Entscheidungsdatum
22.01.2019Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G303 2189492-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende sowie die Richterin Dr. Eva WENDLER und den fachkundigen Laienrichter Herbert WINTERLEITNER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, vom 20.02.2018, OB: XXXX, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 42 Abs. 1 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) idgF sowie § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen idgF stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 30.10.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Oberösterreich, Zentrale Poststelle, einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass, einen Antrag auf Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Ungültigkeit sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) ein. Den Anträgen waren Kopien des befristeten Behindertenausweises (Gültigkeit bis 31.12.2017), des befristeten Parkausweises für Behinderte (Gültigkeit bis 31.12.2017) sowie medizinische Beweismittel angeschlossen.
Der Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gilt entsprechend dem Antragsformular der belangten Behörde auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass.
2. Im Rahmen des seitens des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Steiermark, (im Folgenden: belangte Behörde), durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 13.02.2018 wurde aufgrund der Aktenlage zusammengefasst im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Hüftgelenksschädigung beidseits Oberer RSW bei Coxarthrose links und Zustand nach Hüft TEP Implantation rechts
02.05.08
40
2
Wirbelsäulenschädigung Unterer RSW entspricht dem Zustand nach Spondylodese, Dekompression und Fusion L4/5, sowie Dekompression und dynamischer Stabilisierung L3/4. Eine funktionelle Stabilisierungshilfe wird benötigt.
02.01.02
40
Gesamtgrad der Behinderung
60 v.H.
Zum Gesamtgrad der Behinderung wurde begründend ausgeführt, dass die Gesundheitsschädigung (GS) 1 durch die GS 2 um zwei Stufen angehoben werde.
Zur Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde ausgeführt, dass nach Abschluss des Heilverfahrens bei bisherigen komplikationslosem Verlauf mit einem weitgehend normalen Gangbild zu rechnen sei. Eine Funktionsbesserung sei schon jetzt eingetreten.
3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 16.02.2018 wurde der BF ein unbefristeter Behindertenpass übermittelt. Der Grad der Behinderung wurde mit 60 von Hundert eingetragen.
4. Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 20.02.2018 wurde der Antrag vom 30.10.2017 auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen.
Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde auf das oben angeführte ärztliche Sachverständigengutachten von Dr. XXXX. Dieses sei als schlüssig erkannt und der Entscheidung in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt worden. Danach würden die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht vorliegen.
In der rechtlichen Beurteilung zitierte die belangte Behörde die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes und der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen.
5. Gegen den oben genannten Bescheid brachte die BF mit E-Mail vom 12.03.2018, binnen offener Frist, die als Berufung bezeichnete Beschwerde ein. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Gehvermögen der BF drastisch verschlechtert habe. Die BF könne eine Gehstrecke von 300 bis 400 Metern nicht mehr ohne Gehhilfe (Krücke oder Gehstock) meistern. Sie habe starke Schmerzen und Lähmungen in den Beinen. Die Coxarthrose links habe sich verschlechtert. An der WS L2/L3 sei ein Diskusprolaps mit Duralsackimpression festgestellt worden. Dadurch sei der Spinalkanal hochgradig eingeengt. Diese Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten ermögliche ihr nicht, ohne fremde Hilfe in ein öffentliches Verkehrsmittel ein- und auszusteigen.
6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden von der belangten Behörde dem Bundesverwaltungsgericht am 16.03.2018 vorgelegt.
7. Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde seitens des erkennenden Gerichts ein ärztliches Sachverständigengutachten eingeholt.
7.1. Im medizinischen Sachverständigengutachten von MR Dr. XXXX, Arzt für Allgemein- und Sportmedizin, vom 14.11.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF am selben Tag, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Diagnosen:
-
Höhergradige Funktionseinschränkung beider Hüften bei steiler Implantation einer Hüftendoprothese rechts mit konsekutiver X-Beinstellung und höhergradiger Abnützung links welche operationswürdig ist sowie Hüftgelenksschädigung beidseits
-
Degenerative Wirbelsäulenerkrankung mit stattgehabter Versteifungsoperation sämtlicher LWS-Segmente und entsprechenden Bewegungs- und Belastungsminderungen
-
Fingergelenksabnützung beidseits mit Endgliedfehlstellung des rechten Zeigefingers
Zum Gangbild und zur Mobilität der BF wurde festgehalten, dass das Aufstehen und Anhalten nur mit Hilfsmittel möglich sei. Der Gang - ungefähr zwei Meter zur Ordinationsliege, sei ebenso nur unter Anhalten respektive Stockhilfe möglich. Auffallend humpelndes Gangbild links, wobei rechts eine deutliche Valgusstellung der Beinachse bedingt durch eine Fehlstellung im Bereich der rechten Hüfte gegeben sei. Die Belastbarkeit im Bereich des rechten Beines sei deutlich eingeschränkt. Der Einbeinstand links gelinge dadurch nicht. Rechts sei das Heben des Beines nur unter Anhalten ca. 20 cm über dem Boden hebbar. Der Zehen- und Fersenstand sei beidseits unsicher und nur unter Anhalten kurzzeitig möglich.
In der gutachterlichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass aufgrund der durchgeführten Untersuchung im Gegensatz zum aktenmäßigen Gutachten, welches seitens der belangten Behörde eingeholt worden ist, festgehalten werde, dass eine höhergradige Funktionseinschränkung der Gangfunktion bedingt durch die Hüftgelenksschädigung beidseits als auch durch die Wirbelsäulenschädigung zu erkennen sei. Dadurch sei eine relevante Wegstrecke nur als eingeschränkt anzunehmen, Niveauunterschiede können rasch nicht überwunden werden und der sichere Transport sei aufgrund der Gesamtfunktionseinschränkung (Wirbelsäule, Hüfte aber auch Fingergelenkseinschränkung) als nicht gewährleistet zu bewerten. Bei der Beschwerdeführerin würden direkte erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen.
8. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG seitens des erkennenden Gerichtes mit Schreiben vom 21.11.2018 zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.
8.1. Weder die belangte Behörde noch die BF machte von dieser Möglichkeit Gebrauch.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die BF ist am 03.07.1943 geboren und im Besitz eines Behindertenpasses.
Die BF leidet an folgenden behinderungsrelevanten Gesundheitsschädigungen:
-
Höhergradige Funktionseinschränkung beider Hüften bei Zustand nach Implantation einer Hüftendoprothese rechts mit konsekutiver X-Beinstellung und höhergradiger Abnützung der linken Hüfte sowie Hüftgelenksschädigung beidseits
-
Degenerative Wirbelsäulenerkrankung mit stattgehabter Versteifungsoperation sämtlicher LWS-Segmente und entsprechenden Bewegungs- und Belastungsminderungen
-
Fingergelenksabnützung beidseits mit Endgliedfehlstellung des rechten Zeigefingers
Die BF leidet an einer höhergradigen Einschränkung der Gangfunktion, die durch die Hüftgelenksschädigung beidseits als auch durch die Wirbelsäulenschädigung bedingt ist.
Bei der BF liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor. Daher kommt es zu einer deutlichen Mobilitätseinschränkung.
Zudem ist aufgrund der vorliegenden Gesamtfunktionseinschränkung, nämlich höhergradige Funktionseinschränkung beider Hüften und der Wirbelsäule sowie Fingergelenkseinschränkung, der sichere Transport im öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen nicht gewährleistet.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang, die Feststellungen zum Geburtsdatum und zum Besitz des Behindertenpasses ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, der Beschwerde und dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.
Im seitens des erkennenden Gerichts eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten von MR Dr.XXXX, Arzt für Allgemein- und Sportmedizin, vom 14.11.2018, welches auf einer persönlichen Untersuchung der BF basiert, wurde auf die Art der Leiden der BF und deren Auswirkungen auf die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ausführlich, schlüssig und widerspruchsfrei eingegangen. Die getroffenen Feststellungen diesbezüglich gründen sich darauf.
Insbesondere wurde gutachterlich ausgeführt, dass durch die höhergradige Funktionseinschränkung im Bereich beider Hüften und durch die Wirbelsäulenschädigung die Gangfunktion der BF höhergradig einschränkt ist.
Im Gutachten wurden auch erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten festgehalten. Vor diesem Hintergrund, ist die Angabe der BF im Rahmen der medizinischen Begutachtung, dass sie nur 100 Meter mit Stock oder Krücke gehen könne und dann schmerzbedingt halten müsse, als glaubwürdig zu beurteilen. Daraus ist insgesamt eine deutliche Mobilitätseinschränkung ableitbar.
Aus Sicht des erkennenden Senates ist aufgrund der vorliegenden Gesamtfunktionseinschränkung der sichere Transport der BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht gewährleistet.
Der Inhalt des ärztlichen Sachverständigengutachtens von MR Dr. XXXX wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichts im Rahmen eines schriftlichen Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht und zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Eine Stellungnahme wurde seitens der Parteien nicht erstattet. Es blieb somit im gegenständlichen Verfahren unbestritten.
Es bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit dieses ärztlichen Sachverständigengutachtens, das in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt wird.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung [idgF]) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz, BGBl. Nr. 283/1990 idgF) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter gemäß § 45 Abs. 4 BBG mitzuwirken.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF) geregelt (§ 1 leg.cit.).
Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG, BGBl. Nr. 1/1930 idgF) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen.
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt. Die ärztliche Begutachtung basierte auch auf einer persönlichen Untersuchung der BF. Der Inhalt des vorliegenden Sachverständigengutachtens wurde zudem von den Verfahrensparteien im Rahmen ihres schriftlichen Parteiengehörs nicht beeinsprucht. Auch ein Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde seitens der Verfahrensparteien nicht gestellt.
Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen.
Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat gemäß § 42 Abs. 1 BBG den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind entsprechend der Erläuterungen zur oben angeführten Verordnung ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.
Entscheidend für die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist, wie sich eine bestehende Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH vom 20.10.2011, Zl. 2009/11/0032).
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Die BF leidet an erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten im Sinne des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen.
Die Gangfunktion ist höhergradig eingeschränkt. Auch der sichere Transport der BF im öffentlichen Verkehrsmittel ist unter den üblichen Transportbedingungen nicht gewährleistet.
Da die BF zudem Inhaberin eines Behindertenpasses ist, liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass jedenfalls vor.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Vollständigkeitshalber wird angemerkt, dass nunmehr die grundsätzlichen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO) mit der gegenständlichen Entscheidung vorliegen. Die belangte Behörde wird daher in weiterer Folge auch über den noch offenen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO zu entscheiden haben.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.
Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:G303.2189492.1.00Zuletzt aktualisiert am
26.03.2019