TE Bvwg Beschluss 2019/1/14 W148 2175749-2

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Veröffentlicht am 14.01.2019
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Entscheidungsdatum

14.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §17 Abs1
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W148 2175749-2/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Stefan KEZNICKL als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Diakonie - Flüchtlingsdienst gem. GmbH, vom 03.01.2019 gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, Zl. XXXX beschlossen:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 17 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 22.06.2016 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005). Bei seiner niederschriftliche Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 23.06.2016 gab der BF zu seinem Fluchtgrund befragt vor, dass die Lage in Afghanistan schlecht sei. Er habe niemanden gehabt. Er habe jahrelang gearbeitet und sich Geld gespart, damit er flüchten könne.

2. Bei seiner Einvernahme am 13.10.2017 führte der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, Außenstelle Graz, zu seinen Fluchtgründen aus, dass er aus Afghanistan geflüchtet sei, weil er dort niemanden habe. Er habe in der Nähe seiner Schwestern, die in England lebten, sein wollen. Außerdem sei er nach einem Bombenanschlag in der Nähe des Geschäfts in dem er gearbeitet habe schockiert gewesen und habe schlecht geträumt. Der Freund seines verstorbenen Vaters habe daraufhin seine Schwester angerufen und ihr gesagt, sie solle den BF zu sich holen. Der BF sei in seinem Herkunftsstaat nicht persönlich verfolgt worden und ihm sei auch nie etwas passiert. Er gab lediglich an, dass die Schiiten generell gefährlich leben.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 15.10.2017 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt III.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF mit seinem Wunsch nach Bildung oder Arbeit und einem besseren Leben in Österreich keinen asylrelevanten Zusammenhang glaubhaft machen habe können. Auch mit seinem Vorbringen zur allgemeinen Sicherheitslage in Afghanistan habe er keine konkret gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlung behauptet. Überdies habe der BF auch eine staatliche bzw. quasi-staatliche Verfolgung ausgeschlossen. Eine Rückkehr in seinen Heimatort in Mazar-e Sharif sei ihm zumutbar. Er habe dort eine Ziehfamilie, bei der er aufgewachsen sei und bei der er bis zu seiner Ausreise gelebt und gearbeitet habe. Mazar-e Sharif sei ein afghanisches Vorzeigeprojekt für wichtige ausländische Gäste und ziehe mit ihrem Gelegenheitsarbeitsmarkt viele Arbeitssuchende an. Mazar-e Sharif sei auch legal mit dem Flugzeug erreichbar. Für den BF bestünde auch die Möglichkeit sich in einer anderen sicheren Provinz seines Herkunftsstaates, wie Kabul oder Herat, niederzulassen. Auch seine Befürchtungen zu einer Rückkehr, aufgrund der generellen schlechten Lage in Afghanistan und der Benachteiligungen als Schiite, konnte der BF nicht individualisieren und konkretisieren und somit auch nicht glaubhaft machen.

4. Gegen den oben genannten Bescheid erhob der BF am 02.11.2017 beim Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl Beschwerde.

5. Mit dem Erkenntnis vom 22.05.2018 (W192 2175749-1) wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des BF als unbegründet ab. Gegen dieses Erkenntnis wurde kein Rechtsmittel erhoben und erwuchs dieses somit in Rechtskraft.

6. Nach Erhalt dieses Erkenntnisses reiste der BF illegal nach Frankreich aus. Am 24.07.2018 wurde der BF zurück nach Österreich überstellt.

7. Der BF hat am 24.07.2018 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag) gestellt.

Im Zuge der Erstbefragung zum Folgenantrag am 25.07.2018 gab der BF an, dass er Österreich nie verlassen habe wollen. Er wolle hier leben, eine Ausbildung machen und lernen. Er habe hier sogar die "HAK" besucht. Er habe zwei Schwestern in England aber niemanden hier. Er sei Schiit, sie seien in Afghanistan eine Minderheit. Sie würden von den Pashtu sprechenden Sunniten, welche im Kontakt mit den Taliban stehen, verfolgt und verstoßen. Er könne in Afghanistan nicht leben, es gebe Bombardierungen und alle sprechen Pashtu. Er werde in Afghanistan nicht akzeptiert, da er im Iran gelebt habe. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan habe er Angst, dass er bei den Bombenangriffen getötet werde, er sei bereits von Bomben verletzt worden. Er habe auch Angst vor den Sunniten, dass sie seinesgleichen verfolgten und verstießen.

8. Am 17.08.2018 erfolgte zum Folgeantrag eine niederschriftliche Einvernahme des BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle Ost (in Folge: "BFA"). Zu den Umständen die sich seit dem negativen Abschluss seines letzten Verfahrens auf internationalen Schutz geändert hätten gab der BF an, dass er nicht mehr Moslem sei. Er gehöre seit ca. einem Jahr oder elf Monaten keiner Religion mehr an. Das zeige sich darin, dass er Alkohol trinke und Schweinefleisch esse.

9. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.12.2018, Zl. XXXX , wurde der Folgeantrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.).

Die Abweisung des Folgeantrages begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass das Vorbringen des BF in seiner Einvernahme vom 17.08.2018, er sei kein Moslem mehr nicht glaubhaft sei, da er dies in seiner Erstbefragung nicht erwähnt habe. Die Behauptung er sei vom Islam abgefallen widerspreche seinen Angaben in der Erstbefragung, in der er erklärte er werde in Afghanistan verfolgt, weil er Schiite sei. Außerdem habe er in der Einvernahme geäußert, er habe sich seit einem Jahr oder elf Monaten vom islamischen Glauben abgewendet. Sohin wäre diese Abwendung bereits während des ersten rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens erfolgt, in welchem er eine solche nie vorgebracht habe. Zum Beweis seines Abfalls vom islamischen Glauben, habe der BF lediglich angeführt Schweinefleisch zu essen und Alkohol zu trinken. Dies seien jedoch selbst bei Wahrunterstellung keine tauglichen Beweismittel für das komplette, systematische Ablegen einer Religion. Somit habe der BF keine tatsächlichen, neuen Fluchtgründe glaubhaft machen können.

10. Gegen diesen gegenständlichen Bescheid richtet sich Beschwerde in allen Spruchpunkten; weiters wurde auch ein Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gestellt. Darin wurde ausgeführt, dass die atheistische Weltanschauung des BF zwar auch schon während seines ersten Asylverfahrens in Form einer diffusen Kritik und Ablehnung des Islam vorhanden gewesen sei, jedoch habe sich diese erst nach Rechtskraft des ersten Asylverfahrens konkretisiert und verfestigt. Durch seinen österreichischen Freundeskreis habe sich der BF bestärkt gefühlt und habe eine Identität als Atheist entwickelt, die er auch öffentlich auf Instagram im November 2018 kundgetan habe. Auch gehe der BF davon aus, dass sein Heimatdorf mittlerweile von seiner Abkehr vom Glauben erfahren habe und befürchte er deswegen im Falle seiner Rückkehr Verfolgung. Außerdem wurde die zeugenschaftliche Einvernahme einer Freundin des BF, zum Beweis für die Abkehr vom Islam sowie sein öffentliches Kundtun derselben, beantragt. Aufgrund der Lebensgefahr in Afghanistan für Menschen, dies sich vom Islam abgewendet hätten, würde der BF in seinen Grund- und Menschenrechten, insbesondere Art. 3 und Art. 8 EMRK, verletzt werden.

11. Die Beschwerde langte samt Verfahrensakten am 08.01.2018 beim BVwG ein.

2. Beweiswürdigung:

Der angeführte entscheidungswesentliche Sachverhalt gründet sich auf den Inhalt der Akten der belangten Behörde und des BVwG. Zweifel an der Richtigkeit sind nicht hervorgekommen bzw. vorgebracht worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

III.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013, sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

III.2. Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung

1. Gemäß § 17 Abs. 1 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017, hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen wird und diese Zurückweisung mit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verbunden ist jeweils binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen durch Beschluss die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in den Staat, in den die aufenthaltsbeendende Maßnahme lautet, eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben des BF als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

2. Im vorliegenden Fall machte der BF in seiner Beschwerde aufgrund seiner Abwendung vom Islam, die er öffentlich Kundgetan habe und von der sein Heimatdorf erfahren habe, ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen (Art. 2, 3 und 8 EMRK) geltend. Angesichts des Vorbringens des BF in seiner Beschwerde, kann aus der dem BVwG zum derzeitigen Entscheidungszeitpunkt zur Verfügung stehenden Aktenlage - insbesondere der behaupteten individuellen Situation der BF in Österreich bzw. im Herkunftsland in Zusammenschau mit der im Bescheid vorgenommenen rechtlichen Beurteilung und den in der Beschwerdeschrift dagegen gerichteten Argumenten - nach Durchführung einer Grobprüfung eine Verletzung der genannten, durch die EMRK garantierten Rechte bei einer Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat Afghanistan angesichts der kurzen Entscheidungsfrist nicht mit der in diesem Zusammenhang erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden.

Daher war der Beschwerde gemäß § 17 Abs. 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist hier nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W148.2175749.2.00

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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