TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/20 W105 2212282-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.01.2019
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Entscheidungsdatum

20.01.2019

Norm

AsylG 2005 §5
B-VG Art.133 Abs4
FPG §61

Spruch

W105 2212284-1/2E

W105 2212293-1/2E

W105 2212282-1/2E

W105 2212279-1/2E

W105 2212286-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. BENDA über die Beschwerden 1.) der XXXX , geb. XXXX , 2.) des XXXX , geb. XXXX , 3.) des mj. XXXX , geb. XXXX 4.) der mj. XXXX , geb. XXXX und 5.) der mj. XXXX , geb. XXXX , alle StA. Russische Föderation und vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Flüchtlingsdienst GmbH, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.12.2018, Zl. 1205943305/180863305 (ad 1.), Zl. 1206093803/180866410 (ad 2.), Zl. 1206028010/180863313 (ad 3.), Zl. 1206029508/180863321 (ad 4.), Zl. 1206038703/180863330 (ad 5.), zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß § 5 AsylG 2005 und § 61 FPG als

unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist Ehegattin des Zweitbeschwerdeführers, beide sind Eltern der minderjährigen Drittbis Fünftbeschwerdeführer, deren gesetzliche Vertreterin die Erstbeschwerdeführerin ist, alle sind Staatsangehörige von Russland. Beschwerdeführer gelangten zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet und stellten die Erstbeschwerdeführerin für sich und die mj. Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer als gesetzliche Vertreterin am 11.09.2018 Anträge auf internationalen Schutz. Der Zweitbeschwerdeführer stellte am 12.09.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Verlauf ihrer Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 11.09.2018 brachte die Erstbeschwerdeführerin vor, dass sie Anfang Dezember 2013 Russland verlassen hätte und sie eigentlich vorgehabt hätten, nach Berlin zu fliegen. Dazu sei es jedoch nicht gekommen und wären sie tatsächlich nach Österreich gekommen. Die Frage, ob sie in einem anderen Land um Asyl angesucht habe, beantwortete die Erstbeschwerdeführerin ebenso wenig wie die Frage nach der konkreten Reiseroute. Hinsichtlich ihres Gesundheitszustandes gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie ein Trauma hätte, nachdem ihre Familie in der Schweiz tätlich angegriffen worden sei. Derzeit nehme sie keine Medikamente.

Der Zweitbeschwerdeführer erklärte im Rahmen seiner Erstbefragung am 12.09.2018 auf die Frage, ob er in einem anderen Land einen Asylantrag gestellt habe, dass er in der Schweiz irgendwelche Papiere ausfüllen hätte müssen, um aus dem Gefängnis zu kommen. Er wüsste nicht, in welchem Stadium sich das Asylverfahren befinden würde. Befragt, was er über seinen Aufenthalt in der Schweiz angeben könne, gab er an, dass es ihm dort nicht gefallen hätte. Er würde auf keinen Fall in die Schweiz zurückfahren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA") richtete betreffend die Erstbeschwerdeführerin und die mj. Drittbis Fünftbeschwerdeführer am 17.09.2018 ein auf Art. 18 Abs. 1 lit. b der Verordnung (EU) 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.06.2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: "Dublin III-VO") gestütztes Wiederaufnahmeersuchen an Tschechien. Begründend wurde zusammenfassend ausgeführt, dass die Erstbeschwerdeführerin am 18.09.2016 in Tschechien um Asyl angesucht hätte und Schweizer Behörden Österreich darüber informiert hätten, dass die Tschechische Republik zur Führung des Asylverfahrens der Beschwerdeführerin zuständig wäre. Österreich erachte Tschechien daher als zuständigen Mitgliedstaat.

Das BFA stellte am 17.09.2018 betreffend den Zweitbeschwerdeführer ein auf Art. 13 Abs. 2 Dublin III-VO gestütztes Aufnahmegesuch. Begründend wurde ausgeführt, dass die Schweiz Österreich darüber informiert habe, dass der Zweitbeschwerdeführer am 19.09.2016 in Tschechien erkennungsdienstlich behandelt worden sei, worüber es jedoch keinen Eurodac-Treffer gebe. Aus diesem Grund erachte Österreich Tschechien als den zuständigen Mitgliedstaat.

Am 17.09.2018 stellte Österreich an Deutschland sowie die Schweiz ein Informationsersuchen gemäß Art. 34 Dublin III-VO.

Mit Schreiben vom 10.09.2018 antwortete die Schweiz auf das Informationsersuchen dahingehend, dass die Beschwerdeführer in der Schweiz am 20.03.2016 um Asyl angesucht hätten. Seit dem 01.04.2016 würden die Genannten unbekannten Aufenthaltes sein. Am 26.04.2016 wurden die Asylverfahren der Beschwerdeführer als gegenstandslos abgelegt. Am 06.01.2017 habe die Schweiz einem Wiederaufnahmeersuchen Tschechiens zugestimmt. Tschechien habe die Schweiz am 03.01.018 darüber informiert, dass die Überstellungsfrist aufgrund einer Gerichtsbeschwerde bis 11.02.2019 verlängert werde.

Am 20.09.2018 stellte Österreich an die Schweiz auf der Basis von Art. 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO ein Wiederaufnahmeersuchen betreffend die Beschwerdeführer. Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführer am 30.03.2016 in der Schweiz sowie am 18.09.2016 in Tschechien Asylanträge gestellt hätten. Aufgrund des Umstandes, dass die Beschwerdeführer zuerst in der Schweiz Asylanträge gestellt hätten und ein Verlassen der EU Mitgliedstaaten seitdem für länger als 3 Monate nicht bewiesen worden sei, werde die Zuständigkeit der Schweiz angenommen.

Mit Schreiben vom 01.10.2018 teilte die Schweiz mit, dass dem Wiederaufnahmeersuchen nicht entsprochen werden könne. Begründend wurde mitgeteilt, dass die Genannten in der Schweiz am 20.03.2016 um Asyl angesucht hätten, am 01.04.2016 verschwunden wären und seither in der Schweiz nicht mehr vorstellig gewesen seien. Am 06.01.2017 hätten die tschechischen Behörden die Schweiz um Wiederaufnahme der Erstbeschwerdeführerin sowie der mj. Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer ersucht. Nachdem dem Ersuchen am 20.01.2017 entsprochen worden sei, hätten die tschechischen Behörden am 03.01.2018 mitgeteilt, dass die Genannten in Tschechien unbekannten Aufenthaltes seien.

Mit Remonstrationsschreiben vom 09.10.2018 teilte Österreich der Schweiz im Wesentlichen mit, dass am 06.01.2018 die Schweiz dem Wiederaufnahmeersuchen Tschechiens zugestimmt habe. Tschechien hätte die Schweiz am 03.01.2018 darüber informiert, dass die Überstellungsfrist aufgrund einer Gerichtsbeschwerde bis 11.02.2019 verlängert werde. Im Rahmen ihrer Einvernahmen vor dem BFA sei ein Aufenthalt von mehr als drei Monaten außerhalb der EU von Seiten der Beschwerdeführer weder behauptet worden, noch habe dies von der Behörde festgestellt werden können. Es werde daher die Zuständigkeit der Schweiz angenommen.

Mit Schreiben vom 23.10.2018 erteilte letztlich die Schweiz über Zustimmung zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführer auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO.

Am 08.10.2018 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme der Beschwerdeführer vor dem BFA im Beisein eines Rechtsberaters nach durchgeführter Rechtsberatung. Hierbei gab die Erstbeschwerdeführerin im Wesentlichen an, dass sie in keinem anderen Land um Asyl angesucht habe. Die Entscheidung, in Österreich einen Asylantrag zu stellen, habe sie im März 2018 getroffen. Auf die Frage, wo sie sich von März 2016 bis zu ihrer Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich am 12.09.2018 aufgehalten habe, gab sie an, dass diese Information in ihrem Fall nicht so wichtig sei. Nach Vorhalt, dass aus dem Zentralen Melderegister hervorgehe, dass der Zuzug der Beschwerdeführer aus Deutschland erfolgt sei, gab sie an, dass sie finde, dass diese Information für das Verfahren unwichtig sei. Die Frage, ob sie beim " XXXX " vom XXXX bis XXXX (in XXXX , Anm.) teilgenommen habe bejahte die Erstbeschwerdeführerin.

Der Zweitbeschwerdeführer gab im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am selben Tag nach Vorhalt, dass er mit seiner Familie am 20.03.2016 in der Schweiz Asylanträge gestellt habe, an, dass es nicht der Wahrheit entspreche, dass er am 20.03.2016 in der Schweiz einen Asylantrag gestellt habe. Es gebe ein youtube Video, das dies beweise. Auf die Frage, wo er sich von März 2016 bis zu seiner Antragstellung auf internationalen Schutz in Österreich am 12.09.2018 aufgehalten habe, gab er an, dass diese Information in seinem Fall nicht so wichtig sei. Nach Vorhalt, dass aus dem Zentralen Melderegister hervorgehe, dass der Zuzug der Beschwerdeführer aus Deutschland erfolgt sei, gab er an, dass er finde, dass diese Information für das Verfahren unwichtig sei.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme am 13.11.2018 vor dem BFA gab die Erstbeschwerdeführerin auf die Frage, ob sich bei ihren familiären und privaten Verhältnissen etwas geändert habe, an, dass bei ihrer Tochter Mama (Anm. Drittbeschwerdeführerin) ein Nierenleiden festgestellt worden sei. Sie selbst sei im 4. Monat schwanger. Ihr Mann habe hohen Blutdruck, er könne sich aber nicht untersuchen lassen, weil er nicht versichert sei. Außerdem seien sie traumatisiert, weil sie Angst hätten, abgeschoben zu werden. Nach Vorhalt, dass die Schweiz ihre Zustimmung zur Führung ihrer Asylverfahren und zu ihrer Wiederaufnahme erteilt habe und der Mitteilung, dass beabsichtigt sei, ihre Außerlandesbringung in die Schweiz zu veranlassen, gab sie an, dass sie nicht vorgehabt hätten, in der Schweiz im Asyl anzusuchen. Sie seien jedoch nach dem Überfall dazu gezwungen worden. Sie sei mit ihren Kindern von ihrem Mann getrennt worden. Gegen die Angreifer des Überfalls sei kein Strafverfahren anhängig gewesen. Es sei lediglich der Raub protokolliert worden, nicht jedoch die Entführung der Kinder. Hinsichtlich ihrer Verletzungen sei sie keiner medizinischen Betreuung zugeführt worden. In Bezug auf ihren Aufenthalt in der Schweiz gab die Erstbeschwerdeführerin an, dass sie dort keine psychologische Betreuung erhalten hätten. Die Unterkunft sei sehr klein gewesen und hätten sie auf dem Boden auf Matten schlafen müssen. So wären 15 Personen in einem Raum untergebracht gewesen und hätte es Stockbetten in drei übereinander liegenden Ebenen gegeben. Ihre Traumatisierung hätte sich dadurch gesteigert. Ihre Kinder seien von Beamten mit Handschuhen untersucht worden. Sie könne nicht in ein Land zurück, wo man so mit Kindern umgehe. Schon während des Strafverfahrens seien sie von den Angreifern bedroht worden, alle seien jetzt wieder frei.

Der Zweitbeschwerdeführer gab in seiner niederschriftlichen Einvernahme am selben Tag an nach dem Vorhalt, dass seine Außerlandesbringung in die Schweiz beabsichtigt sei, zusammenfassend an, dass er in der Schweiz auf ihn und seine Familie ein Raubüberfall erfolgt sei und damit auch eine Kindesentführung einhergegangen sei. Die Polizei habe sich überhaupt nicht für das Geschehene interessiert. Alles sei in einem Video aufgezeichnet worden, das auf youtube zu sehen sei und um die Medien gegangen sei. Als seine Frau die Kamera geholt habe, um sie der Polizei zu gben, sei ihr diese von der Polizei aus der Hand gerissen worden. Er selbst sei dann festgenommen worden. Seine Frau sei bei Bekannten untergebracht worden, andernfalls wäre diese auf der Straße gestanden. In Bezug auf seinen Aufenthalt in der Schweiz gab der Zweitbeschwerdeführer an, dass man ihm im Gefängnis in der Schweiz gesagt habe, dass er nach Russland abgeschoben würde, falls er den Aufenthalt seiner Familie nicht verrate. Seine Frau sei später auch in das Anhaltezentrum mit den Kindern gekommen, wo sie am Boden auf Matten geschlafen hätten. Österreich sei das erste Land, in das sie gekommen seien, dafür gebe es auch Beweise.

Die minderjährige Dritt- bis Fünftbeschwerdeführer wurde nicht einvernommen.

2. Mit den angefochtenen Bescheiden wurden die Anträge der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz ohne in die Sache einzutreten gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass die Schweiz für die Prüfung der Anträge gemäß Art. Art. 18 Abs. lit. c Dublin III-VO zuständig sei (Spruchpunkt I.). Gleichzeitig wurde gegen die Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung in die Schweiz gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei (Spruchpunkt II.).

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Lage in der Schweiz wurden in den angefochtenen Bescheiden im Wesentlichen folgendermaßen zusammengefasst (unkorrigiert):

Allgemeines zu Vorbringen von Asylwerbern in Dublin Verfahren:

Die Asylbehörden haben nicht nachzuprüfen, ob ein Mitgliedstaat generell sicher ist. Nur wenn sich im Einzelfall ergeben sollte, dass Grundrechte des Asylwerbers z.B. durch Kettenabschiebung bedroht sind, so wäre aus innerstaatlichen, verfassungsrechtlichen Gründen das Selbsteintrittsrecht zwingend auszuüben.

(VfGH 17.6.2005, B 336/05, UBAS zu 268.445/3-X/47/06 vom 14.03.2006)

Es ist nicht Aufgabe der österreichischen Asylbehörde, hypothetische Überlegungen über den möglichen Ausgang eines von einem anderen Staat zu führenden Asylverfahrens anzustellen. Auch aus dem Umstand, dass Anerkennungsquoten im Asylverfahren relativ gering seien, kann nicht automatisch darauf geschlossen werden, dass kein ordnungsgemäßes Verfahren geführt wird.

(VwGH, 31.5.2005, Zl. 2002/20/0095)

Die höchstgerichtliche Judikatur ist gerade bei Anträgen ab 01.01.2006 aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen des § 5 Abs. 3 AsylG 2005 von besonderer Bedeutung.

Zur Schweiz werden folgende Feststellungen getroffen:

(Anmerkung: Die Feststellungen sind durch die Staatendokumentation des Bundesamtes zusammengestellt und entsprechen dem Stand vom November 2017).

1. Allgemeines zum Asylverfahren

Die für das erstinstanzliche Asylverfahren in der Schweiz verantwortliche Behörde ist das Staatssekretariat für Migration (SEM). Es existiert ein rechtsstaatliches Asylverfahren mit Beschwerdemöglichkeiten:

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(AIDA 2.2017; für ausführliche Informationen siehe dieselbe Quelle)

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ch_2016update.pdf, Zugriff 9.11.2017

2. Dublin-Rückkehrer

Die Dublin III Verordnung wird seit 1 Jänner 2014 umgesetzt. Es konnten keine Zugangshindernisse für Dublin-Rückkehrer in der Schweiz festgestellt werden (AIDA 2.2017).

Bei Übernahme einer Person im Rahmen des Dublin-Verfahrens wird diese zu einer Aufnahmeeinrichtung geschickt, wo dann die Verfahrensschritte für eine Prüfung des Asylantrags eingeleitet werden. Sofern bereits zuvor ein Verfahren in der Schweiz anhängig war, wird dieses fortgesetzt. In den meisten Fällen kann ein Verfahren unabhängig von seinem früheren Status (vorherige Ablehnung, Rücknahme oder Entlassung) entweder von den Behörden oder durch einen Antrag auf erneute Überprüfung wieder aufgenommen oder fortgesetzt werden (EASO 24.10.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ch_2016update.pdf, Zugriff 9.11.2017

-

EASO - European Asylum Support Office (24.10.2017): EASO Query.

Subject: Access to Procedures and Reception Conditions for persons transferred back from another Member State of the Dublin regulation, per E-Mail

3. Vulnerable

Es ist in den Schweizer Gesetzen weder eine Verpflichtung noch ein Mechanismus zur Identifizierung Vulnerabler festgeschrieben, außer der Identifizierung von Opfern von Menschenhandel. Es gibt folglich auch kein Screening nach Vulnerabilität, sofern diese nicht offensichtlich ist. Trotzdem sind spezielle verfahrenstechnische Vorkehrungen für bestimmte vulnerable Gruppen getroffen. So gibt es etwa im SEM Spezialisten für Verfahren von UMA, Opfern von Menschenhandel bzw. geschlechtsspezifischer Gewalt. Betroffene können auch einen Interviewer desselben Geschlechts verlangen (AIDA 2.2017).

Die föderalen Zentren sind nicht an die Bedürfnisse von Kindern und Familien angepasst und die Situation kann auch für Frauen schwierig sein. Für diese Personen werden keine spezifischen Maßnahmen getroffen. In einigen föderalen Zentren sind Familien aufgrund fehlender angepasster Strukturen sogar getrennt. Das Gesetz schreibt lediglich vor, dass die besonderen Bedürfnisse von Kindern, Familien und anderen schutzbedürftigen Personen bei der Zuweisung von Betten so weit wie möglich berücksichtigt werden. Es gibt sehr wenige Freizeitaktivitäten für Kinder und keine oder nur sehr eingeschränkte Schulbildung. In der Praxis bemühen sich die Behörden darum, diese Personen so schnell wie möglich einem Kanton zuzuweisen. Jeder Kanton verfügt über ein eigenes Aufnahmesystem, das in der Regel mehrere Wohnformen umfasst, u.a. auch für unbegleitete Kinder und schutzbedürftige Personen (AIDA 2.2017).

Quellen:

-

AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ch_2016update.pdf, Zugriff 9.11.2017

-

SEM - Staatssekretariat für Migration (o.D.): Migrationsbericht 2016,

https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/publiservice/berichte/migration/migrationsbericht-2016-d.pdf, Zugriff 15.11.2017

-

UNCAT - UN Committee Against Torture (7.9.2015): Concluding observations on the seventh periodic report of Switzerland, http://www.ecoi.net/file_upload/1930_1449141431_g1520151.pdf, Zugriff 10.11.2017

4. Non-Refoulement

Die Verfassung verbietet die Abschiebung von Flüchtlingen, die in ihren Herkunftsländern Verfolgung ausgesetzt sind und stellt auch fest, dass niemand in ein Land geschickt werden darf, in dem ihm Folter oder andere entwürdigende und grausame Behandlung drohen. Die Regierung zwingt generell keine Asylwerber zur Rückkehr in Länder, in denen ihr Leben oder ihre Freiheit bedroht sein könnten. Seit Juli 2016 werden - abhängig von Einzelfallbewertungen - Abschiebungen in alle Teile Sri Lankas zugelassen. Diese Praxis wird von der Schweizerischen Flüchtlingshilfe als voreilig kritisiert, da der Norden Sri Lankas für Regierungsdissidenten immer noch unsicher sei (USDOS 3.3.2017).

Am 1. Oktober 2016 traten Änderungen des Ausländergesetzes und des Strafgesetzbuchs in Kraft, wonach Ausländer, die Straftaten begehen (nicht nur schwere Straftaten, sondern beispielsweise auch Sozialhilfebetrug) leichter ausgewiesen werden können. Im Falle von Flüchtlingen oder Personen, die nach Artikel 3 EMRK behandelt werden, wird der Grundsatz des Nichtzurückweisens allerdings weiterhin eingehalten (AIDA 2.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ch_2016update.pdf, Zugriff 9.11.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Switzerland, https://www.ecoi.net/local_link/337216/466976_en.html, Zugriff 10.11.2017

5. Versorgung

Die materielle Versorgung der Asylwerber besteht aus Unterbringung und Verpflegung, medizinischer Versorgung und finanzieller Unterstützung, sofern der Antragsteller bedürftig ist und Anspruch auf Sozialhilfe hat. Die Unterbringung in einem Zentrum steht aus organisatorischen Gründen hingegen allen Asylwerbern, unabhängig von ihren finanziellen Ressourcen, offen. Es ist zu beachten, dass soziale Unterstützungsleistungen sowie u.a. auch Kosten des Berufungsverfahrens zu einem späteren Zeitpunkt bei Vorhandensein entsprechender finanzieller Mittel zu refundieren sind. Im Rahmen der Erstaufnahme auf Bundesebene ist die Versorgung überall gleich. Diese dauert in der Regel bis zu 90 Tage. Das Recht auf Versorgung - schließlich auf kantonaler Ebene - besteht insgesamt bis zum Ende des Verfahrens, d.h. bis zum Ende der Beschwerdefrist gegen erstinstanzliche Entscheidung bzw. bis zu einer negativen Entscheidung der Beschwerdeinstanz. Momentan findet in Zürich ein Testlauf bezüglich einer Beschleunigung des Verfahrens statt. Auch wenn die Versorgung dort etwas anders geregelt ist, besteht in jedem Fall ein Recht auf Unterbringung, Sozialhilfe, Krankenversorgung und Bildung für Kinder unter 16 Jahren. Asylwerber dieser Testphase sind nicht berechtigt zu arbeiten (AIDA 2.2017).

Die Kantone sind für die Gewährleistung der Sozialhilfe an Asylwerber zuständig. Jeder Kanton erhält hierbei pro Asylwerber einen Pauschalbetrag, mit dem dann die gesamten Ausgaben für die Unterbringung, die Unterstützung, die obligatorische Krankenversicherung und allfällige weitere medizinische Versorgung finanziert werden. Die Unterstützungsleistungen erfolgen durch die Kantone oder Gemeinden selbst bzw. durch beauftragte Dritte. Für Asylsuchende und vorläufig aufgenommene Personen ist die Unterstützung nach Möglichkeit in Form von Sachleistungen auszurichten. Die Höhe der Sozialhilfe liegt unter dem Ansatz für die einheimische Bevölkerung. Anerkannte Flüchtlinge sind der einheimischen Bevölkerung vollkommen gleichgestellt (SEM 21.4.2017).

Mitte 2016 betrug die monatliche Zuwendung durchschnittlich CHF

1.119 / € 1.041, abhängig von der Bedürftigkeit des Empfängers. In den föderalen Zentren, wo die meiste Unterstützung in Sachleistungen geschieht, liegt die übrige Unterstützung bei lediglich 3 CHF täglich. Die Höhe der Zuwendungen richtet sich nach dem Grad der Bedürftigkeit. Mitte 2015 erhielten 94,3% aller Asylwerber in der Schweiz Sozialhilfe, wovon wiederum 94% keine weitere Einkommensquelle hatten. Dieser hohe Prozentsatz spiegelt das Arbeitsverbot während der ersten drei (auf föderaler Ebene) bis sechs Monate (je nach Kanton) des Asylverfahrens wider. Zum Teil sind aber auch arbeitende Personen aufgrund des zu geringen Verdienstes weiterhin auf Sozialhilfe angewiesen. Wenn ein Asylwerber das Land verlassen muss, kann er keine herkömmliche Versorgung mehr erhalten, sondern nur noch Unterstützung im Rahmen des Notfallschemas. Dieses umfasst kantonale Leistungen für Personen, die sich andernfalls nicht erhalten könnten und wird daher auch von den Kantonen festgelegt, ist also Schwankungen unterworfen. In manchen Kantonen ist diese Aufgabe an Gemeinden oder Hilfsorganisationen ausgelagert. Die Nothilfe besteht wann immer möglich aus Sachleistungen, inklusive Unterbringung in Notfallzentren, die für ihre eher unbequemen, minimalistischen Bedingungen bekannt sind. Die Finanzierung der Nothilfe ist pro Person mit ca. CHF 8 pro Tag festgesetzt, womit die Kosten für Essen, Transport, Haushaltsgegenstände und andere Bedürfnisse abgedeckt werden müssen. Dieser Betrag ist im Vergleich zu den hohen Lebenshaltungskosten in der Schweiz sehr niedrig und wird zudem in Sachleistungen bzw. Gutscheinen ausgegeben, die nur in bestimmten Supermärkten angenommen werden. Nothilfe muss immer gewährt werden, sie kann folglich auch nicht aberkannt werden (AIDA 2.2017).

Das Gesetz verbietet es Asylsuchenden, in den ersten drei Monaten nach ihrer Ankunft in dem Land zu arbeiten, und die Behörden können dieses Verbot um weitere drei Monate verlängern, wenn das SEM den Asylantrag innerhalb der ersten drei Monate ablehnt. Nach drei Monaten können Asylsuchende eine Beschäftigung in Branchen mit Arbeitskräftemangel suchen, etwa im Gastgewerbe, im Baugewerbe, im Gesundheitswesen oder in der Landwirtschaft (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ch_2016update.pdf, Zugriff 9.11.2017

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SEM - Staatssekretariat für Migration (21.4.2017): Subventionen des Bundes,

https://www.sem.admin.ch/sem/de/home/asyl/sozialhilfesubventionen/bundessubventionen.html, Zugriff 15.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Switzerland, https://www.ecoi.net/local_link/337216/479979_de.html, Zugriff 15.11.2017

6. Unterbringung

In den Zentren auf föderaler Ebene sind die Bedingungen für Familien, Frauen und Kinder eher hart. Es wird versucht, für diese Personen möglichst rasch eine geeignete kantonale Unterbringung zu finden, wo Familien nach Möglichkeit individuell untergebracht werden. Insbesondere die Unterbringung von unbegleiteten Minderjährigen wird in den jeweiligen Kantonen unterschiedlich gehandhabt. Nicht alle verfügen über spezialisierte Zentren, was auf Kritik von NGOs stößt. Kinder werden oft in Pflegefamilien oder Kinderheimen untergebracht. Da die Umsetzung der Bundesbestimmungen weitgehend den Kantonen obliegt, können sich die Bedingungen deutlich unterscheiden (AIDA 2.2017).

Während der Bearbeitungsphase übernehmen die Kantone die Hauptverantwortung für die Bereitstellung von Wohnraum sowie die allgemeine Unterstützung und Betreuung der Asylbewerber. Diese haben das Recht auf medizinische Grundversorgung, deren Kinder Anspruch auf Schulbesuch bis zur neunten Klasse und somit bis zum Ende der Pflichtschulzeit. NGOs und Freiwillige führten im Allgemeinen Sprachkurse für Asylsuchende durch. Der Mangel an ausreichenden und angemessenen Unterkünften bleibt ein Problem; häufig werden Asylwerber in entlegenen ländlichen Gebieten oder ehemaligen - vielfach unterirdisch angelegten - Militäreinrichtungen untergebracht (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ch_2016update.pdf, Zugriff 9.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Switzerland, https://www.ecoi.net/local_link/337216/479979_de.html, Zugriff 15.11.2017

7. Medizinische Versorgung

Asylwerber haben ein Recht auf medizinische Basisversorgung (USDOS 3.3.2017). Sie werden bei Ankunft einer medizinischen Untersuchung unterzogen und erhalten dann während des gesamten Verfahrens und bei negativer Entscheidung auch im Rahmen des Notfallschemas Zugang zu medizinischer Versorgung. Außerdem sind Asylwerber bei der nationalen Krankenversicherung versichert, die auch die Behandlung mentaler Probleme durch einen Psychiater abdeckt. Während des Aufenthalts in föderaler Unterbringung ist die medizinische Versorgung föderale Angelegenheit, danach geht sie auf den jeweiligen Kanton über. Spezialbehandlungen für Opfer von Folter und traumatisierte Menschen mit psychischen Gesundheitsproblemen werden zwar angeboten, spezialisierte Psychiater und geeignete Dolmetscher sind allerdings oftmals nicht im erforderlichen Ausmaß verfügbar (AIDA 2.2017).

Quellen:

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AIDA - Asylum Information Database of the European Council on Refugees and Exiles and Swiss Refugee Council (2.2017): Country Report: Switzerland,

http://www.asylumineurope.org/sites/default/files/report-download/aida_ch_2016update.pdf, Zugriff 9.11.2017

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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Switzerland, https://www.ecoi.net/local_link/337216/479979_de.html, Zugriff 15.11.2017

Die Anträge auf internationalen Schutz seien zurückzuweisen, weil die Schweiz für die Prüfung der Anträge zuständig sei und diese die Zustimmung zur Übernahme der Beschwerdeführer erteilt habe. Ein im besonderen Maße substantiiertes, glaubhaftes Vorbringen, betreffend das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände, welche die Gefahr einer Verletzung der EMRK im Falle einer Überstellung der beschwerdeführenden Parteien ernstlich für möglich erscheinen lassen würden, sei im Verfahren nicht erstattet worden. Dass die Beschwerdeführer an schweren, lebensbedrohlichen Krankheit leiden, hätten diese weder behauptet noch sei dies aus der Aktenlage ersichtlich. Die Regelvermutung des § 5 Abs. 3 AsylG sei nicht erschüttert worden und es habe sich kein Anlass zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin III-VO ergeben. Hinsichtlich der zur Kernfamilie zählenden Familienangehörigen würde eine gleichlautende Entscheidung ergehen, sodass die Anordnung zur Außerlandesbringung insgesamt keinen Eingriff in das in Art. 8 EMRK gewährleistetes Recht auf Achtung des Familienlebens darstelle.

Die Bescheide wurden den Antragstellern am 17.12.2018 durch persönliche Ausfolgung zugestellt.

3. Gegen die Bescheide richtet sich die am 31.12.2018 eingebrachte Beschwerde, in welcher die Antragsteller im Wesentlichen geltend machten, dass sie gezwungen worden seien, in der Schweiz Asylanträge zu stellen, da ihnen sonst die Abschiebung in die Russische Föderation angedroht worden sei. Sie würden sich seit März 2018 durchgehend in Österreich befinden. Österreich sei das erste Land gewesen, in welches sie nach ihrer Flucht aus der Russichen Föderation eingereist seien. Sie seien in der Schweiz Opfer eines rassistischen Verbrechens geworden. Das Verbrechen sei von der Polizei nur unzureichend aufgeklärt worden und seien sie eher als Täter als als Opfer behandelt worden. Es sei daher nachvollziehbar, dass sie sich in der Schweiz kein faires Verhalten erwarten würden. Der Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin, des Zweitbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin würde es nicht erlauben, dass diese in die Schweiz überstellt würden. Insgesamt betrachtet wäre die belangte Behörde bei weiteren Ermittlungen zum Ergebnis gelangt, dass Österreich von seinem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen müsste. Aus der Judikatur des EGMR, konkret er Entscheidung Tarakhel/Switzerland vom 04.11.2014, gehe hervor, dass auch individuelle Umstände in Verbindung mit gewissen Defiziten ausreichen würden, um eine Überstellung unzulässig zu machen, wenn eine Gefährdung von Grundrechten vorliege. Diese würden bei den Beschwerdeführern vorliegen. Die belangte Behörde hätte daher im Sinne obiger Judikatur des EGMR eine Einzelfallzusicherung hinsichtlich Unterbringung und Versorgung der Beschwerdeführer in der Schweiz einholen müssen und wäre das gegenständliche Verfahren, da dies nicht erfolgt sei, mit Rechtswidrigkeit belastet. Die belangte Behörde habe keinerlei Ermittlungen angestellt, ob den Beschwerdeführern im Falle einer Überstellung in die Schweiz deren Kettenabschiebung in die Russischen Föderation drohen würde. Die den angefochtenen Bescheiden zu Grunde liegenden Länderfeststellungen in Bezug die Situation in der Schweiz seien veraltet, da sich die Lage im letzten Jahr aufgrund der hohen Zahlen von neuankommenden Asylsuchenden geändert habe. Darüber hinaus könne nicht von einer Ausgewogenheit der Quellen gesprochen werden, da kaum Kritik am schweizerischen Asylsystem geübt werden. Da die belangte Behörde es verabsäumt habe, den entscheidungsrelevanten Sachverhalt amtswegig zu ermitteln, habe sie gegen ihre Pflicht zur Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens verstoßen. Das Verfahren sei dadurch mit schwerwiegenden Mängeln belastet worden. Nicht berücksichtigt sei überdies worden, dass eine Überstellung der Beschwerdeführer in die Schweiz zu ihrer Retraumatisierung führen würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführer reisten zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt in das österreichische Bundesgebiet ein, wo sie am 11.09.2018 bzw. 12.09.2018 jeweils um die Gewährung internationalen Schutzes ansuchten. Die Beschwerdeführer haben zuvor bereits am 20.03.2016 in der Schweiz und am 18.09.2016 in Tschechien um Asyl angesucht. Der Zweitbeschwerdeführer wurde am 19.09.2016 in Tschechien daktyloskopisch erfasst.

Das BFA richtete nach erfolgten Konsultationen mit Tschechien und Deutschland am 20.09.2018 auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO ein Wiederaufnahmeersuchen an die Schweiz, welches zunächst mit Schreiben seitens der schweizerischen Dublin-Behörde vom 01.10.2018 abgelehnt wurde. Mit Schreiben vom 23.10.2018 erteilte die Schweiz letztlich ihre Zustimmung zur Wiederaufnahme der Beschwerdeführer auf der Grundlage von Art. 18 Abs. 1 lit. c Dublin III-VO.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle einer Überstellung in die Schweiz Gefahr liefen, einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe beziehungsweise einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den oben wiedergegebenen Feststellungen der angefochtenen Bescheide zur Allgemeinsituation in der Schweiz an.

Konkrete, in der Person der beschwerdeführenden Parteien gelegenen Gründe, welche für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung im zuständigen Mitgliedstaat sprechen, liegen nicht vor.

Die Antragsteller leiden an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung (im Endstadium), bezüglich derer es keine medizinische Behandlungen in der Schweiz gebe. Die Erstbeschwerdeführerin leidet an einer Anpassungsstörung und erlitt in Österreich eine Fehlgeburt, bei der mj. Viertbeschwerdeführerin wurde eine Nierenzyste diagnostiziert. Laut Beschwerdevorbringen leidet der Zweibeschwerdeführer an hohem Blutdruck sowie einer Depression.

Ausgeprägte private, familiäre oder berufliche Bindungen bestehen im österreichischen Bundesgebiet nicht.

2. Beweiswürdigung:

Die festgestellten Tatsachen hinsichtlich der illegalen Einreise ins Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten sowie hinsichtlich der erfolgten Asylantragstellungen in der Schweiz und in Tschechien ergeben sich aus dem geführten und im Akt dokumentierten Konsultationsverfahren.

Die Feststellung über das Wiederaufnahmegesuch seitens der österreichischen Dublin-Behörde und der erteilten Zustimmung seitens der Schweiz beruht auf dem - im Verwaltungsakt dokumentierten - durchgeführten Konsultationsverfahren.

Eine die Beschwerdeführer konkret treffende Bedrohungssituation in der Schweiz wurde nicht ausreichend substantiiert vorgebracht.

Die Gesamtsituation des Asylwesens im zuständigen Mitgliedstaat resultiert aus den umfangreichen und durch aktuelle Quellen belegten Länderfeststellungen der angefochtenen Bescheide, welche auf alle entscheidungsrelevanten Fragen eingehen. Das BFA hat in seinen Entscheidungen neben Ausführungen zur Versorgungslage von Asylwerbern in der Schweiz auch Feststellungen zur dortigen Rechtslage und Vollzugspraxis von asyl- und fremdenrechtlichen Bestimmungen (darunter konkret auch im Hinblick auf Rückkehrer nach der Dublin-VO) samt dem jeweiligen Rechtsschutz im Rechtsmittelweg getroffen.

Aus den in den angefochtenen Bescheiden dargestellten Länderinformationen ergeben sich keine ausreichend begründeten Hinweise darauf, dass das Asylwesen in der Schweiz grobe systemische Mängel aufweisen würde. Insofern war aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts insbesondere in Bezug auf die Durchführung des Asylverfahrens, die medizinische Versorgung sowie die Sicherheitslage von Asylsuchenden in der Schweiz den Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidung zu folgen. Individuelle, unmittelbare und vor allem hinreichend konkrete Bedrohungen, welche den Länderberichten klar und substantiell widersprechen würden, haben die Beschwerdeführer nicht glaubhaft dargetan. Zum Vorbringen der Beschwerdeführer, wonach diese in der Schweiz Opfer eines Überfalles gewesen seien und sich die Polizei kaum für ihren Fall interessiert hätte bzw. sie seitens der Sicherheitskräfte eher als Täter denn als Opfer behandelt worden seien, ist einzuwenden, dass keinerlei Hinweise für systematische Defizite bei den Exekutivbehörden der Schweiz notorisch bekannt sind, sodass die Behauptungen der Beschwerdeführer letztlich nicht grobe Rechtswidrigkeiten seitens der schweizerischen Sicherheitskräfte bei der Untersuchung des genannten Vorfalls, der medial - wie bereits auf die belangte Behörde ausgeführt hat - Niederschlag fand, darzutun vermochten.

Die Feststellung betreffend den Gesundheitszustand der Erstbeschwerdeführerin und der mj. Viertbeschwerdeführerin basiert auf den vorgelegten medizinischen Unterlagen bzw. (in Bezug auf die bei der Erstbeschwerdeführerin diagnostizierten Anpassungsstörung) der gutachterlichen Stellungnahme einer Ärztin für Allgemeinmedizin vom 03.12.2018. Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass der Zweitbeschwerdeführer an einer Depression leide, ist einzuwenden, dass diesbezüglich keinerlei medizinischen Unterlagen in Vorlage gebracht wurden. Die Feststellungen bezüglich des Gesundheitszustandes der übrigen Beschwerdeführer ergeben sich aus ihren eigenen Angaben.

Die Feststellung, wonach keine ausgeprägten privaten, familiären oder beruflichen Bindungen der beschwerdeführenden Parteien im Bundesgebiet bestehen, basiert auf der vorliegenden Aktenlage.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.1. Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013, geregelt (§ 1). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, unberührt.

Nach § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG, BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und im FPG bleiben unberührt. In Asylverfahren tritt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl an die Stelle des Bundesasylamtes (vgl. § 75 Abs. 18 AsylG 2005 idF BGBl I 144/2013).

§ 16 Abs. 6 und § 18 Abs. 7 BFA-VG bestimmen für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, dass §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden sind.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1.2. Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I 144/2013 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 5 (1) Ein nicht gemäß §§ 4 oder 4a erledigter Antrag auf internationalen Schutz ist als unzulässig zurückzuweisen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist. Mit der Zurückweisungsentscheidung ist auch festzustellen, welcher Staat zuständig ist. Eine Zurückweisung des Antrages hat zu unterbleiben, wenn im Rahmen einer Prüfung des § 9 Abs. 2 BFA-VG festgestellt wird, dass eine mit der Zurückweisung verbundene Anordnung zur Außerlandesbringung zu einer Verletzung von Art. 8 EMRK führen würde.

(2) Gemäß Abs. 1 ist auch vorzugehen, wenn ein anderer Staat vertraglich oder auf Grund der Dublin-Verordnung dafür zuständig ist zu prüfen, welcher Staat zur Prüfung des Asylantrages oder des Antrages auf internationalen Schutz zuständig ist.

(3) Sofern nicht besondere Gründe, die in der Person des Asylwerbers gelegen sind, glaubhaft gemacht werden oder beim Bundesamt oder beim Bundesverwaltungsgericht offenkundig sind, die für die reale Gefahr des fehlenden Schutzes vor Verfolgung sprechen, ist davon auszugehen, dass der Asylwerber in einem Staat nach Abs. 1 Schutz vor Verfolgung findet.

§ 10 (1) Eine Entscheidung nach diesem Bundesgesetz ist mit einer Rückkehrentscheidung oder einer Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden, wenn

1. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4 oder 4a zurückgewiesen wird,

2. der Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 zurückgewiesen wird,

3. ...

und in den Fällen der Z 1 und 3 bis 5 von Amts wegen ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 nicht erteilt wird sowie in den Fällen der Z 1 bis 5 kein Fall der §§ 8 Abs. 3a oder 9 Abs. 2 vorliegt.

§ 9 Abs. 1 und 2 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I 144/2013 lautet:

§ 9 (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

§ 61 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I 144/2013 lautet:

§ 61 (1) Das Bundesamt hat gegen einen Drittstaatsangehörigen eine

Außerlandesbringung anzuordnen, wenn

1. dessen Antrag auf internationalen Schutz gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 zurückgewiesen wird oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 AsylG 2005 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG oder

2. ...

(2) Eine Anordnung zur Außerlandesbringung hat zur Folge, dass eine Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in den Zielstaat zulässig ist. Die Anordnung bleibt binnen 18 Monaten ab Ausreise des Drittstaatsangehörigen aufrecht.

(3) Wenn die Durchführung der Anordnung zur Außerlandesbringung aus Gründen, die in der Person des Drittstaatsangehörigen liegen, eine Verletzung von Art. 3 EMRK darstellen würde und diese nicht von Dauer sind, ist die Durchführung für die notwendige Zeit aufzuschieben.

(4) Die Anordnung zur Außerlandesbringung tritt außer Kraft, wenn das Asylverfahren gemäß § 28 AsylG 2005 zugelassen wird.

Im vorliegenden Fall ist gemäß ihres Art. 49 (Inkrafttreten und Anwendbarkeit) die Dublin III-VO anzuwenden:

Art. 49

Inkrafttreten und Anwendbarkeit

Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Die Verordnung ist auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar, die ab dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten gestellt werden und gilt ab diesem Zeitpunkt - ungeachtet des Zeitpunkts der Antragstellung - für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern. Für einen Antrag auf internationalen Schutz, der vor diesem Datum eingereicht wird, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats nach den Kriterien der Verordnung (EG) Nr. 343/2003.

Die in dieser Verordnung enthaltenen Verweise auf die Verordnung (EU) Nr. 603/2013, Richtlinie 2013/32/EU und Richtlinie 2013/33/EU gelten, bis zu ihrer jeweiligen Anwendbarkeit, als Verweise auf die Verordnung (EG) Nr. 2725/2000, Richtlinie 2003/9/EG bzw. Richtlinie 2005/85/EG.

Da die Dublin III-VO am 29.06.2013 im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht wurde, trat sie am 19.07.2013 in Kraft und gilt jedenfalls für Anträge wie den vorliegenden, die nach dem 01.01.2014 (nach dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der VO) gestellt wurden.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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