TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/16 W279 2212565-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.01.2019
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Entscheidungsdatum

16.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

W279 2212565-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter Koren als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger Moldawiens, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2018, Zl. 1196205307-180583914 zu Recht erkannt:

A) I. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen

Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass Spruchpunkt III. lautet:

"Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG wird gegen Sie ein auf die Dauer von vier Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen."

II. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer, ein männlicher Staatsbürger Moldawiens, ist zu einem unbekannten Zeitpunkt in das Bundesgebiet eingereist und wurde mit Urteil des Landesgerichts St.Pölten vom 10.10.2018 wegen mehrfach qualifizierten Diebstahls (§§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z 1 und 130 Abs. 1) zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt.

1.2. Mit gegenständlichem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.10.2018 wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Moldawien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt II.). Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid unter Spruchpunkt III. gegenüber dem Beschwerdeführer gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt IV.).

1.3. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19.11.2018 fristgerecht Beschwerde.

2. Feststellungen:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes sowie durch Einholung von Auszügen aus dem ZMR, IZR, und Strafregister. Demnach steht folgender Sachverhalt fest:

2.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen und wurde am XXXX geboren. Er ist Staatsangehöriger der Republik Moldawien. Der Reisepass des Beschwerdeführers wurde am 28.8.2017 ausgestellt.

2.2. Der Beschwerdeführer reiste zu einem nicht feststellbaren Zeitpunkt in das Bundesgebiet ein. Er war bis zu seiner Festnahme am 20.6.2018 im Bundesgebiet nicht gemeldet.

2.3. Er wurde mit Urteil des Landesgerichts St.Pölten vom 10.10.2018, Zl:35Hv141/18m-71 nach den Bestimmungen der §§ 127, 128 Abs. 1 Z 5, 129 Abs. 1 Z1, 130 Abs. 1 erster Fall StGB rechtskräftig zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 15 Monaten verurteilt. Er hat am 28.1, 29.1.2018 sowie zwischen 11. und 19.6. 2018 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter mit Bereicherungsvorsatz teils durch Einbruch fremde bewegliche Sachen weggenommen.

2.4. Der Beschwerdeführer verfügt im Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich. Der Beschwerdeführer hat im Bundesgebiet keine Familienmitglieder oder Verwandte, mit denen er besonders eng verbunden wäre oder zu denen ein besonders Abhängigkeitsverhältnis besteht.

In Italien leben die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers.

2.5. Für ein Leiden an lebensbedrohlichen Krankheiten des Beschwerdeführers sind keine Hinweise gegeben.

2.6. Es sind im gesamten Verfahren keine Hinweise darauf hervorgekommen, dass die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" vorliegen.

2.7. Es können keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Moldawien Gefahr liefe, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Zum Entscheidungszeitpunkt kann auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers im Herkunftsstaat festgestellt werden.

2.8. Zur Lage in Moldawien wird festgestellt:

Politische Lage

Moldau hat annähernd 34.000 km² Fläche und ca. 2,9 Mio. Einwohner (ohne Transnistrien). Das Land ist eine parlamentarische Demokratie, Staatsoberhaupt ist seit 23. Dezember 2016 Präsident Igor Dodon (PSRM). Regierungschef ist seit 20. Januar 2016 Ministerpräsident Pavel Filip (PDM). Das moldauische Parlament hat eine Kammer mit 101 Sitzen. Die Regierungskoalition umfasst derzeit die Demokratische Partei (PDM - 42 Sitze), informell auch auf die Europäische Volksgruppe (GPPE, 9 Sitze). Zur parlamentarischen Opposition gehören die Partei der Kommunisten der Republik Moldau (PCRM - 6 Sitze), die Partei der Sozialisten der Republik Moldau (PSRM - 24 Sitze), die Liberal-Demokratische Partei (PLDM - 5 Sitze), die Liberale Partei (PL - 9 Sitze) und 6 Parteilose (AA 3.2018a).

Die Parlamentswahlen von 2014 genügten größtenteils den Vorgaben von OSZE, Europarat usw., obwohl lokale und internationale Beobachter Bedenken hinsichtlich der Zulassung bestimmter politischer Parteien zu den Wahlen äußerten. In Folge der Wahlen haben Parteiwechsel, begleitet von Vorwürfen betreffend politischen Druck und Bestechung, die Struktur des Parlaments und die parlamentarische Mehrheit erheblich verändert (USDOS 20.4.2018).

Das moldauische Parteiensystem umfasst eine Anzahl von Gruppierungen, die - zumindest nominell - eine ganze Reihe von politischen Ansichten repräsentieren. Doch das Parteiensystem Moldaus ist instrumentalisiert, nur mäßig stabil und hat nicht das Vertrauen der Bürger. Die überwiegende Mehrheit der moldauischen politischen Parteien sind auf einen charismatischen Parteichef ausgerichtet und funktionieren ohne innerparteiliche Demokratie. Die Themensetzung funktioniert hauptsächlich über geopolitische Bruchlinien (pro-europäisch gegen pro-russisch). Die moldauische Öffentlichkeit ist größtenteils tief von ihren demokratischen Institutionen enttäuscht (BS 2018).

Im März 2016 erklärte das moldauische Verfassungsgericht eine Regelung für verfassungswidrig, welche die Wahl des Staatspräsidenten durch das Parlament festgeschrieben hatte. Dadurch wurden die Präsidentschaftswahlen durch direkte und geheime Volksabstimmung wieder eingesetzt. Zwei Runden der Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 führten zur Wahl von Igor Dodon zum Präsidenten der Republik Moldau. Laut Wahlbeobachtungsmission der OSZE waren beide Wahlgänge kompetitiv und respektierten die Grundfreiheiten. Internationale und nationale Beobachter stellten jedoch eine polarisierte und unausgewogene Medienberichterstattung, harte und intolerante Rhetorik, mangelnde Transparenz bei der Wahlkampffinanzierung und Fälle von Missbrauch administrativer Ressourcen fest (USDOS 20.4.2018).

Im Juli 2017 hat das Parlament der Republik Moldau mit den Stimmen der Regierungspartei PDM (Demokratische Partei) von Vlad Plahotniuc und der pro-russisch ausgerichteten PSRM (Partei der Sozialisten) von Präsident Igor Dodon, eine umstrittene Wahlrechtsreform beschlossen, trotz starker nationaler und internationaler Einwände. Die Reform ersetzt das bisher für Parlamentswahlen geltende Verhältniswahlrecht mit Parteilisten durch ein gemischtes System, durch das künftig 50 von 101 Abgeordneten direkt in einzelnen Wahlkreisen mit einfacher Mehrheit gewählt werden. Die Venedig-Kommission warnt davor, dass unter den politischen Verhältnissen in der Moldau vorgeblich unabhängige Kandidaten tatsächlich unter den Einfluss von Geschäftsleuten und ihrer speziellen Interessen geraten können. Das kann als Hinweis auf Vlad Plahotniuc gelesen werden, den mit Abstand vermögendsten Geschäftsmann in der Moldau. Die pro-europäische Opposition, aber auch große Teile der Zivilgesellschaft lehnen die Reform strikt ab, weil sie darin nur ein Instrument zum Machterhalt der PDM sehen. Tatsächlich hat die PDM ein Legitimitätsproblem. Bei der letzten Parlamentswahl erhielt sie lediglich 16 Prozent der Stimmen. Die Regierungsmehrheit kam nur durch 30 Überläufer aus Oppositionsparteien zustande. In Umfragen liegt die PDM seither stets bei deutlich unter 10 Prozent. Die Wahlrechtsreform geht vor allem zulasten der pro-europäischen Opposition (KAS 7.2017; vgl. FH 11.4.2018).

Ende 2017 urteilte das Verfassungsgericht, dass der Präsident suspendiert werden kann, wenn er sich weigert Neuernennungen von Regierungsmitgliedern vorzunehmen. Die Ernennung kann dann vom Parlamentspräsidenten vorgenommen werden (KAS 20.12.2017). Dodon weigerte sich in der Folge tatsächlich mehrmals neue Regierungsmitglieder zu ernennen und wurde mehrmals temporär suspendiert (BI 10.1.2018).

Die Republik Moldau erlebte im Jahr 2017 deutliche Anzeichen eines demokratischen Rückschritts und kam internationalen und nationalen Verpflichtungen bzw. Reformvorhaben nur zum Schein nach. Die Zeiten, in denen Moldau als Erfolgsgeschichte der europäischen Integration galt, sind vorbei. Das Verschwinden von einer Milliarde Dollar aus dem nationalen Bankensystem (2014) und die erbitterte Auflösung der Regierungskoalition, die dem Bankenskandal folgte, zerstörten viel von dem positiven Bild, das Moldau seit 2009 von sich aufzubauen verstanden hatte. Gerade die Rolle der Demokratischen Partei (PDM) wird in diesem Zusammenhang sehr kritisiert. Deren Vorsitzender, der Oligarch Vlad Plahotniuc, hatte es nach 2014 geschickt verstanden, seine Partei trotz einer bescheidenen demokratischen Legitimation von 16% bei den Parlamentswahlen 2014 zur wichtigsten politischen Kraft des Landes zu machen und diese Macht zu festigen, nicht zuletzt auch durch Einführung eines neuen Wahlsystems (JF 10.1.2018).

Demokratisch gewählte politische Vertreter haben in der Republik Moldau nur eine begrenzte Entscheidungsgewalt. Politische und wirtschaftliche Interessengruppen spielen eine große, wenn nicht eine entscheidende Rolle in Gesetzgebung und staatlichen Entscheidungsprozessen. Bestimmte politische Vertreter auf lokaler und zentraler Ebene neigen dazu, ihre politischen Ämter zu missbrauchen, um ihre Geschäftsinteressen zu schützen. Auf der anderen Seite gibt es Gruppen, die de facto die Politik des Landes mit wenig Legitimität beherrschen. Zum Beispiel, der Oligarch und Parteichef Vlad Plahotniuc. Premierminister Pavel Filip ist ein langjähriger Geschäftspartner von Plahotniuc und verdankt ihm die Position als Ministerpräsident. Plahotniuc ist der Hauptsponsor und Chef der Demokratischen Partei und hat ein Reihe anderer Abgeordneter dazu gebracht zu ihm überzulaufen, was ihm eine parlamentarische Mehrheit gibt. Andere moldauische Politiker scheinen unter dem Einfluss externer Akteure zu stehen, so hat Russlands Einfluss auf Präsident Igor Dodon zugenommen (BS 2018). Manche NGOs bezeichnen Moldau daher als "captured state", nicht zuletzt, weil Vladimir Plahotniuc auch einen Großteil der moldauischen Medien besitzt. Es wird angenommen, dass Plahotniuc, der keine öffentlichen Ämter bekleidet, vielen Regierungsmitgliedern nahe steht und Einfluss auf die Leiter von Strafverfolgungs- und Justizbehörden ausübt (CoE 25.9.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2018a): Republik Moldau, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/moldau/201826, Zugriff 14.5.2018

-

BI - Balkan Insight (10.1.2018): Dodon Response to Suspension Puzzles Moldova's Socialists,

http://www.balkaninsight.com/en/article/dodon-response-to-suspension-puzzles-moldova-s-socialists-01-10-2018, Zugriff 22.5.2018

-

BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.5.2018

-

CoE-PACE - Council of Europe - Parliamentary Assembly (25.9.2017):

New threats to the rule of law in Council of Europe member States:

selected examples,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1410260/1226_1506435068_new-threats-to-the-rule-of-law-in-council-of-europe-member.pdf, Zugriff 23.5.2018

-

FH - Freedom House (11.4.2018): Nations in Transit 2018 - Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1429175.html, Zugriff 22.5.2018

-

JF - Jamestown Foundation (10.1.2018): A Year in Review:

Oligarchic Power Consolidation Defines Moldova's Politics in 2017, https://www.ecoi.net/de/dokument/1421482.html, Zugriff 22.5.2018

-

KAS - Konrad Adenauer Stiftung (7.2017): Wahlrechtsänderung in der Moldau gegen Venedig-Kommission und EU verabschiedet, http://www.kas.de/moldau/de/publications/49655/, Zugriff 22.5.2018

-

KAS - Konrad Adenauer Stiftung (20.12.2017): Regierungsumbildung in der Republik Moldau, http://www.kas.de/wf/de/33.51173/, Zugriff 22.5.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 15.5.2018

Sicherheitslage

Die Republik Moldau ist Teil der im Mai 2009 ins Leben gerufenen "Östlichen Partnerschaft der EU", die das Land näher an die EU heranführen soll. Am 27. Juni 2014 wurde in Brüssel das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Republik Moldau unterzeichnet, das am 1. Juli 2016 vollständig in Kraft trat. Zentraler Kern des Abkommens ist die Einrichtung einer Tiefen und umfassenden Freihandelszone (Deep and Comprehensive Free Trade Area - DCFTA), in deren Rahmen eine schrittweise Annäherung moldauischer Rechtsvorschriften an EU-Rechtsvorschriften und Standards erfolgen soll. Die Beziehungen zur Russischen Föderation bleiben für die Republik Moldau von zentraler Bedeutung, unter anderem wegen der Abhängigkeit der Republik Moldau von russischen Gaslieferungen und der großen Bedeutung des russischen Marktes für moldauische Exporte, insbesondere Agrarprodukte. Ein erheblicher Teil der moldauischen Gastarbeiter lebt in der Russischen Föderation. Seit 2013 hat die Russische Föderation Handelsrestriktionen gegen Moldau verhängt. Während die moldauische Regierung an einer pro-europäischen Ausrichtung des Landes festhält, bemüht sich Präsident Dodon um eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland, z.B. durch Erleichterungen bei den Handelsrestriktionen. Die OSZE unterhält seit 1993 eine Mission in Chi?inau. Die Republik Moldau ist seit 1994 Partner der NATO. Die moldauische Verfassung schreibt die bündnispolitische Neutralität des Landes vor. Moldau nimmt innerhalb dieses Rahmens aktiv am NATO-Programm "Partnerschaft für den Frieden" teil und beteiligt sich mit Soldaten am KFOR-Einsatz. Im Dezember 2017 eröffnete die NATO ein Verbindungsbüro in Chisinau. (AA 3.2018c).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (3.2018c): Außenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/moldau-node/-/202836, Zugriff 15.5.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Das Gesetz garantiert eine unabhängige Justiz, dennoch sind Fälle fehlenden Respekts von Regierungsvertretern für die richterliche Unabhängigkeit weiterhin ein Problem. Dasselbe gilt für Korruption im Justizwesen. Der Prozess gegen den früheren Premierminister Vlad Filat, der wegen angeblicher Korruption und Einflussnahme im Zusammenhang mit dem Bankbetrug 2014 zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, warf Fragen über die Unparteilichkeit von Staatsanwaltschaft und Justiz auf. 68% der befragten Bürger gaben an, dass das Recht auf ein faires Verfahren in Moldau nur in geringem Umfang oder gar nicht existiere. Viele der Befragten glauben auch, dass die Justiz selektiv agiere und von Korruption betroffen sei. Es kommt weiterhin zu selektiver Strafverfolgung von Amtsträgern aus politischen Gründen. Gegen NGOs gerichtete Maßnahmen, die Absetzung eines Richters und Verhaftungen von Staatsbeamten wegen angeblich erfundener Anklagen haben ebenfalls Bedenken ausgelöst. Spezielle Richter sind für die Durchsetzung eines gerichtlichen Ethik-Kodex und die Untersuchung von Fällen von richterlichem Fehlverhalten oder ethischen Verstößen verantwortlich. Sie berichten dem Obersten Richterrat (Superior Council of Magistrates). Im Jahr 2016 hat der Disziplinarausschuss dieses Rates 86 Disziplinarmaßnahmen eingeleitet und 13 Sanktionen verhängt, darunter sechs Verwarnungen und sieben Warnungen. Trotz einer erheblichen Zunahme der Disziplinarmaßnahmen nach der Reform des Disziplinarausschusses des Rates, wurden die meisten Vorwürfe zurückgewiesen. Das Gesetz garantiert die Unschuldsvermutung, in der Praxis wird diese aber nicht immer respektiert, was sich gelegentlich auch in Wortmeldungen von Richtern äußert. Es gibt die gesetzliche Möglichkeit gegen Menschenrechtsverletzungen gerichtlich vorzugehen, gegebenenfalls bis hin zum EGMR. Die Urteile in solchen Fällen fallen aber oft bescheiden aus und werden nicht immer umgesetzt. Urteile des EGMR hingegen werden in der Regel prompt erfüllt. Die Zahl der Beschwerden vor dem EGMR hat in Vergleich zu den Vorjahren abgenommen (USDOS 20.4.2018).

Auch wenn sich der Rechtsrahmen im Laufe der Jahre verbessert hat, lassen die Unabhängigkeit der Richter und die Anwendung der Rechtsvorschriften viel zu wünschen übrig. Im Jahr 2017 bestand das Hauptproblem in der selektiven Anwendung der Gesetze. Aufgrund des Fehlens wirklicher Reformen im Justizwesen hat die EU im Oktober 2017 Kürzungen des Budgethilfeprogramms für die Justiz angekündigt, weil die Fortschritte der Regierung unzureichend waren und die Behörden die EU-Auflagen nicht erfüllt hatten (FH 11.4.2018).

Das Recht auf ein faires Verfahren wird unter anderem auch von der Befangenheit von Richtern und Korruption in der Justiz geschmälert. Die Justiz in Moldau ist weiterhin höchst korrupt und ist dem Business und politischen Gruppen gegenüber dienstbar, derzeit vor allem dem Oligarchen und Parteichef Vlad Plahotniuc gegenüber. Die politisierte Justiz wird oft als Mittel gegen politische Rivalen Plahotniucs eingesetzt. Im Februar 2016 wurde das lang erwartete Gesetz über die Generalstaatsanwaltschaft verabschiedet, was aber nicht die Ernennung eines Plahotniuc gegenüber loyalen Generalstaatsanwalts im Dezember 2016 verhinderte. Im September 2016, haben Antikorruptionsbehörden 15 Richter wegen Korruptionsvorwürfen festgenommen, ein bis dahin beispielloser Schritt. Es ist jedoch wahrscheinlich, dass die Inhaftierung dieser fünfzehn Richter auch politisch motiviert war (BS 2018). 2017 wurde eine Richterin wurde aufgrund einer Stellungnahme der Geheimdienste entlassen. Am 5. Dezember 2017 erklärte das Verfassungsgericht die Rechtsvorschrift über die Überprüfung von Richtern durch den Informations- und Sicherheitsdienst für verfassungswidrig. Trotz dieser Entscheidung wies der Oberste Richterrat die Berufung der Richterin gegen ihre Entlassung ab. (EC 3.4.2018)

Das Justizministerium koordinierte die Ausarbeitung einer neuen Strategie für die Reform des Justizsektors 2018-2024, jedoch ohne angemessene Konsultation der Interessengruppen. Im Bereich Unabhängigkeit der Justiz sind noch Anstrengungen erforderlich um ein transparentes und leistungsorientiertes Auswahlverfahren für Richter und mehr Transparenz des Obersten Richterrates zu erreichen. Von der EU empfohlene Verfassungsänderungen zur Erhöhung der Transparenz, Verantwortlichkeit und Unabhängigkeit der Justiz und des Verfassungsgerichts, wurden nicht vom Parlament beschlossen, das Gesetz wurde aber im Jänner 2018 wieder vor das Parlament gebracht. Der Oberste Rat der Staatsanwälte war 2017 wegen fehlenden Budgets und Personals nicht voll funktionsfähig (EC 3.4.2018).

Quellen:

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.5.2018

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EC - European Commission (3.4.2018): Association Implementation Report on Moldova,

https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/association_implementation_report_on_moldova.pdf, Zugriff 23.5.2018

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FH - Freedom House (11.4.2018): Nations in Transit 2018 - Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1429175.html, Zugriff 22.5.2018

-

USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 15.5.2018

Sicherheitsbehörden

Die nationale Polizei ist die primäre Strafverfolgungsbehörde und für die innere Sicherheit, die öffentliche Ordnung, den Verkehr, die Migration und den Schutz der Grenzen zuständig. Sie ist in die Kriminalpolizei und Ordnungspolizei unterteilt und untersteht dem Innenministerium. Die Sicherheitskräfte werden effektiv von den zivilen Behörden kontrolliert. Das Ministerium erzielte bescheidene Fortschritte bei der Umsetzung von Reformen zur Bekämpfung von Missbrauch und Korruption. Obwohl die Behörden Berichten über Amtsmissbrauch in Sicherheitsbehörden und anderswo nachgehen, werden selten Beamte erfolgreich wegen Menschenrechtsverletzungen, Korruption oder Komplizenschaft beim Menschenhandel angeklagt und bestraft (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 15.5.2018

Allgemeine Menschenrechtslage

Zu den wichtigsten Menschenrechtsfragen zählen Folter in Gefängnissen und psycho-neurologischen Einrichtungen; harte Haftbedingungen; willkürliche Festnahme oder Inhaftierung; Verweigerung eines fairen öffentlichen Verfahrens; Einschränkungen der Medienfreiheit, Korruption; Fälle von Gewalt gegen Menschen mit Behinderungen in Betreuungseinrichtungen; und Menschenhandel. Eine Vielzahl nationaler und internationaler Menschenrechtsgruppen operiert im Allgemeinen ohne staatliche Beschränkungen und untersucht Menschenrechtsfälle und veröffentlicht ihre Ergebnisse. Regierungsstellen sind einigermaßen kooperativ und offen für deren Vorstellungen. Es gibt eine voll funktionsfähige Ombudsstelle der Regierung. Das Parlament verfügt auch über einen eigenen ständigen Ausschuss für Menschenrechte und interethnische Beziehungen (USDOS 20.4.2018).

Die Menschenrechtslage hat sich 2017 verschärft. Die der Polizei und der Staatsanwaltschaft zur Verfügung stehenden Möglichkeiten sind im Vergleich zu Anwälten und Menschenrechtsverteidigern unverhältnismäßig hoch. Untersuchungshaft wird in etwa 80 Prozent der beantragten Fälle vom Richter auch verhängt. Nach Ansicht von Anwälten wird die vorläufige Festnahme in vielen Fällen dazu verwendet, Verdächtige einzuschüchtern oder notwendige Beweismittel zu beschaffen und aufzuzeigen, dass Alternativen zur Festnahme nicht funktionieren (FH 11.4.2018).

Auf offizieller Ebene ist die Republik Moldau verpflichtet, die Bürgerrechte zu achten, die gesetzlich kodifiziert sind. Trotz positiver Entwicklungen in dieser Hinsicht über die letzten Jahre hinweg, werden Grundfreiheiten immer noch oft verletzt. Dies betrifft das Fehlen fairer Verfahren, Hassreden, das Recht auf sozialen Schutz und Gesundheitsversorgung, schlechte Bedingungen in Gefängnissen, Menschenhandel und die Rechte sexueller Minderheiten und der Roma-Gemeinschaft. Und obwohl moldauische Gesetze Folter verbieten, gibt es Berichte über Verletzungen des Rechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit, einschließlich Fälle des Todes von Gefangenen oder Häftlingen (BS 2018).

Quellen:

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.5.2018

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FH - Freedom House (11.4.2018): Nations in Transit 2018 - Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1429175.html, Zugriff 22.5.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 16.5.2018

Bewegungsfreiheit

Die Gesetze garantieren Reisefreiheit innerhalb und außerhalb des Landes und die moldauischen Behörden respektieren diese Rechte generell. Obwohl die Bürger im Allgemeinen frei reisen und in das Land zurückkehren können, gab es einige Einschränkungen bei der Auswanderung. Vor der Auswanderung verlangt das Gesetz, dass alle ausstehenden finanziellen Verpflichtungen mit anderen Personen oder juristischen Personen beglichen werden. Die Regierung setzt diese Anforderung aber nicht streng durch. Das Gesetz sieht auch vor, dass nahe Verwandte, die finanziell von einem potenziellen Auswanderer abhängig sind, zustimmen müssen, bevor der potenzielle Auswanderer das Land verlassen darf. Die Behörden setzen auch dieses Gesetz nicht durch (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 16.5.2018

Grundversorgung und Wirtschaft

Gemäß dem Nationalen Antikorruptionszentrum macht die Schattenwirtschaft 30 Prozent des Bruttosozialprodukts aus. Rund 30 Prozent der arbeitenden Bevölkerung arbeitet im informellen Sektor und mehr als die Hälfte dieser Jobs findet sich in der Landwirtschaft (USDOS 20.4.2018).

Die Republik Moldau hat eine in weiten Teilen freie Marktwirtschaft. Als Teil des Assoziierungsabkommens mit der EU ist die Einrichtung einer Vertieften und Umfassenden Freihandelszone (Deep and Comprehensive Free Trade Area - DCFTA) vereinbart worden. Diese Freihandelszone sieht die schrittweise Annäherung moldauischer Rechtsvorschriften an EU-Rechtsvorschriften vor und ermöglicht eine enge Anbindung an den EU-Binnenmarkt. Die Republik Moldau ist eines der ärmsten Länder Europas. Die EU ist größter Handelspartner. So stammten 2017 49,4% der Importe aus der EU und 25% aus den GUS-Staaten. Exporte gingen zu 65,8% in die EU und 19% in die GUS. Die Republik Moldau ist weiterhin in hohem Maß auf Russland als Energielieferant und wichtigem Absatzmarkt für Agrarerzeugnisse sowie Rücküberweisungen dort lebender Gastarbeiter angewiesen. 48,8% der Beschäftigten arbeiteten 2017 im Dienstleistungssektor, 35,2% in der Landwirtschaft und 16% in der Industrieproduktion sowie Bauwirtschaft. Die Republik Moldau rangiert beim Human Development Index (2016) auf Rang 107 von 188 Ländern. Das Stadt-Land-Gefälle ist beträchtlich. In den meisten Dörfern fehlt der Anschluss an das Wasser- und Abwassersystem, Straßen und Wege sind oft unbefestigt. Alkohol- und Drogenmissbrauch sowie häusliche Gewalt sind keine Seltenheit. Zahlreiche Dörfer sind verlassen. Eltern gehen vielfach als Arbeitsmigranten ins Ausland und lassen Kinder und alte Menschen zurück. Die Rücküberweisungen der fast 1.000.000 Auslands-Moldauer belaufen sich auf ein Viertel des BIP. Dies stabilisiert den inländischen Konsum, allerdings fehlen qualifizierte Arbeitskräfte für nachhaltiges produktives Wachstum in Inland. Die Arbeitslosenrate wurde für 2017 mit 3,2 Prozent angegeben. Diese Zahl berücksichtigt weder die Migranten noch die erhebliche Schattenwirtschaft. Das monatliche Durchschnittsgehalt von knapp 270 Euro reicht zum Leben nicht aus. Auf den Dörfern wird daher häufig Subsistenzwirtschaft betrieben, und in den Städten sind Mehrfach- und Gelegenheitsjobs die Regel (AA 3.2018f).

Die Effizienz des moldauischen Sozialhilfesystems ist aufgrund der schlechten finanziellen Lage des Landes weiterhin sehr eingeschränkt. Auch die gleiche Verteilung der Sozialleistungen ist weiterhin ein Problem. Bestimmte Gruppen (Richter, Beamte, Abgeordnete) haben bessere Pensionsregelungen, wie niedrigeres Rentenalter. Die Zielgenauigkeit der Leistungen bleibt ebenfalls ein Problem. Das System hat in den letzten zehn Jahren eine Reihe von Reformen zweifelhafter Wirksamkeit durchlaufen. Bestimmte Wohlfahrtseinrichtungen arbeiten immer noch nach sowjetischem Muster. Das ineffiziente Pensionssystem steht kurz vor dem Zusammenbruch, weil die Bevölkerung überaltert (staatliche Ausgaben 2015: fast 8% des BIP). Dabei sind die Rentenzahlungen niedrig (im Durchschnitt nicht mehr als 65 USD pro Monat, was etwa 10 USD unter dem moldauischen Existenzminimum liegt). Das Niveau der Arbeitslosenunterstützung ist ebenfalls unzureichend und entspricht der durchschnittlichen Rente. Angesichts der Ineffizienz der sozialen Sicherheitsnetze sind Geldüberweisungen von Verwandten aus dem Ausland die einzige wirksame Unterstützung für viele Moldauer, besonders in ländlichen Gebieten. Die Situation von Rentnern ist sehr schlecht, da 89% der Rentner erklären, dass ihr Einkommen entweder nicht ausreichend ist , um die Grundbedürfnisse zu decken, oder nur die absolut notwendigen Ausgaben erlaubt (BS 2018).

Das moldauische System der sozialen Sicherheit umfasst die traditionellen Bereiche medizinische Versorgung, Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter, Arbeitsunfall/Krankheit, Familie, Mutterschaft, Invalidität und Hinterbliebene. Das System stützt sich auf kollektive Finanzierung durch Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern und durch den Staatshaushalt. Laut amtlicher Statistik aus dem Jahr 2015 verfügt Moldau über eine aktive Bevölkerung von

1.265.600. Es ist nicht klar, welcher Prozentsatz der Bevölkerung tatsächlich vom Sozialsystem erfasst wird. 2015 erhielten 279.330 Personen Krankengeld und 679.877 Altersrenten. Es kann davon ausgegangen werden, dass Leistungen für Arbeitslose und Rentner nicht ausreichend sind. Bei der Sozialhilfe gab es Verbesserungen, aber auf niedrigem Niveau. (CoE 1.2018).

Die Beschäftigungsquote betrug im Jahr 2016 40,8%. Die offizielle Arbeitslosigkeit sank auf 4,2%, die Jugendarbeitslosigkeit war aber doppelt so hoch. Doch ca. ein Drittel der arbeitenden Bevölkerung ist in der informellen Wirtschaft tätig (36,3%); rund ein Fünftel der Arbeitskräfte arbeitet im Ausland (rund 800 000 Bürger). Die Beschäftigung in Moldawien basiert weitgehend auf Landwirtschaft, Sektoren mit geringer Produktivität und Handwerk. Das neue Gesetz zur Reform des Rentensystems ist am 1. Januar 2017 in Kraft getreten und wird seit April 2017 umgesetzt. Es sieht einen neuen Berechnungsmechanismus für Renten vor, sowie ein einheitliches Pensionsantrittsalter von 63 Jahren für Männer und Frauen (derzeit 62 bzw. 57 Jahre) mit einem Übergangszeitraum von zehn Jahren. (EC 3.4.2018).

Das Recht auf soziale Sicherheit ist im nationalen Rechtsrahmen geregelt. Die Mechanismen zur Erfüllung dieses Rechts bestehen in einer Reihe von Zahlungen und Dienstleistungen der sozialen Sicherheit. Die Gesamtzahl der Personen, die irgendeine Art von Sozialversicherungszahlung erhalten, beträgt 711.700 Personen. Das Existenzminimum für 2016 betrug 1.799,2 Lei (90 USD). Für den gleichen Zeitraum betrug die Höhe der Rente für Personen im Rentenalter 1.301,1 Lei (oder 87,0% des Mindestlohns), die Höhe der monatlichen Beihilfe für Kinder unter 3 Jahren für Versicherte betrug 1.234,3 Lei (oder 84,1% des Existenzminimums), die Höhe der monatlichen Beihilfe für Kinder unter 1,5 Jahren für nicht versicherte Personen betrug 540,0 Lei (oder 36,8% des Existenzminimums), die Höhe der Renten für Behinderung betrug 933,4 Lei (oder 51,87% des Existenzminimums). In diesem Zusammenhang ist klar, dass die Höhe der Sozialversicherungsbeiträge nicht das Mindestnutzungsniveau deckt. 1999 bis 2017 hatten die Eltern, die sich um ihre schwerbehinderten Kinder kümmerten, nicht den Status einer versicherten Person. Dies bedeutet, dass dieser Zeitraum nicht als Beitrag zum Sozialversicherungsfonds anerkannt wird und daher nicht von Sozialrenten profitiert (Ombudsmann 2017).

Quellen:

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.5.2018

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CoE-ECSR - Council of Europe - European Committee of Social Rights (1.2018): European Committee of Social Rights Conclusions 2017; Moldova,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1425569/1226_1519804343_cr-2017-mda-eng.pdf, Zugriff 23.5.2018

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EC - European Commission (3.4.2018): Association Implementation Report on Moldova,

https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/association_implementation_report_on_moldova.pdf, Zugriff 23.5.2018

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Ombudsmann - People's Advocate of the Republic of Moldova (2017):

Alternative Report of the People's Advocate (Ombudsman) of the Republic of Moldova to the UN Committee on Economic, Social and Cultural Rights on the situation of economic, social and cultural rights in the Republic of Moldova, https://www.ecoi.net/en/file/local/1408979/1930_1505467947_int-cescr-nhs-mda-28723-e.doc, Zugriff 24.5.2018

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USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 Moldova, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430313.html, Zugriff 16.5.2018

Medizinische Versorgung

Mit der Unabhängigkeit im Jahre 1991 erbte die ehemalige Sowjetrepublik Moldau das Gesundheitssystem sowjetischer Prägung (Semashko-System), das an die neuen Verhältnisse angepasst werden musste. Die Verfassung von 1994 garantiert das Recht auf Gesundheit und eine kostenlose Basisbehandlung durch den Staat. 2001 wurde die verpflichtende Krankenversicherung geschaffen und 2004 landesweit eingeführt. Die staatliche Garantie eines universellen Zugangs zu medizinischer Basisversorgung wurde überarbeitet und durch die verpflichtende Krankenversicherung ergänzt. Die primäre Gesundheitsversorgung in Moldau basiert auf den familienmedizinischen Zentren und Gesundheitszentren, mit Ordinationen und Gesundheitsbüros in den ländlichen Gegenden. Seit Anfang 2008 sind diese verwaltungstechnisch autonom, davor unterstanden sie dem nächstgelegenen Bezirkskrankenhaus. Die sekundäre Versorgung umfasst spezialisierte ambulante und stationäre Behandlung in Bezirks- und städtischen Krankenhäusern. In Chisinau gibt es davon unabhängige spezialisierte ambulante Betreuung durch örtliche medizinische Vereinigungen. In jedem Bezirk gibt es darüber hinaus notfallmedizinische Einrichtungen (Ambulanzdienste) des Gesundheitsministeriums. Die medizinischen Einrichtungen der tertiären Versorgung bieten spezialisierte und hochspezialisierte medizinische Versorgung für die gesamte Bevölkerung. Sie befinden sich fast alle in Chisinau und unterstehen dem Gesundheitsministerium. Alle drei Organisationsebenen haben Verträge direkt mit der verpflichtenden Krankenversicherung. Viele medizinische Dienste werden von Privaten angeboten, vor allem Spezialambulatorien, diagnostischen Labors, Apotheken usw. Diese können Verträge mit der Versicherung haben. Es gibt parallel eine ganze Reihe von öffentlichen Gesundheitseinrichtungen anderer Ministerien, die deren Budgets unterliegen aber auch Verträge mit der Versicherung haben können. Eine große Zahl an NGOs, welche auf dem Gesundheitssektor aktiv sind, arbeiten vor allem in den Bereichen HIV/AIDS bzw. Tuberkulose-Eindämmung und in der Kindergesundheit. Sie arbeiten mit an der Formulierung von Gesundheitspolitik und beim Monitoring der Umsetzung von Gesundheitsreformen. Die Ausgaben für das Gesundheitssystem sind relativ niedrig. Das Basispaket der verpflichtenden Krankenversicherung umfasst grundlegende Versorgung von Erkrankungen, eine kurze Liste von Medikamenten, welche übernommen werden; Notfallversorgung; primäre, sekundäre und tertiäre (auch Rehabilitation) medizinische Versorgung; Zahnbehandlung; Krankentransport; Laborleistungen; Heimpflege und palliative Pflege. 2012 wurde das Paket um neue immunologische, radiologische und nuklearmedizinische Behandlungen erweitert. Diese Behandlungen werden gewährt, wo medizinisch nötig. 2011 scheiterte der Versuch der Regierung einen Selbstbehalt für Arztbesuche einzuführen. Out-of-pocket-Zuzahlungen gibt es in Form von Direktzahlungen und informellen Zahlungen. Schätzungen aus dem Jahr 2011 gingen davon aus, dass der Anteil an Zuzahlungen in Spitälern bei 58% lag. Bei Unversicherten liegen die Zahlen höher. Leistungen, die nicht unter die verpflichtende Krankenversicherung fallen, müssen direkt bezahlt werden, mehrheitlich sind das Medikamente und zahnmedizinische Leistungen. Out-of-pocket-Zuzahlungen sind vor allem bei Medikamenten recht hoch, was die Regierung veranlasste, den Preisregulierungsmechanismus für Medikamente zu ändern. Informelle Zahlungen (also Bestechung für mehr, bessere oder schnellere Leistungen) betreffen einer Umfrage zufolge in Spitälern 37,9% der Patienten. Diese leisteten informelle Zahlungen an Krankenhauspersonal (durchschnittlich USD 100,-). In ländlichen Gebieten waren es 40,8% der Patienten. Am häufigsten waren die informellen Zahlungen in der tertiären medizinischen Versorgung (48,4%). Nach Fachgebieten geordnet waren informelle Zahlungen in Geburtseinrichtungen (71%) am häufigsten, gefolgt von der Chirurgie (50,9%). Von den versicherten Patienten tätigten 36,8% informelle Zahlungen, von den Unversicherten hingegen 45,5%. Das Gesundheitsministerium ist bestrebt dieses Phänomen zurückzudrängen. Das Netzwerk öffentlicher Gesundheitseinrichtungen in Moldau besteht aus dem Nationalen Zentrum für öffentliche Gesundheit in Chisinau, zwei städtischen Zentren für öffentliche Gesundheit in Chisinau und Balti, und 34 Bezirkszentren für öffentliche Gesundheit, zuzüglich sieben Zentren für öffentliche Gesundheit anderer Ministerien welche parallel bestehen. Das Netzwerk der Labors besteht aus physikalischen, chemischen, mikrobiologischen, parasitologischen und radiologischen Labors bis hinunter auf die Bezirksebene. Einer Umfrage zufolge sind 80,2% der Moldauer mit den Leistungen ihrer Krankenhäuser zufrieden, aber 53,4% äußerten Kritik an den Zuzahlungen. Wartezeiten sind relativ kurz. 75% fühlen sich über die Behandlung gut informiert und auf dem Laufenden gehalten. 28% haben das Gefühl, die Krankenversorgung habe sich verbessert, 10% meinen das Gegenteil und 30% sehen keine Änderung. Die Sterblichkeit ist in Moldau für europäische Verhältnisse hoch, jedoch im internationalen Kontext niedrig. Die Häufigkeit von Tuberkulose, insbesondere multiresistenter TB, ist ein Problem. Arbeitslose müssen sich arbeitslos melden und erhalten dann für sechs Monate Arbeitslosengeld und Krankenversicherung. Viele Roma haben Probleme mit der verpflichtenden Krankenversicherung, weil sie nicht über die für den Zugang nötigen Identitätsdokumente verfügen oder in entlegenen Gegenden leben (WHO 2012).

Das moldauische Gesundheitssystem zielt auf universellen und kostenlosen Zugang zu bestimmten Behandlungen (Grundversorgung, vorklinische Notfallversorgung, Behandlung von Tuberkulose, AIDS und Krebs), egal ob der Patient versichert ist oder nicht. Die Pflichtversicherung deckt Angestellte und Selbstständige auf der Grundlage von Beiträgen ab, bestimmte andere Personengruppen sind automatisch abgedeckt (Kinder, Studenten, Schwangere und Wöchnerinnen und Mütter von vier oder mehr Kindern, Menschen mit Behinderungen, Rentner, formal arbeitslos gemeldete Personen, pflegende Angehörige und Sozialhilfeempfänger). Es ist nicht klar, welcher Prozentsatz der Bevölkerung tatsächlich vom Gesundheitssystem erfasst wird (CoE 1.2018).

Seit 2000 liegen machen öffentliche Gelder weniger als 50% der gesamten Gesundheitsausgaben aus. Die privaten Haushalte zahlen 44,6% der gesamten Gesamtgesundheitsausgaben aus eigener Tasche (WHO 2016). Die öffentliche Gesundheitsversorgung ist nach wie vor extrem unterfinanziert und der Großteil der Bevölkerung ist gezwungen private Mittel zu verwenden, um angemessene Pflege zu erhalten. Das fördert Korruption bei medizinischem Personal (BS 2018).

Die Umstrukturierung der öffentlichen Gesundheitsdienste ist in vollem Gange, einschließlich einer formellen Entscheidung zur Einrichtung einer Nationalen Gesundheitsbehörde. Ein aktualisiertes Konzept zur Krankenhausregionalisierung wurde vorgelegt, es gab aber keine Fortschritte bei der Umsetzung der Krankenhausreform. Moldau beteiligt sich am EU-Gesundheitsprogramm 2014-2020 (EC 3.4.2018).

Die Verteilungsungleichheit zwischen Stadt und Land, auch im Bereich der Gesundheitsversorgung, gibt Anlass zur Besorgnis. Die jüngsten Dezentralisierungsmaßnahmen der Regierung haben das Problem eher verschärft, da die Gemeinden unterschiedlich leistungsfähig sind. Die öffentlichen Ausgaben für Gesundheit sinken, Korruption ist im Gesundheitssektor weit verbreitet. Durch Abwanderung fehlt gut ausgebildetes medizinisches Personal. Von der obligatorischen Krankenversicherung werden rund 20 Prozent der Bevölkerung nicht abgedeckt. Die allgemeine Qualität der Gesundheitsdienstleistungen ist schlecht und es gibt keine Monitoringmechanismen für öffentliche Gesundheitseinrichtungen. Roma, Behinderte, HIV/AIDS-Kranke, Flüchtlinge/Asylwerber und andere benachteiligte und marginalisierte Personen und Gruppen sind beim Zugang zu Gesundheitsversorgung diskriminiert. Moldau hat zwar einen Entwurf für ein neues Gesundheitsgesetz erstellt, es gibt aber Berichte, dass dieser für die derzeitigen Herausforderungen nicht ausreichend ist. HIV/AIDS verbreiten sich zusehends, ebenso die Tuberkulose, vor allem die mehrfach medikamentenresistente Tuberkulose. Drogenkonsumenten sind Berichten zufolge gelegentlich einer Zwangsbehandlung in Verbindung mit Inhaftierung unterzogen, während die internationale Finanzierung für Drogenprogramme zurückgeht (UN CESCR 19.10.2017).

Laut Studie des Büros des Ombudsmannes ist Gesundheit das aktuellste und wichtigste Thema für 61% der Befragten. Das Fehlen geeigneter Instrumente zur Umsetzung der Gesundheitsvorschriften führt zu Unregelmäßigkeiten im System, die den Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen und ihre Qualität einschränken. Vor allem in ländlichen Gebieten mangelt es an qualifiziertem Personal im Bereich der öffentlichen Gesundheit infolge des Exodus von Fachkräften und der unbefriedigenden Infrastruktur und des hygienischen Zustands der Gesundheitseinrichtungen. Veraltete medizinische Geräte und unzureichende technische und materielle Ressourcen behindern den Zugang der Bevölkerung zu hochwertigen medizinischen Diensten und demotivieren medizinisches Personal. Da Letztere unter erschwerten Bedingungen und für wenig Geld arbeiten müssen, verlassen viele das Gesundheitssystem. Ein weiteres Gesundheitsthema ist die Sicherstellung und Überwachung der Qualität und Sicherheit der erbrachten Dienstleistungen. Die Beschaffung von Arzneimitteln in öffentlichen Gesundheitseinrichtungen basiert auf dem niedrigsten Preis, der nicht immer die beste Qualität gewährleistet. Gesundheitseinrichtungen, insbesondere in ländlichen Gebieten, fehlt es an ausreichender Ausrüstung und Medikamenten für hochwertige Hilfe. Dies führt zu einer vermeidbaren hohen Sterblichkeitsrate. Es gibt einen ungleichen Zugang zu einigen spezialisierten Dienstleistungen wie Medikamente für an Krebs und HIV / AIDS erkrankte Menschen und qualifizierte Palliativpflege. Das bestehende System zur Kontrolle und Prävention von Tuberkulose, zum Schutz der reproduktiven Gesundheit und der sexuellen Gesundheit ist ineffizient. Das Gesundheitssystem ist von Korruption geprägt, die von Armut und dem Fehlen effizienter Instrumente zur Bekämpfung dieses Phänomens angetrieben wird. Rund 93% der Moldawier leisten informelle Zahlungen an Ärzte und anderes medizinisches Personal. Diese Zahlungen belaufen sich jährlich auf umgerechnet 100 Millionen USD. Informelle Zahlungen sind auch bei Personen weit verbreitet, die keine Krankenversicherung haben. Etwa 80% der Bürger, die sich an das Gesundheitsministerium wenden, beklagen, dass sie gezwungen sind, informelle Zahlungen an Ärzte zu leisten. Die Behörden beabsichtigen, ein neues Gesundheitsgesetz zu verabschieden und haben diesbezüglich einen Entwurf ausgearbeitet. Der Bürgerbeauftragte ist der Ansicht, dass der Entwurf überarbeitet werden sollte. Ein weiteres Thema im Zusammenhang mit Reformen im Gesundheitswesen ist die Neuorganisation des Krankenhausnetzes. Der Bürgerbeauftragte ist der Auffassung, dass die Optimierung der finanziellen Ressourcen sehr wichtig ist, um eine bessere Gesundheitsversorgung auf regionaler Ebene und insbesondere vor dem Hintergrund des Bevölkerungsrückgangs sicherzustellen, aber gleichzeitig ist nicht klar, wie die Behörden die Zugänglichkeit der medizinischen Einrichtungen gewährleisten wollen, insbesondere für Menschen mit Behinderungen und ältere Menschen (Ombudsmann 2017).

Quellen:

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BS - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018; Moldova Country Report, https://www.ecoi.net/en/file/local/1427438/488350_en.pdf, Zugriff 22.5.2018

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CoE-ECSR - Council of Europe - European Committee of Social Rights (1.2018): European Committee of Social Rights Conclusions 2017; Moldova,

https://www.ecoi.net/en/file/local/1425569/1226_1519804343_cr-2017-mda-eng.pdf, Zugriff 23.5.2018

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EC - European Commission (3.4.2018): Association Implementation Report on Moldova,

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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