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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Bayjones und Dr. Enzenhofer als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des ME, (geboren am 24. April 1963), in Traun, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz und Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwälte in 4010 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. März 1999, Zl. St-162-3/98, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 10. März 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm den § 37 bis 39 des Fremdengesetzes 1979 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 26. Oktober 1991 unter Umgehung der Grenzkontrolle von Ungarn her kommend zu Fuß über die grüne Grenze in das Bundesgebiet gelangt. Sein am 31. Oktober 1991 gestellter Asylantrag sei im Instanzenzug mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1993, rechtswirksam erlassen am 29. Juli 1993, abgewiesen worden. In der Folge seien ihm Aufenthaltserlaubnisse nach dem Aufenthaltsgesetz erteilt worden, wovon die letzte am 18. Februar 1996 abgelaufen sei. Zur Nichtstattgebung des eingebrachten Verlängerungsantrages und zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes habe geführt, dass er mit seit 11. September 1997 rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Linz vom 7. Mai 1996 des versuchten Verbrechens nach § 12 Abs. 1 vierter Fall SGG, § 12 zweiter Fall und § 15 Abs. 1 StGB für schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten, davon drei Monaten unbedingt, verurteilt worden sei, weil am 25. August 1995 in Wien zwei andere Personen 150 Gramm Kokain und 16 Gramm Heroin an einen verdeckten Ermittler des BMI zu verkaufen versucht hätten und der Beschwerdeführer dieses Suchtgiftgeschäft vermittelt habe. Er sei auch für schuldig erkannt worden, sich mit jenen Personen am 25. August 1995 in Wien zur gemeinsamen Ausführung einer in § 12 SGG bezeichneten strafbaren Handlung, nämlich des In-Verkehr-setzens von 24 Gramm Heroin, verabredet zu haben. Der Beschwerdeführer sei seit 8. März 1997 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet und lebe mit dieser in Familiengemeinschaft. Aus der Ehe sei ein am 29. Jänner 1999 geborenes Kind hervorgegangen.
Nach Wiedergabe der maßgeblichen Bestimmungen des Fremdengesetzes führte die belangte Behörde weiters aus, dass aufgrund der genannten Verurteilung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 zweiter Fall FrG gegeben sei. Der Beschwerdeführer habe eingewendet, dass die zu seiner Verurteilung führenden Vorfälle bereits auf das Jahr 1995 zurückgegangen wären und er sich seither wohlverhalten hätte. Die gegen ihn verhängte relativ geringe Strafe wäre im (strafgerichtlichen) Berufungsverfahren noch herabgesetzt worden. Er hätte tatsächlich kein Suchtgift in Verkehr gebracht und deshalb keine Gemeingefahr realisiert, sodass eine negative Zukunftsprognose nicht getroffen werden könnte. Nach den zu seiner Verurteilung führenden Vorfällen hätte er in Österreich geheiratet und dadurch hier sozial gefestigt Fuß gefasst. Auch würde er einer sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine Aufenthaltsbeendigung erschiene jedenfalls nicht dringend geboten, und es müsste trotz der von ihm im Jahr 1995 gesetzten Taten von seiner mittlerweile erfolgten sozialen Integriertheit ausgegangen werden. Auch wenn die Voraussetzungen des § 35 FrG noch nicht greifen könnten, zeigte sich doch, dass langjährig in Österreich aufhältigen Personen Sicherheit eingeräumt werden sollte.
Zu diesem Vorbringen führte die belangte Behörde aus, dass diesem, vom öffentlichen Interesse her gesehen, die Art des vom Beschwerdeführer gesetzten Deliktes, nämlich das Verbrechen nach dem Suchtgiftgesetz, und das Ausmaß der über ihn verhängten Strafe entgegenstünden, was wiederum einen Rückschluss auf die Schwere der ihm anzulastenden Tat zulasse. Nach den Urteilsfeststellungen des Landesgerichtes Linz sei der Beschwerdeführer derjenige gewesen, der den Kontakt zu einem verdeckten Ermittler gehabt habe, mit dem er ein Suchtgiftgeschäft über 150 Gramm Kokain und 50 Gramm Heroin habe abwickeln wollen. In weiterer Folge hätte er, unter Anstiftung anderer, das Suchtgift beschafft. Im Urteil werde er als typischer Anstifter bezeichnet, der sich selbst heraushalte, aber im Hintergrund die Fäden ziehe. Bei dieser Sachlage sei nicht nur die Annahme gerechtfertigt, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde, sondern es sei auch die Ausübung des bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes eingeräumten Ermessens zu seinem Nachteil gerechtfertigt.
Durch das Aufenthaltsverbot werde zweifellos in sehr beträchtlichem Ausmaß in sein Privat- und Familienleben eingegriffen. Dennoch erweise sich dieser Eingriff sowohl im Hinblick auf die Art des von ihm begangenen Deliktes als auch aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen, nämlich zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit, notwendig und demnach iS des § 37 Abs. 1 FrG zulässig, zumal bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr sehr groß sei. Was das Ausmaß seiner Integration betreffe, so werde die für die Integration wesentliche soziale Komponente durch die von ihm begangenen Straftaten wesentlich beeinträchtigt. Dazu komme, dass er die Ehe erst nach seiner in erster Instanz erfolgten gerichtlichen Verurteilung eingegangen sei, sodass seine familiären Interessen, trotz der inzwischen erfolgten Geburt des Kindes, doch nicht mit großem Gewicht veranschlagt werden könnten. Letztlich sei zu bedenken, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes angesichts der mit der Suchtgiftkriminalität verbundenen erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auch bei ansonsten völliger sozialer Integration des Fremden nicht als rechtswidrig zu erkennen sei. Die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wögen schwerer als dessen Auswirkungen auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und die seiner Familie, sodass das Aufenthaltsverbot auch als zulässig iS des § 37 Abs. 2 FrG anzusehen sei.
Da nicht abgesehen werden könne, wann die Umstände, die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes geführt hätten, nämlich die Gefährdung der öffentlichen Sicherheit durch seinen Aufenthalt im Bundesgebiet, weggefallen sein würden, sei das Aufenthaltsverbot unbefristet zu erlassen gewesen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die unbestrittene rechtskräftige Verurteilung des Beschwerdeführers bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
2.1. Die Beschwerde macht indes geltend, dass die dieser Verurteilung zugrunde liegenden Vorfälle bereits im Jahr 1995 stattgefunden hätten, der Beschwerdeführer sich seither wohlverhalten habe, er mit der Suchtgiftszene nicht mehr in Kontakt stehe und die über ihn verhängte Strafe in Anbetracht der Strafdrohung des § 12 Abs. 1 SGG relativ gering sei. Das Oberlandesgericht Linz habe in seiner Berufungsentscheidung vom 11. September 1997 ausgeführt, dass er tatsächlich kein Suchtgift in Verkehr gebracht und deshalb keine Gemeingefahr realisiert hätte. Die Lebenssituation des Beschwerdeführers habe sich auch dadurch geändert, dass er nach seiner Verurteilung eine Österreicherin geheiratet und mit dieser eine am 29. Jänner 1999 geborene Tochter habe, was seine Integration in Österreich bewiesen habe. Es könne daher für ihn keine negative Zukunftsprognose erstellt werden. Abgesehen davon hätte die belangte Behörde vor ihrer Beurteilung zumindest ein psychologisches Gutachten zur Frage einholen können, ob er weiterhin gefährdet sei, ein Suchtgiftdelikt zu begehen, und sich im Rahmen einer Verhandlung einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen gehabt.
2.2. Dieses mit Blick auf § 36 Abs. 1 FrG wie auch auf § 37 leg.cit. erstattete Vorbringen ist nicht zielführend.
In Anbetracht der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und des großen öffentlichen Interesses an deren Bekämpfung, das sowohl unter dem Gesichtspunkt der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG) als auch anderer in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannter öffentlicher Interessen - insbesondere des Schutzes der Gesundheit (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG) - gegeben ist, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass im vorliegenden Fall die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken (vgl. aus der ständigen hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 99/18/0022, mwN). Ob das Oberlandesgericht Linz, wie die Beschwerde behauptet, in seinen Erwägungen zur Strafbemessung davon ausgegangen sei, dass vom Beschwerdeführer tatsächlich keine Gemeingefahr ausgegangen wäre, ist hier nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung: Entgegen der Beschwerde hatte die Behörde nämlich ihre Beurteilung eigenständig aus dem Blickwinkel des FrG - unabhängig von den in der Beschwerde angesprochenen gerichtlichen Strafzumessungsgründen - vorzunehmen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1998, Zl. 98/18/0279). Im übrigen bestreitet die Beschwerde nicht die Ausführungen im angefochtenen Bescheid, dass der Beschwerdeführer unter Anstiftung anderer das Suchtgift beschafft habe, was seine maßgebliche Rolle bei der Verübung des genannten Verbrechens darlegt. Selbst wenn sich der Beschwerdeführer tatsächlich seit Begehung dieser Straftat im Jahr 1995 wohlverhalten haben sollte, kann dies nicht entscheidend zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen, lag doch dieses Fehlverhalten bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht so lange zurück, dass aufgrund des seither verstrichenen Zeitraumes eine zuverlässige Prognose über ein künftiges Wohlverhalten des Beschwerdeführers hätte abgegeben werden können. Die Einholung eines psychologischen Gutachtens war schon deshalb nicht erforderlich, weil weder dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde zu entnehmen ist, dass die Begehung der Straftat auf eine psychische Erkrankung oder seelische Störung des Beschwerdeführers zurückzuführen sei. Auch bestand keine Verpflichtung für die belangten Behörde, unter Beiziehung des Beschwerdeführers eine Verhandlung durchzuführen und sich dadurch einen persönlichen Eindruck von ihm zu verschaffen (vgl. § 55 Abs. 1 AVG), zumal aus einer unmittelbaren Vernehmung des Beschwerdeführers durch die belangte Behörde keine zuverlässigen Schlussfolgerungen auf dessen zukünftiges Verhalten hätten gezogen werden können. Ebenso bietet der Umstand, dass er seit 8. März 1997 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet ist und mit ihr eine Familie gegründet hat, keine Gewähr dafür, dass dadurch die Begehung weiterer Straftaten durch den Beschwerdeführer ausgeschlossen erscheine.
3. Auch dem weiteren Beschwerdevorbringen, dass die belangte Behörde die Interessenabwägung im Grunde des § 37 FrG unrichtig getroffen habe, kann nicht beigepflichtet werden.
Die belangte Behörde hat im Hinblick auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer verheiratet ist und mit seiner Frau ein gemeinsames Kind hat, zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff in sein Privat- und Familienleben iS des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Wenn die belangte Behörde - unter gebührender Beachtung dieser persönlichen Interessen - die maßgeblichen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen an der Verhinderung von strafbaren Handlungen und am Schutz der Gesundheit für so gewichtig erachtet hat, dass die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten sei, so kann dieser den genannten öffentlichen Interessen den Vorrang einräumenden Wertung angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität nicht mit Erfolg entgegengetreten werden.
Im Hinblick auf dieses äußerst große öffentliche Interesse an der Erlassung des Aufenthaltsverbotes konnte die Interessenabwägung im Grunde des § 37 Abs. 2 FrG nicht zugunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Die aus seinem Familienleben und seiner behaupteten Erwerbstätigkeit in Österreich ableitbare Integration hat in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch das von ihm begangene Suchtgiftdelikt eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Von daher gesehen hat die belangte Behörde der durch das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes im Ergebnis zutreffend ein größeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine und seiner Familie Lebenssituation. Dem Beschwerdeeinwand, dass der Beschwerdeführer aufgrund der Verhängung des Aufenthaltsverbotes seiner Unterhalts- und Obsorgeverpflichtung gegenüber seiner Familie nicht nachkommen könne, ist zu erwidern, dass dies im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden muss. Abgesehen davon kann von ihm ein eingeschränkter Kontakt zu seinen Familienangehörigen dadurch aufrechterhalten werden, dass er von ihnen im Ausland besucht wird, und ist er nicht gehindert, allfällige Beiträge zum Unterhalt seiner Familie in Geld auch vom Ausland aus zu erbringen.
4. Entgegen der Beschwerdeansicht bestand auch keine Veranlassung für die belangte Behörde, von ihrem Ermessen im Grunde des § 36 Abs. 1 FrG zugunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus dem angefochtenen Bescheid noch der Beschwerde besondere Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.
6. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Wien, am 7. Mai 1999
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999180130.X00Im RIS seit
11.07.2001