TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/4 W178 2209982-1

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Veröffentlicht am 04.02.2019
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Entscheidungsdatum

04.02.2019

Norm

ASVG §18b
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W178 2209982-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr in Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde der Frau XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt (PVA) vom 01.10.2018, Zl. HVBA/XXXX XXXX, betreffend Selbstversicherung nach § 18b ASVG zu Recht erkannt:

A) Der Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Auf Antrag von Frau XXXX (Beschwerdeführerin) vom 11.09.2018 hat die Pensionsversicherungsanstalt mit Bescheid vom 01.10.2018 das Recht auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger gemäß 18b ASVG abgelehnt. Zur Begründung wird ausgeführt, dass für die angegebene nahe Angehörige Anspruch auf Pflegegeld in Höhe der Stufen 3,4,5,6 oder 7 gemäß § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder eines Landespflegegeldgesetzes nicht nachgewiesen sei.

2. Gegen den Bescheid hat die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde erhoben. Sie brachte vor, dass in der Zwischenzeit das Pflegegeld aus Tschechien rückwirkend mit 01.09.2017 von der Stufe 2 auf die Stufe 3 erhöht worden sei und belegte dies durch entsprechende Unterlagen von der tschechischen Institut, die für das Pflegegeld zuständig ist..

3. Im Zuge der Beschwerdevorlage am 19.11.2018 weist die belangte Behörde darauf hin, dass die gepflegte Person (Mutter der Beschwerdeführerin) kein Pflegegeld aus Österreich beziehe. Das bezogene Pflegegeld der Mutter stamme aus Tschechien. Der Beschwerde wäre daher keine Folge zu geben.

4. Mit Schreiben vom 30.11.2018 räumte das BVwG der belangten Behörde die Möglichkeit ein, die Begründung des Bescheides im Beschwerdeverfahren nachzuholen, da nur aus dem vorgelegten Akt, insbesondere der Stellungnahme zur Beschwerde, jedoch nicht aus der Bescheidbegründung hervorgehe, dass es sich um einen Sachverhalt handelt, der zwei Mitgliedsstaaten der EU betrifft und in welcher Weise dieser von der PVA beurteilt wird.

5. Die belangte Behörde übermittelte am 11.12.2018 eine Ergänzung. Im gegenständlichen Fall sei gemäß VO 883/2004 nicht Österreich, sondern Tschechien zuständig, da die Mutter der Beschwerdeführerin Pflegegeldleistungen aus Tschechien beziehe. Es werde zudem auf die Entscheidung des BVwG W178 2151226-1/4E. verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin stellte am 11.09.2018 einen Antrag auf Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger (ihrer Mutter) gemäß 18b ASVG.

Die Beschwerdeführerin ist österreichische Staatsbürgerin und war nach dem Versicherungsdatenauszug in Österreich bis Ende Oktober 2018 beschäftigt und sozialversichert.

Die Mutter der Beschwerdeführerin ist tschechische Staatsangehörige und bezieht eine Pflegegeldleistung aus Tschechien. Sie wohnt im gemeinsamen Haushalt mit der Beschwerdeführerin in Österreich.

2. Beweiswürdigung:

Diese Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der belangten Behörde und des Gerichts, sowie aus den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Unterlagen; sie sind unstrittig.

Die Staatsangehörigkeiten und der gemeinsame Wohnsitz ergeben sich aus den eingeholten ZMR-Anfragen.

Die Beschäftigung und Sozialversicherung der Beschwerdeführerin wurde anhand eines Auszuges aus dem Sozialversicherungsregister erhoben.

Dass die Mutter der Beschwerdeführer eine Pflegegeldleistung aus Tschechien bezieht ist von Seiten der Beschwerdeführerin unbestritten und ergibt sich aus den im Verfahren vorgelegten Schriftstücken der tschechischen Behörde (Ministerstvo prace a socialnich veci).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit

Es sind die Verordnung (EG) Nr. 883/2004 des Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit, und die Verordnung (EG) Nr. 987/2009 vom 16.09.2009 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 883/2004, heranzuziehen.

Nach Artikel 3 Abs 1 lit a VO 883/2004 erstreckt sich der sachliche Geltungsbereich dieser Verordnung auf alle Rechtsvorschriften, die Leistungen bei Krankheit betreffen.

Nach Art. 10 dieser VO, wird, sofern nichts anderes bestimmt ist, aufgrund dieser VO ein Anspruch auf mehrere Leistungen gleicher Art aus derselben Pflichtversicherungszeit weder erworben noch aufrechterhalten.

Nach Art. 21 der VO (EG) 883/2004 haben ein Versicherter und seine Familienangehörigen, die in einem anderen als dem zuständigen Mitgliedstaat wohnen oder sich dort aufhalten, Anspruch auf Geldleistungen, die vom zuständigen Träger nach den für ihn geltenden Rechtsvorschriften erbracht werden. Im Einvernehmen zwischen dem zuständigen Träger und dem Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts können diese Leistungen jedoch vom Träger des Wohn- oder Aufenthaltsorts nach den Rechtsvorschriften des zuständigen Mitgliedstaats für Rechnung des zuständigen Trägers erbracht werden.

3.2. Gesetzliche Bestimmungen in Österreich (ASVG):

Selbstversicherung in der Pensionsversicherung für Zeiten der Pflege naher Angehöriger

§ 18b. (1) Personen, die einen nahen Angehörigen oder eine nahe Angehörige mit Anspruch auf Pflegegeld zumindest in Höhe der Stufe 3 nach § 5 des Bundespflegegeldgesetzes oder nach den Bestimmungen der Landespflegegeldgesetze unter erheblicher Beanspruchung ihrer Arbeitskraft in häuslicher Umgebung pflegen, können sich, solange sie während des Zeitraumes dieser Pflegetätigkeit ihren Wohnsitz im Inland haben, in der Pensionsversicherung selbstversichern. Je Pflegefall kann nur eine Person selbstversichert sein. Die Pflege in häuslicher Umgebung wird durch einen zeitweiligen stationären Pflegeaufenthalt der pflegebedürftigen Person nicht unterbrochen.

(1a) Die Selbstversicherung ist für die Zeit einer Pflichtversicherung nach § 8 Abs. 1 Z 2 lit. j auf Grund des Bezuges eines aliquoten Pflegekarenzgeldes ausgeschlossen.

(2) Die Selbstversicherung beginnt mit dem Zeitpunkt, den die pflegende Person wählt, frühestens mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Pflege aufgenommen wird, spätestens jedoch mit dem Monatsersten, der dem Tag der Antragstellung folgt.

(3) Die Selbstversicherung endet mit dem Ende des Kalendermonats,

1. in dem die Pflegetätigkeit oder eine sonstige Voraussetzung nach Abs. 1 weggefallen ist oder

2. in dem die pflegende Person den Austritt aus dieser Versicherung erklärt hat.

(4) Der Versicherungsträger hat ab dem dem Beginn der Selbstversicherung folgenden Kalenderjahr regelmäßig festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Selbstversicherung noch gegeben sind. Die selbstversicherte Person ist verpflichtet, das Ende der Pflegetätigkeit innerhalb von zwei Wochen dem Versicherungsträger zu melden.

(5) Das Ende der Selbstversicherung steht hinsichtlich der Berechtigung zur Weiterversicherung in der Pensionsversicherung dem Ausscheiden aus der Pflichtversicherung im Sinne des § 17 Abs. 1 Z 1 lit. a gleich.

(6) Die selbstversicherte Person ist dem Zweig der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz zugehörig, in dem sie zuletzt Versicherungszeiten erworben hat. Liegen keine Versicherungszeiten in der Pensionsversicherung nach diesem Bundesgesetz vor, so ist die selbstversicherte Person der Pensionsversicherung der Angestellten zugehörig.

3.3. Judikatur

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit dem Urteil vom 05.03.1998, Rechtssache C-160/96 - Molenaar, entschieden, dass Pflegegeld eine Geldleistung bei Krankheit im Sinne der in Geltung gestandenen Verordnung über die Soziale Sicherheit darstellt, insofern ist das Pflegegeld auch bei einem Aufenthalt in anderen Staaten der EU und des EWR zu leisten.

Auch der OGH, vgl. 10ObS3/14k vom 28.01.2014 mwH, teilt diese Auffassung.

Entsprechend der Judikatur des EuGH , vgl. Urteil C-501/01 Gaumain-Cerri, RZ 27 sowie Urteile des EuGH vom 8.7.2004, Rechtssache C-502/01 und C-3102, muss die Tragung der Rentenversicherungsbeiträge des Dritten, von dem sich ein Pflegebedürftiger Leistungen der häuslichen Pflege erbringen lässt, selbst auch als Geldleistung der Krankenversicherung qualifiziert werden, da sie in dem Sinne zum eigentlichen Pflegegeld eben akzessorisch ist, als sie dieses unmittelbar für eine seiner möglichen Verwendungen vervollständigt, nämlich die Inanspruchnahme der von einem Dritten geleisteten häuslichen Pflege, die sie erleichtern soll.

Die Renten-/Pensionsversicherung der Pflegeperson ist daher akzessorisch zum Pflegegeld und wird nach denselben Grundsätzen koordiniert.

Im gegenständlichen Fall ist daher für die Absicherung des Risikos des Alters (Renten- bzw. Pensionsversicherung) der pflegenden Person, d.h. der Beschwerdeführerin, gemäß der VO 883/2004 nicht Österreich, sondern Tschechien zuständig.

Ein Recht auf Selbstversicherung nach österreichischem Recht (§ 18b ASVG) kommt daher der Beschwerdeführerin nicht zu. Der Bescheid der PVA ist im Ergebnis zu bestätigen.

3.4. Zu B) Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Nach der oben zitierten ständigen Judikatur des EuGH, vgl. Urteil C-501/01 Gaumain-Cerri, RZ 27, Urteile des EuGH vom 08.07.2004, Rechtssache C-502/01 und C-31020ist unzweifelhaft der Mitgliedsstaat für die Pensionsversicherung der Pflegeperson (§ 18b ASVG in Österreich) zuständig, der für das Pflegegeld zuständig ist.

Schlagworte

Pflegegeld, Selbstversicherung, Unionsrecht, Zuständigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W178.2209982.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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