Entscheidungsdatum
08.11.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
L504 2165746-1/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb., StA. Türkei, vertreten durch RA Mag. Kulac, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2017, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß §§ 57, 10 AsylG 2005, §§ 52, 46, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrenshergang
Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid hat das Bundesamt entschieden, dass der bP, eine türkische Staatsangehörige, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt, gem. § 10 Abs 2 AsylG eine Rückkehrentscheidung erlassen werde, gem. § 52 Abs 9 FPG iVm § 46 FPG die Abschiebung in die Türkei zulässig sei und gem. § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Die bP habe zweimalig als Au Pair Kraft in Österreich gearbeitet und habe seit Ablauf des letzten Visums mit 06.03.2017 das Bundesgebiet nicht verlassen. Seither habe sich die bP nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. Das Bundesamt sei vom illegalen Aufenthalt durch das BMI informiert worden. Eine Anfrage an die zuständige Aufenthaltsbehörde, Amt der Stmk. Landesregierung, habe ergeben, dass nach dortiger Rechtsansicht das Assoziierungsabkommen keine Anwendung finde und die bP somit nicht zur Inlandsantragsstellung berechtigt gewesen sei.
Das Bundesamt hat folglich die oa. Entscheidung erlassen.
Dagegen wurde durch ihren gewillkürten Vertreter innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Moniert wird im Wesentlichen, dass es sich bei der bP um eine türkische Staatsangehörige handelt, die in den Abwendungsbereich des Art 6 Abs 1 ARB 1/80 des Assoziationsabkommen EWG-Türkei falle. Die bP habe vor Ablauf des Visums in Österreich einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gem. NAG gestellt und sei als assoziationsberechtigte Türkin daher bis zur Entscheidung über diesen Titel rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Die gegenständliche Aufenthaltsbeendigung wegen eines nicht rechtmäßigen Aufenthaltes sei daher nicht zu Recht erfolgt.
Mit Schreiben vom 27.07.2018 wurde vom Bundesamt mitgeteilt, dass lt. Schreiben des Rechtsfreundes der bP diese "zeitgerecht" das Bundesgebiet verlassen habe. Da sie es unterlassen habe sich an der Meldeadresse abzumelden, sei am 26.07.2018 die amtswegige Abmeldung im ZMR erfolgt. Aus der Mitteilung des Vertreters ergibt sich weiters, dass die bP über die österreichische Botschaft von der Türkei aus einen Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels eingebracht habe und dieser beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung anhängig sei.
Über Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes übermittelte das Amt der Steiermärkischen Landesregierung am 7. November 2018 das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes vom 2. Jänner 2018, mit dem die Beschwerde über die Nichterteilung des Aufenthaltstitels gemäß dem NAG rechtskräftig abgewiesen wurde. Weiters teilte das Amt mit, dass die beschwerdeführende Partei am 5. April 2018 in der Türkei einen türkischen Staatsangehörigen geheiratet hat. Am 7. Juni 2018 langte von der österreichischen Botschaft Ankara ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels Rot-Weiß-Rot Karte Plus ein. Am 22. August 2018 wurde ein Aufenthaltstitel mit der Dauer bis 21. August 2019 erteilt. Dieser liegt zur Abholung beim Amt bereit.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch aktuelle Auszüge (06.11.2018) aus dem ZMR und IZF und der Auskunftserteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung Beweis erhoben.
1. Feststellungen (Sachverhalt)
Zur Person:
Die Identität der beschwerdeführenden Partei steht fest. Sie ist türkische Staatsangehörige und in der Türkei aufgewachsen. Sie hat nach Erlassung des angefochtenen Bescheides in der Türkei zwischenzeitig am 05.04.2018 einen türkischen Staatsangehörigen geheiratet.
Zum bisherigen Aufenthalt in Österreich:
Der beschwerdeführerenden Partei wurde vom Arbeitsmarktservice Steiermark eine Anzeigenbestätigung als Au Pair Kraft für den Zeitraum 7. März 2016 bis 6. September 2016 erteilt und wurde ihr diesbezüglich von der österreichischen Botschaft in Ankara ein Visum D, gültig vom 26. März 2016 bis 23. September 2016 ausgestellt.
Nach Ablauf des Visums bzw. der Berechtigung als Au Pair Kraft kehrte die beschwerdeführende Partei in die Türkei zurück.
Über ihren Antrag wurde eine weitere Anzeigenbestätigung des Arbeitsmarktservice Steiermark als Au Pair Kraft, sowie von der österreichischen Botschaft in Ankara ein weiterer Einreise- bzw. Aufenthaltstitel Visum D, gültig vom 7. September 2016 bis zum 6. März 2017, ausgestellt.
Die bP war nur vom 30. März 2016 bis zum 9. Juni 2016 bei ihrer Gastmutter gemeldet und erfolgte die weitere Meldung bei ihren in Österreich lebenden Eltern. Bei ihrer Gastmutter handelt es sich um die Tante der beschwerdeführenden Partei.
Die bP scheint beim Hauptverband der Sozialversicherungsanstalt nur im Zeitraum vom 28.03.2016 bis 05.03.2017 als geringfügig beschäftigte Arbeitnehmerin auf.
Die bP stellte vor Ablauf des 2. Visum am 30.01.2017 beim Amt der steiermärkischen Landesregierung einen Antrag auf Erstbewilligung Rot-Weiß-Rot-Karte. Dieser Antrag wurde von der Behörde mit Bescheid vom 31. Mai 2017 abgewiesen. In ihrer Begründung verneinte die Behörde unter anderem gegenständlich die Anwendbarkeit des Assoziierungsabkommens auf die beschwerdeführende Partei. Das LVwG hat eine dagegen erhobene Beschwerde am 02.01.2018 rechtskräftig abgewiesen. Dabei wurde die Anwendbarkeit des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei verneint. Weiters wurde rechtskräftig festgestellt, dass die bP für ihre Tante nie als Au Pair Kraft entgeltlich gearbeitet hat und es sich sowohl bei der Anzeige beim AMS als auch der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse lediglich um Gefälligkeitshandlungen der Tante und des Onkels der bP gehandelt hat, um dieser eine Grundlage für den beantragten Aufenthaltstitel gem. NAG zu verschaffen.
Am 27. Juli 2018 teilte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht mit, dass die beschwerdeführende Partei aus Österreich ausgereist ist. Da sie es unterlassen hat, sich an der Meldeadresse selbst abzumelden, erfolgte eine amtliche Abmeldung am 26. Juli 2018. Der Rechtsfreund der beschwerdeführenden Partei hat das Bundesamt über den Umstand der Ausreise informiert. Es kann nicht festgestellt werden zu welchem Zeitpunkt die beschwerdeführende Partei konkret in die Türkei zurückgereist ist.
Aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister ist ersichtlich, dass die beschwerdeführende Partei am 07.06.2018 von der Türkei aus beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung einen weiteren Antrag auf erste Bewilligung Rot-Weiß-Rot-Karte gestellt hat.
Am 22.08.2018 wurde der bP vom Amt ein Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot Karte Plus bis 21.08.2019 erteilt und liegt dieser zur Abholung bei der Behörde bereit.
Zumindest seit Ablauf des letzten Visum D hielt sich die beschwerdeführende Parteien nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf, da das Assoziierungsabkommen gegenständlich keine Anwendung fand.
Zum Privat und Familienleben in Österreich:
In Österreich sind die Eltern sowie eine Tante samt deren Familie wohnhaft und aufhältig. Die beschwerdeführende Partei ist nunmehr mit einem türkischen Staatsangehörigen verheiratet. Diesen hat sie in der Türkei geehelicht.
Sie lebte bis zum März 2016 mit ihren übrigen Familienangehörigen im Heimatland und bewohnte dort ein Einfamilienhaus. In der Türkei verfügt sie Ihren eigenen Angaben nach an dieser Adresse noch über ein Wohnrecht. Es kann nicht festgestellt werden, dass bis zum Zeitpunkt der letzten Ausreise aus Österreich bzw. Rückkehr in die Türkei eine besondere Integrationsverfestigung in Österreich vorlag.
Zur Situation im Falle einer Rückkehr in die Türkei:
Die beschwerdeführende Partei verfügt über familiäre bzw. verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in der Türkei, wo sie über ein Wohnrecht im Haus ihres Bruders verfügt. Sie hat nunmehr in der Türkei auch einen türkischen Staatsangehörigen geheiratet.
Die beschwerdeführende Partei brachte weder im Verfahren vor dem Bundesamt noch in der Beschwerde vor, dass sie im Falle einer Rückkehr in die Türkei existentielle oder sicherheitsrelevante Probleme hätte.
Zur Situation im Herkunftsstaat:
Aus den vom Bundesamt herangezogenen und im Bescheid dargestellten Berichtsquellen zur Türkei ergibt sich - auch unter Berücksichtigung aktuellster Berichte (Quelle: www.ecoi.net) - keine reale bzw. mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit für die bP zu erwartende Gefährdungslage. Dies wurde von ihr auch zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens konkret dargelegt.
2. Beweiswürdigung
Die bP ist den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegen getreten und stehen diese damit außer Streit. Die Beschwerde richtet sich im Wesentlich nur gegen die rechtliche Beurteilung. Hinsichtlich ihrer erfolgten Ausreise stützt sich das Gericht auf die nicht in Zweifel gezogene Aussage ihres Rechtsfreundes und die Angaben des Amtes der Stiermärkischen Landesregierung. Die erfolgte Eheschließung und nunmehrige Erteilung eines Aufenthaltstitels ergibt sich ebenso unzweifelhaft aus der Auskunft des Amtes.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 52 Abs. 1 Z. 1 FPG hat das Bundesamt gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält.
Das Bundesamt ging in seiner Entscheidung davon aus, dass sich die beschwerdeführende Partei nach Ablauf des 2. Visums D nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Die Beschwerde tritt dem insoweit entgegen als argumentiert wird, dass die beschwerdeführende Partei in ihrem Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels - diesen stellte sie vor Ablauf des letzten Visums - gemäß dem NAG, sie sich als türkische Staatsangehörige auf die sie betreffende Anwendbarkeit der sogenannten "Stillhalteklausel" des Assoziierungsabkommens EWG-Türkei berufen könne. Die direkte Anwendung ergebe sich aus Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 erster Spiegelstrich, der im Falle einer ordnungsgemäßen Beschäftigung für ein Jahr beim selben Arbeitgeber Anwendung finde.
Der Beschluss Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 19.09.1980 über die Entwicklung der Assoziation regelt im Wesentlichen welche Rechte türkischen Staatsangehörigen im Aufnahmemitgliedstaat auf dem Gebiet der Beschäftigung zustehen. Die Artikel 6 und 7 ARB 1/80 sind dabei die zentralen Vorschriften aus denen türkische Staatsangehörige, sofern die Voraussetzungen vorliegen, unmittelbar Ansprüche für rechtmäßigen Aufenthalt und Arbeitserlaubnis herleiten können.
Die Art 6 und 7 enthalten ihrem Wortlaut nach in erster Linie beschäftigungsrechtliche Regelungen. Der EuGH geht jedoch in ständiger Rechtsprechung davon aus, dass die beschäftigungsrechtlichen Vergünstigungen, die türkischen Staatsangehörigen verliehen werden, zwangsläufig auch ein Aufenthaltsrecht dieser Personen im jeweiligen EU-Mitgliedstaat beinhalten, weil sonst die in diesen Bestimmungen eingeräumten Arbeitsmarktzugangsrechte wirkungslos wären.
Artikel 6 ARB 1/80
(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Artikel 7 über den freien Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats angehört, in diesem Mitgliedstaat
-
nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;
-
nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung - vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedingungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;
-
nach vier Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung freien Zugang zu jeder von ihm gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis.
(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.
(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.
Artikel 7 ARB 1/80
Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen,
-
haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;
-
haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben.
Die Kinder türkischer Arbeitnehmer, die im Aufnahmeland eine Berufsausbildung abgeschlossen haben, können sich unabhängig von der Dauer ihres Aufenthalts in dem betreffenden Mitgliedstaat dort auf jedes Stellenangebot bewerben, sofern ein Elternteil in dem betreffenden Mitgliedstaat seit mindestens drei Jahren ordnungsgemäß beschäftigt war.
Artikel 13 ARB 1/80
Die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft und die Türkei dürfen für Arbeitnehmer und ihre Familienangehörigen, deren Aufenthalt und Beschäftigung in ihrem Hoheitsgebiet ordnungsgemäß sind, keine neuen Beschränkungen der Bedingungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt einführen.
Die Stillhalteklausel des Art. 13 ARB 1/80 schließt die Anwendbarkeit neu eingeführter Bestimmungen für den Zugang zum Arbeitsmarkt nur dann aus, wenn eine restriktivere (verschärfte) Regelung getroffen wird, als sie eine frühere Rechtslage vorsah (vgl. VwGH 23.11.2017, Ra 2016/22/0099, 19.1.2012, 2011/22/0313).(VwGH 16.01.2018, Ra 2017/22/0209)
Die Stillhalteklausel nach Art. 13 des ARB 1/80 ist nicht nur auf die schon in den Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaats integrierten türkischen Staatsangehörigen anzuwenden (vgl. Urteile EuGH 21. Oktober 2003, C 317/01 - Abatay ua; und C-369/01 - N. Sahin; sowie Urteil EuGH 9. Dezember 2010, C-300/09 - Toprak; und C-301/09 - Oguz); allerdings muss die Absicht vorhanden sein, sich in den Arbeitsmarkt des betreffenden Mitgliedstaates zu integrieren (vgl. Urteil EuGH Abatay; sowie Urteil EuGH 29. April 2010, C-92/07 - Kommission gegen Niederlande; wonach Art. 13 ARB 1/80 der Einführung neuer Beschränkungen der Arbeitnehmerfreizügigkeit einschließlich solchen entgegensteht, die die materiell- und/oder verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die erstmalige Aufnahme jener türkischen Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats betreffen, die dort von dieser Freiheit Gebrauch machen wollen). Ferner kann sich auf die Stillhalteklausel nur berufen, wer die Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf dem Gebiet der Einreise, des Aufenthalts und gegebenenfalls der Beschäftigung beachtet hat. Sie steht hingegen nicht einer Verstärkung der Maßnahmen entgegen, die gegenüber türkischen Staatsangehörigen getroffen werden können, die sich in einer nicht ordnungsgemäßen Situation befinden (vgl. Urteil EuGH Abatay).(VwGH 18.04.2018, Ra 2018/22/0004)
Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80, der von der bP ins Treffen geführt wird, enthält drei Voraussetzungen (vgl. EuGH Urteil 24. Jänner 2008 in der Rechtssache C-294/06; Payir):
Die erste dieser Voraussetzungen betrifft die Eigenschaft als Arbeitnehmer. Um diese Voraussetzung zu erfüllen, muss ein türkischer Staatsangehöriger eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausüben, wobei solche Tätigkeiten außer Betracht bleiben, die wegen ihres geringen Umfangs völlig untergeordnet und unwesentlich sind. Das wesentliche Merkmal des Arbeitsverhältnisses besteht darin, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.
Die zweite Voraussetzung bezieht sich auf die Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt. Dieser Begriff bezeichnet die Gesamtheit der Arbeitnehmer, die den Rechts- und Verwaltungsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats nachkommen und somit das Recht haben, eine Berufstätigkeit in dessen Hoheitsgebiet auszuüben (vgl. EuGH Urteil 26. November 1998, C-1/97, Birden).
Art. 6 Abs. 1 ARB 1/80 verlangt als dritte Voraussetzung eine ordnungsgemäße Beschäftigung, dh eine gesicherte und nicht nur vorläufige Position auf dem Arbeitsmarkt des Aufnahmemitgliedstaats und damit ein nicht bestrittenes Aufenthaltsrecht (vgl. EuGH Urteil 19. November 2002, Kurz, C- 188/00, Slg. 2002, I-10691).
Gegenständlich kann die bP keine Rechte aus Art 6 Abs 1 ARB 1/80 erster Spiegelstrich darlegen, weil sie "kein Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung bei dem gleichen Arbeitgeber" nachzuweisen vermochte. So geht auch die Partei davon aus wenn sie anführt, dass sie "knapp ein Jahr" beschäftigt gewesen sei. Es muss sich grds. um eine ununterbrochene und ordnungsgemäße Beschäftigung während des erforderlichen Zeitraumes von einem Jahr handeln, sofern kein legitimer Grund der in Art 6 Abs 2 ARB 1/80 genannten Art für die Unterbrechung der Beschäftigungszeiten angeführt werden kann.
Der bP wurden vom AMS über deren jeweiligen Antrag Anzeigenbestätigungen für ein Au pair Verhältnis gem. § 1 Z 10 der Ausländerbeschäftigungsverordnung für den Zeitraum von 07.03.2016 bis 06.09.2016 und vom 07.09.2016 bis 06.03.2017 erteilt. Der bP wurden dazu Einreisevisa D von der Österreichischen Botschaft in Ankara mit einer Gültigkeitsdauer von 26.03.2016 bis 23.09.2016 sowie 29.09.2016 bis 06.03.2017 ausgestellt. Nach Ablauf der ersten Beschäftigung kehrte die bP wieder in die Türkei zurück und stellte den zweiten Antrag als Au pair Kraft.
Selbst wenn man hier die Zeiten, in denen die bP rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig war und Beschäftigung als Au pair behauptet, addieren und von einer ordnungsgemäßen Beschäftigung ausgehen würde, käme die bP auf weniger als 1 Jahr und kann die bP deshalb schon keine Rechte aus Art 6 Abs 1 ARB 1/80 erster Spiegelstrich erlangen.
Zudem ist festzuhalten, dass das LVwG zu dieser "Beschäftigung" als Au pair Kraft rechtskräftig feststellte, dass, "obwohl der Beschwerdeführerin eine Anzeigebestätigung des AMS als Au-pair-Kraft bei ihrer Tante M.K. zweimalig für die Zeiträume von je sechs Monaten ausgestellt, und eine Anstellung als geringfügig beschäftigte Arbeiterin in der Zeit von 28.03.2016 bis 05.03.2017 bei der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse gemeldet worden ist, die Beschwerdeführerin tatsächlich nicht als Au pair Kraft bei ihrer Tante beschäftigt war, sondern lediglich Hilfsleistungen im Familienverband bei Bedarf erbracht hat, ohne dafür regelmäßig Entgelt ausbezahlt erhalten zu haben. Ein ordentliches Beschäftigungsverhältnis war somit während des Zeitraumes von 28.03.2016 bis 05.03.2017 nicht gegeben." Es könnte somit auch von keiner durchgehenden ordnungsgemäßen Beschäftigung gesprochen werden.
Es bedarf somit keiner Auseinandersetzung mehr ob die Unterbrechung der beiden Au pair Beschäftigungen für eine zeitliche Zusammenrechnung iSd Art 6 Abs 2 ARB unschädlich war.
Soweit sich die bP daher auf die Stillhalteklausel des Art 13 leg cit beruft und vermeint, dass sie gem. Art 6 Abs 1 erster Spiegelstrich ARB 1/80 in den Anwendungsbereich des Abkommens fällt, der sie - weil das FrG 1997 zu Anwendung gelange - zur Antragsstellung im Inland berechtige und sie bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Bundesgebiet verbleiben dürfe, kann dem nicht gefolgt werden.
Da die bP keine Berechtigung aus dem Assosiationsabkommen ableiten kann, gelangt das NAG 2005 in der Fassung zum Zeitpunkt ihrer Antragstellung zur Anwendung.
Verfahren bei Erstanträgen
(1) Erstanträge sind vor der Einreise in das Bundesgebiet bei der örtlich zuständigen Berufsvertretungsbehörde im Ausland einzubringen. Die Entscheidung ist im Ausland abzuwarten.
(2) Abweichend von Abs. 1 sind zur Antragstellung im Inland berechtigt:
1. Familienangehörige von Österreichern, EWR-Bürgern und Schweizer Bürgern, die in Österreich dauernd wohnhaft sind und nicht ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht von mehr als drei Monaten in Anspruch genommen haben, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts;
2. Fremde bis längstens sechs Monate nach Ende ihrer rechtmäßigen Niederlassung im Bundesgebiet, wenn sie für diese Niederlassung keine Bewilligung oder Dokumentation nach diesem Bundesgesetz benötigt haben;
3. Fremde bis längstens sechs Monate nach Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft, oder der Staatsangehörigkeit der Schweiz oder eines EWR-Staates;
4. Kinder im Fall des § 23 Abs. 4 binnen sechs Monaten nach der Geburt;
5. Fremde, die an sich zur visumfreien Einreise berechtigt sind, während ihres erlaubten visumfreien Aufenthalts;
6. Fremde, die eine Aufenthaltsbewilligung als Forscher (§ 67) beantragen, und deren Familienangehörige jeweils nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts;
7. Drittstaatsangehörige, die einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 Abs. 1 beantragen, während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet mit einem Visum gemäß § 24a FPG;
8. Drittstaatsangehörige, die einen Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte" gemäß § 41 beantragen, während ihres rechtmäßigen Aufenthaltes im Bundesgebiet mit einer Bestätigung gemäß § 64 Abs. 4;
9. Drittstaatsangehörige, die gemäß § 1 Abs. 2 lit. i oder j AuslBG oder § 1 Z 5, 7 oder 9 AuslBVO vom Anwendungsbereich des AuslBG ausgenommen sind oder die unter § 1 Z 4 Personengruppenverordnung 2014 - PersGV 2014, BGBl. II Nr. 340/2013, fallen und die eine Aufenthaltsbewilligung "Sonderfälle unselbständiger Erwerbstätigkeit" oder eine Aufenthaltsbewilligung "Studierender" beantragen, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts und
10. Drittstaatsangehörige, die über ein österreichisches Reife-, Reifeprüfungs- oder Diplomprüfungszeugnis einer in- oder ausländischen Schule verfügen, nach rechtmäßiger Einreise und während ihres rechtmäßigen Aufenthalts.
(3) Abweichend von Abs. 1 kann die Behörde auf begründeten Antrag die Antragstellung im Inland zulassen, wenn kein Erteilungshindernis gemäß § 11 Abs. 1 Z 1, 2 oder 4 vorliegt und die Ausreise des Fremden aus dem Bundesgebiet zum Zweck der Antragstellung nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar ist:
1. im Fall eines unbegleiteten Minderjährigen (§ 2 Abs. 1 Z 17) zur Wahrung des Kindeswohls oder
2. zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK (§ 11 Abs. 3).
Die Stellung eines solchen Antrages ist nur bis zur Erlassung des Bescheides zulässig. Über diesen Umstand ist der Fremde zu belehren.
(4) Beabsichtigt die Behörde den Antrag nach Abs. 3 zurück- oder abzuweisen, so hat die Behörde darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.
(5) Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Staatsangehörige bestimmter Staaten durch Verordnung zur Inlandsantragsstellung zuzulassen, soweit Gegenseitigkeit gegeben ist oder dies im öffentlichen Interesse liegt.
(6) Eine Inlandsantragstellung nach Abs. 2 Z 1, Z 4 bis 10, Abs. 3 und 5 schafft kein über den erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalt hinausgehendes Bleiberecht. Ebenso steht sie der Erlassung und Durchführung von Maßnahmen nach dem FPG nicht entgegen und kann daher in Verfahren nach dem FPG keine aufschiebende Wirkung entfalten.
Die bP hat zwar während der Gültigkeit des zweiten Visum D den Antrag gem. NAG im Inland gestellt, jedoch hat die bP keine Umstände dargelegt, wonach sie ein über den Zeitpunkt des erlaubten visumpflichten Aufenthalts hinausgehendes Bleiberecht erlangt haben könnte.
Somit war die bP nach Ablauf des zweiten Visums nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig.
Gemäß § 58 Abs. 1 Z. 5 Asylgesetz hat das Bundesamt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG von amtswegen zu prüfen, wenn ein Fremder sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG fällt.
Gegenständlich hielt sich die bP nicht rechtmäßig im Bundesgebiet auf und fällt auch nicht in den Anwendungsbereich einer Zurückweisung, Transitsicherung, Zurückschiebung und Durchbeförderung (6. Hauptstück des FPG), was zur Prüfung des § 57 AsylG führt:
"Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz"
(1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zu erteilen:
1. wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen im Bundesgebiet gemäß § 46a Abs. 1 Z 1 oder Z 3 FPG seit mindestens einem Jahr geduldet ist und die Voraussetzungen dafür weiterhin vorliegen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige stellt eine Gefahr für die Allgemeinheit oder Sicherheit der Republik Österreich dar oder wurde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB entspricht,
2. zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen, insbesondere an Zeugen oder Opfer von Menschenhandel oder grenzüberschreitendem Prostitutionshandel oder
3. wenn der Drittstaatsangehörige, der im Bundesgebiet nicht rechtmäßig aufhältig oder nicht niedergelassen ist, Opfer von Gewalt wurde, eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO, RGBl. Nr. 79/1896, erlassen wurde oder erlassen hätte werden können und der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass die Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
(2) Hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen nach Abs. 1 Z 2 und 3 hat das Bundesamt vor der Erteilung der "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" eine begründete Stellungnahme der zuständigen Landespolizeidirektion einzuholen. Bis zum Einlangen dieser Stellungnahme bei der Behörde ist der Ablauf der Fristen gemäß Abs. 3 und § 73 AVG gehemmt.
(3) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 2 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein Strafverfahren nicht begonnen wurde oder zivilrechtliche Ansprüche nicht geltend gemacht wurden. Die Behörde hat binnen sechs Wochen über den Antrag zu entscheiden.
(4) Ein Antrag gemäß Abs. 1 Z 3 ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn eine einstweilige Verfügung nach §§ 382b oder 382e EO nicht vorliegt oder nicht erlassen hätte werden können.
Das Bundesamt hat das Vorliegen der Voraussetzungen nachvollziehbar verneint, zumal kein diesbezüglicher Sachverhalt vorgetragen wurde und wurde dem in der Beschwerde auch nicht entgegen getreten.
Da sich die bP nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und nicht in den Anwendungsbereich des sechsten Hauptstückes des FPG gefallen ist, von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG nicht zuzuerkennen war, ist diese Entscheidung gem. § 10 Abs 2 AsylG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem achten Hauptstück des FPG zu verbinden.
Gemäß § 52 FPG iVm § 9 BFA-VG darf eine Rückkehrentscheidung nicht verfügt werden, wenn es dadurch zu einer Verletzung des Privat- und Familienlebens in Österreich käme:
(1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.
(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:
1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,
2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,
3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,
4. der Grad der Integration,
5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,
6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,
7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,
8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,
9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.
(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.
(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)
(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.
(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.
Art. 8 EMRK, Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens
(1) Jedermann hat Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs.
(2) Der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts ist nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist."
Unter Zugrundelegung der Feststellungen zu den privaten und familiären Anknüpfungspunkten, ihren Bindungen im Herkunftsstaat und ihrem Verhalten im Bundesgebiet, ging das Bundesamt vom Vorliegen solcher Anknüpfungspunkte in Österreich aus und nahm gem. Art 8 Abs 2 EMRK eine Abwägung mit öffentlichen Interessen, insbesondere der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung, vor.
Resümierend gelangte das Bundesamt zum Ergebnis, dass die öffentlichen Interessen, insbesondere das hohe Interesse des Staates an einer geordneten Zuwanderung von Fremden, die privaten bzw. familiären Anknüpfungspunkte in Österreich überwiegen würden. Es seien keine besonderen integrativen Erfolge hervorgekommen und habe die bP zudem über eine Beschäftigung hinweggetäuscht, um sich den Aufenthalt im Bundesgebiet zu erschleichen.
Dem kann seitens des BVwG nicht entgegen getreten werden und schließt sich das Gericht dieser Begründung im Wesentlichen an.
Da sich die bP zum Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG bereits wieder in der Türkei befindet, war gem. § 21 Abs 5 BFA-VG festzustellen, dass die aufenthaltsbeendende Maßnahme zum Zeitpunkt der Erlassung der angefochtenen Entscheidung rechtmäßig war.
Zu Spruchpunkt II.
Gemäß § 52 Abs. 9 FPG hat das Bundesamt mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.
§ 50 FPG Verbot der Abschiebung
(1) Die Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn dadurch Art. 2 oder 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), BGBl. Nr. 210/1958, oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Abschaffung der Todesstrafe verletzt würde oder für sie als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre.
(2) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974), es sei denn, es bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005).
(3) Die Abschiebung in einen Staat ist unzulässig, solange der Abschiebung die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte entgegensteht.
Die Zulässigkeit der Abschiebung der bP in den Herkunftsstaat Türkei ist gem. § 46 FPG gegeben, da kein Vorbringen erstattet wurde und auch amtswegig nicht festgestellt werden konnte, dass Gründe vorliegen, aus denen sich eine Unzulässigkeit der Abschiebung im Sinne des § 50 FPG ergeben würden.
Zu Spruchpunkt III.
Gemäß § 55 Abs. 1 FPG wird mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
§ 55 FPG Frist für die freiwillige Ausreise
(1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.
(1a) Eine Frist für die freiwillige Ausreise besteht nicht für die Fälle einer zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 AVG sowie wenn eine Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG durchführbar wird.
(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.
(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.
(4) Das Bundesamt hat von der Festlegung einer Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde.
(5) Die Einräumung einer Frist gemäß Abs. 1 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu widerrufen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder Fluchtgefahr besteht.
Das Bundesamt hat die Frist für die freiwillige Ausreise gegenständlich iSd § 55 Abs 2 FPG mit 14 Tagen ab Rechtskraft des Bescheides festgelegt. In der Beschwerde wurde dem nicht konkret entgegengetreten. Insbesondere wurden keine besonderen Umstände dargelegt, wonach eine längere Frist erforderlich gewesen wäre.
Absehen von einer mündlichen Beschwerdeverhandlung
Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt wurde vom Bundesamt vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben und ist bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch als aktuell und vollständig zu erachten. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keine hinreichenden Anhaltspunkte die einer nochmaligen Anhörung der bP und Ergänzung des Verfahrens bedurft hätte. Die Beschwerde wendet sich im Wesentlichen gegen die rechtliche Beurteilung und bedurfte es diesbezüglich keiner Erörterung.
In der Beschwerde wurde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt konkret und substantiiert behauptet.
In eindeutigen Fällen wie diesem, bei denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten für die Abwägung nach Art 8 EMRK auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das VwG von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann auch eine beantragte Verhandlung unterbleiben (VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052)
Es konnte daher davon ausgegangen werden, dass der Sachverhalt als hinreichend geklärt erachtet werden und eine Verhandlung entfallen konnte.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Abschiebung, aufenthaltsbeendende Maßnahme, AufenthaltsberechtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:L504.2165746.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.03.2019