TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/30 W222 2142954-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.01.2019
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Entscheidungsdatum

30.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W222 2142954-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Obregon als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2016, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 11.01.2019 zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG und §§ 46, 52, 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte am 08.08.2012 einen Antrag auf internationalen Schutz, wozu er am gleichen Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt wurde. Der Beschwerdeführer gab an, ledig zu sein und von 2005 bis 2011 die Grundschule besucht zu haben. Anschließend habe er die High-School besucht und als Hilfsarbeiter bei einem LKW-Lenker gearbeitet. Seine Eltern und sein Bruder würden im Heimatland leben. Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer folgendes an: "Der LKW-Fahrer in Indien, bei welchem ich gearbeitet hatte, schmuggelte eines Tages ohne mein Wissen Waffen. Als der LKW-Fahrer von der Polizei kontrolliert wurde, wurde dieser verhaftet. Ich bin dann vor der Polizei geflohen. Mein Vater wurde verhaftet und zusammengeschlagen, weil die Polizei wissen wollten, wo ich war. Da sie in Erfahrung gebracht hatten, dass ich sonst bei dem LKW-Fahrer gearbeitet habe. Ich verließ das Land, weil ich Angst hatte, die Polizei würde mich mit dem Waffenschmuggel in Verbindung bringen."

Auf die Frage, was er bei einer Rückkehr in seine Heimat befürchte, gab der Beschwerdeführer an: "Ich habe Angst vor der Polizei. Sie würden mir nicht glauben, dass ich nichts wusste von dem Waffenschmuggel."

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 01.06.2016 vor dem Bundesamt für

Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei und keine Medikamente nehme. In weiterer Folge führte dieser aus: "Meine Mutter ist Hausfrau und mein Vater nimmt Gelegenheitsjobs an.

LA: Was haben Sie gearbeitet in Indien?

VP: Ich war Hilfsarbeiter bei den LKW Fahrern. Befragt gebe ich an ich bin von meinem Dorf bis nach Jammu gefahren wir haben Waren transportiert.

LA: Sie haben einen LKW Führerschein?

VP: Damals war ich sehr jung ich habe damals gelernt. Ich bin mit 15,5 nach Österreich gekommen ich lebe schon seit 4 Jahren hier.

LA: Also sind Sie nicht selber gefahren?

VP: Nein, ich war nur Aushilfe dafür habe ich auch ein bisschen Geld bekommen.

LA: Sind Sie verheiratet, haben Sie Kinder?

VP: Ich bin ledig und habe keine Kinder.

LA: Welche Ausbildung haben Sie im Herkunftsland absolviert?

VP: Ich bin 6 Jahre zur Grundschule gegangen.

LA: Wann sind Sie erstmalig in Österreich eingereist?

VP: Im Juli 2012.

LA: Haben Sie seit Ihrer Einreise Österreich verlassen?

VP: Nein.

LA: Wie lange haben Sie als Aushilfe gearbeitet bei den LKW Fahrern?

VP: Ca. 6 Monate. Ich kann mich nicht genau auf das Datum erinnern, es ist schon sehr lange her ich kann es nur ungefähr sagen.

LA: Wissen Sie ungefähr von wann bis wann?

VP: 6 Monate vor meiner Einreise in Österreich. Ich bin eine Woche nachdem meine Probleme aufgetaucht sind von dort geflüchtet, dann bin ich nach Österreich gekommen.

LA: Sind Sie vorher schon mal aus Indien ausgereist?

VP: Nein.

LA: Welche Verwandten haben Sie noch in Indien?

VP: Meine Eltern, meinen Bruder und viele andere Verwandte, Tanten väterlicherseits und mütterlicherseits.

LA: Haben Sie noch Kontakt zu Angehörigen in Indien?

VP: Nein.

LA: Warum nicht?

VP: Seit meinen Probleme habe ich überhaupt keine Kontakt zu meiner Familie.

LA: Haben Sie oder hatten Sie einen indischen Reisepass oder einen anderes Identitätsdokument?

VP: Nein.

LA: Womit bestreiten Sie Ihren Lebensunterhalt in Österreich?

VP: Ich stelle am Wochenende gelegentlich Zeitungsaufsteller auf.

LA: Welcher Volksgruppe/ Kaste gehören Sie an?

VP: Ich bin XXXX.

LA: Welche Religion haben Sie?

VP: Sikh.

LA: Hatten Sie jemals Probleme mit den Behörden Ihres Heimatlandes?

VP: Ja mit der Polizei.

LA: Waren Sie jemals politisch tätig?

VP: Nein. Ich habe nur brav gearbeitet.

LA: Waren Sie jemals in Haft?

VP: Nein.

LA: Warum haben Sie Ihr Heimatland verlassen und in Österreich einen Asylantrag gestellt? Nennen Sie bitte all Ihre Fluchtgründe!

VP: Wir haben aus Kaschmir Äpfel nach XXXX per LKW gebracht. Ich habe nicht gewusst dass der Fahrer ein Waffenschmuggler ist. Eines Tages bei einer Routinekontrolle habe ich gesehen dass der Fahrer von der Polizei verhaftet worden ist. Ich habe auch die Waffen gesehen. Damals bin ich auf die Toilette gegangen. Ich habe gesehen dass die Polizei zu mir kommt, und bin davon gelaufen. Ich bin zu einem Dhaba (Autobahnraststätten) ich hab meine Familie angerufen, und ihnen diese Probleme geschildert. Mein Vater hat mir gesagt ich soll nicht nach Hause kommen. Ich bin zu meiner Tanten väterlicherseits nach XXXX gegangen. Ich habe öfter mit meiner Familie telefoniert, die Polizei hat mich immer zu Hause gesucht. Mein Vater wurde von der Polizei mitgenommen. Der Fahrer hat für die Politiker gearbeitet. Die eigentlichen Schmuggler waren die Politiker. Das waren die Abgeordneten. Die Abgeordneten wollten dass ich zurückkehre, damit, die Polizei nichts gegen die Abgeordneten tut. Damit sie sauber sind. Meine Mutter wollte nicht dass ich zurückkehre sie hat meinen Onkel angerufen und gesagt dass er einen Schlepper organisieren soll. Sein Sohn lebt in Australien er heißt XXXX. Ich bin gemeinsam mit dem Schlepper innerhalb von zwei Tagen von Delhi nach Moskau gekommen. In Moskau habe ich mich zwei Tage in einem Schlepperquaritier aufgehalten, danach mit verschiedenen Verkehrsmittel und LKWs gefahren. Ich war immer auf der Ladefläche eines LKWs. Ich dachte dass ich nach Australien fahre. Ich bin hier in den Nachtstunden abgesetzte worden. Ein Zeitungszusteller aus Indien hat mir gesagt, dass ich mich in Österreich befinde und nicht in Australien. Ich habe zum Weinen angefangen. Ich habe in gefragt was ich tun soll, ich war die ganze Nacht mit ihm zusammen. Am nächsten Tag hat er mir was zum Essen gebracht. Er hat mir gesagt dass er hier einen Platz gibt wo ich mich hinwenden soll. Er hat mir sehr viel geholfen. Ich bin dann mit einer Straßenbahn zum Camp gefahren wo ich einen Asylantrag gestellt habe.

LA: Haben Sie nun all Ihre Fluchtgründe genannt?

VP: Ja. Ich bin schon 18 Jahre alt, ich darf hier nicht arbeiten und vorher hatte ich auch keine Unterstützung vom Staat bekommen.

LA: Was hätten Sie im Fall einer Rückkehr nach Indien zu befürchten?

VP: Die Polizei wartet auf mich. Mein Vater wurde für 2 Jahre von der Polizei eingesperrt. Die Polizei hat ihn geschlagen. Meine Familie wird von den Abgeordneten schikaniert. Mein Vater hat gegen diese Abgeordneten ausgesagt.

LA: Können Sie irgendwelche Beweismittel vorlegen oder noch beibringen?

VP: Nein.

LA: Haben Sie Einwände dagegen, dass erforderlichenfalls weitere Ermittlungen zu Ihrem Vorbringen in Indien, auch unter Einschaltung eines Verbindungsbeamten oder eines Vertrauensanwaltes, durchgeführt werden? Es werden dabei keinesfalls persönliche Daten an die Behörden Ihres Heimatstaates weitergegeben.

VP: Nein.

Anmerkung: Ihnen wird nun die Möglichkeit eingeräumt, in das vom BFA zur Beurteilung Ihres Falles herangezogene Länderinformationsblatt zu Ihrem Heimatland samt den darin enthaltenen Quellen Einsicht und gegebenenfalls schriftlich Stellung zu nehmen. Diese Quellen berufen sich vorwiegend unter anderem auf Berichte von EU-Behörden von Behörde von EU-Ländern aber auch Behörden anderer Länder, aber auch Quellen aus Ihrer Heimat wie auch zahlreichen NGOs und auch Botschaftsberichten, die im Einzelnen auch eingesehen werden können.

VP: Nein.

LA: Wie heißen Ihre Großeltern väterlicherseits?

VP: XXXX und XXXX.

LA: Wo genau in Indien haben Sie gelebt?

VP: In XXXX es gibt keine Straßennamen oder Hausnummern.

LA: Gibt es andere Dörfer die so heißen?

VP: Nein.

LA: Beschreiben Sie das Dorf bitte, wie viele Leute leben dort?

VP: Vor 4 Jahren waren in meinem Dorf 60 Häuser. Dort leben zwischen 150 und 200 Personen.

LA: Was gibt es in der Nähe, welche Ortschaften liegen rundherum?

VP: In dem Dorf war auch eine Schule. Befrag gebe ich an XXXX dort gibt es die Klasse 1-5. Danach gibt es die Stadt XXXX.

LA: Gibt es eine Hauptstraße?

VP: Ja.

LA: Wie heißt sie?

VP: Es gibt keine Straßennamen, hier gibt es Straßennamen dort gibt es nur den Namen vom Dorf.

LA: Gibt es dort Wälder, Gewässer oder Tempel?

VP: Es gibt einen Sikh Tempel in dem Dorf, Gewässer gibt es nicht.

LA: Wann ist Ihr Vater eingesperrt worden?

VP: Zwei Tage nach meiner Flucht.

LA: Das heißt jetzt ist er wieder frei?

VP: Ja er ist mit einer Kaution frei gekommen aber das Verfahren läuft noch gegen ihn. Die Abgeordneten haben 2-5 Mio Rupien angeboten damit ich zurück nach Indien gehe.

LA: Warum wurde Ihr Vater festgenommen?

VP: Die Polizei hat gesagt sie werden ihn dann enthaften wenn ich nach Indien zurückkomme.

LA: Warum hat man ihn dann trotzdem frei gelassen?

VP: Es gibt ein Gesetz nach dem man ein paar Jahre in Haft sitzt und dann gegen Kaution freigelassen wird.

LA: Von welchen Abgeordneten sprechen Sie?

VP: XXXX und XXXX. Befragt gebe ich an der XXXX ist XXXXund XXXX ist sein Sekretär. Sie schmuggeln Drogen und Waffen ich habe das im Nachhinein erfahren damals war ich sehr jung.

LA: Welches Gebiet wird von den Genannten verwaltet?

VP: Das Dorf XXXX. Befragt gebe ich an das Dorf ist ca 20-25 km entfernt von meinem Dorf.

LA: Wie genau ist es Ihnen gelungen von der Polizei zu fliehen als die Kontrolle war?

VP: Der Fahre hat mir gesagt ich soll flüchten. Es waren viele Polizisten mit 2 Polizeiautos und es gab auch ein Polizeisperre und Barrikade. Ich habe gesehen wie sie den Fahrer geschlagen haben und bin dann in ein Waldstück geflüchtet.

LA: Wieso haben Sie nicht gemerkt dass Waffen geschmuggelt werden? Wo waren die Waffen versteckt?

VP: Sie haben sie vor mir versteckt unter den Äpfeln.

LA: Wie weit sind Sie gefahren von Ihrem Ort bis nach Jammu?

VP: Ca. 400 km.

LA: Sie waren ja noch minderjährig warum hat man Sie beschuldigt?

VP: In Indien ist es so, wenn ein Mensch arm oder nicht einflussreich ist wird er von der Polizei beschuldigt.

LA: Gibt es eine FIR gegen Sie?

VP: Ja. Befragt gebe ich an in XXXX.

LA: Wie lange sind Sie von Ihrem Ort nach Jammu gefahren?

VP: Ca. eineinhalb Tage mit Zwischenstopps. Wir haben mehrmals Pause eingelegt fürs essen.

LA: Wie lange und wie oft haben Sie Pause gemacht?

VP: Dreimal zwischen einer halben und einer Stunde jeweils.

LA: Wann sind Sie losgefahren?

VP: In der Früh um 5 Uhr. Befragt gebe ich an wir kamen am nächsten Tag am Abend an.

LA: Laut Google Map beträgt die Entfernung ca 200 km.

VP: Die LKWs sind nicht so schnell gefahren.

LA: Es gibt aber einen Highway.

VP: Ja wir sind auf dem Highway gefahren und der Fahrer ist selbstständig und ist gefahren wie er wollte und damals war ich noch ein Kind und kann mich nicht genau erinnern.

LA: Was ist mit dem Fahrer passiert?

VP: Er sitzt noch im Gefängnis.

LA: Wie heißt der Fahrer? Und wissen Sie in welchem Gefängnis er ist?

VP: XXXX. Ich weiß nicht welches Gefängnis.

LA: Warum haben Sie sich den Ladungen in Traiskirchen entzogen?

VP: Ich habe nie was bekommen, sie haben mir einmal meine Asylkarte per Post geschickt, da ich Sikh bin wollte ich nicht dort bleiben weil dort Fleisch serviert wird ich bin dann zu einem Sikh Tempel gegangen.

LA: Können Sie den LKW beschreiben? Wie viele LKW s hatte der Fahrer?

VP: Er hatte nur einen LKW, er hatte 6 Reifen, rot lackiert, gebraucht nicht neu. Befragt gebe ich an die Marke kenne ich nicht.

LA: Was stand auf dem LKW?

VP: Gar nichts.

LA: Wie hieß die Transportfirma?

VP: Er hat schwarz geliefert. Er hat für den XXXX gearbeitet sie arbeiten alle schwarz.

LA: Wie sind Sie zu dem Job gekommen?

VP: XXXX war aus meinem Dorf ich habe ihn gekannt. Befragt gebe ich an ich habe ihn nach einem Job gefragt.

LA: Haben Sie Familienangehörige in Österreich?

VP: Nein.

LA: Leben Sie mit jemand in Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft? Wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft!

VP: Nein.

LA: Wie sieht Ihr Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich aus? Zum wem haben Sie Kontakt, mit wem haben Sie Umgang?

VP: Ich habe viele Freunde aus Indien hier.

LA: Wie gestalten Sie Ihre Freizeit in Österreich?

VP: Ich besuche den Sikh Tempel oder verbringe meiner Freizeit in Parks.

LA: Welche Sprachen sprechen Sie?

VP: Englisch und Punjabi, Hindi. Deutsch ein bisschen.

LA: Haben Sie in Österreich sonstige Kurse oder sonstige Ausbildungen absolviert?

VP: Ja einen Deutschkurs A1 Niveau dafür habe ich 200 Euro bezahlt aber ich habe die Bestätigung verloren, ich möchte auch einen A2 Kurs besuchen, dafür sammle ich Geld.

LA: Sind oder waren Sie in Vereinen oder Organisationen in Österreich tätig oder nehmen Sie auf andere Weise am sozialen bzw. kulturellen Leben in Österreich teil?

VP: Nein.

LA: Wann wurde der Fahrer kontrolliert?

VP: An das Datum kann ich mich nicht erinnern ich glaube es war Mai oder Juni 2012. Es ist schon sehr lange her.

LA: Sie gaben an eine Woche danach ausgereist zu sein stellten den Antrag aber erst im August 2012.

VP: Das war nur ungefähr es war aber im Jahr 2012. Ich habe dann hier in Wien von einem Freund erfahren welcher aus meinem Dorf kommt, dass meine Eltern nicht mehr in XXXX leben sondern in Delhi. Ich glaube sie sind in Delhi da wir viele Verwandte in Delhi haben. Sie sind deswegen ausgereist, weil die Polizei immer zu Hause war.

LA: Wissen Sie wo in Delhi?

VP: Nein.

LA: Wann haben Sie davon erfahren?

VP: Im Dezember 2015."

Am 01.06.2016 stellte das BFA eine Anfrage an die Staatendokumentation betreffend das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers. Das Rechercheergebnis vom 26.07.2016 ergab folgendes: "Dem Bericht des Vertrauensanwalts ist zu entnehmen, dass sich die Familie des Antragstellers nicht mehr an der angegebenen Örtlichkeit aufhält. Es konnte auch keine Person namens XXXX, die in illegale Waffentransporte verwickelt war, gefunden werden. Dem Bericht des Vertrauensanwaltes zufolge liegt kein Haftbefehl gegen den Antragsteller vor und wird dieser auch nicht von der Polizei gesucht. Ferner ist beim angeführten Gericht kein Verfahren gegen den Antragsteller anhängig.

Dem Bericht des Vertrauensanwaltes zufolge konnten im Zuge der Recherche an unterschiedlichen Örtlichkeiten keine Hinweise auf den Antragsteller und dessen Familienangehörige gefunden werden. Es ergaben sich lediglich Hinweise auf eine Person namens XXXX (Vater des Antragstellers), welcher sich den Recherchen zufolge jedoch seit 20 Jahren in Deutschland aufhält. Die Recherchen haben weiters ergeben, dass die angeführte Transportfirma im Dorf nicht existiert und es konnte auch keine Person namens XXXX, die an einem Transportunternehmen beteiligt ist, gefunden werden. Dem Bericht des Vertrauensanwaltes zufolge befinden sich noch zwei weitere Dörfer mit der BezeichnungXXXX im Punjab."

Bei der niederschriftlichen Einvernahme am 08.11.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gab der Beschwerdeführer an, dass er gesund sei und keine Medikamente nehme. Dem Beschwerdeführer wurden die Rechercheergebnisse zur Kenntnis gebracht: "In der Einvernahme am 01.06.2016 gaben Sie an, bei einer Firma in Indien beschäftigt gewesen zu sein. Bei einer Routinekontrolle, vermutlich im Mai oder Juni 2012 hätte die Polizei in dem LKW dieser Firma eine illegale Waffenlieferung gefunden. Der Fahrer namens XXXX sei verhaftet worden. Ihnen wäre die Flucht gelungen. Sie würde jetzt von der Polizei gesucht werden. Ihr Vater wäre auf Grund dieses Vorbringens verhaftet worden und zwei Jahre inhaftiert gewesen und in weiterer Folge auf Kaution entlassen worden. Der Vater sei zwei Tage nach Ihrer Ausreise verhaftet worden (Mai, Juni 2012). Auch gegen Sie gäbe es eine FIR in XXXX. Die Eltern wären in der Zwischenzeit nach Delhi gezogen. Davor hätten Sie mit Ihrer Familie im Dorf XXXX in XXXX, in der Provinz Punjab, gelebt. Sie und Ihr Vater wären auch von den AbgeordnetenXXXXund seinem Sekretär XXXX schikaniert worden. Haben Sie das so angegeben?

VP: Ja.

Eine Recherche ergab folgendes:

LA: Ihr Vater lebt seit 20 Jahren in Deutschland.

VP: Ja, das stimmt.

LA: Es konnte weder eine Transportfirma im Dorf, noch eine Person namens XXXX gefunden werden.

VP: Ja.

LA: Ihr Vater wurde nicht inhaftiert.

VP: Ja.

LA: Es gibt keine Anzeige gegen Sie in XXXX.

VP: Doch.

LA: Es wurden noch zwei weitere Dörfer mit diesem Namen in Punjab gefunden. Aber Sie gaben an, aus XXXX zu stammen. Sie gaben an, Abgeordnete XXXX und XXXX wollten, dass Sie nach Indien zurückkommen. Die von Ihnen genannten Personen leben nicht im Dorf und kennen Sie nicht. Sie leben auch nicht 20-25km von Ihnen entfernt. Der Genannte ist kein XXXX mehr. Was sagen Sie dazu?

VP: Stimmt.

LA: Wenn das alles stimmt, dann haben Sie ja bei der Einvernahme nicht die Wahrheit gesagt.

VP: Ja, ich habe die Wahrheit gesagt, das ist schon so lange her.

LA: Sie gaben an, Ihr Vater sei inhaftiert worden und jetzt sagen Sie, er lebt in Deutschland.

VP: Nein, ich habe gemeint, er lebt in Deutschland aber er kommt zu Besuch nach Indien.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien (Spruchpunkt II.) abgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen sowie festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für seine freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

Beweiswürdigend hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl betreffend die konkreten Gründe für das Verlassen des Herkunftsstaates im Wesentlichen fest, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft sei. "Zunächst ist anzugeben, dass Sie behauptet hatten von den Behörden in Indien gesucht zu werden, da Sie in Verdacht stünden, gemeinsam mit einem Waffenschmuggler gearbeitet zu haben. Würde diese Angabe den Tatsachen entsprechen, so stellte eine Suche nach Ihrer Person in dieser Konstellation keine Verfolgung im Sinne der GFK dar. Sie meinten, ein LKW Fahrer, mit dem Sie zusammengearbeitet haben sollen, sei im Zuge einer Routinekontrolle des LKW¿s beim Schmuggeln von Waffen ertappt worden. Sie hätten sich zu dieser Zeit nicht im LKW befunden, weshalb Sie der Polizei davongelaufen sein sollen. Sie gaben auch an, damals minderjährig gewesen zu sein und von diesem Schmuggel nichts gewusst zu haben. Sie hätten sich sohin den Behörden stellen können um Ihre Unschuld zu beweisen. Wenn Sie behaupten die Polizei hätte Sie zu Hause gesucht, dann wäre diese lediglich deren Ermittlungstätigkeit nachgekommen. Ihnen ist es jedoch nicht gelungen diese Behauptungen glaubhaft zu machen. Sie konnten keine Details über diese Firma angeben, für die Sie tätig gewesen sein sollten. Nach dem Namen gefragt, konnten Sie keinen angeben. Dies rechtfertigten Sie damit, die Firma hätte nicht offiziell bestanden und der Fahrer hätte unangemeldet geliefert. Abgesehen davon konnten Sie den LKW nicht beschreiben. Sie gaben lediglich an, dass er rot gewesen sei und sechs Reifen gehabt hätte. Wären Sie tatsächlich beruflich bedingt oft mit dem LKW unterwegs gewesen, würden Sie diesen näher beschreiben können. Schließlich meinten Sie gut ein halbes Jahr für das Unternehmen tätig gewesen zu sein.

Weiter konnten Sie sich örtlich nicht im Entferntesten orientieren und gaben absurde Zeitangaben in Relation zu den, von Ihnen angegebenen Strecken, an. Sie waren außer Stande die Gegend zu beschreiben, in der Sie sich aufgehalten haben sollen. Sie wussten keine Straßennamen.

Befragt, weshalb Sie dort beschäftigt gewesen sein sollen, gaben Sie an ein Bekannter aus Ihrem Herkunftsdorf namens XXXX habe Ihnen zu dem Job verholfen. Eine Recherche ergab, dass es keine Person mit diesem Namen in dem von Ihnen angegebenen Dorf gibt.

Auch den Moment Ihrer mutmaßlichen Flucht vor der Polizei stellten Sie vage und unglaubwürdig dar, indem Sie behauptete hatten, gesehen zu haben wie die Polizei in Ihre Richtung gekommen sein soll und es Ihnen gelungen sei davonzukommen, obwohl laut Ihren Angaben "viele Polizisten mit zwei Polizeiautos" vor Ort gewesen sein sollen. Genauer befragt gaben Sie an, der Fahrer hätte Ihnen gesagt, Sie sollten fliehen, obwohl Sie zuvor meinten gesehen zu haben, wie der Fahrer verhaftet worden sei. Wenn er also verhaftet worden wäre und er Sie dennoch warnen hätte können, so hätten Sie sich in unmittelbarer Nähe aufhalten müssen und ist eine Flucht höchst unwahrscheinlich, zumal Ihren Angaben nach, wie bereits erwähnt mehrere Polizisten mit deren Autos vor Ort gewesen sein sollen und Sie, als Beifahrer und ohne Führerschein demnach zu Fuß unterwegs gewesen wären.

Sie gaben an nun Problem mit der Polizei zu haben, da Sie angezeigt worden wären.

Ihr Vater sei zwei Tage nach Ihrer mutmaßlichen Flucht verhaftet, mittlerweile aber gegen Kaution entlassen worden. Auf die Frage, weshalb er verhaftet worden sei, wichen Sie aus und gaben in Widerspruch zu Ihrer vorher getätigten Aussage an, die Polizei hätte ihn erst nach Ihrer Rückkehr enthaften wollen. Sie steigerten das Vorbringen, indem Sie angeben hatten, Abgeordnete hätten für Ihre Rückkehr Geld geboten. Abgesehen von dieser Steigerung und den Widersprüchen ist anzumerken, dass Nachforschungen ergeben hatten, dass sich Ihr Vater seit gut 20 Jahren nicht in Indien befindet. Er wurde in Indien nie verhaftet. Es gibt auch keine Hinweise auf die Transportfirma. Es gibt keine Anzeige oder einen Haftbefehl gegen Sie in XXXX, wie Sie behauptet hatten. Die von Ihnen angegebenen Abgeordneten und sein Sekretär waren bis 2012 tätig und sind für XXXXzuständig gewesen und ist Ihre Person nicht bekannt.

Abschließend ist anzumerken, dass Ihr Vorbringen, in Zusammenschau mit den vagen und widersprüchlichen Angaben sowie den Ergebnissen der Recherche, der Sie nichts entgegnen konnten beziehungsweise fast zur Gänze bestätigt hatten, offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht.

Sie konnten im gegenständlichen Verfahren keine wohlbegründete Frucht vor Verfolgung im Sinne der GFK glaubhaft machen. Ihre Angaben waren vage und widersprüchlich.

Zudem existiert, kein Meldewesen in Ihrem Heimatland, wie sich aus dem LIB zur Lage in Indien ergibt, sodass Ihnen jedenfalls die Möglichkeit offensteht, sich an einen anderen Ort in Ihrem Herkunftsstaat zu begeben, um Ihren angeblichen Problemen zu entgehen. Dass man gerade Sie in ganz Indien suchen und auch finden sollte, ist, wie erwähnt, widersprüchlich zur im LIB geschilderten allgemeinen Lage und somit aus Sicht der Behörde nicht glaubhaft.

Die von Ihnen genannten Verfolgungshandlungen beschränken sich allenfalls auf einen regionalen Bereich.

Es ist Ihnen nicht gelungen, eine Verfolgung auf dem ganzen Staatsgebiet Indiens glaubhaft zu machen, da Sie sich wie bereits erwähnt, wie sich aus den Feststellungen ergibt, in Indien außerhalb Ihrer engeren Heimat niederlassen können und Ihnen daher eine inländische Flucht- bzw. Schutzalternative offensteht.

Ihre Angaben Ihr Fluchtvorbringen betreffend waren äußerst widersprüchlich und vage.

Abschließend ist zu erklären, dass Sie sich mit dem Verlassen Indiens dazu entschlossen hatten, die äußerste aller Möglichkeiten zu wählen, um Ihren vermeintlichen Problemen zu entgehen.

Aus Ihrer Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit im Rahmen der amtswegigen Prüfung ergibt sich keine Gefahr einer systematischen, landesweiten, staatlich geduldeten asylrelevanten Verfolgung.

Die erkennende Behörde gelangt daher im Rahmen der von ihr vorzunehmenden Beweiswürdigung zu einem den Denkgesetzen und den Erfahrungen des Lebens entsprechenden Ergebnis, indem Sie aufgrund der getroffenen Feststellungen und Ihres widersprüchlichen Vorbringens zu Ihren Fluchtgründen zu dem Schluss kommt, dass der maßgebliche, den Fluchtgrund betreffenden Sachverhalt nicht den Tatsachen entspricht und Sie mit Ihrem Vorbringen keine Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK glaubhaft gemacht haben."

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

Am 11.01.2019 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt, der der Beschwerdeführer trotz ordnungsgemäßer Ladung unentschuldigt fernblieb.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Indien, gehört der Volksgruppe der XXXX und der Religionsgemeinschaft der Sikhs an. Der Beschwerdeführer stammt aus dem Bundesstaat Punjab. In Indien besuchte er sechs Jahre lang die Grundschule und anschließend die High School. In Indien leben die Mutter und der Bruder des Beschwerdeführers. Der Vater des Beschwerdeführers lebt seit zwanzig Jahren in Deutschland.

Im österreichischen Bundesgebiet verfügt der ledige und kinderlose Beschwerdeführer über keine Familienangehörigen und er lebt auch nicht in einer Lebensgemeinschaft. Der Beschwerdeführer gab an etwas Deutsch zu sprechen und einen A1 Deutschkurs besucht zu haben; eine diesbezügliche Bestätigung hat dieser bis dato jedoch nicht vorgelegt. Er ist nicht Mitglied in einem Verein und betätigt sich auch nicht sozial. Er hat indische Freunde.

Er ist gesund, arbeitsfähig und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer sein Herkunftsland aus den von ihm genannten Gründen verlassen hat.

Zur Lage in Indien:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

Quellen:

-

BBC (10.4.2017): Kashmir violence: Eight killed in clashes during by-election, http://bbc.in/2oo04gV, Zugriff 11.4.2017

-

Reuters (10.4.2017): India clamps down on Kashmir transport after poll violence kills 8,

http://in.reuters.com/article/india-kashmir-idINKBN17B06F, Zugriff 11.4.2017

-

Times of India (11.4.2017): Lack of pre-emptive policing led to low voter turnout in Kashmir

http://timesofindia.indiatimes.com/india/lack-of-pre-emptive-policing-led-to-low-voter-turnout-in-kashmir/articleshow/58118340.cms, Zugriff 11.4.2017

Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kont

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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