TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/18 W262 2212636-1

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Veröffentlicht am 18.01.2019
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Entscheidungsdatum

18.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
BFA-VG §18 Abs1 Z2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W262 2212636-1/3E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK über die Beschwerde von XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt IX. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.12.2018, Zl. XXXX zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird - soweit sie sich gegen Spruchpunkt IX.

(Aberkennung der aufschiebenden Wirkung) des Bescheides richtet - als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Tadschiken, reiste illegal ins österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 27.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Bei der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er in Kabul die Schule besucht und als Hilfsarbeiter gearbeitet habe. Sein Vater und sein Bruder seien 2012 nach einem Streit um ein Grundstück von einer anderen Familie getötet worden. Aus Angst vor dieser Familie habe ihn seine Mutter versteckt und ihm zur Flucht geraten.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 30.10.2017, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs. 1 Z 2 StGB, des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

4. Am 29.10.2018 wurde der Beschwerdeführer in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Dari vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als BFA oder belangte Behörde bezeichnet) in der JA Salzburg einvernommen und gab im Wesentlichen an, in Kabul geboren zu sein und bis zu seiner Ausreise dort gelebt zu haben, der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören, sunnitisch-islamischen Glaubens zu sein, Dari als Muttersprache zu haben und sieben Jahre lang die Schule besucht und Gemüse verkauft zu haben. In Kabul lebte die Familie nach dem Tod des Vaters (ca. 2011) in einem Haus seines Onkels mütterlicherseits, der die Familie auch finanziell unterstützte. Seine Mutter arbeite als Schneiderin und lebe mit seinem etwa elf Jahre alten Bruder seit seiner Ausreise in Mazar-e Sharif. Seine Schwester XXXX sei verheiratet und lebe in Kabul, seine Schwester XXXX sei verheiratet und lebe in der Provinz Panjshir.

Zu seinen Flucht- bzw. Asylgründen befragt gab er an, dass er Afghanistan aufgrund eines Grundstückstreites zwischen seinem Großvater und einer verfeindeten Familie verlassen habe. Sein Großvater habe, als der Beschwerdeführer etwa vierzehn Jahre alt gewesen sei, ein Mitglied dieser Familie getötet, die wiederum seinen Großvater, seinen Vater etwa im Jahr 2011 und seinen Bruder etwa im Jahr 2012 umgebracht haben. Im Jahr 2015 äußerte seine Mutter Bedenken, dass auch der Beschwerdeführer aus Rache umgebracht werden könne und er entschloss sich daraufhin zur Flucht.

5. Mit Bescheid des BFA vom 10.12.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27.10.2015 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.), festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 30.07.2017 verloren hat (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG der Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IX.).

6. Mit Verfahrensanordnung vom 11.12.2018 wurde dem Beschwerdeführer amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

7. Mit der dem Bundesverwaltungsgericht am 10.01.2019 (Datum des Einlangens) zur Entscheidung vorgelegten Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer den angefochtenen Bescheid im vollen Umfang.

8. Das errechnete Strafende des Beschwerdeführers ist - unter Anrechnung der Vorhaften - der 29.01.2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer führt den im Spruch genannten Namen, ist im Entscheidungszeitpunkt volljährig und afghanischer Staatsangehöriger. Er lebte bis zu seiner Ausreise nach Österreich in Kabul.

Der Beschwerdeführer stellte am 27.10.2015 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des BFA vom 10.12.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 27.10.2015 auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG erteilt (Spruchpunkt III.), gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG und gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Weiters wurde gemäß § 55 Abs. 1a FPG festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf 10 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.), festgestellt, dass der Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 2 Z 2 AsylG das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 30.07.2017 verloren hat (Spruchpunkt VIII.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG der Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IX.).

1.2. Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 30.10.2017, XXXX wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs. 1 Z 2 StGB, des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt.

1.3. Der Beschwerdeführer befindet sich aktuell und planmäßig bis zum 29.01.2020 in (Straf)Haft. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Afghanistan eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde, liegen im entscheidungsrelevanten Zeitpunkt mangels der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung wegen Anhaltung in Strafhaft nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen zu Namen, Staatsangehörigkeit, Herkunft und Volljährigkeit des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben bei der Erstbefragung und der Einvernahme im Asylverfahren.

Dass der Beschwerdeführer am 27.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich gestellt hat, ist aktenkundig.

Die Feststellung zur rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers ergeben sich aus einem aktuell vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszug aus dem Strafregister.

Die Feststellung über die im Entscheidungszeitpunkt aufrechte (Straf)Haft des Beschwerdeführers von 30.10.2017 bis planmäßig 29.01.2020 und dass damit die Voraussetzungen für die Zuerkennung einer aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG mangels der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung wegen seiner Anhaltung in Strafhaft nicht gegeben sind, ergeben sich aus den oa. Urteil des Landesgerichtes XXXX und der Mitteilung der Justizanstalt XXXX vom 13.12.2017. Zweifel an diesen eindeutigen Angaben sind beim Gericht nicht entstanden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Derartige Regelungen kommen für das vorliegende Verfahren nicht zur Anwendung, weshalb es der Einzelrichterzuständigkeit unterliegt.

Zu A)

3.1. Die im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche Bestimmung des § 18 BFA-VG lautet wie folgt:

"Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt durch falsche Angaben oder Dokumente oder durch Verschweigen wichtiger Informationen oder durch Zurückhalten von Dokumenten über seine Identität oder seine Staatsangehörigkeit zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

(3) Bei EWR-Bürgern, Schweizer Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

(4) Der Beschwerde gegen eine Ausweisung gemäß § 66 FPG darf die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt werden.

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.

(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar."

3.2. Der Gesetzgeber novellierte § 18 BFA-VG zuletzt mit BGBl. I Nr. 145/2017 entsprechend der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die zum Regelungsregime der aufschiebenden Wirkung in Asylrechtssachen gemäß dieser Bestimmung (in der vorangehenden Fassung) ergangen war:

In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof hierzu fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des BFA über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Schließlich hielt der Verwaltungsgerichtshof auch fest, dass eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen habe (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014).

3.3. Für die vorliegende Beschwerdesache bedeutet dies Folgendes:

3.3.1 Der Beschwerdeführer stellte u.a. den Antrag, seiner Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Aus den Ausführungen und dem Aufbau der Beschwerde geht jedoch hervor, dass es sich dabei nicht um einen gesonderten Antrag handelt, der nach der dargestellten Rechtsprechungslinie des Verwaltungsgerichtshofes zurückzuweisen wäre; vielmehr wendet sich der Beschwerdeführer explizit gegen Spruchpunkt IX. des angefochtenen Bescheides des BFA und die darin verfügte Aberkennung der aufschiebenden Wirkung.

3.3.2. Die belangte Behörde hat in Spruchpunkt IX. des angefochtenen Bescheides einer Beschwerde gegen die Entscheidung über den "Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt". § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG bezieht sich aber auf den zwingend vorzunehmenden Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung. Eine Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 bis 7 erfolgen.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG ist - anders als jene nach § 18 Abs. 2 BFA-VG - nicht zwingend, sondern sie setzt eine Abwägung der für und gegen die zu treffende Anordnung sprechenden Interessen voraus (VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146). Ob schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt, erfordert eine Gefährdungsprognose, wobei das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen ist.

Es ist der belangten Behörde nicht entgegenzutreten wenn sie davon ausgeht, dass der Beschwerdeführer angesichts seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen des Vergehens der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs. 1 Z 2 StGB, des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 15, 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB, der Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Entfremdung unbarer Zahlungsmittel nach § 241e Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Verbringung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Das Verwaltungsgericht hat von der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt seiner Entscheidung auszugehen: Ob bei geänderter Sachlage im Laufe des anhängigen Beschwerdeverfahrens eine nochmalige Entscheidung über die aufschiebende Wirkung in Betracht kommt, muss hier nicht abschließend erörtert werden (§ 18 BFA-VG regelt diesen Fall nicht spezifisch, was - auch im Lichte von Art. 136 B-VG - dafür spricht, dass in diesem von § 18 BFA-VG inhaltlich ungeregelten Bereich § 22 VwGVG anwendbar bleibt).

Der Beschwerdeführer befindet sich aktuell bis geplant 29.01.2020 in Strafhaft.

Gemäß § 59 Abs. 4 FPG 2005 ist der Eintritt der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde. Zum derzeitigen Zeitpunkt drohen die vom Beschwerdeführer geltend gemachten Umstände (potentielle Verletzung von Rechten im Fall der Rückführung) nicht in absehbarer Zeit. Schon aus diesem Grund kommt eine Abänderung des Abspruchs über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung derzeit nicht in Betracht.

Diese Entscheidung war unverzüglich ohne weiteres Verfahren und daher unter Abstandnahme von der mündlichen Verhandlung zu treffen (VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. VwGH 28.04.2015, Ra 2014/18/0146; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014, VwGH 23.01.2018, Ra 2017/18/0246, VwGH 20.09.2017, Ra 2017/19/0284); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Außerdem ist die Entscheidung über Zuerkennung bzw. Aberkennung der aufschiebenden Wirkung idR das Ergebnis einer im Einzelfall vorzunehmenden Interessenabwägung, die, wenn sie in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wird, als einzelfallbezogene Beurteilung im Allgemeinen nicht revisibel ist (vgl. VwGH 09.06.2015, Ra 2015/08/0049).

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W262.2212636.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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