. In diesem Punkt 8., der wörtlich laute: „danach sind die durch den beizuziehenden Geotechniker festgestellten notwendigen Sicherungsmaßnahmen im Bereich der abzutragenden Grenzmauer auszuführen“, seien keine bestimmten Maßnahmen vorgeschrieben. Es sei daher aus der gegenständlichen Vollstreckungsverfügung im Zusammenhang mit Punkt 8. des Bescheides vom 3.5.2013 nicht klar ersichtlich, was letztendlich ersatzweise vorgenommen werden solle. Eine Vollstreckungsverfügung, die inhaltlich nicht bestimmt ist, sei rechtswidrig und aus diesem Grunde nicht umsetzbar. Gemäß § 4 Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz bedürfe es außerdem der vorherigen Androhung der Ersatzvornahme. Eine derartige Androhung liege nicht vor. Im Schreiben vom 21.1.2014 sei zwar von Androhung der Ersatzvornahme die Rede, die angedrohten Maßnahmen wären darin jedoch in keiner Weise näher umschrieben. Es werde lediglich ganz allgemein auf den Bescheid des Bürgermeisters vom 3.5.2013 verwiesen. In diesem Bescheid seien - soweit hier verfahrensgegenständlich - keine konkreten Maßnahmen vorgeschrieben. Der Bescheid verweise in seinen Punkten 7. und 8. (hier verfahrensgegenständlich) nur auf noch einzuholende Gutachten, Stellungnahmen und dergleichen, nicht jedoch auf konkret vorgeschriebene Maßnahmen. Es wäre daher aus der Androhung der Ersatzvornahme gemäß Schreiben vom 21.1.2014 für die Beschwerdeführerin gar nicht erkennbar, welche Ersatzvornahmen angedroht worden wären. Gleiches gelte hinsichtlich der Androhung im Schreiben vom 12.5.2014. In diesem Schreiben sei lediglich auf Punkt 7. des Bescheides vom 3.5.2013 Bezug genommen. Wie bereits mehrfach erwähnt, enthalte dieser Punkt 7. keine konkreten Maßnahmen. In Punkt 7. sei — wem konkret ist nicht ersichtlich - der Auftrag erteilt, zusätzliche Stützmaßnahmen festzulegen. Ein konkreter Auftrag an die Beschwerdeführerin sei darin jedoch nicht enthalten. Der Punkt 7. des Bescheides vom 3.5.2013 sei inhaltlich nicht bestimmt, daher nicht erfüllbar und somit nicht vollstreckbar. Zudem könne mittels Ersatzvornahme nur der Inhalt des Punktes 7. umgesetzt

werden, nicht der des Punktes 8. Der Punkt 8. war niemals Inhalt einer Androhung der Ersatzvornahme.

Abschließend wird die Behebung des angefochtenen Bescheides durch das Landesverwaltungsgericht beantragt.

AA ist Rechtsnachfolger der zwischenzeitlich verstorbenen BB.

II.      Beweiswürdigung:

Der vorhin festgestellte Sachverhalt ergibt sich unzweideutig aus dem Akt der belangten Behörde zu Zl *** und ist soweit unstrittig.

Es waren keine Fragen des Sachverhalts oder der Beweiswürdigung zu klären. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung wurde vom Beschwerdeführer trotz entsprechenden Hinweises in der Rechtsmittelbelehrung des angefochtenen Bescheides nicht beantragt. Die Akten haben erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Einem Entfall der Verhandlung stand weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegen.

III.     Rechtslage:

Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, in der hier maßgeblichen Fassung :

„§ 1

(1) Vorbehaltlich des § 3 Abs. 3 obliegt den Bezirksverwaltungsbehörden

         (…)

         2. soweit durch besondere Vorschriften nicht anderes bestimmt ist,

(…)

b)   die Vollstreckung der von Gemeindebehörden – ausgenommen die Behörden der Städte mit eigenem Statut – erlassenen Bescheide auf Ersuchen dieser Behörden;

(…)

Erzwingung anderer Leistungen und Unterlassungen

a) Ersatzvornahme

§ 4

(1)  Wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, so kann die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden.

(2)  Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.

Kosten

§ 11

(1)  Die Kosten der Vollstreckung fallen dem Verpflichteten zur Last und sind gemäß § 3 einzutreiben.

(2)  Die Vollstreckungsbehörde kann in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen. Der Auftrag zur Vorauszahlung ist vollstreckbar.“

IV.      Erwägungen:

Gemäß Art. 130 Abs 1 Z 1 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht gegen den Bescheid einer Behörde wegen Rechtswidrigkeit.

Der Beschwerde kommt Berechtigung zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss der Spruch eines Bescheides, mit dem eine Verpflichtung auferlegt wird, so bestimmt gefasst sein, dass einerseits dem Bescheidadressaten die überprüfbare Möglichkeit gegeben wird, dem Leistungsauftrag zu entsprechen, und andererseits ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung im Rahmen einer allfälligen, ihrem Umfang nach deutlich abgegrenzten Ersatzvornahme ergehen kann (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 985, angeführte Rechtsprechung). Das gilt auch für Auflagen (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Juli 1999, 99/07/0033).

Wenn in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon die Rede ist, Auflagen müssten so bestimmt sein, dass ohne weiteres Ermittlungsverfahren und neuerliche Entscheidung eine Vollstreckungsverfügung ergehen kann, so bedeutet dies nicht, dass in einem Vollstreckungsverfahren jegliche Ermittlungen unzulässig sind. An gesetzwidriger Unbestimmtheit und mangelnder Vollstreckungstauglichkeit leidet eine Auflage aber dann, wenn Ermittlungen und Entscheidungen, die von Gesetzes wegen im Verfahren zur Erlassung des Titelbescheides zu tätigen waren, durch die Art der Formulierung der Auflage in das Vollstreckungsverfahren verschoben werden. Genau dieser Fall aber liegt bezüglich der in Rede stehenden geotechnischen Auflage Nr. 8 (aber auch Nr. 7) des Bescheides des Gemeindevorstandes der Gemeinde Y vom 20.07.2011, ZI. ***, vor.

Mit Bescheid des Gemeindevorstandes der Gemeinde Y vom 20.07.2011 wurde grundsätzlich den Eigentümern des Bestandsgebäudes Y, Adresse 2, die Abtragung eines Teiles des Bestandsgebäudes aufgetragen. Welche Teile das sind, ist im Titelbescheid ausreichend umschrieben und vollstreckbar. Auch die beim Abbruch einzuhaltenden statischen Auflagen sind im Titelbescheid soweit genau umschrieben, dass ein sachkundiger Bauunternehmer die Abbrucharbeiten sach- und fachgemäß auszuführen im Stande ist.

Die geotechnischen Auflagen Nr. 7 (Festlegung zusätzlicher Stützmaßnahmen) und die darauf aufbauende geotechnische Auflage Nr. 8 (Ausführung der notwendigen Sicherungsmaßnahmen), hingegen sind, weil vom Ergebnis einzuholender geotechnischer Gutachten abhängig, unbestimmt. Derart „bedingte“ Verpflichtungen sind nicht vollstreckbar. Vollstreckbar wäre in diesem Fall möglicherweise die Einholung der Gutachten, nicht jedoch die sich daraus ergebenden notwendigen Maßnahmen.

Der Gegenstand der Leistung muss im Titelbescheid „bestimmt“ und nicht bloß „bestimmbar“ sein [(VwSlg 11.601 A/1984 (Leits)], zumal die Vollstreckungsbehörde nur bei im wesentlichen „bestimmten“ Aufträgen die Verpflichtung zukommt, diese Aufträge in der Vollstreckungsverfügung entsprechend zu konkretisieren [(zB wenn der Titelbescheid mehrere Möglichkeiten der Leistungserfüllung offen lässt (sieh VwSlg 11.936 A/1985; 12.018 A/1986)]

Demgemäß kann es nicht der Vollstreckungsbehörde überlassen sein, durch Einholung von Sachverständigengutachten im Vollstreckungsverfahren – wie gegenständlich erfolgt – den Inhalt einer Auflage und damit die Leistung zu bestimmen.

Nicht unproblematisch erscheint dem Gericht auch der Umstand, dass sich die im Spruch der bekämpften Vollstreckungsverfügung angeordneten Sicherungsmaßnahmen (im Wege der Ersatzvornahme) nur mittels Begründung halbwegs erschließen lassen. Selbst in der Begründung wird - relativ unbestimmt – (nur) auf die im Gutachten des geotechnischen Sachverständigen EE angeführten durchzuführenden Sicherungsmaßnahmen verwiesen.

Der Beschwerdeführer zeigt in seiner Beschwerde aber auch noch eine andere inhaltliche Rechtswidrigkeit auf.

Für die hier gegenständliche Vollstreckung von vertretbaren Leistungen sieht § 4 Abs 1 VVG vor, dass die zwangsweise Einbringung der mangelnden Leistung nur nach vorheriger Androhung der Ersatzvornahme bescheidmäßig angeordnet werden kann.

Die Androhung der Ersatzvornahme ist unbedingte Voraussetzung für eine gesetzmäßige Ersatzvornahme und steckt den Rahmen des Vollstreckungsverfahrens ab.

Die belangte Behörde verweist in der Begründung der Vollstreckungsverfügung auf die im Schreiben vom 21.01.2014 angedrohte Ersatzvornahme. In diesem Schreiben wird tatsächlich unter Setzung einer Paritionsfrist die Ersatzvornahme der im Titelbescheid geforderten Maßnahmen angedroht. Nachdem dem Abbruchauftrag von Teilen des Bestandsgebäudes – wenn auch außerhalb der Paritionsfrist – offenkundig im Wesentlichen nachgekommen worden ist - siehe Schreiben der belangten Behörde an DD und BB vom 12.05.2014, Zahl *** - erfolgte im vorangeführten Schreiben vom 12.05.2014 (noch) die Androhung der Ersatzvornahme der geotechnischen Auflage in Punkt 7. des Titelbescheides. Mit dieser Vorgangsweise wurde den Verpflichteten signalisiert, dass der Titelbescheid dem Grunde nach erfüllt ist und lediglich nur mehr eine geotechnische Auflage, konkret die Auflage Nr. 7, offen ist. In der bekämpften Vollstreckungsverfügung wird aber die Ersatzvornahme der geotechnischen Auflage Nr. 8 verfügt. Dazu findet sich in den vorgelegten Akten aber keine vorausgegangene Androhung der Ersatzvornahme unter Setzung einer Paritionsfrist. Der in den vorgelegten Akten einliegenden Niederschrift der belangten Behörde über eine Verhandlung vor Ort am 11.06.2014 ist zwar zu entnehmen, dass die belangte Behörde den Verpflichteten androhte, die Sicherungsmaßnahmen, sofern sie nicht von den Verpflichteten selbst in Auftrag gegeben werden, im Wege der Ersatzvornahme zu veranlassen, eine Paritionsfrist dazu fehlt aber.

Eine Androhung der Ersatzvornahme muss insbesondere eine Leistungsfrist für die zu erbringende Leistung enthalten, wobei hier auf die tatsächliche Möglichkeit der Erbringung zu achten ist (vgl. hiezu Larcher, Vollstreckung im Verwaltungsrecht, RZ 26 zu § 4 Abs. 1 VVG, Seite 9).

Der bekämpften Vollstreckungsverfügung ging daher keine gesetzlich vorgesehene ordnungsgemäße Androhung der Ersatzvornahme voraus, sodass auch aus diesem Grund die Vollstreckungsverfügung mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist.

Aufgrund der aufgezeigten Unbestimmtheit der in Vollstreckung gezogenen geotechnischen Auflage Nr 8 des Titelbescheides, ist auch die in der Vollstreckungsverfügung gemäß § 4 Abs 2 VVG vorgeschriebene Kostenvorauszahlung rechtswidrig.

Die Vollstreckungsverfügung war daher in ihrer Gesamtheit zu beheben.

V.       Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Mag. Schaber

(Richter)

Schlagworte

Auflagen nicht vollstreckbar; zu unbestimmt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2019:LVwG.2014.42.2399.4

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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