Entscheidungsdatum
16.01.2019Norm
VwGVG 2014 §28Text
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat durch Hofrat Dr. Trixner aufgrund des Vorlageantrages gegen die Beschwerdevorentscheidung der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 26.11.2018, Zl. ***, mit welcher die Beschwerden des A, ***, ***, vertreten durch Frau B und des C, ***, ***, vertreten durch Herrn D, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 21.08.2018, Zl. ***, betreffend befristete Maßnahmen zum Schutz von Menschen und Viehbeständen gemäß § 100a NÖ Jagdgesetz 1974, abgewiesen wurden, den
BESCHLUSS
gefasst:
1. Die Beschwerden des A und des C werden als gegenstandslos erklärt und wird das Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich gemäß § 31 i.V.m. § 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) eingestellt.
2. Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Begründung:
Mit dem vor dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich angefochtenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd (im Folgenden: belangte Behörde) vom 21.08.2018, Zl. ***, wurden von Amts wegen Maßnahmen zum Schutz von Menschen und Viehbeständen gemäß § 100a iVm § 3 Abs. 8 und Abs. 6 Z 3 lit. c NÖ Jagdgesetz 1974 erlassen. Im Konkreten wurde zur Abwendung erheblicher Schäden an Viehbeständen angeordnet, in den Jagdgebieten Genossenschaftsjagdgebiet (GJ) ***, GJ ***, GJ ***, GJ ***, GJ *** und im Eigenjagdgebiet (EJ) *** im Rahmen der Jagdausübung Wölfe, die im Bereich innerhalb von 300 Metern um und in eingezäunten Nutztierweiden angetroffen werden, bis zum 31.12.2018 mittels Gummigeschossen oder Schreckschüssen zu vergrämen.
Folgende Auflagen wurden erteilt:
1. Bei jeder Vergrämungsmaßnahme muss sichergestellt sein, dass das Leben und die Gesundheit des zu vergrämenden Tieres nicht gefährdet wird.
2. Jede Vergrämung ist der Bezirkshauptmannschaft Gmünd, Fachgebiet Jagd und Fischerei, Agrarwesen, unverzüglich zu melden. Die Meldung hat schriftlich (per E-Mail, Brief oder Fax) zu erfolgen und hat zumindest den Zeitpunkt, die Örtlichkeit und das eingesetzte Mittel der Vergrämung zu umfassen.
Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde wurde ausgeschlossen.
In ihrer Begründung führte die belangte Behörde zusammengefasst aus, dass in den Jagdgebieten GJ ***, GJ ***, GJ *** und in benachbarten Jagdgebieten im Bezirk *** in den vergangenen Wochen insgesamt 31 Stück Weidevieh (Schafe) nachweislich von Wölfen getötet bzw. derart verletzt worden seien, dass diese hätten getötet werden müssen. Es liege gegenständlich ein erheblicher Schaden am Viehbestand vor und gebe es keine andere zufriedenstellende Lösung als die angeordnete, um die Viehbestände zu schützen. Die Population des Wolfes werde durch die Vergrämungsmaßnahme keinesfalls beeinträchtigt, da die Wölfe nur punktuell im Bereich der Nutzierweiden vergrämt werden sollen und die Wölfe keinen körperlichen Schaden erleiden dürfen.
Durch die vorgesehenen Beschränkungen der Maßnahme werde sichergestellt, dass der strenge Schutzstatus des Wolfes nicht gefährdet werde und nur jene Wölfe von der Maßnahme erreicht werden, die die fachgerechte Zäunung überwinden.
Die angeordnete Maßnahme sei geeignet die durch den Bestand des Wolfes drohende Schädigung erfolgreich abzuwehren und stelle diese zudem den geringsten zulässigen Eingriff in die Rechte und Pflichten der betroffenen Jagdausübungsberechtigten dar.
Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in welcher sie unter anderem vorbrachten, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei. Gegenständlich fehle es an Voraussetzungen für Ausnahmen nach dem NÖ Jagdgesetz 1974, fehle es an Datenmaterial, habe die Erstbehörde den Sachverhalt nur mangelhaft erhoben, liege ein Verstoß gegen den Managementplan vor und sei der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unionsrechtswidrig.
Beantragt wurde, das Landesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, den Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unverzüglich mittels eigenem Beschlusses als rechtswidrig aufheben, die Parteistellung der Beschwerdeführer feststellen, sowie in der Sache selbst erkennen und den Bescheid als rechtswidrig aufheben, in eventu, den Bescheid als rechtswidrig aufheben und zur neuerlichen Erhebung an die Erstbehörde zurückverweisen.
Nach Einholung einer jagdfachlichen Stellungnahme, datiert mit 19.11.2018, erließ die belangte Behörde am 26.11.2018 eine Beschwerdevorentscheidung, mit welcher sie den angefochtenen Bescheid vollinhaltlich bestätigte.
Gegen diese Beschwerdevorentscheidung brachten die Beschwerdeführer rechtzeitig einen Vorlageantrag ein. In diesem wurden das bisherige Beschwerdevorbringen sowie die in der Beschwerde gestellten Anträge vollinhaltlich aufrechterhalten.
Die belangte Behörde legte den Vorlageantrag samt bezughabenden Verwaltungsakt mit Schreiben vom 12.12.2018 dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vor. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde ausdrücklich verzichtet.
Mit Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 20.12.2018, Zl. LVwG-AV-1320/002-2018, wurde der Antrag der Beschwerdeführer auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Aufgrund des unbedenklichen Verwaltungsaktes und des Verwaltungsgerichtsaktes ergibt sich nachstehender, entscheidungswesentlicher Sachverhalt:
Mit gegenständlich angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde zur Abwendung erheblicher Schäden an Viehbeständen an, in den Jagdgebieten
Genossenschaftsjagdgebiet (GJ) ***, GJ ***, GJ ***, GJ ***, GJ *** und im Eigenjagdgebiet (EJ) *** im Rahmen der Jagdausübung Wölfe, die im Bereich innerhalb von 300 Metern um und in eingezäunten Nutztierweiden angetroffen werden, bis zum 31.12.2018 mittels Gummigeschossen oder Schreckschüssen zu vergrämen.
In rechtlicher Hinsicht ist der festgestellte Sachverhalt wie folgt zu beurteilen:
Gemäß § 33 Abs. 1 VwGG ist im Falle der nach der Revisionseinbringung erfolgten Klaglosstellung des Revisionswerbers bzw. im Falle der Revisionszurückziehung das Revisionsverfahren mit Beschluss als gegenstandslos geworden zu erklären und das Verfahren einzustellen.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist mit der Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens im Sinne des § 33 Abs. 1 VwGG nicht nur bei formeller Klaglosstellung, sondern auch bei „Gegenstandslosigkeit“ der Beschwerde vorzugehen (vgl zB VwGH vom 26.04.2005, 2000/03/0288; VwGH vom 28.11.2013, 2013/10/0084).
Eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde wird dann angenommen, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. zB VwGH vom 26.03.2007, 2006/10/0234).
Das Rechtsschutzinteresse besteht bei einer Bescheidbeschwerde im objektiven Interesse des Beschwerdeführers an einer Beseitigung des angefochtenen, ihn beschwerenden Verwaltungsaktes. Dieses Interesse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es aufgrund der geänderten Umstände für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob der angefochtene Bescheid aufrecht bleibt oder aufgehoben wird bzw., wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen soweit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. zB VwGH vom 02.09.2008, 2007/10/0024).
Da das VwGVG keine dem § 33 Abs. 1 VwGG entsprechende Bestimmungen enthält, können die Überlegungen zu § 33 Abs. 1 VwGG analog auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht übertragen werden (siehe hierzu VwGH vom 28.01.2016, Ra 2015/11/0027).
Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde angeordnet, zur Abwendung erheblicher Schäden an Viehbeständen in den näher bezeichneten Jagdgebieten im Rahmen der Jagdausübung Wölfe, die im Bereich innerhalb von 300 Metern um und in eingezäunten Nutztierweiden angetroffen werden, bis zum 31.12.2018 mittels Gummigeschossen oder Schreckschüssen zu vergrämen.
Die Zeit, in welcher die Vergrämungsmaßnahmen gesetzt werden sollen, ist zwischenzeitig unzweifelhaft verstrichen und dürfen folglich seit 01.01.2019 Wölfe auf Grundlage des angefochtenen Bescheides nicht mehr vergrämt werden.
Selbst die meritorische Erledigung des angefochtenen Bescheides könnte die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nicht verbessern, kann doch das von den Beschwerdeführern mit der gegenständlichen Beschwerde bzw. dem Vorlageantrag verfolgte Rechtsschutzziel des Unterbleibens der mit dem angefochtenen Bescheid angeordneten Vergrämungsmaßnahmen infolge zeitlicher Überholung nicht mehr erreicht werden. Die Prüfung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hätte gegenständlich nur mehr theoretische Bedeutung.
Infolge des Wegfalls des rechtlichen Interesses der Beschwerdeführer an einer Sachentscheidung des Verwaltungsgerichtes, war das Beschwerdeverfahren als gegenstandslos geworden zu erklären und in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG einzustellen.
Es wird darauf hingewiesen, dass im gegenständlichen Fall eine Feststellung betreffend die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht in Betracht kam. Die Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit beinhalten keinen Anspruch auf Feststellung der Gesetzwidrigkeit von Bescheiden, sondern bloß einen Anspruch auf Aufhebung von gesetzwidrigen Bescheiden, die aktuell in ihre Rechtssphäre eingreifen (vgl. zB VwGH vom 02.07.2008, 2007/10/0010)
Ein aktueller Eingriff liegt gegenständlich nicht vor, weshalb das Verwaltungsgericht das Verfahren einzustellen hatte.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im konkreten Fall unterbleiben, da bereits die Akten erkennen ließen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.
Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Schlagworte
Landwirtschaft und Natur; Jagdrecht; Verfahrensrecht; Einstellung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.1320.001.2018Zuletzt aktualisiert am
25.03.2019