Entscheidungsdatum
10.09.2018Norm
BBG §40Spruch
W173 2192874-1/9E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Margit MÖSLINGER-GEHMAYR als Vorsitzende und die Richterin Mag. Angela SCHIDLOF sowie den fachkundigen Laienrichter Franz GROSCHAN als Beisitzer über die Beschwerde in Verbindung mit dem Vorlageantrag von XXXX , geb. XXXX , gegen die Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Niederösterreich, vom 3.4.2018, betreffend Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerdevorentscheidung vom 3.4.2018 wird behoben. Herr XXXX erfüllt mit einem Grad der Behinderung von 50% weiter die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Auf Grund des Antrages von Herrn XXXX , geb. am XXXX , (in der Folge BF) vom 15.9.2017 auf Ausstellung eines Behindertenpasses samt Zusatzeintragung (Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) sowie eines Ausweises gemäß §29b StVO wurde von der belangten Behörde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. In diesem wurde von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, ein Gesamtgrad der Behinderung von 50% ermittelt.
Dieser beruhte auf folgendem Leiden: passagere Paraparese beider Beine, periphere Polyneuropathie, verzögerte Extubation bei Delir im Rahmen des Verdachts auf akut intermittierende Porphyrie (Ergebnisse der Porphyriediagnostik ausständig) ED 01/2016 (Pos.Nr. 04.01.02. - GdB 50%). Es wurde im Hinblick auf die längerfristige Verlaufskontrolle für 01/2018 eine Nachuntersuchung vorgesehen. In der Folge wurde dem BF ein befristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50% ausgestellt.
2. Am 22.2.2018 wurde eine amtswegige Untersuchung des BF durchgeführt. Die Sachverständige Dr. XXXX , FÄ für Neurologie und Psychiatrie, führte im Gutachten vom 27.2.2018 auszugsweise Nachfolgendes aus:
"......................
Anamnese:
Kein VGA vorliegend
Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses
AW legt Behindertepass vom 27 01 2017 vor mit GdB 50%, Gültigkeit 14 07 2016 - 31 01 2018, Unzumutbarkeit.
1/ 2016 im Rahmen einer Verkühlung spuckte AW Blut. Nach Überstellung an verschiedene Spitäler - Operation an der Lunge. Er sei nicht mehr aus der Narkose erwacht und 3 Monate im Koma gelegen und habe dann nicht mehr gehen können, habe auch ein Cystofix gehabt.
Ein Gewächs an der Harnröhre sei danach gelasert worden.
Seit damals nehme er Einmalkatheter 2x/ Tag nach dem Harnlassen. Zuerst seien 150- 200 ml abkatheterisiert worden, dzt. ca. 50- 100 ml.
Es sei eine Porphyrie festgestellt worden. Seither Schmerzen in den Füßen und Gefühlsstörungen. AE vor Jahren
Derzeitige Beschwerden:
Er habe ab ca. von oberhalb des Nabels bis hinunter zu den Füßen Schmerzen, links ab dem Knie total stark, da könne er nicht einmal einen Socken anziehen so weh tue es. Er spüre nicht warm, nicht kalt, er könne nicht sagen ob das Bein am Boden stehe oder nicht. In der Nacht bestehen auch Schmerzen, da müsse er aufstehen und gehe etwas auf und ab mit Anhalten dann gehe es wieder.
Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:
Acetan, Biostad, Gabapentin 300 3x1, Oleovit, Tamsulosin, Molaxole, Tramal Hübe b. Bed:
ca. 1-2x/ Woche, Mexalen b. Bed: selten., Seractil b. Bed: ca. 2-3x/ Woche
regelmäßige Kontrolle in Tulln Schmerzzentrum
neurologische und urologische Kontrolle
Sozialanamnese: VS, HS, Poly, Lehre Einzelhandelskaufmann, dann Montage gearbeitet, dann 25a Großhandelskaufmann.
Seit 2a in Pension- jetzt unbefristet.
Pflegegeldstufe 2- nach Klage erhalten.
verheiratet, 1 Stieftochter
Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe): Befund Stadtspital Triemli Zürich 11 04 2017: Porphyria variegata,
St. nach akutem schwerem Schub mit schwerer Porphyrie-bedingter Polyneuropathie
Prolongierter intensivmedizinische Behandlung
Verzögerte Diagnosestellung
z. Z. rasche motorische Ermüdbarkeit und sensorische Ausfälle (speziell äußerst schmerzhafte Dysästhesien)
Befund Neurologin Dr. XXXX 07 06 2016:
Diagnose:
Akut intermittierende Porphyrie, Vorwiegend axonale PNP nach
Intensivaufenthalt Anamnese:
Der Patientin hatte im Jänner eine Lungenblutung, wurde im Rahmen einer Bronchoskopie analgosediert. Es entwickelte sich dann ein Delir unklarer Genese. Im Zuge der Diagnostik wurde dann eine Porphyrie diagnostiziert. Patient wurde nach 40 Tagen Intensivtherapie nach Bad Pirawarth transferiert wegen einer Polyneuropathie. Patient war zum
Transferierungszeitpunkt nur im Rollstuhl mobil. Er hat gute Fortschritte gemacht. Aktuell Probleme mit Harnentleerungsstörung, schmerzhafte Dysästhesien vor allem in den Beinen, weniger in den Händen.
Noch ganz geringe Unsicherheit beim Stiegensteigen
UE:Tonus, Trophik, Kraft seitengleich o. B., Paraesthesien bzw. Hypästhesie bereits am Rumpf beginnend, nach distal hin zunehmend.
PSR schwach auslösbar, ASR fehlend, Stumme Sohle bds.. Gang: Gering breitbasig, Füße werden etwas wenig vom Boden gehoben. Einbeinstand rechts kurzfristig möglich, links kaum möglich.
NLG: Bei den Beinnerven ist die SPA reduziert, auf der linken Seite deutlich mehr als rechts. Vom N. suralis lässt ist bds. kein verwertbares Potential ableiten. Der N. medianus links zeigt eine gering verlängerte distale Latenzzeit und die sensible NLG ist reduziert.
Beurteilung: Der Befund ist mit einer vorwiegend sensiblen, axonalen PNP vereinbar.
Befund Internist Dr. XXXX 24 10 2016: Aus arbeitsmedizinisch/internistischer Sicht besteht bei Hr. XXXX eine AIP mit einer axonalen Polyneuropathie(PNP war vorher nicht bekannt). Da der Pat. vorher keine Beschwerden im Sinne einer Neuropathie hatte, ist anzunehmen, dass ein Zusammenhang zwischen der AIP und der PNP besteht. Hr. XXXX kann nicht lang stehen, nicht schwer heben, nicht auf Regale steigen (was seine derzeitige berufliche Tätigkeit erfordert) und nicht langen Strecken gehen. Dadurch ist er sowohl in seinen beruflichen als auch privaten Tätigkeiten stark eingeschränkt. Eine vollständige Rückbildung der Symptome nach so einen langen Zeitraum (über 6 Monate), ist leider nicht mehr anzunehmen.
Arztbrief RZ Pirawarth 01 03- 12 04 2016:
DIAGNOSEN
ESO.2 Hochgradiger Verdacht auf akute intermittierende Porphyrie mit dzt. Paraparese
(molekulargenetischer Bfd noch ausständig) 01/2016
G62.9 Ausgeprägte axonal demyelinisierende Polyneuropathie inkl. Beteiligung der
intercostalmuskulatur
Transferierungsbrief Anästhesie UK Krems 06 01- 01 03 2016:
hochgradiger Verdacht auf akute intermittierende Porpyhrie (molekulargenetischer Befund noch ausständig)
ausgeprägte Polyneuropathie inkl. Beteiligung der Intercostalmuskulatur Paraplegie der unteren Extremität, paralytischer Ileus
06.01.2016: Bronchoskopie mit Tamponade des OL links bei Hämoptysen
07.01.2016: Bronchoskopie, Entfernung der Tamponade OL links
08.01.2016: Bronchoskopie, erneute Tamponade OL links bei Hämoptysen
12.01.2016: Bronchialarterienangiographie (KH Hietzing ambulant), Embolisation bei
Gefäßmalformation (gemeinsamer Ast d. Art. bronchialis bds. - bestehende
Restperfusion Art. bronchialis links)
12.01.2016: Bronchoskopie, Entfernung der Tamponade OL links
20.01.2016: Lumbalpunktion (Ausschluß ZNS - Mitbeteiligung bei positivem PCR-Nachweis
von HSV im Serum)
29.01.2016: Tracheostomie
25.02.2016: Zystofixanlage
Nikotinabusus
....es kommt erfreulicherweise zur vollständigen Rückbildung der
Paraplegie der unteren Extremitäten.......
Befund Stadtspital Tremli Zürich 03 02 2016: Das ganze Protoporphyrinoxidase-Gen (PPOXGen: SwissProt/TrEMBL P50336; 176200) wurde mittels next generation sequencing sequenziert. Das Verfahren ist noch nicht akkreditiert. Es wurde Mutation p.R 304H gefunden und mittels Sanger Sequenzierung bestätigt. Das Vorliegen der Mutation beweist eine Porphyria variegata (PV)
Arztbrief UK Krems Pneumologie 06 01- 21 02 2016:
Diagnosen:
Hämoptysen
Blutung aus dem Bereich des linken OL am 06.01.2016 mit Notfallsbronchoskopie und Tamponade
Embolisation bei Gefäßmalformation am 12.01.2016 KH Hietzing (gemeinsamer Ast. Art.
bronchiaiis bds. - Restperfusion Art. bronchialis links)
zur Untersuchung mitgebrachte Befunde:
Ambulanzbefund Neurologie UK Tulln 12 04 2017: Dg.: bekannte
Porpyhyria variegata mit porphyriebedingter axonaler PNP..... Kraft
stgl.,....... ab Th8/9 massive Allodynie....
Ambulanzbefund Anästhesie UK Tulln 03 05 2017: Dg.: Porpyhyria
variegata
Befund Urologie Lk Korneuburg/ Stockerau 31 05 2016: .......die
nochmalige Miktion erfolgt spontan........Restharnmenge jetzt
90ml...........Desobstruktion mittels TUR/P wäre zu empfehlen.
Untersuchungsbefund:
Allgemeinzustand: 56 jähriger in gutem AZ, Ernährungszustand: gut
Größe: 180,00 cm, Gewicht: 80,00 kg, Blutdruck:
Klinischer Status - Fachstatus:
Stuhl: fallweise Abführmittel erforderlich
Miktion: s.o.
Händigkeit: re
Neurologisch:
Hirnnerven:
Geruch: anamnestisch unauffällig
Visus: Brille
Pupillen mittelweit, rund isocor
Optomotorik frei, keine Doppelbilder, Nystagmus: keiner
Facialis: seitengleich innerviert, kein mimisches Defizit
Sensibilität: unauffällig
Hörvermögen anamnestisch unauffällig, Zunge: wird gerade herausgestreckt, stgl. gut beweglich
Uvula mittelständig, Gaumensegel hebt symmetrisch Kopfdrehung und Schulterhebung: unauffällig
OE: Rechtshänder
Kraft: seitengleich unauffällig
Trophik: unauffällig
Tonus: unauffällig
Motilität: Nacken und Schürzengriff: nicht eingeschränkt
Seitabduktion bds. bis zur Senkrechten
Faustschluss und Fingerspreizen gut durchführbar
Pinzettengriff: bds. möglich
Feinmotorik: ungestört
MER (BSR, RPR, TSR: seitengleich mittellebhaft
Pyramidenbahnzeichen: negativ
Eudiadochokinese
AVV: beidseits gehalten ohne Absinken, ohne Pronation FNV:
zielsicher bds.
Sensibilität: seitengleich unauffällig
UE: Kraft: keine eindeutige Kraftminderung, links proximal geringe Einschränkung (schmerzbedingt) bei Hüftbeugung
Trophik: unauffällig, keine Atrophien
Tonus: unauffällig
Motilität: nicht eingeschränkt
PSR: seitengleich mittellebhaft
ASR: rechts mittellebhaft, links nicht sicher auslösbar
Pyramidenbahnzeichen: negativ
Laseque: negativ
Beinvorhalteversuch: kein Absinken Knie- Hacke- Versuch : zielsicher bds.
Sensibilität: am linken Bein reduziert angegeben, sehr geringe Gefühlsminderung auch rechts angegeben, weiters Angabe von Dysästhesie und Allodynie ab ca. Nabel abwärts li> re
Stand und Gang: leicht hinkend
Romberg: unauffällig
Unterberger Tretversuch: unauffällig, sicher, kein Abweichen, keine Falltendenz, Beine werden nur gering angehoben
Zehen- und Fersenstand: bds. kurz möglich
Sprache und Sprechen: unauffällig
Gesamtmobilität - Gangbild:
kommt mit 2 UA Stützkrücken gehend zur Untersuchung, Gattin bringt die Befundmappe mit und verlässt dann den Raum
Führerschein: ja, fahre kurze Strecken
An/Auskleiden Schuhe und Socken ohne Hilfe.
Transfer selbstständig, Gehen ohne Stützkrücken sicher mit gutem Abrollverhalten der Füße, gering breitbasig und gering ‚taksig, hinkend'
Status Psychicus:
Kooperativ und freundlich, gut auskunftsfähig, bewusstseinsklar, voll orientiert, kein kognitiv- mnestisches Defizit, Gedankenductus:
geordnet, kohärent; Konzentration und Antrieb unauffällig;
Stimmungslage ausgeglichen, stabil, gut affizierbar; Affekte:
angepasst, keine produktive Symptomatik
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB%
1
Chronisches Schmerzsyndrom der Beine ab ca. Th 10, beschiebene Nervenschädigung der Beine, bekannte Porphyria variegata, Z.n. langem, intensivstationärem Aufenthalt 1/16 Unterer Rahmensatz, da laufende Schmerztherapie erforderlich, aber keine motorischen Ausfälle.
04.11.02
30
Gesamtgrad der Behinderung
30 v.H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung: ---
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Kein VGA vorliegend, daher keine Stellungnahme möglich.
Anm: es wird ein bis 31 01 2018 befristeter Behindertenpass vorgelegt.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung: Kein VGA vorliegend- s.o.
X Dauerzustand
..........................."
3. Gegen das dem Parteiengehör unterzogene Gutachten vom 27.2.2018
brachte der BF Einwendungen mit medizinischen Unterlagen vor. Die
Sachverständige Dr. Christa Koch, führte dazu im ergänzend
eingeholten Aktengutachten vom 22.3.2108 Nachfolgendes aus:
"........................
Stellungnahme bezüglich Beschwerde vom 05 03 2018:
Es werden keine neuen Befunde vorgelegt.
vorgelegt wird: Terminliste Schmerzambulanz Uk Tulln 16 05 2017- 07 03 2018, Taxirechnung vom 22 02 2018
Daraus ergibt sich keine andere Einschätzung.
Stellungnahme zu den Einwendungen/ Parteiengehör vom 05 03 2018: Die Einwendungen bezüglich Begleitperson, Transfer, Mobilität sind nicht nachvollziehbar, da AW ohne Fremdhilfe eine kurze Gehstrecke mobil ist und keine kognitiven Einschränkungen vorliegen, die ein Zurechtfinden im öffentlichen Raum verunmöglichen würden. Eine kurze Wegstrecke kann zurückgelegt werden, was auch mit dem Befund der betreuenden Nervenfachärztin Dr. XXXX vom 07 06 2016 korreliert, wo keine Lähmungen, der Gang gering breitbasig und noch ganz geringe Unsicherheiten beim Stiegensteigen beschrieben wurden und die angegebenen Gefühlsstörungen vermerkt wurden. Auch in dem Befund des LK Tulln Neurologie 12 04 2017 wird die Kraft seitengleich beschrieben.
Die Anwendung einer Gesundheitsschädigung einer schweren Stoffwechselerkrankung im Sinne eines Mehraufwandes wegen Krankendiätverpflegung liegt nicht vor.
Romberg und KHV wurden bei der Begutachtung am 22 02 2018 durchgeführt und dokumentiert. Eine andere Beurteilung dieser beiden Untersuchungsschritte im RZ Pirawarth ist möglich, da diese Untersuchung bereits länger zurückliegt (2016) und nach der akuten Attacke der Porphyrie (Erstdiagnose Anfang 2016) durchgeführt wurde und
im Krankheitsverlauf nach den Attacken Verbesserungen bis zu einer völligen Rückbildung nicht ungewöhnlich sind.
Bezüglich der Harnentleerung ist ein Befund vorliegend, der schon länger zurückliegt. Hier wird 5/16 (Urologie LK Korneuburg) beschrieben, dass die Miktion spontan erfolgt, die Restharnmenge 90ml ergibt und eine Prostataoperation zur Freimachung empfohlen wurde.
Ein fachärztlicher gastroenterologischer Befund bezüglich der Darmsituation lag nicht vor, die Anwendung einer medikamentösen Abführhilfe (bei der Untersuchung am 22 02 2018 Angabe von einer fallweisen Verwendung von Abführmitteln) ergibt per se keinen Grad der Behinderung.
Eine Blasen- oder Darmentleerungsstörung ist mit keinem rezenten Befund dokumentiert.
Bei der Untersuchung müssen bestimmte fachspezifische Fragen beantwortet werden um die Anamnese und etwaige wichtige Fragen zur Beurteilung des Krankheitsbildes einschätzen zu können. Es wurde aber ausführlich der Eigenbeschreibung Raum gegeben und in der Rubrik ‚derzeitige Beschwerden' 1:1 mitgeschrieben.
Obwohl die Krankheit nicht häufig ist, ist das Krankheitsbild bekannt.
Daraus ergibt sich keine andere Einschätzung.
......................................"
4. Mit Bescheid vom 22.3.2018 wurde ausgesprochen, dass der BF mit einem Grad der Behinderung von 30% die Voraussetzung für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr erfülle. Die belangte Behörde stützte sich auf die angeschlossenen, eingeholten medizinischen Gutachten, die einen Bestandteil der Bescheidbegründung bilden würden.
5. Mit E-Mail-Mitteilung vom 28.3.2018 erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid vom 22.3.2018. Der BF bezog sich auf bereits am 6.3.2018 übermittelte Befunde, die zu berücksichtigen seien. Die Sachverständige habe keine vollständige Untersuchung durchgeführt. Ihr sei seine Krankheit nicht vertraut. Der BF stellte in Frage, wie mit seiner Erkrankung eine Strecke von 200-300 Meter bewältigt werden sollte. Er könne keine öffentlichen Verkehrsmittelt benützen. Angeschlossen waren weitere medizinische Unterlagen.
6. Die belangte Behörde holte auf Grund des Vorbringens des BF eine weitere ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen Dr. XXXX ein. Sie führte im ergänzenden Aktengutachten Nachfolgendes auszugsweise aus:
"...................................
2. Stellungnahme zum Gutachten vom 22 02 2018 und 1. Stellungnahme vom 22 03 2018.
In der Beschwerde vom 29 03 2018 wird angeführt, dass die Befunde nicht eingesehen und berücksichtigt wurden. Dem ist nicht so, alle Befunde wurden eingesehen und berücksichtigt und sind auch im Gutachten und der Stellungnahme in Kurzform dokumentiert.
Im Gutachten Dr. XXXX 24 10 2016 Internist werden mögliche allgemeine Symptome
eines akuten Schubes einer Porphyrie beschrieben (Atemzentrumprobleme, Krampfanfälle). Die aktuelle Bewertung hat sich aber an den aktuellen Funktionseinschränkungen zu orientieren.
Im Befund Dr. XXXX 4/2017 wird u.a. die erhöhte Ermüdbarkeit und das Bewältigen einer längeren Gehstrecke als nicht möglich beschrieben.
Das aber mögliche Bewältigen von einer kurzen Wegstrecke (ca. 300- 400 Meter) ist nach den geltenden Richtlinien aber ausreichend um ein öffentliches Verkehrsmittel benützen zu können.
Aktuell neu vorgelegt werden folgende Befunde:
Gutachten Internist Dr. XXXX 02 02 2017 an das Landesgericht
Korneuburg bzgl. Ablehnung des Pflegegeldes durch die PV:
Beurteilung
Bei dem Kläger findet sich aus allgemein gutachterlicher Sicht:
1) ein Zustand nach schwerer Lungenblutung im Rahmen einer Porphyrie und einer Bilirubinstoffwechselstörung mit anschließenden 40-tägigem Intensivaufenthalt und einer passageren kompletten Lähmung der unteren
Extremität. (Porphyrie eine Gruppe von Stoffwechselerkrankungen-meist angeboren- die mit einer Störung des Äufbaus des roten Blutfarbstoffs einhergehen).
2) Nach wie vor vorhandene massive Nervenstörung (gesondertes Gutachten),
3) nach wie vor vorhandene Harn- und Enddarmträgheit mit Zwang sowohl den Stuhl zu regulieren, als auch den Harn (tags und nachts) zu katheterisieren.
4) eine Bluthochdruckfehlregulation, welche zu einer leichtgradigen Herzmuskelverdickung ohne weitere Herzultraschallpathologie geführt hat.
ein Zustand nach Nikotinabusus mit nunmehr normaler Lungenfunktion und normaler Sauerstoff-Sättigung.
5)altersgemäße Aufbrauchserscheinungen in den großen Gelenken und in der Wirbelsäule.
Eine weitere Kalkülsrelevanz zeigt die deutliche Gang- und Standstörung.
Anm.: das obig angeführte gesonderte Gutachten über die massive Nervenstörung liegt nicht vor.
Zweifelsohne hat der AW Anfang 2016 einen schweren Erkrankungsschub der Porphyria variegata mit sehr langem intensivmedizinischer Betreuung bei Beeinträchtigung der Organe und Nerven durchgemacht.
Es kam aber zu deutlichen Verbesserungen, was u.a. auch im Arztbrief LK Krems 3/16, wo eine vollständiger Rückbildung der kompletten Lähmung der Beine beschrieben wurde, dokumentiert ist.
Eine völlige Rückbildung der akuten Symptome eines Erkrankungsschubes ist im Verlauf dieser Erkrankung möglich. Dies wird auch in der dem Akt beiliegender Dissertationsschrift Elena Pischik 2006 Research Program in Molecular Medicine,
Biomedicum-Helsinki, Department of Medicine,University of Helsinki, Finland ; 'Neurological manifestations and molecular genetics of acute intermittent porphyria in North Western Russia' bestätigt.
' PROGNOSIS OF AIP
Our patients represent severe cases of AIP who were undiagnosed at the onset of the disease. The duration of diagnostic delay of an acute attack correlated with a fatal
outcome in two cases mainly due to the administration of drugs known to precipitate AIP for misdiagnosed attack. The causes of death were related to complications of prolonged Ventilation and cardiac dysautonomia similarly to the previous series (Goldberg 1959; Ridley 1969; Mustajoki, Koskelo 1976).
The majority of our patients (83%) had full functional recovery even after a severe attack Both mortality and neurological sequels have been lower in our series (14% and
17%, respectively), than in previous series (35-48% and 24-50%,
respectively) when patients with neurological manifestations solely have been included (Goldberg 1959; Ridley 1969; Sorensen, With 1971; Mustajoki, Koskelo 1976).
Currently, the overall prognosis of AIP is good. The mortality during an acute attack has decreased dramatically during the last decades among diagnosed AIP patients (Kauppinen, Mustajoki 1992) (Article IV) and thus, DNA diagnostics among Family members is recommended before the adulthood since it decreases the likelihood of a manifest disease to 5% in patients diagnosed at the presymptomatic phase. However, the mortality of AIP patients is around 5-20% during an acute attack (Kauppinen, Mustajoki 1992; Jeans et al. 1996; Hift and Meissner 2005) and physicians should be aware of a potentially fatal outcome of a patient.'
Die aktuelle Einschätzung hat sich an den verbleibenden, derzeit vorliegenden, Funktionseinschränkungen zu orientieren.
Hier werden chronische Schmerzen und Gefühlsstörungen der Beine und des unteren Rumpfbereiches sowie eine erhöhte Ermüdbarkeit angegeben. Eine Kraftminderung findet sich nicht, auch die Muskeleigenreflexe der Beine sind, bis auf einen fehlenden ASR links, gut auslösbar.
Es liegt auch kein aktueller Befund vor, der eine schwere Darmentleerungsstörung dokumetieren würde. Das fallweise Verwenden von Abführmitteln, wie bei der Untersuchung vom AW angegeben, ergibt per se keinen Grad der Behinderung.
Es liegt auch kein aktueller Befund vor der eine Blasenentleerungsstörung dokumentieren würde. Bezüglich der Harnentleerung ist ein Befund vorliegend, der schon länger zurückliegt. Hier wird 5/16 (Urologie LK Korneuburg) beschrieben, dass die Miktion spontan erfolgt, die Restharnmenge 90ml ergibt und eine Prostataoperation zur Freimachung empfohlen wurde. Eine Notwendigkeit der Selbstkatheterisierung wird nicht beschrieben.
Insgesamt ergibt sich daraus keine andere Einschätzung.
.........................."
7. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 3.4.2018 wurde die Beschwerde des BF abgewiesen. Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 30% würden die Voraussetzung für einen Behindertenpass nicht mehr erfüllt. Die belangte Behörde stützte sich auf das eingeholte Sachverständigengutachten, das einen Bestandteil der Begründung bilde. Der BF stellte mit E-Mailmitteilung vom 17.4.2018 einen Vorlageantrag. Begründend wurde ausgeführt, dass Gesundheitsstörungen nicht berücksichtigt worden seien, die seinen Alltag beeinträchtigen würden. Er leide seit 2 Jahren an den Folgeschäden der akuten intermittierten Prophyrie. Sein Nervensystem sei bis zum Nabel geschädigt. Nach einem zweimonatigen Komatiefschlaf seien seine körperlichen Einschränkungen mit permanenten Schmerzen und krampfartigen Lähmungserscheinungen in den Beinen verbunden. Er könne sich an vielen Tagen nur in seiner Wohnung bewegen. Das Medikament Lyrika fessle ihn ans Bett und rufe starke Müdigkeit und Doppelbilder hervor. Ohne Unterstützung seiner Frau könnte er am sozialen Leben nicht teilnehmen und die zahlreichen Arzttermine wahrnehmen. Für weitere Strecken benütze er den Rollstuhl, weil nach ca. 200 Meter die Füße versagen würden. Er leide dadurch an psychischen Problemen. Wegen seiner Blase habe er ebenfalls Probleme. In der Nacht denke er über seine Situation nach und versuche zu verdrängen. Dazu sei er nicht befragt worden. Das Ausmaß seiner Krankheit sei nicht hinreichend berücksichtigt worden.
Es werde von Ärzten bestätigt, dass nicht mit einer Verbesserung zu rechnen sei. Wegen seiner sich verstärkenden Schmerzen habe einen Reha-Aufenthalt in Anspruch genommen, der auch keine Abhilfe mit sich gebracht habe. Angeschlossen waren weitere medizinische Unterlagen.
8. Am 19.4.2018 legte die belangte Behörde den Beschwerdeakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.
9. Auf Grund des Vorbringens des BF in seiner Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Im Gutachten von Dr. XXXX , FÄ für Neurologie und Psychiatrie, vom 26.6.2018, das auf einer persönlichen Untersuchung basierte, wurde Nachfolgendes ausgeführt:
"......................................
Anamnese:
57 Jahre alter Mann, der zwar mit seiner Ehefrau in Begleitung zur Untersuchung in meine Praxis kommt, aber alleine ins Untersuchungszimmer, während seine Ehefrau im Wartezimmer wartet.
Er sei gelernter Großhandelskaufmann und bis 12/2015 bei METRO tätig gewesen. Ein Jahr Krankenstand und danach einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses. Dezember
2016. Sei danach 1 Jahr befristet in Pension gewesen bis Dezember 2017, danach unbefristet. Verheiratet in 2. Ehe. Ehefrau habe eine Tochter, jetzt 32 Jahre alt, in die Ehe mitgebracht. keine gemeinsamen Kinder. 1 Enkelsohn mit 8 Jahren. Privat sei alles in Ordnung.
Frühere Erkrankungen:
Blinddarmoperation mit 14 Jahren
Nach einer Verkühlung, wegen der er Aspirin genommen habe, habe er eine Lungenblutung bekommen, sei zuerst nach Krems ins Krankenhaus gekommen, dann ins
Krankenhaus Rosenhügel. 3 Monate im Coma gelegen. Danach Paraparese und anschließend Rehabilitation in Pirawath März 2017, 6 Wochen lang.
Seither Gehprobleme, Stuhlprobleme, Harninkontinenz, muss Einlagen tragen. Habe ständig
Harndrang. Aber dann nur ein paar Tropfen Harn.
Vegetativ: Größe: 1 80 cm Gewicht: 80 kg, Nikotin: 0, Alkohol: 0,
Drogen: 0
Medikamentöse Therapie:
Molaxole IX, Seractil forte 400 mg 1-2 x, Gabapentin 300 mg 3x2, Tramal Tropfen 3 x 15
Tropfen, Inkontan 30 mg 1, Biostad 5 mg 1/2, Adutan 10 mg Oleovit D3 täglich 8 Tropfen,
Folsan 5 mg 1 x wöchentlich, Tamsulosin 0,4 mg retard Kapseln 1,
Neurologischer Status:
Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen.
Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe an den oberen Extremitäten. Aber an den unteren: Reflexe schwächer als oben auslösbar,
Kraftverminderung Kraftgrad 4. Koordination Dysmetrie. (Knie-Hackenversuch) Absinken im
Halteversuch. Dys- und Parästhesien beidseits in beiden Unterschenkeln. Keine pathologischen Reflexe. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unsicher, aber möglich. Gangbild etwas breitbeinig, staksig. Deutlich die rasche Ermüdbarkeit beim mehrmaligen Hin- und Hergehen im Untersuchungszimmer. (ca. 4 Meter) Aufsteigen auf
einen Schemel unsicher.
Psychischer Status:
Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik.
Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht. Befindlichkeit klagsam, kommt schon laut stöhnend ins Untersuchungszimmer, beklagt vor allem die ständigen, eigentlich therapieresistenten Schmerzen. Noch nicht in der Lage, sich mit der Erkrankung irgendwie zu arrangieren und abzufinden. Verzweifelt. Vermindert affizierbar. Instabil. Keine Suizidalität.
Zu folgenden Punkten wird um Stellungnahme ersucht:
1.1 Stellungnahme, ob sich auf Grundlage des Vorbringens des BF zu seiner Erkrankung in der Beschwerde vom 28.3.2018 (AB 106) samt Vorlageantrag (AB128), sowie den vorgelegten medizinischen Unterlagen (AB 8-79, 88-89, 98-105, 124-127), unter Berücksichtigung des bereits vorliegenden Sachverständigengutachtens (AB 80-84, 94, 109-110) eine Änderung zum GdB des BF sein Leiden betreffend nach der Einschätzungsverordnung (EVO) ergibt.
Ja:
1.2.Diagnose: GZ Polyneuropathie nach Porphyria varigata Position 04.06.02 50% Unterer Rahmensatz, da nicht nur sensible Störungen, sondern vor allem rasche Ermüdbarkeit, Schmerzen und dadurch verminderte Belastbarkeit.
1.3.Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 %.
Stellungnahme zu den Vorgutachten:
+Zum Gutachten vom 24.1.2017, AB 6,7, Änderung der Diagnose und Positionsnummer, da die Paraparese tatsächlich zurückgegangen ist. Die Höhe der Prozente bleibt aber gleich. +Zum Gutachten vom 22.2.2018, AB 80-84, Änderung der Diagnose und Höhe der Einstufung, da mit der Diagnose ‚Schmerzsyndrom' die Symptomatik nicht ausreichend diagnostisch berücksichtigt wird. Auch die Höhe erscheint mir nicht adäquat, da BF nicht nur unter Schmerzen leidet, sondern auf Grund der Gesamtproblematik an rascher Ermüdbarkeit, die bei diesem Erkrankungsbild pathognomonisch ist. (Siehe Bericht Stadt Zürich vom 11.4.2017, AB 8 und Rückseite, Absatz 1: "rascher Ermüdbarkeit der Muskulatur, speziell der großen körpernahen Muskeln. Treppensteigen und längere Gehstrecken sind nicht möglich. Dies zeigt sich beim Hockeversuch von Herrn XXXX . etc.)
1.4.Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.
1.5.Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antragstellung anzunehmen. Weil der Grad der
Behinderung ab Antragstellung gilt und daher auch ab diesem Zeitpunkt anzunehmen ist.
..........................."
10. Das vom Bundesverwaltungsgericht ergänzend eingeholte Gutachten vom 26.6.2018 von Dr. Ulli Caravias-Krones, FÄ für Neurologie und Psychiatrie, wurde dem Parteiengehör unterzogen. Der BF sah von einer Stellungnahme ab.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Im Jahr 2016 erlitt der BF eine Verkühlung, bei der auf Grund von Blutspuckens eine Lungenoperation durchgeführt wurde. Aus der Narkose wachte der BF nicht auf und lag drei Monate im Koma, wobei er Nervenschädigungen in den Beinen erlitt. Es wurde die Erkrankung Porphyrie diagnostiziert. Auf Grund des Antrages des BF auf Ausstellung eines Behindertenpasses wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Im Gutachten vom 24.1.2017 von Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, wurde ein Grad der Behinderung von 50 % auf Grund der passageren Paraparese beider Beine, der peripheren Polyneuropathie, der verzögerten Extubation bei Delir im Rahmen des Verdachts auf akut intermittierende Prophyrie (Ergebnis der Prophyriediagnostik ausständig) mit der Einstufung unter die Pos.Nr. 04.01.02 festgestellt. Eine Nachuntersuchung wurde für 1/2018 wegen der längerfristigen Verlaufskontrolle vorgesehen. Der BF erhielt einen befristeten Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50%.
1.2.Nach einer amtswegigen Untersuchung des BF durch die von der belangten Behörde beauftragte Sachverständige, Dr. XXXX , FÄ für Neurologie und Psychiatrie, wurde im Gutachten vom 27.2.2018 ein Gesamtgrad der Behinderung von 30% ermittelt. Dieser beruhte auf der Erkrankung in Form des chronischen Schmerzsyndroms der Beine ab ca. Th 10, der beschriebenen Nervenschädigung der Beine, der Prophyria variegata, und dem Zustand nach langem intensivstationärem Aufenthalt 1/2016. Auf Grund der Einwendungen des BF gegen das Gutachten wurde eine weitere gutachterliche ergänzende Stellungnahme der genannten Sachverständigen eingeholt. Im Aktengutachten vom 22.3.2018 bestätigte sie ihre Einschätzung. Mit Bescheid vom 22.3.2018 wurde der Grad der Behinderung des BF mit 30% festgelegt, womit der BF nicht mehr die Voraussetzung für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllte. Nach Beschwerdeerhebung des BF gegen den Bescheid vom 22.3.2018 wurde von der belangten Behörde eine weitere ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen Dr. XXXX eingeholt. Sie bestätigte im Aktengutachten vom 2.4.2018 den ermittelten Grad der Behinderung von 30%. Die belangte Behörde wies gestützt auf dieses Gutachten mit Beschwerdevorentscheidung vom 3.4.2018 die Beschwerde des BF ab. Der BF brachte einen Vorlageantrag ein.
1.3. Auf Grund des Vorbringens des BF samt Beilagen wurde vom Bundesverwaltungsgericht das oben wiedergegebene Sachverständigengutachten von Dr. XXXX , FÄ für Neurologie und Psychiatrie, vom 26.6.2018 eingeholt, in dem die Erkrankung des BF im Form der Polyneuropathie nach Porphyria varigata mit der Position 04.06.02. mit einem Grad der Behinderung von 50% eingestuft wurde. Dabei wurde nicht nur die sensible Störung, sondern auch die rasche Ermüdbarkeit, die Schmerzen und die dadurch bedingte verminderte Belastbarkeit berücksichtigt. Es lag ein Dauerzustand vor.
1.4. Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt beim BF 50 v.H. Der BF erfüllt daher nach wie vor die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses.
2. Beweiswürdigung
Es wird auf das oben wiedergegebene, vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte, schlüssige Sachverständigengutachten vom 26.6.2018 (Dr. XXXX ) verwiesen. Im genannten Gutachten - basierend auf vorhergehenden persönlichen Untersuchungen des BF - wurde auf die Art der Leiden des BF und deren Ausmaß ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die Gutachterin setzte sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden des BF auseinander.
Diese Einschätzungen finden auch Deckung in dem von der Gutachterin erhobenen Status des BF im Rahmen der persönlichen Untersuchung des BF. Dr. XXXX , FÄ für Neurologie und Psychiatrie, führte in ihrem Gutachten vom 26.6.2018, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt wurde, schlüssig aus, dass die Erkrankung des BF nicht nur mit Sensibilitätsstörungen verbunden ist, sondern auch rasche Ermüdbarkeit, Schmerzen und dadurch bedingte Belastbarkeitsverminderung einhergehen. Diese Begleiterscheinungen sind auch in den vom BF vorgelegten Befunden festgehalten.
Gegen das dem Parteiengehör unterzogene Gutachten vom 26.6.2018 wurden keine Einwendungen vorgebracht. Damit sind die Parteien dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten vom 26.6.2018, das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholt wurde, nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten (vgl. VwGH 17.2.2017, Ra 2017/11/0008, 27.06.2000, 2000/11/0093). Vielmehr wurde von einer Stellungnahme abgesehen.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. In der gegenständlichen Sachverhaltskonstellation liegen die Voraussetzungen für eine meritorische Entscheidung vor (Vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; VwGH 10.09.2014, Ra 2014/08/0005).
4. Zu Spruchpunkt A)
4.1.Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz, BGBl Nr. 283/1990, idgF (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG). Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).
Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 2 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen des Bundessozialamtes. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
4.2. Schlussfolgerungen
Die beigezogenen medizinischen Sachverständigen haben die Einschätzung des Grades der Behinderung auf Basis der Einschätzungsverordnung, BGBl II Nr. 261/2010, vorgenommen. Dieser Maßstab ist für die Einschätzung des Grades der Behinderung heranzuziehen und in den gesetzlichen Bestimmungen (§ 41 Abs. 1BBG) verankert.
Aufgrund der Einwendungen in der Beschwerde wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. Darin setzte sich die ärztliche Sachverständige Dr. XXXX eingehend aus medizinischer Sicht mit dem Vorbringen des BF zu seinen Leiden auseinander. Das eingeholte Sachverständigengutachten vom 26.6.2018, auf das sich das Bundesverwaltungsgericht stützt, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Auch war die Tauglichkeit der befassten Sachverständigen oder deren Beurteilung bzw. Feststellungen nicht in Zweifel zu ziehen. Das Sachverständigengutachten wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.
Es steht dem BF, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch frei, das im Auftrag der Behörde bzw. des Bundesverwaltungsgerichtes erstellte Gutachten, durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).
Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen des BF ein Ausmaß von 50% erreichen, lagen somit die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses weiter vor (vgl VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0041; 21.9.2010, 2007/11/0228), sodass spruchgemäß zu entscheiden war.
4.3.Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn
1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder
2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.
Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.