TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/8 L526 2135454-1

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Veröffentlicht am 08.01.2019
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Entscheidungsdatum

08.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §34
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §27
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L526 2134097-1/24E

L526 2135454-1/31E

L526 2198136-1/18E

L526 2198138-1/18E

L526 2198140-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, StA. Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2016, XXXXnach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2018 und am 18.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXXtA. Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.08.2016, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2018 und am 18.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

III. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., als Einzelrichterin über die Beschwerde des mj. XXXX StA. Irak, vertreten durch die Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.05.2018, Zl. XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2018 und am 18.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

IV. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., als Einzelrichterin über die Beschwerde des mj. XXXX StA. Irak, vertreten durch die Mutter XXXX als gesetzliche Vertreterin, diese vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.05.2018, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2018 und am 18.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

V. Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M., als Einzelrichterin über die Beschwerde derXXXX StA. Irak, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH als Mitglied der ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.05.2018, XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 20.08.2018 und am 18.10.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1.1. Der erstangeführte Beschwerdeführer (nachfolgend kurz "BF" oder auch "BF1"), ein irakischer Staatsbürger, stellte am 30.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Hierzu wurde er am 13.10.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Im Wesentlichen führte BF dabei aus, dass er in seiner Heimat von schiitischen Milizen bedroht werde; nach einer Drohung habe es einen Bombenanschlag vor seinem Haus gegeben. Er sei nur leicht von den Splittern verletzt worden und sei davongekommen. Er sei einige Tage im Spital gewesen, danach habe er bei mehreren Bekannten geschlafen. Die Milizen hätten des Weiteren gedroht, dass sie seine Tochter vergewaltigen, deshalb habe er seine Tochter mitgenommen.

1.2. Am 19.07.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, der nunmehr belangten Behörde (im Weiteren kurz: "BFA" oder "bB") niederschriftlich einvernommen.

BF1 brachte dabei im Wesentlichen vor, dass er einen Drohbrief, datiert mit 29.04.2015 erhalten habe, wonach er von einer Miliz aufgefordert worden sei, mit seiner Familie irakisches Gebiet zu verlassen. Er habe daher den Irak verlassen und seine Tochter mitgenommen; diese sei in dem Drohbrief erwähnt worden. Die Ehefrau sei mit den beiden jüngeren Söhnen im Irak verblieben, für die ganze Familie hätte er zu wenig Geld gehabt. Er sei beim irakischen Militär und dort Fahrer von militärischen Fahrzeugen gewesen. Anfang 2015 sei die radikale schiitische Miliz gemeinsam mit den irakischen Streitkräften (von denen er ein Teil gewesen sei) in die Stadt Falludscha einmarschiert, um dort gegen die Terrormiliz IS zu kämpfen. Es habe viele Streitereien mit den Milizen gegeben, die Schiiten hätten zudem mehr Rechte gehabt. BF1 habe sich daher gegen schiitische Befehle gestellt. Diese hätten auch herausgefunden, dass er Sunnit sei, er dem sunnitischen Stamm ALJEEL angehöre und er in XXXX wohne. Da er die Befehle der Schiiten nicht befolgt habe, sei ihm mittels Brief gedroht worden. Er und seine Familie seien in diesem Brief mit dem Tod bedroht worden, falls sie den schiitischen Befehlen nicht Folge leisten würden.

In dieser Zeit sei die Stadt Ramadi vom IS eingenommen worden. Danach seien die irakischen Streitkräfte aus dem sunnitischen Gebiet abgezogen, die ranghöchsten Streitkräfte desertierten, sie hätten keine Führung mehr gehabt, die Streitkräfte hätten eine schlimme Niederlage erlitten; auch der BF sei desertiert.

Am 15.05.2015 habe er Besuch von der Miliz ASAIB AHL AL-HAQ bekommen, er sei geschlagen worden und sie hätten das Haus durchsucht. Sie hätten auch mit dem Tod der Tochter gedroht, wenn er dem Brief nicht Folge leiste. Anschließend hätten sie am Haus einen Sprengsatz angebracht, der detoniert sei, als er am nächsten Tag aus dem Haus gegangen sei. Er sei darauf ins Spital und nicht mehr ins Haus zurückgekehrt. Bis zur Ausreise im September 2015 sei er bei Familienangehörigen seiner Frau gewesen.

Wegen der Desertion drohe ihm eine 3 - 5-jährige Haftstrafe.

In Österreich wolle er sich in die Gesellschaft integrieren, er habe auch schon viele österreichische Freunde. Die Tochter lerne grade intensiv die deutsche Sprache.

2.1. Die an zweiter Stelle angeführte Beschwerdeführerin (nachfolgend kurz "BF" oder auch "BF2" - sie ist die Tochter von BF1), eine irakische Staatsbürgerin, war gemeinsam mit dem Vater ausgereist und stellte am 30.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Hierzu wurde sie am 13.10.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt.

Im Wesentlichen führte die BF dabei aus, dass ihr Vater mit dem Tod bedroht worden sei und er zudem auch um ihr Leben fürchte.

2.2. Am 19.07.2016 wurde die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Sie gab dabei an, dass sie am 19.09.2015 mit ihrem Vater mit dem Auto den Irak in Richtung Türkei verlassen habe; sie seien am 28.09.2015 in Österreich eingereist.

Am 29.04.2015 sei ein Brief vor der Tür gelegen. Sie habe den Brief geöffnet und ihn dem Vater gegeben. Am 15.05.2015 seien Leute zu ihnen gekommen und hätten ihren Vater geschlagen. Diese hätten eine Bombe neben der Tür platziert und explodieren lassen. Der Vater sei leicht verletzt worden und sei zwei Tage im Spital gewesen. Wegen diesem Vorfall hätten sie immer wieder ihren Wohnsitz geändert. Die letzten 10 Tage, bevor sie das Land verlassen hätten, seien sie wieder in ihrem Haus gewesen.

Es seien 4 Männer bei ihnen im Haus gewesen, sie hätten den Vater in eine Ecke gedrängt, geschlagen und bedroht. Sie hätten auch gedroht, dass sie schlimme Dinge mit ihr machen. Der Vater sei bedroht worden, weil er beim Militär war und er hätte aufhören sollen und aussteigen sollen, sie wisse aber nicht, was die Männer damit gemeint hätten. Am nächsten Tag hätten sie eine Bombe bei ihrer Tür gezündet. Der Vater sei dabei verletzt worden, er habe durch die Explosion nur Verbrennungen erlitten; er sei zwei Tage im Spital gewesen.

3. Die Anträge der BF1 und BF2 auf internationalen Schutz wurden jeweils mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.08.2016, XXXX (BF1) bzw. Zl.: XXXX (BF2), gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde den Beschwerdeführern der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung (bis 01.08.2017) erteilt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, die nunmehr belangte Behörde (in weiterer Folge auch "BFA" oder "bB" genannt) begründete seine abweisende Entscheidung im Wesentlichen damit, dass den Angaben der BF mangels Glaubwürdigkeit nicht zu folgen gewesen sei.

Des Weiteren traf das BFA umfassende herkunftsstaatsbezogene Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak.

4. Mit Verfahrensanordnungen des BFA vom 01.08.2016 wurden gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG den BF jeweils amtswegig Rechtsberater zur Seite gestellt.

5. Mit Bescheiden vom 08.08.2016 wurden die Namen der BF gemäß § 62 Abs. 4

AVG berichtigt: BF 1 - auf "XXXX", BF 2 auf "XXXX".

6. Der Bescheid wurde den Beschwerdeführern am 08.08.2016 ordnungsgemäß zugestellt, wogegen fristgerecht Beschwerde erhoben wurde. Gerügt wurden mangelhaftes Ermittlungsverfahren und mangelhafte Länderfeststellungen. Der BF habe angegeben, dass es Anfang 2015 beim gemeinsamen Kampf schiitischer Milizen und irakischer Streitkräfte gegen den IS in der Stadt Falludscha zu Reibungen zwischen Schiiten und Sunniten gekommen sei. Der BF habe sich geweigert, schiitische Befehle auszuführen. Daher hätten Angehörige der Miliz Asaib Ahl al-Haq den BF ausgeforscht und persönlich bedroht. Auch die BF2 sei bedroht worden.

Die bB hätte feststellen müssen, dass BF1 aufgrund der Zugehörigkeit zum Stamm XXXX asylrelevante Verfolgung durch schiitische Milizen drohe. Die Zugehörigkeit verrate schon sein Name. Die belangte Behörde habe nicht zur Situation von Angehörigen des Clans ermittelt, ebenso nicht zu dem Massaker in Tikrit, das BF1 erwähnt habe, bei welchem schiitische Armeerekruten durch IS Kämpfer getötet worden seien. Sunniten aus Tikrit seien daraufhin der Komplizenschaft mit dem islamischen Staat beschuldigt worden.

Die BF hätten dem BFA ihr Vorbringen detailliert und lebensnah geschildert. Die dem BF1 im Irak drohende Verfolgung betreffe die gesamte Kernfamilie. Der Drohbrief und der Angriff auf das Haus durch schiitische Milizen im Mai 2015 richte sich gegen die gesamte Familie. Bei den vom BFA angeführten Widersprüchen handle es sich um Kleinigkeiten, die den Kern des Fluchtvorbringens nicht berühren würden und somit zur Begründung der Unglaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens nicht herangezogen werden könnten.

7. BF5 - Ehefrau von BF1 und Mutter von BF2 - sowie ihre beiden minderjährigen Söhne (BF3 und BF4) wurden am 24.01.2018 im Zuge eines Dublin-Verfahrens aus Griechenland übernommen und stellte BF5 für sich und ihre beiden Söhne am 25.01.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz. Im Zuge der Erstbefragung an diesem Tag gab sie an, dass ihr Mann und ihre Tochter von der Miliz bedroht worden und daher nach Österreich geflüchtet seien. Ihr Mann sei beim Militär gewesen, dieser sei Sunnit, sie selbst Schiitin. Warum ihr Mann bedroht worden sei, wisse sie nicht.

In der Einvernahme beim BFA am 08.05.2018 verneinte BF5 Probleme wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit oder wegen ihrer Religionszugehörigkeit, ebenso wurde Kontakt zu extremistischen Gruppierungen verneint. Probleme nach der Ausreise des Ehegatten habe es nicht gegeben. Sie selbst und auch ihre Kinder hätten keine eigenen Fluchtgründe, sie beziehe sich nur auf die Fluchtgründe des Ehemannes.

8. Die Anträge der BF5 sowie der minderjährigen Söhne (BF3 und BF4) auf internationalen Schutz wurden jeweils mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 22.05.2018, Zl.: XXXX (BF5) bzw. Zl.: XXXX (BF3) und XXXXBF4) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde den Beschwerdeführern der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihnen eine befristete Aufenthaltsberechtigung (bis 01.08.2019) erteilt.

9. Mit Stellungnahme vom 01.08.2018 führten die BF aus, dass es sich bei ihnen um eine Familie mit zwei minderjährigen Kindern handle und somit um eine besonders vulnerable und schutzbedürftige Personengruppe. In der Folge wurden Auszüge aus Länderberichten über die Versorgunglage zitiert - zuletzt habe es Proteste der Bevölkerung im Süden des Irak wegen der sich verschlechternden Versorgungslage gegeben; auch die Arbeitslosenquote sei höher als anderswo.

Im Hinblick auf die Situation von westlich orientierten Frauen wurde ausgeführt, dass es im IS-Gebiet einen strengen Dress-Code gebe. Über die Jahre 2006 - 2007 sei bekannt, dass Milizen in Basra und Diyala hunderte Frauen töteten, weil sie den Dress-Code nicht eingehalten hatten. Es gebe Befürchtungen, dass ein solches Ausmaß erneut drohe.

10. Am XXXX2018 und am XXXX2018 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache der Beschwerdeführer eine öffentliche mündliche Verhandlung durch. Anlässlich der Verhandlung wurde den BF die Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation umfassend darzulegen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung am 20.8.2018 wurden den BF nachfolgende Länderfeststellungen genannt und übergeben, deren Inhalt erörtert und als Beilage A zur Verhandlungsschrift genommen:

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Aktuelle länderkundliche Informationen zur Lage im Irak vom 4.6.2018 auf der Basis des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation vom 30.6.2017, übermittelt am 19.07.2018

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Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zum Irak: Fernbleiben, Desertion, Kündigung von Polizei und Armee

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Eine "Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED)" betreffend den Irak im ersten Quartal 2018

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Ein Artikel aus Iraq News, Politics, Economics, Society vom 10. November 2015 betreffend "Albu Ajeel Points to Tribal Disputes in Post-IS Iraq"

Den BF wurde eine schriftliche Stellungnahme zu den übergebenen länderkundlichen Informationen binnen zwei Wochen freigestellt.

11. Mit Stellungnahme vom 13.09.2018 führten die BF aus, dass die am XXXX2018 überreichten Länderberichte zur Kenntnis genommen und akzeptiert würden. Beiliegend wurde auf Berichte über die Lage von Angehörigen des Stammes der Muschahada und des Stammes Albu Nasir sowie Informationen zum Stamm Albu Adschil verwiesen. Darin wird erwähnt, dass sich beispielswese Mitglieder des Stammes Albu Adschil in der Provinz Salahaddin gleich dem IS angeschlossen hätten, als dieser im Juni 2014 den zentralen Norden eingenommen habe. Der Artikel fahre jedoch fort, dass der Albu-Adschil-Stamm nach Befreiung der Region nahe Tikrit vom IS einen Waffenstillstand mit der schiitischen Badr-Brigade geschlossen habe und sich daraufhin dem Anschein nach neutral verhalten habe. HRW berichte im September 2015, dass die irakische Regierung im März und April den IS aus der Stadt Tikrit und der umliegenden Region der Provinz Salahaddin verdrängt habe. An der gegen den IS gerichteten Operation seien auch von der Regierung gestützte Milizen beteiligt gewesen. Nach den Kampfhandlungen hätten Milizen hunderte Häuser von Zivilisten sowie öffentliche Gebäude in Tikrit und den umliegenden Orten Al-Dur, Albu Adschil und al-Alam geplündert, in Brand gesetzt oder gesprengt. Zudem hätten sie unrechtmäßig ca. 200 Männer und Burschen festgehalten, von denen mindestens 160 immer noch vermisst werden und wahrscheinlich verschleppt worden seien. Gemäß Musings on Iraq

v. November 2015 werde der Albu-Adschil-Stamm beschuldigt, mit den Aufständischen kollaboriert und am Camp-Speicher-Massaker beteiligt gewesen zu sein. Nachdem der Ort Albu Adschil im März 2015 vom IS befreit worden sei, hätten schiitische Milizen der Volksmobilisierungskräfte (al-Hadsch al-Schaabi) und örtliche sunnitische Stammeskämpfer den Ort zerstört. Danach sei es Bewohnern verboten worden, in den Ort zurückzukehren. Dies habe sich seit Kurzem infolge einer politischen Vereinbarung geändert, jedoch verdeutliche die Lage dort die tiefen Spaltungen, die im Irak verbleiben würden, auch wenn der IS am Ende besiegt werde. Im September 2015 sei eine Versöhnungskonferenz abgehalten worden, infolge derer eine Vereinbarung Familien ermöglich habe, in ihre Wohnhäuser in Abu Adschil zurückzukehren. Jedoch seien 300 Personen, die verdächtigt worden seien, mit dem IS zu sympathisieren, von dieser Abmachung ausgenommen worden.

12. Am XXXX2018 setzte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache der Beschwerdeführer die öffentliche mündliche Verhandlung fort. Anlässlich der Verhandlung wurde den BF2 und BF5 die Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation umfassend darzulegen.

Im Zuge der mündlichen Verhandlung wurden den BF nachfolgende Länderfeststellungen genannt und übergeben:

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Eine "Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED)" betreffend den Irak, 2. Quartal 2018

Die Vertreterin der BF nahm dazu direkt Stellung und führte aus, dass dieser letztangeführte Bericht nicht auf das individuelle Vorbringen der BF eingehe und Zahlen zu Todesopfern mit äußerster Vorsicht zu verwenden seien; die dargestellten Karten dienten dazu, die Anzahl der berichteten Todesopfer (welchen Schätzungen beinhalten könne) mit der Anzahl von Vorfällen mit mindestens einem berichteten Todesopfer zu vergleichen. Zudem werde auf die bisher eingebrachten Stellungnahmen verwiesen.

13. Mit Schreiben vom 17.12.2018 wurde den BF die aktuelle Version des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation zum Irak vom 20.11.2018, ein Bericht des Österreichischen Roten Kreuzes über das Schulsystem im Irak aus Mai 2017 sowie die Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation "Irak - konfessionell gemischte Ehepaare" vom 24.05.2016 und von 28.03.2017 "Irak - konfessionell gemischte Ehepaare" übermittelt und wurden diese eingeladen, bis zum 27.12.2018 dazu Stellung zu nehmen.

14. In der Stellungnahme vom 21.12.2018 wurden Passagen des eingesehenen Länderinformationsblattes zu schiitischen Milizen und zur mangelnden Schutzfähigkeit des irakischen Staates zitiert, die der Meinung der BF zufolge die Geschichte des BF1 bestätigen würden. Dazu käme, dass es sich bei den BF um eine konfessionell gemischte Familie handle, welche im Irak besonderem Druck und Diskriminierung ausgesetzt wäre, wie aus den eingesehenen Anfragebeantwortungen hervorgehe. Ferner wurden Passagen aus dem Länderinformationsblatt zitiert, aus welchen hervorgehe, dass insbesondere westlich orientierte Frauen im Irak von massiver Verfolgung bedroht seien.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Sachverhalt:

1.1. Feststellungen zur Person

Die Identität der BF steht fest. Die BF sind Staatsangehörige des Irak und Angehörige der arabischen Volksgruppe. BF1 stellte sich der sunnitischen Glaubensrichtung zugehörig dar, ebenso BF2, BF5 gehört der schiitischen Glaubensrichtung an.

Die BF stammen aus XXXX, Provinz XXXX. BF1 besuchte von 1982 bis 1993 die Grundschule, war vorerst 10 Jahre Hilfsarbeiter, von 2004 bis 2007 Taxifahrer. Ein Eintritt des BF1 in die Irakische Armee im Jahr 2007 ist wahrscheinlich, unklar sind jedoch die Verwendung und Stationierung sowie die Zeit der Beendigung des Militärdienstes.

BF1 ehelichte im Jahr 1994 BF5. BF2, BF3 und BF4 sind die gemeinsamen Kinder. BF2 besuchte bis zur Ausreise im Herbst 2015 im Irak sechs Jahre die Grundschule, drei Jahre die Mittelschule und ein Jahr eine höhere Schule. BF3 und BF4 verfügen über eine ihrem Alter entsprechende Schulbildung im Irak (Ausreise 2017), BF5 verfügt über 8 Jahre Grundschule.

BF1 und BF2 reisten Mitte September 2015 auf dem Landweg schlepperunterstützt bis nach Österreich und stellten sie am 30.09.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

BF5 reiste mit den minderjährigen Söhnen (BF3 und BF4) im April 2017 aus dem Irak aus; sie wurden im Jänner 2018 im Dublin Verfahren aus Griechenland übernommen und stellten am 24.01.2018 jeweils Anträge auf internationalen Schutz.

Den BF wurde mit Bescheiden vom 01.08.2016 (BF1 und BF2) bzw. vom 22.05.2018 (BF3, BF4 und BF5) subsidiärer Schutz zuerkannt und verfügen sie in Österreich über eine befristete Aufenthaltsberechtigung.

Im Irak sind nach wie vor die Eltern des BF1 aufhältig. Ebenso sind die Eltern und Geschwister von BF5 nach wie vor im Irak wohnhaft. In Österreich haben die Beschwerdeführer keine weiteren Verwandten.

BF1 und BF5 sind nicht erwerbstätig; sie machen derzeit Deutschkurse. BF2 ist in einer Arztordination beschäftigt, sie spricht bereits gut Deutsch.

Hinsichtlich BF4 war zum Zeitpunkt der Verhandlung am 20.08.2018 eine Operation am Trommelfell geplant. Der Zustand der übrigen BF wurde von diesen in der Beschwerdeverhandlung am 20.08.2018 als "gesund" bezeichnet. BF1 nimmt aufgrund einer vom Betreuungszentrum für XXXX bestätigten posttraumatischen Belastungsstörung eine traumaspezifische Kunsttherapie in Anspruch, wobei das Ende der Therapie derzeit nicht absehbar ist.

1.2. Länderfeststellungen

Hinsichtlich der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Irak, legt das erkennende Gericht seiner Entscheidung die aktuelle Version der Länderfeststellungen der Staatendokumentation zum Irak vom 22.11.2018, einen Artikel des Österreichischen Roten Kreuzes zum Schulsystem im Irak aus Mai 2017, die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2016 betreffend "Fernbleiben, Desertion, Kündigung von Polizei und Armee", die Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED)" betreffend den Irak, 2. Quartal 2018, einen Artikel aus Iraq News, Politics und Economics, Society vom 10. November 2015, "Albu Ajeel Points to Tribal Disputes in Post-IS Iraq" sowie Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation "Irak - konfessionell gemischte Ehepaare" vom 24.05.2016 und von 28.03.2017 "Irak - konfessionell gemischte Ehen" zu Grunde.

1.2.1. Auszugsweise werden aus den herangezogenen Länderfeststellungen insbesondere folgende Feststellungen explizit angeführt:

1. Politische Lage

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018). Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.2.2018), der aus 18 Provinzen (muhafazät) besteht (Fanack 27.9.2018). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).

An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuwwab, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat), für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt. Zusammen bilden sie den Präsidialrat (Fanack 27.9.2018).

Teil der Exekutive ist auch der Ministerrat, der sich aus dem Premierminister und anderen Ministern der jeweiligen Bundesregierung zusammensetzt (Fanack 27.9.2018; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (RoI 15.10.2005).

Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (BBC 3.10.2018). Abd al-Mahdi ist seit 2005 der erste Premier, der nicht die Linie der schiitischen Da'wa-Partei vertritt, die seit dem Ende des Krieges eine zentrale Rolle in der Geschichte Landes übernommen hat. Er unterhält gute Beziehungen zu den USA. Der Iran hat sich seiner Ernennung nicht entgegengestellt (Guardian 3.10.2018).

Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik (Fanack

27.9.2018) . Im Gegensatz zum Präsidenten, dessen Rolle weitgehend zeremoniell ist, liegt beim Premierminister damit die eigentliche Exekutivgewalt (Guardian 3.10.2018).

Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 27.9.2018). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 17.10.2018; vgl. IRIS 11.5.2018).

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich (Standard 3.10.2018). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnite, der Premierminister ist ein Schiite und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018).

In weiten Teilen der irakischen Bevölkerung herrscht erhebliche Desillusion gegenüber der politischen Führung (LSE 7.2018; vgl. IRIS 11.5.2018). Politikverdrossenheit ist weit verbreitet (Standard 13.5.2018). Dies hat sich auch in der niedrigen Wahlbeteiligung bei den Parlamentswahlen im Mai 2018 gezeigt (WZ 12.5.2018). Der Konfessionalismus und die sogennante "Muhassasa", das komplizierte Proporzsystem, nach dem bisher Macht und Geld unter den Religionsgruppen, Ethnien und wichtigsten Stämmen im Irak verteilt wurden, gelten als Grund für Bereicherung, überbordende Korruption und einen Staat, der seinen Bürgern kaum Dienstleistungen wie Strom- und Wasserversorgung, ein Gesundheitswesen oder ein Bildungssystem bereitstellt (TA 12.5.2018).

Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten und Schiiten sowie Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.2.2018).

Die Zeit des Wahlkampfs im Frühjahr 2018 war nichtsdestotrotz von einem Moment des verhaltenen Optimismus gekennzeichnet, nach dem Sieg über den sogenannten Islamischen Staat (IS) im Dezember 2017 (ICG 9.5.2018). Am 9.12.2017 hatte Haider al-Abadi, der damalige irakische Premierminister, das Ende des Krieges gegen den IS ausgerufen (BBC 9.12.2017). Irakische Sicherheitskräfte hatten zuvor die letzten IS-Hochburgen in den Provinzen Anbar, Salah al-Din und Ninewa unter ihre Kontrolle gebracht. (UNSC 17.1.2018).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (12.2.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1437719/4598_1531143225_deutschlandauswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-

stand-dezember-2017-12-02-2018.pdf. Zugriff 12.10.2018

-

Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker,

https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-

180915115434675.html, Zugriff 19.10.2018

-

BBC - British Broadcasting Corporation (9.12.2017): Iraq declares war with Islamic State is over, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-42291985. Zugriff 18.10.2018

-

BBC - British Broadcasting Corporation (3.10.2018): New Iraq President Barham Saleh names Adel Abdul Mahdi as PM, https://www.bbc.com/news/world-middle-east-45722528. Zugriff 18.10.2018

-

CIA - Central Intelligence Agency (17.10.2018): The World Factbook

-

Iraq,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/iz.html. Zugriff 19.10.2018

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DW - Deutsche Welle (2.10.2018): Iraqi parliament elects Kurdish moderate Barham Salih as new president, https://www.dw.com/en/iraqi-parliament-elects-kurdish-moderate-barham-salihas-new-president/a-45733912, Zugriff 18.10.2018

-

Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018

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KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www. kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30. pdf?180501131459, Zugriff 17.10.2018

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LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018):

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Reuters (15.9.2018): Iraq parliament elects Sunni lawmaker al-Halbousi as speaker, breaking

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UNSC - United Nations Security Council (17.1.2018): Report of the Secretary-General

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WZ - Wiener Zeitung (12.5.2018): Erste Wahl im Irak nach Sieg gegen IS stößt auf wenig Interesse, https://www.wienerzeitung.at/nachrichten/welt/weltpolitik/964399_Erste-Wahl-im-Irak-nach-Sieg-gegen-IS-stoesst-auf-wenig-Interesse.html, Zugriff 23.10.2018

Parteienlandschaft

Es gibt vier große schiitische politische Gruppierungen im Irak: die Islamische Da'wa-Partei, den Obersten Islamischen Rat im Irak (OIRI) (jetzt durch die Bildung der Hikma-Bewegung zersplittert), die Sadr-Bewegung und die Badr-Organisation. Diese Gruppen sind islamistischer Natur, sie halten die meisten Sitze im Parlament und stehen in Konkurrenz zueinander - eine Konkurrenz, die sich, trotz des gemeinsamen konfessionellen Hintergrunds und der gemeinsamen Geschichte im Kampf gegen Saddam Hussein, bisweilen auch in Gewalt niedergeschlagen hat (KAS 2.5.2018).

Die meisten politischen Parteien verfügen über einen bewaffneten Flügel oder werden einer Miliz zugeordnet (Niqash 7.7.2016; vgl. BP 17.12.2017) obwohl dies gemäß dem Parteiengesetz von 2015 verboten ist (Niqash 7.7.2016; vgl. WI 12.10.2015). Milizen streben jedoch danach, politische Parteien zu gründen (CGP 4.2018) und haben sich zu einer einflussreichen politischen Kraft entwickelt (Niqash 5.4.2018; vgl. Guardian 12.5.2018).

Die sunnitische politische Szene im Irak ist durch anhaltende Fragmentierung und Konflikt gekennzeichnet, zwischen Kräften, die auf Provinz-Ebene agieren, und solchen, die auf

Bundesebene agieren. Lokale sunnitische Kräfte haben sich als langlebiger erwiesen als nationale (KAS 2.5.2018)

Die politische Landschaft der Autonomen Region Kurdistan ist historisch von zwei großen Parteien geprägt: der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP) und der Patriotischen Union Kurdistans (PUK). Dazu kommen Gorran ("Wandel"), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert, sowie eine Reihe kleinere islamistische Parteien (KAS 2.5.2018).

Abgesehen von den großen konfessionell bzw. ethnisch dominierten Parteien des Irak, gibt es auch nennenswerte überkonfessionelle politische Gruppierungen. Unter diesen ist vor allem die Iraqiyya/Wataniyya Bewegung des Ayad Allawi von Bedeutung (KAS 2.5.2018).

Die folgende Grafik veranschaulicht die Sitzverteilung im neu gewählten irakischen Parlament. Sairoon, unter der Führung des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs, ist mit 54 Sitzen die größte im Parlament vertretene Gruppe, gefolgt von der Fath-Bewegung des Milizenführers Hadi al-Amiri und Haider al-Abadi's Nasr ("Victory")-Allianz (LSE 7.2018).

Quelle: LSE - London School of Economics and Political Science (7.2018): The 2018 Iraqi Federal Elections, http://eprints.lse.ac.uk/89698/7/MEC_Iraqi-elections_Report_2018.pdf. Zugriff 2.11.2018

Die Wahl im Mai 2018 war von Vorwürfen von Unregelmäßigkeiten und Wahlbetrug begleitet (Al- Monitor 23.8.2018; vgl. Reuters 24.5.2018, Al Jazeera 6.6.2018). Eine manuelle Nachzählung der Stimmen, die daraufhin angeordnet wurde, ergab jedoch fast keinen Unterschied zu den zunächst verlautbarten Ergebnissen und bestätigte den Sieg von Muqtada al-Sadr (WSJ 9.8.2018; vgl. Reuters 10.8.2018). Die Mehrheit der Abgeordneten im Parlament ist neu und jung (WZ 9.10.2018).

Im Prozess zur Designierung des neuen Parlamentssprechers, des Präsidenten und des Premierministers stimmten die Abgeordneten zum ersten Mal individuell und nicht in Blöcken - eine Entwicklung, die einen Bruch mit den üblichen, schwer zu durchbrechenden Loyalitäten entlang parteipolitischer, konfessioneller und ethnischer Linien, darstellt (Arab Weekly 7.10.2018).

Quellen:

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Al Jazeera (6.6.2018): Iraq orders recount of all 11 million votes from May 12 election, https://

www.aljazeera.com/news/2018/06/iraq-orders-recount-11-million-votes-12-election-

180606163950024.html. Zugriff 23.10.2018

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Al-Monitor (23.8.2018): Many Iraqi legislators call for canceling election results, https://www.almonitor.com/pulse/originals/2018/05/iraq-election-fraud.html. Zugriff 23.10.2018

-

The Arab Weekly (7.10.2018): Room for optimism in Iraq under new leadership,

https://thearabweekly.com/room-optimism-iraq-under-new-leadership. Zugriff 23.10.2018

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BP - Baghdad Post (17.12.2017): All Shia political parties have armed militias - Nujaba,

https://www.thebaghdadpost.com/en/Storv/21086/All-Shia-political-parties-have-armed-

militias-Nujaba. Zugriff 22.10.2018

-

CGP - Center for Global Policy (4.2018): The Role of Iraq's Shiite Militias in the 2018 Elections, https://www.cgpolicy.org/wp-content/uploads/2018/04/Mustafa-Gurbuz-Policy-Brief.pdf, Zugriff 22.10.2018

-

Fanack (27.9.2018): Governance & Politics of Iraq, https://fanack.com/iraq/governance-and- politics-of-iraq/. Zugriff 17.10.2018

-

The Guardian (12.5.2018): Martyr or master? Future of anti-Isis militias splits Iraq ahead of

elections,

https://www.theguardian.com/world/2018/may/12/iraq-elections-become-

battleground-iranian-influence, Zugriff 22.10.2018

-

HoC - House of Commons (12.6.2018): Briefing paper: Iraq and the 2018 election,

researchbriefings.files.parliament.uk/documents/.../CBP-8337.pdf. Zugriff 22.10.2018

-

IRIS - Institute of Regional and International Studies (11.5.2018): Iraq Votes 2018: Election

Mobilization Strategies,

https://auis.edu.krd/iris/sites/default/files/IraqVotes2018_MobilizationStrategies1.pdf.

Zugriff

2.11.2018

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ISPI - Istituto per gli studi di politica internazionale (10.5.2018): After IS: The meaning of Iraq's election for the Arab Sunni community,

https://www.ispionline.it/sites/default/files/pubblicazioni/ commentary_seloom_10.05.2018.pdf. Zugriff 22.10.2018

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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