TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/7 W164 2123125-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.02.2019
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Entscheidungsdatum

07.02.2019

Norm

AlVG §1 Abs1 lita
ASVG §4 Abs1 Z1
ASVG §4 Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W164 2123125-1/19E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Rotraut LEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX, geb. XXXX, vertreten durch Rechtsanwältin Monique Bocklage, Hamburg, gegen den Bescheid der Wiener Gebietskrankenkasse, vom 19.01.2016, Zl. VA-VR XXXX, insoweit dieser die Versicherungspflicht der XXXX nach § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG aufgrund ihrer Beschäftigung bei der XXXX GmbH ab 01.10.2008 implizit verneint, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) teilweise Folge gegeben und es wird in Abänderung des (im Umfang seiner impliziten Verneinung der verfahrensgegenständlichen Versicherungspflicht ab 01.10.2008 bekämpften) Bescheides festgestellt, dass die BF von 01.10.2008 bis 31.12.2009 der Versicherungspflicht nach § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG unterlag. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid vom 19.01.2016, Zl. VA-VR XXXX, stellte die Wiener

Gebietskrankenkasse (im Folgenden WGKK, =belangte Behörde) fest,

dass Frau XXXX (im Folgenden Beschwerdeführerin, =BF) nur in der

Zeit von 01.10.2007 bis 30.09.2008 aufgrund ihrer Beschäftigung bei der Dienstgeberin XXXX GmbH, XXXX, (eines Teilunternehmens des XXXX Konzerns), der Voll- und Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG unterlag. Zur Begründung führte die WGKK aus, die BF sei von ihrer Dienstgeberin ab 01.10.2007 zur Pflichtversicherung gemeldet worden. Schon in der Anmeldung sei eine Wohnadresse in Montenegro genannt worden. Mit Schreiben vom 16.03.2009 habe die Dienstgeberin der WGKK mitgeteilt, dass die BF für die Niederlassung in Wien aufgenommen worden sei und dass man sie temporär nach Montenegro entsandt habe. Diesem Schreiben sei eine Entsendevereinbarung vom 06.09.2007 beigefügt gewesen. Am 23.03.2009 habe die WGKK eine Bescheinigung über die anzuwendenden Rechtsvorschriften für den Zeitraum 01.10.2007 bis 30.09.2008 (Formblatt A/YU 1) ausgestellt.

Im Zeitraum 21.04.2014 bis 12.05.2014 habe die BF Krankengeld bezogen und im Zeitraum 13.05.2014 bis 05.12.2014 Wochengeld. Am 20.02.2015 habe die BF Kinderbetreuungsgeld beantragt. Da zu diesem Zeitpunkt die Höchstdauer für die Entsendung abgelaufen gewesen sei, habe die WGKK Ermittlungen eingeleitet. Einen Antrag auf Weitergeltung der österreichischen Rechtsvorschriften für den Zeitraum 01.10.2008 bis 12.05.2014 habe die BF erst im Mai 2015 gestellt. Das Bundesministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Konsumentenschutz (=BMASGK) habe diesen Antrag an die Behörden von Montenegro herangetragen. Mit 29.06.2015 habe das BMASGK ein Schreiben der zuständigen montenegrinischen Behörde vom 02.06.2015 vorgelegt, mit dem eine rückwirkende Zustimmung zur Anwendung der österreichischen Rechtsvorschriften nicht erteilt wurde.

Am 24.07.2015 habe die WGKK Vertreter der Dienstgeberin zur Beschäftigung der BF befragt. Dabei sei zu Protokoll gegeben worden, dass die BF von 01.10.2007 bis Ende Dezember 2007 in Wien und Umgebung für ihre künftige Tätigkeit eingeschult worden sei. Die Tätigkeit selbst habe sie dann am Betriebsstandort eines anderen Teilunternehmens des XXXX-Konzerns in Podgorica, Montenegro, ausgeübt. Nach ihrem Karenzurlaub werde sie ihre Tätigkeit in Montenegro nicht wieder aufnehmen, da ein dafür relevanter Konzessionsvertrag der Dienstgeberin per 31.12.2015 ausgelaufen sei und seine Verlängerung fraglich sei.

Die WGKK habe die Dienstgeberin davon informiert, dass die Pflichtversicherung mit 30.09.2008 geendet habe. Letztere habe an der Korrektur der Anmeldungen, Lohnzettel und Beitragsabrechnungen mitgewirkt. Mit Schreiben vom 13.10.2015 habe die WGKK auch die BF über die Nichtgewährung einer Leistung als Folge der Beendigung ihrer Pflichtversicherung per 30.09.2008 informiert. Die BF habe daraufhin durch ihre rechtsfreundliche Vertretung eingewendet, dass gemäß den Lohnbescheinigungen der Dienstgeberin in den Jahren 2007 bis 2014 durchgehend Sozialversicherungsbeiträge für sie entrichtet entrichtet worden seien. Der BF sei zu keiner Zeit bescheinigt worden, dass sie aus der österreichischen Sozialversicherung ausgeschieden sei. Auch habe man ihr die Versicherungsbeiträge weder erstattet noch diese zurückgewiesen. Der Arbeitsort der BF befinde sich seit dem 01.05.2014 wieder in Österreich.

Die WGKK kam zu dem Schluss, dass die BF nur für die Zeit von 01.10.2007 bis 30.09.2008 der österreichischen Sozialversicherung unterlag: nur für diesen Zeitraum sei eine Entsendebescheinigung beantragt und von der WGKK ausgestellt worden. Für die Zeit danach habe die Dienstgeberin keine weitere Ausnahme beantragt bzw. sei die rückwirkende diesbezügliche Beantragung von der montenegrinischen Behörde abgelehnt worden. Die BF habe zu keiner Zeit eine Meldeadresse in Österreich gehabt. Ihre Pflichtversicherung sei rückwirkend mit 30.09.2008 zu beenden gewesen. Über die Rückerstattung von zu Ungebühr entrichteten Beiträgen könne erst nach rechtskräftigem Abschluss dieses Verfahrens entschieden werden.

Gegen diesen Bescheid erhob die BF durch ihre rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde und brachte vor, die BF sei EU-Bürgerin und habe einen Wohnsitz innerhalb der EU. Sie sei in Hamburg geboren und besitze seit dem 15.12.2001 die deutsche Staatsbürgerschaft. Bis zu ihrem 16. Lebensjahr sei die BF in Montenegro aufgewachsen. 1990 sei ihre Familie nach Deutschland gezogen. Die BF habe nach Beendigung ihres Studiums von 2000 bis 2002 in Deutschland gearbeitet. Nach ihrer Heirat im Jahr 2002 sei sie zunächst zwischen Deutschland und Montenegro gependelt und 2004 zu ihrem Ehemann nach Montenegro gezogen. Das erste Kind sei 2004 in Deutschland geboren worden. Von 2004 bis 2006 habe sich die BF in Elternzeit in Deutschland aufgehalten und habe bis zur Aufnahme des Dienstverhältnisses zur XXXX GmbH Teilzeit gearbeitet. Mit 06.09.2007 sei die BF in das Dienstverhältnis zur in Österreich ansässigen XXXX GmbH eingetreten. Das Dienstverhältnis habe am 01.10.2007 begonnen und sei bis dato ungekündigt. Auf dieses Dienstverhältnis seien gem. Ziffer X. des Arbeitsvertrages die Bestimmungen des Kollektivvertrages für Angestellte im Baugewerbe und der Bauindustrie, die Bestimmungen des Angestelltenentgeltgesetzes und die Betriebsvereinbarungen in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden. Ebenfalls ab 06.09.2007 habe die BF mit der XXXX GmbH die Entsendung innerhalb des Konzerns nach Montenegro vereinbart. Auf den Entsendungsvertrag seien die allgemeinen Bedingungen des Konzerns für die Entsendung von Mitarbeitern in das Ausland anzuwenden. Bezüglich der Sozialversicherung bei der Entsendung von Mitarbeitern würden diese in Klausel 2.1. eine eigenständige Regelung vorsehen: Die Dienstgeberin sei verpflichtet worden, die Versicherung des Mitarbeiters im Inland und Einsatzland vorzunehmen. Am 23.03.2009 habe die WGKK rückwirkend eine Bescheinigung über die anzuwendenden Rechtsvorschriften nach dem Abkommen über die soziale Sicherheit zwischen der Republik Österreich und der Republik Jugoslawien befristet auf den Zeitraum 01.10.2007 bis 30.09.2008 erteilt. Aus Anlass ihrer Schwangerschaft und der Geburt ihres (zweiten) Kindes habe die BF von der WGKK von April 2014 bis Mai 2014 Krankengeld und von Mai 2014 bis Dezember 2014 Wochengeld bezogen. Im Jänner 2015 habe die BF einen Bescheid der PVA erhalten, der bestätigt habe, dass die BF in Österreich rentenversichert sei, ihr die voraussichtliche Rentenhöhe mitgeteilt habe und die bisher eingezahlten Beiträge beziffert habe. Im Februar 2015 habe die BF einen Antrag auf Gewährung des Kinderbetreuungsgeldes gestellt. Im Jahr 2015 habe die WGKK der BF Familienbeihilfe für das erste Kind der BF von Dezember 2009 bis Oktober 2015 und für das zweite Kind von September 2014 bis Oktober 2015 bewilligt. Die BF habe bei der WGKK ferner die Zahlung von Mutterschaftsbeihilfe beantragt. Auch an ihrem Wohnsitz in Deutschland habe die BF einen Antrag auf Gewährung von Elterngeld gestellt. Diesem sei gemäß Bescheid von November 2014 zunächst stattgegeben worden. Allerdings sei im Februar 2015 eine Rückforderung der geleisteten Zahlungen erfolgt, da aus Sicht der deutschen Elterngeldstelle Österreich zuständig sei. Erst im August 2015 habe die Dienstgeberin der BF diese von der WGKK rückwirkend per 30.9.2008 abgemeldet. Im Oktober 2015, nach Vorlage des ablehnenden Bescheides der WGKK bezüglich Gewährung von Mutterschaftsbeihilfe vom 13.10.2015 habe die Beschwerdeführerin erneut die Gewährung von Elterngeld in Deutschland beantragt. Der Arbeitsort der Beschwerdeführerin sei seit dem 1. Mai 2014 XXXX, Niederösterreich. Die Beschwerdeführerin befinde sich noch bis 11.9.2016 im Karenzurlaub (Österreich) und Elternzeit (Deutschland). Anschließend werde sie ihre Tätigkeit am vertraglich vereinbarten Arbeitsort in Österreich aufnehmen. Dass die Dienstgeberin erst mit Schreiben vom 16.3.2009 die Entsendung der BF gegenüber der WGKK angezeigt habe, sei der BF nicht bekannt gewesen. Unbekannt sei der Beschwerdeführerin auch, weshalb die Dienstgeberin Sozialversicherungspflicht in Österreich nur für die Zeit vom 1.10.2007 bis 30.9.2008 beantragt habe und nicht bis zum 16.3.2009 bzw. für 24 Kalendermonate, also bis zum 31.12.2009. Ferner sei der BF unbekannt, weshalb sie nicht darauf hingewiesen wurde, dass die erforderlichen Bescheinigungen nur befristet erteilt waren. Erstmals mit Schreiben vom 13.10.2015 habe die Beschwerdeführerin erfahren, dass sie rückwirkend seit dem 30.9.2008 nicht mehr bei der WGKK versichert sei. Erstmals mit Bescheid vom 19.1.2016 habe die BF die Beweggründe der WGKK, welche zur rückwirkenden Beendigung des Versicherungsverhältnisses der BF führten, erfahren. Diesem Bescheid habe die BF auch entnommen, dass ihre Dienstgeberin ohne Rücksprache mit der BF genommen zu haben, diese von der Sozialversicherung rückwirkend abgemeldet habe. Der angefochtene Bescheid verletze die BF in ihren Rechten, denn er schaffe für sie einen nicht mehr korrigierbaren Verlust in der Sozialversicherung. Die BF berief sich weiters auf Art. 2 Abs. 1 VO (EG)Nr.883/2004, sowie deren Erwägungsgrund Nr. 7 und Erwägungsgrund Nr. 16. Sie sei entweder nach den Rechtsvorschriften Österreichs oder Deutschlands sozial abzusichern. Von 1.10.2007 bis mindestens Dezember 2007 habe die BF bei ihrer Dienstgeberin in Wien gearbeitet und in dieser Zeit über Wohnsitz in Österreich nach europäischen (EG V. 1408 / 71, VO 883 / 2004) und nationalen Rechtsvorschriften (ASVG) verfügt. Die VO 883 / 2004 genieße Anwendungsvorrang und habe unmittelbare Wirkung. Die BF verwies auf Art. 288 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU (AEUV), weiters auf Rechtsache Van Gend en Loos(C-26 / 62) und die Entscheidung Costa (C-6 / 64). Das bilaterale Abkommen zur sozialen Sicherheit zwischen Österreich und Jugoslawien/Montenegro komme nur insoweit zur Anwendung, als es den Rechtsgrundsätzen der EUVO 883 / 2004 nicht entgegenstehe. Das genannte Abkommen regle, dass entsandte Dienstnehmer für die Dauer von 24 Kalendermonaten nach der Entsendung in Österreich pflichtversichert bleiben würden. Die BF verwies auf Erwägungsgrund 13. weiters auf Erwägungsgrund 15 und 16. der VO 883 / 2004. Die soziale Sicherheit der EU-Bürger müsse mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln hergestellt werden. Die rückwirkende Entlassung der Beschwerdeführerin aus der Sozialversicherung in Österreich werde diesem Grundsatz nicht gerecht. Selbst die österreichischen nationalen Vorschriften würden in § 3 Abs. 2 lit. d ASVG vorsehen, dass ein entsandter Dienstnehmer bis zu einer Dauer von fünf Jahren in Österreich sozialversicherungspflichtig bleiben könne, und darüber hinaus noch Ausnahmen zugelassen werden können. Die WGKK hätte eine freiwillige Versicherung in Erwägung ziehen müssen sie habe die hierfür erforderlichen Versicherungsbeiträge seit 2008 erhalten. Ausführungen zu den bilateralen Abkommen würden rein vorsorglich erfolgen: Auch die WGKK sei von einer Pflichtversicherung von 1.10.2007 bis mindestens 31.12.2007 ausgegangen. Gemäß dem zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien geschlossenen Abkommen seien bei einer Entsendung in den ersten 24 Monaten nach der Entsendung den Rechtsvorschriften des Entsendestaates anzuwenden. Die Entsendung der BF habe am 1.1.2008 begonnen und sei daher gemäß Art. 7 des Abkommens bis zum 31.12.2009 dem Sozialversicherungsrecht Österreichs unterlegen. Die WGKK hätte in Betracht ziehen müssen, dass das Abkommen über die soziale Sicherheit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien (1974) ebenfalls zur Anwendung kam, denn die BF sei unmittelbar vor der verfahrensgegenständlichen Anstellung in Deutschland pflichtversichert gewesen. Das eben genannte Abkommen enthalte ein Wahlrecht des Dienstnehmers in Bezug auf seine Sozialversicherung eine Beschränkung auf 24 Kalendermonate finde sich darin nicht. Auch das österreichische Sozialrecht unterliege den Grundsätzen von Rechtssicherheit und Vertrauensschutz. Die rückwirkende Entziehung bereits erworbener Sozialversicherungsrechte zulasten der BF verletze diese in ihren Rechten. Es sei voranzustellen, dass die streitgegenständliche Situation nicht durch ein Verhalten der BF verursacht wurde. Die Pflicht zur Anmeldung von Dienstnehmern zur Sozialversicherung habe die Dienstgeberin getroffen. Die Pflicht zur Überwachung des bilateralen Abkommens mit Jugoslawien/Montenegro sei der WGKK oblegen. Der BF sei im Jahr 2007 durch die WGKK bescheinigt worden, dass sie vollständig in Österreich sozialversichert sei. Dies sei ihr Kenntnisstand bis zum Erhalt des Bescheides der WGKK vom 19.1.2016 gewesen. Hierauf habe die BF in den vergangenen Jahren vertraut. Dieses Vertrauen habe die WGKK dadurch bestärkt, dass auch sie in den darauffolgenden Jahren wiederholt Leistungen gewährt habe oder Anwartschaften (Pension) bescheinigt wurden. Die BF hätte aus diesem Verhalten der WGKK nicht erkennen können, dass ihr die gewährten Leistungen nicht zustanden. Eine Leistungsgewährung unter Vorbehalt habe nie stattgefunden. Die BF habe ihre Sozialversicherungsbeiträge in dem guten Glauben abgeführt, in Österreich versichert zu sein und habe auf Sozialleistungen gutgläubig entgegengenommen. Aus der Sicht der BF handle es sich bei der Bescheinigung der WGKK über die bestehende Sozialversicherung in Österreich um einen rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt. Dieser könne nur unter engsten Voraussetzungen überhaupt zurückgenommen oder gar widerrufen werden. Der geschaffene Vertrauenstatbestand habe Vorrang. Voraussetzung sei insbesondere, dass der Begünstigte durch sein eigenes Verhalten dazu beigetragen hätte, dass die Umstände, welche die Rechtsgrundlage für den Verwaltungsakt bildeten, fehlerhaft waren oder entfielen. Der BF sei diesbezüglich nichts vorzuwerfen. Selbst wenn die Behörden zu dem Ergebnis gelangen sollten, dass die BF in Montenegro pflichtversichert sein müsse, sei zum Schutz des durch die WGKK geschaffenen Vertrauens der Sozialversicherungsschutz in Österreich aufrechtzuerhalten, notfalls durch freiwillige Versicherung der BF, sowohl in der Krankenversicherung, als auch in der Pensionsversicherung. Die BF sei durch die rückwirkende Aufhebung des Versicherungsschutzes einer unsicheren Rechtssituation ausgesetzt. Wie soeben dargelegt bestehe aus dem Dienstvertrag ein Erstattungsanspruch der Beschwerdeführerin gegenüber ihrer Dienstgeberin für die Beiträge zur Sozialversicherung in Österreich und Montenegro. Würde die WGKK den sozialversicherten Status der BF rückwirkend aufheben, wäre dieser Anspruch nicht durchsetzbar, denn auch Österreich kenne keine rückwirkende freiwillige Versicherung in der Krankenversicherung oder Pensionsversicherung. Nur bei Aufrechterhaltung des Versichertenstatus könne die BF die ihr gemäß Dienstvertrag zustehenden Ansprüche umsetzen. Die BF habe ferner aus der bestehenden Versicherung Leistungen zu erhalten. Die rückwirkende Aufhebung des Versicherungsschutzes in Österreich bewirke, dass empfangene Leistungen an die WGKK zu erstatten wären. Sofern Montenegro zudem die Übernahme der Leistungen aus der Vergangenheit ablehne, sehe sich die BF einen bislang nicht überschaubaren Ersatzanspruch der WGKK ausgesetzt.

Mit Schreiben vom 22.8.2018 nahm die BF ergänzend wie folgt Stellung: Die von der WGKK mit Vertretern der XXXX GmbH aufgenommene Niederschrift vom 24.07.2015 sei nicht mit der BF abgestimmt worden. Die BF habe auch nie dem Antrag ihres Dienstgebers zugestimmt, die Versicherungspflicht rückwirkend aufzuheben oder aufzulösen. Die BF habe die Erwartung gehabt, nur vorübergehend in Montenegro zu arbeiten und nach einer Phase der Entsendung im Betrieb in Österreich tätig zu sein. Bezüglich des konkreten Einsatzes der BF in Montenegro habe es weder einen schriftlichen Vertrag gegeben, noch sei diesbezüglich mündlich etwas vereinbart worden. Während der in Österreich absolvierten Einschulungszeit von 01.07.2007 bis 31.12.2007 habe die Dienstgeberin der BF eine Hotelunterkunft zur Verfügung gestellt. Die (ältere) Tochter der BF habe in dieser Zeit bei der Großmutter in Hamburg gelebt. Die zweite Tochter sei 2014 in Hamburg geboren worden. Vor der Aufnahme des genannten Dienstverhältnisses habe die BF mit ihrer Tochter in Hamburg gelebt, ihr Ehemann habe damals in Montenegro gelebt. Das Ehepaar lebe seit der Heirat getrennt. Der Hauptgrund, warum die BF die Entsendung nach Montenegro akzeptiert habe, habe darin bestanden, dass die BF so mit ihrem Mann zusammen sein konnte. Für die Zeit nach der Entsendung habe die Familie geplant, nach Österreich umzuziehen. Der gesetzliche Karenzurlaub habe mit 12.09.2016 geendet. Mit 1.6.2016 habe die BF eine Beschäftigung bei der XXXX GmbH in Köln (einem weiteren Teilbetrieb des genannten Konzerns) aufgenommen. Dieses Arbeitsverhältnis sei bis 31.05.2017 befristet gewesen. Zu ihrem Beschwerdevorbringen, dass die BF von 01.05.2014 bis 12.05.2014 in Österreich beschäftigt wurde bestätigte die BF, dass sie - übereinstimmend mit den der WGKK vorliegenden Daten von 21.4.2014 bis 12.5.2014 -Krankengeld bezogen habe und sich im Anschluss daran im Mutterschutz befunden habe.

Die WGKK nahm mit Schreiben vom 27.8.2018 wie folgt Stellung: Die Dienstgeberin der BF habe das im Akt befindliche Formblatt A/YU1 als Beilage zu ihrem Schreiben vom 16.03.2009 bereits ausgefüllt an die WGKK gesendet. Die WGKK habe dieses Formblatt auf der Grundlage des Schreibens der Dienstgeberin vom 16.3.2009 mit 23.3.2009 rückwirkend für den Zeitraum von 01.10.2007 bis 30.09.2008 ausgestellt. Aus dem genannten Schreiben vom 16.3.2009 habe nicht abgeleitet werden können, dass die Dienstgeberin eine Verlängerung der Entsendedauer bekannt geben hätte wollen. Erst am 07.05.2015 habe die Dienstgeberin der BF den genannten Antrag auf eine Ausnahmevereinbarung gestellt, dem die montenegrinischen Behörden nicht zustimmten. Das dabei federführende BMASGK habe die Dienstgeberin verständigt. Es sei an der Dienstgeberin gelegen gewesen, für eine Anmeldung der BF nach montenegrinischem Sozialversicherungsrecht zu sorgen. Für die WGKK habe kein Handlungsbedarf bestanden. Da die BF nie einen inländischen Wohnsitz gehabt habe, habe "an sich" zu keiner Zeit eine Entsendung bestanden.

Mit aufgetragener Stellungnahme vom 01.10.2018 legte die Dienstgeberin der BF ein von der WGKK an die XXXX Verwaltungszentrum GmbH, XXXX, Kärnten, gerichtetes Schreiben vom 13.10.2008, mit folgendem Inhalt vor:

"Ihre Nachricht vom 04.12.2007; unser Zeichen MVB-VR XXXX; [...] Wien, 13.10.2008

Betrifft: Dienstgeber: XXXX GmbH, XXXX; Dienstnehmer, Frau XXXX, VSNR XXXX, Antrag auf Formblatt A/YU vom 04.12.2007, Unzuständigkeit der Wiener Gebietskrankenkasse für die Durchführung der Sozialversicherung in Österreich.

Sehr geehrte Frau XXXX!

Wie bereits am 11.12.2007 telefonisch mitgeteilt, kann für Frau XXXX kein Formblatt A/YU1 ausgestellt werden. Da die Firma XXXX GmbH, XXXX ihren Firmensitz in Kärnten hat und Frau XXXX nicht in Wien beschäftigt ist, wäre die Kärntner Gebietskrankenkasse für die Durchführung der Sozialversicherung zuständig. Ob eine Entsendung vorliegt, wäre ebenfalls von der Kärntner Gebietskrankenkasse zu überprüfen. Wir ersuchen um Stornierung der Anmeldung bei der Wiener Gebietskrankenkasse und Erstattung der Anmeldung bei der Kärntner Gebietskrankenkasse."

Die ehemalige Dienstgeberin brachte dazu vor, die BF sei ab 01.10.2007 bei der XXXX GmbH beschäftigt gewesen. Mit 04.12.2007 habe die ehemalige Dienstgeberin das Formular A/YU vorab ausgefüllt an die WGKK gesendet. Zum Zeitpunkt der Beantragung des Formulars A/YU sei der Einsatz nur für ein Jahr geplant gewesen. Die BF sei nicht nur im Zeitraum 01.10.2007 bis 30.09.2008 nach Montenegro entsendet worden. Im April 2014 sei die Entsendung beendet worden und die BF habe fortan ihren Arbeitsplatz in XXXX (Niederösterreich)gehabt.

Im Rahmen des dazu gewährten Parteiengehörs führte die WGKK aus, es sei grundsätzlich nie eine Inlandsbeziehung vorgelegen. Die BF habe zu keiner Zeit eine inländische Meldeadresse gehabt. Die BF habe Geldleistungen aus der Krankenversicherung bezogen zu einer Zeit, als sie bereits in Deutschland ansässig gewesen sei. Der von der ehemaligen Dienstgeberin behauptete Beschäftigungsort in XXXX (NÖ) sei auszuschließen. Der Stellungnahme vom 27.08.2018 sei nichts hinzuzufügen.

Die BF gab im Rahmen des ihr gewährten Parteiengehörs keine weitere Stellungnahme ab.

1. Feststellungen:

Die im Jahr 2007 mit ihrer Tochter in Deutschland wohnhafte und mit einem in Montenegro wohnhaftem Mann verheiratete BF schloss am 6.9.2007 mit der Österreichischen XXXX GmbH, einem Teilunternehmens des XXXX Konzerns, einen schriftlichen Arbeitsvertrag für Angestellte beginnend mit 01.10.2007 auf unbestimmte Zeit für die Tätigkeit als kaufmännische Angestellte mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 29 Stunden zu brutto € 980,-- pro Monat 14 mal jährlich. Laut Punkt III. dieses Vertrages gilt als erster Arbeitsort Wien als vereinbart. Die BF erklärte sich grundsätzlich bereit, Änderungen des Tätigkeitsbereiches und des Arbeitsortes (Arbeitseinsätze auch außerhalb des Bundeslandes Wien und im Ausland) zuzustimmen. Mit einer "Entsendevereinbarung als Ergänzung zum Arbeitsvertrag" vom 6.9.2007 wurde unter Zugrundelegung der "Allgemeinen Vertragsbedingungen für Entsendungen in das Ausland" mit der BF das Entsendungsland Montenegro und eine Tätigkeit als kaufmännische Angestellte ab 1.10.2007 zu einem Brutto-Inlandsgehalt sowie Auslandsbezug von € 13.720,00 vereinbart, wobei sich die BF bereit erklärte, dass 40% der errechneten österreichischen Lohnsteuer einbehalten werden, wobei damit ihre einkommensbezogenen abgabenrechtlichen Verpflichtungen als Arbeitnehmerin im Entsendungsland und im Heimatland erfüllt sind. Die Entsendevereinbarung ersetzt alle bisher abgeschlossenen Vereinbarungen. Änderungen und Ergänzungen bedürfen der Schriftform. Mündliche Abreden haben keine Gültigkeit. Die "Allgemeinen Vertragsbedingungen für Entsendungen in das Ausland" gelten als integrierter Bestandteil der Entsendevereinbarung.

Zum tatsächlichen Ablauf der Beschäftigung:

Von 1.10.2007 bis 31.12.2007 wurde die BF in mehreren österreichischen Niederlassungen ihrer Dienstgeberin in Wien und Umgebung eingeschult. Sie wohnte in dieser Zeit in einer von der Dienstgeberin zur Verfügung gestellten Hotelunterkunft in Österreich. Ihre Tochter blieb bei der Großmutter in Deutschland. Ihr Mann wohnte weiterhin in Montenegro. Ab 2.1.2008 arbeitete die BF auf Rechnung und Gefahr ihrer Dienstgeberin in einem montenegrinischen Teilunternehmen des Konzerns, dem auch die Dienstgeberin der BF angehörte.

Mit 01.12.2007 richtete eine in Kärnten ansässige Verwaltungsstelle des genannten Konzerns ein ausgefülltes A/YU1 Formular betreffend die Entsendung der BF durch ihre Dienstgeberin im Entsendezeitraum 01.10.2007 bis 30.09.2008 an die WGKK. Die WGKK beantwortete diese Postsendung am 13.10.2008 mit der Mitteilung, dass nicht sie sondern die KGKK zuständig sei. Eine erfolgte Weiterleitung des ausgefüllten A/YU1 Formulars an die KGKK gem. § 6 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) ist nicht aktenkundig.

Mit 16.03.2009 richtete die Dienstgeberin der BF ein Schreiben mit (soweit hier wesentlich) folgendem Wortlaut an die WGKK: "Im Bezug auf den bereits bestehenden Schriftverkehr möchten wir mitteilen, dass [BF] für unsere Niederlassung in Wien aufgenommen wurde. Temporär wurde sie aufgrund einer Akquisition mit Montenegro dorthin entsandt. Nach Beendigung dieser Entsendung wird sie ihre Tätigkeit in Österreich aufnehmen. Aus diesem Grund ersuchen wir, den Versicherungsstatus aufrecht zu belassen." Die Dienstgeberin der BF schloss diesem Schreiben erneut das oben genannte - für den Entsendezeitraum 01.10.2007 bis 30.09.2008 ausgefüllte - Formular A/YU an.

Die BF arbeitete tatsächlich weiterhin auf Rechnung und Gefahr ihrer österreichischen Dienstgeberin in Montenegro. Ab 19.03.2014 bis 20.04.2014 bezog sie Teilkrankengeld, von 21.04.2014 bis 12.5.2014 Krankengeld und von 13.05.2014 bis 05.12.2014 aus Anlass der Geburt ihrer zweiten Tochter Wochengeld.

Am 20.02.2015 beantragte die BF Kinderbetreuungsgeld. Aus diesem Anlass leitete die WGKK Ermittlungen über die Pflichtversicherung nach ASVG der BF ein.

Mit 29.06.2015 richtete das BMASGK aufgrund eines im Einvernehmen mit der BF gestellten Ersuchens ihrer Dienstgeberin ein Schreiben mit folgendem Inhalt an den die zuständige montenegrinische Stelle Ministarstvo rada i socijalnog starnaja in Podgorica, Montenegro:

Der österreichische Dienstgeber hat gemeinsam mit seinem Dienstnehmer beantragt, dass während der vorübergehenden Beschäftigung in Ihrem Land weiterhin die österreichischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit zur Anwendung gelangen. Da dieser Antrag die Kriterien erfüllt, die nach unserer Praxis für eine Ausnahmevereinbarung erforderlich sind, schlagen wir Ihnen den Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung vor. Nähere Details finden Sie auf Seite 2. Es wird um Stellungnahme ersucht, ob Sie dem Vereinbarungsvorschlag zustimmen." Auf Seite 2 dieses Schreibens wurde auf Artikel 9 des österreichisch montenegrinischen Abkommens über soziale Sicherheit verwiesen; es wurden die Daten der Dienstgeberin in Österreich und Montenegro genannt, der Zeitraum der vorherigen Ausnahme (01.10.2007 bis 30.09.2008 und der Zeitraum der weiteren (vorgeschlagenen) Ausnahme (01.10.2008 bis 12.05.2014). In englischer Sprache wurde angefügt, dass die Sozialversicherungsbeiträge in Österreich stets bezahlt wurden und dass die Dienstgeberin aus Versehen nicht rechtzeitig den erforderlichen Antrag gestellt habe.

Dieser Vorschlag wurde seitens der montenegrinischen Behörden mit Schreiben vom 22.05.2015 mit dem Argument, dass hier für mehrere Jahre im Nachhinein um eine Zustimmung zur Anwendung des österreichischen Sozialversicherungsrechts angesucht werde, abgelehnt.

Das BMAGSK teilte den Verfahrensparteien und der WGKK schriftlich mit, dass gem. Art 9 des österreichisch montenegrinischen Abkommens über soziale Sicherheit kein Einvernehmen über eine Ausnahmevereinbarung für den Zeitraum 01.10.2008 bis 12.05.2014 hergestellt werden konnte.

Die WGKK stellte daraufhin rückwirkend das Ende der Pflichtversicherung der BF nach dem ASVG per 30.09.2008 fest und meldete die BF per 30.09.2008 rückwirkend von der Sozialversicherung nach ASVG ab. Mit dem angefochtenen Bescheid verneinte die WGKK (implizit) die Pflichtversicherung der BF nach österreichischem Sozialversicherungsrecht für die Zeit ab 01.10.2008. Dagegen erhob die BF durch ihre Rechtsvertretung die verfahrensgegenständliche Beschwerde.

Am 01.06.2016 nahm die BF eine bis 31.05.2017 befristete Beschäftigung bei der XXXX GmbH in Köln, einem weiteren Teilunternehmen des eingangs genannten Konzerns, auf.

2. Beweiswürdigung:

Der Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt des Verwaltungsverfahrens sowie aus den im Beschwerdeverfahren eingeholten schriftlichen Stellungnahmen, die unter Punkt I. "Verfahrensgang" im Einzelnen genannt wurden. Sämtliche wesentliche Beweismittel sind allen Parteien des Beschwerdeverfahrens bekannt.

Dass die BF von Oktober bis Dezember 2007 in Österreich eingeschult und erst dann nach Montenegro entsendet wurde, ergibt sich bereits aus der von der WGKK im erstinstanzlichen Verfahren mit Vertretern der Dienstgeberin aufgenommenen Niederschrift vom 24.07.2015 und damit übereinstimmend aus den im Beschwerdeverfahren gemachten schriftlichen Angaben. Diese Angabe steht ferner damit im Einklang, dass das von der Verwaltungsstelle des genannten Konzerns betreffend die Entsendung der BF mit 01.12.2007 an die WGKK gerichtet wurde, da dies nahe legt, dass die Dienstgeberin der BF Anfang Dezember 2007 die bevorstehende Entsendung der BF vorbereiten und sozialversicherungsrechtlich absichern wollte. Dass die Entsendung zunächst nur für ein Jahr geplant war, geht aus dem vorgelegten Formular A/YU hervor. Dass die BF während ihrer Einschulung in einer von der Dienstgeberin zur Verfügung gestellten Hotelunterkunft in Österreich gewohnt hat, erscheint lebensnahe und unbedenklich. Die WGKK hat diese Feststellung auch nicht in Zweifel gezogen. Dass der im Formular A/YU eingetragene Beginn der Entsendung nicht der tatsächlichen Entsendung entsprach, ist aus folgenden Erwägungen zu vernachlässigen: Das Schreiben vom 01.12.2007 hat nicht die Dienstgeberin selbst sondern eine in Kärnten ansässige Verwaltungsstelle des genannten Konzerns bei der WGKK eingebracht, also eine Stelle, die mit der BF keinen unmittelbaren Kontakt hatte. Es kann daher unter Berücksichtigung des vorliegenden Gesamtzusammenhangs davon ausgegangen werden, dass hier beim Ausfüllen des Formulars A/YU Missverständnisse unterliefen. Das von der Dienstgeberin per 16.03.2009 an die WGKK gerichtete Schreiben lässt rückblickend gesehen erkennen, dass hier die Dienstgeberin der BF - offenbar nicht wissend, dass die WGKK das erste Schreiben der genannten Verwaltungsstelle vom 01.12.2007 abgelehnt hatte, an dieses Schreiben vom 01.12.2007 anknüpfen und eine Verlängerung der Entsendung anzeigen wollte. Dass dabei das alte Formular A/YU angeschlossen wurde, legt im vorliegenden Gesamtzusammenhang nahe, dass die Dienstgeberin erwartet hat, die WGKK würde nun erkennen können, welcher Entsendezeitraum zu verlängern sei und würde die Verlängerung von Amts wegen veranlassen. Auch hier ist also ein Missverständnis als erwiesen anzunehmen. Dass die BF über den 30.09.2008 hinaus auf Rechnung und Gefahr ihrer Dienstgeberin in Montenegro beschäftigt war, ist nicht in Zweifel zu ziehen.

Der Sachverhalt ist ausreichend ermittelt. Die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung wurde von keiner Partei beantragt und erscheint nicht geboten.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 2 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht nur in Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 und nur auf Antrag einer Partei durch Senat. Die vorliegende Angelegenheit ist nicht von § 414 Abs. 2 ASVG umfasst. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Sache des Verfahrens:

Sache des Beschwerdeverfahrens ist der Gegenstand des Verfahrens in der Vorinstanz, also jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides der Unterinstanz gebildet hat. (vgl. VwGH 2013/10/0155 vom 22.04.2015). Es ist der Rechtsmittelinstanz verwehrt, diesen Gegenstand des Verfahrens zu überschreiten, da der Partei in diesem Fall eine Instanz genommen werden würde. (vgl. VwGH 20. März 2012, 2012/11/0013). Welche Aussagen der Inhalt des Spruchs eines erstinstanzlichen Bescheides umfasst, ist unter Miteinbeziehung der Bescheidbegründung zu beurteilen.

Wie sich aus dem vorliegenden Bescheid unter Einbeziehung seiner Begründung ergibt hat die WGKK die Versicherungspflicht der BF gem. § 4 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG für die Zeit von 01.10.2007 bis 30.09.2008 festgestellt und für die Zeit ab 01.10.2008 implizit verneint. Die Beschwerde richtet sich gegen die zweitgenannte implizite Verneinung der Versicherungspflicht. Gegenstand dieses Beschwerdeverfahrens ist daher die Versicherungspflicht der BF gemäß § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG aufgrund ihrer Beschäftigung bei der GmbH ab 01.10.2008.

In der Sache:

Grundsätzliche Voraussetzung der Pflichtversicherung nach ASVG ist eine Beschäftigung im Inland (§1 ASVG). Eine Ausnahme davon bildet unter anderem die Entsendung, die eine Pflichtversicherung im Inland nach Maßgabe der anzuwendenden Rechtsnormen trotz eines Beschäftigungsortes im Ausland bewirken kann. Dabei ist eine Prüfungsreihenfolge einzuhalten: Die VO (EG) 883/2004 (und ihre Vorgängerin, VO (EWG) 1408/71) genießt (sofern der konkrete Rechtsfall von ihr erfasst ist) Anwendungsvorrang. Bilaterale Abkommen genießen (sofern der konkrete Rechtsfall von ihnen erfasst ist) gegenüber § 3 Abs 1 lit d ASVG Vorrang.

Der vorliegende Fall betrifft die Frage einer Entsendung von Österreich nach Montenegro. Auf den vorliegenden Fall war daher für die Zeit vor dem 01.06.2011 das Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Jugoslawien über Soziale Sicherheit, vom 05.Juni 1998, BGBl III. Nr. 100/2002, anzuwenden. Dieses galt vor dem 01.06.2011 für Entsendungen nach Montenegro (BGBl III. Nr. 124/2007 berichtigt mit BGBl. III Nr. 22/2009). Für die Zeit ab 01.06.2011, war das Abkommen zwischen der Republik Österreich und Montenegro über Soziale Sicherheit (in Kraft seit 01.06.2011, BGBl III Nr. 51/2011) anzuwenden.

Aus Artikel 6 beider genannter Abkommen ergibt sich übereinstimmend, dass die Versicherungspflicht grundsätzlich am Territorialitätsprinzip anknüpft, also daran, auf dem Staatsgebiet welchen Vertragsstaates die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Dieser Grundsatz soll insoweit gelten, als die Art. 7 und 8 nichts anderes bestimmen.

Art 7 Abs 1 beider eben genannter Abkommen lautet übereinstimmend:

"Wird ein Dienstnehmer von einem Unternehmen mit Sitz im Gebiet eines Vertragsstaates in das Gebiet des anderen entsendet, so sind bis zum Ende des 24.Kalendermonates nach dieser Entsendung die Rechtsvorschriften des ersten Vertragsstaates weiter anzuwenden, als wäre er noch in dessen Gebiet beschäftigt."

(Die weiteren Regelungen der Art 7 und 8 der genannten Abkommen sind für den vorliegenden Fall nicht relevant.)

Art 9 Abs 1 beider eben genannter Abkommen lautet übereinstimmend:

"Auf gemeinsamen Antrag des Dienstnehmers und seines Dienstgebers oder auf Antrag des Selbständigen können die zuständigen Behörden der beiden Vertrasstaaten einvernehmlich Ausnahmen von den Artikeln 6 bis 8 vereinbaren, wobei auf die Art und die Umstände der Erwerbstätigkeit Bedacht zu nehmen ist."

Zur Frage, ob im vorliegenden Fall eine Entsendung gegeben war:

Der Verwaltungsgerichtshof hat klargestellt, dass der Entsendebegriff der bilateralen Abkommen jenem des § 3 Abs 2 lit d ASVG entspricht. (VwGH 2000/08/0134 vom 05.11.2003).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes wollte der Gesetzgeber mit dem Institut der Entsendung zeitlich befristete oder sonst vorübergehende Beschäftigungen im Ausland auf Rechnung und Gefahr eines im Inland befindlichen Arbeitgebers bis zu einer höchstzulässigen Dauer dem Ausstrahlungsprinzip unterwerfen. Die zeitliche Begrenzung der Entsendung muss sich zumindest schlüssig ergeben. Beim Dienstnehmer muss schon im Zeitpunkt der Entsendung die Erwartung bestehen, dass er nach Beendigung der Entsendung zur Fortsetzung der Beschäftigung oder zum Zweck der Aufnahme einer anderen Beschäftigung wieder ins Inland zurückzukehren werde.

Damit eine im Ausland ausgeübte Beschäftigung als Entsendung qualifiziert werden kann, muss eine ausreichende Inlandsbeziehung gegeben sein. Ein derartiger Inlandsbezug ist als gegeben anzunehmen, wenn der/die Dienstnehmer/in unmittelbar vor der Entsendung - wenn auch nur zu Einschulungszwecken - im Inland beschäftigt wurde (VwGH 2000/08/0134 vom 05.11.2003).

Die BF wurde unmittelbar vor ihrer verfahrensgegenständlichen Beschäftigung in Montenegro drei Monate lang in Österreich eingeschult. In dieser Zeit hat sie auch in Österreich gewohnt. Sie vereinbarte mit ihrem Dienstgeber für die Zeit nach ihrer Einschulung die Entsendung nach Montenegro. Ihre Beschäftigungauf Rechnung und Gefahr ihrer Dienstgeberin in Montenegro war zum Zeitpunkt dieser Vereinbarung für ein Jahr geplant.

Im vorliegenden Fall war daher eine Entsendung iSd herrschenden Judikatur gegeben. Die BF wurde von einem Unternehmen mit Sitz in Österreich nach Montenegro entsendet. Auf sie waren bis zum Ende des 24. Kalendermonates - somit bis zum 31.12.2009 - ex lege die sozialversicherungsrechtlichen Rechtsnormen Österreichs anzuwenden.

Soweit die WGKK einwendet, die Dienstgeberin hätte ihr erstmals am 16.03.2009 eine Entsendung der BF - nur für die Zeit von 1.10.2007 bis 30.09.2008 - angezeigt, so ist dem entgegenzuhalten, dass nur die Frage der tatsächlichen Entsendung rechtlich relevant ist. Dass die diesbezüglich von der Dienstgeberin gemachte Anzeige insoweit fehlerhaft war, als sie bereits den 01.10.2007 als Beginn der Entsendung anzeigt, ist, wie in der Beweiswürdigung näher ausgeführt wurde, zu vernachlässigen. Das gleiche gilt für das (in Zusammenhalt mit dem angeschlossenen Formular) missverständlich formulierte Schreiben der Dienstgeberin vom 16.3.2009 betreffend die Verlängerung der Entsendung.

Tatsächlich wurde die BF ab 01.01.2008 von ihrer Dienstgeberin nach Montenegro entsendet. Diese Entsendung unterlag Art 7 Abs 1 der beiden genannten bilateralen Abkommen.

Was die Zeit nach dem 31.12.2009 betrifft, so besteht im vorliegenden Fall keine rechtliche Grundlage für eine Weiteranwendung des österreichischen Sozialversicherungsrechts auf die von der BF ausgeübte Erwerbstätigkeit. Art 7 Abs 1 der oben genannten bilateralen Abkommen normiert eindeutig die Anwendbarkeit des montenegrinischen Sozialversicherungsrechts. Einer nachträglichen Ausnahmevereinbarung iSd Art 9 des genannten Abkommens hat die zuständige montenegrinische Behörde abgelehnt.

Die verfahrensgegenständliche Versicherungspflicht gemäß § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVg war daher nur für die Zeit bis 31.12.2009 festzustellen.

Soweit die BF einwendet, sie sei EU-Bürgerin und würde aus diesem Grund der VO (EWG) Nr. 1408/71 bzw (Anm. der ab 01.05.2010 geltenden Nachfolge-) VO (EG) Nr. 883/2004 unterliegen, so ist auf den Gegenstand des hier anhängigen Beschwerdeverfahrens zu verweisen, das ausschließlich die Frage der Pflichtversicherung der BF nach § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG im Rahmen der festgestellten Entsendung nach Montenegro bildet. Die beiden genannten EU-Verordnungen sehen bezüglich der Frage der Pflichtversicherung kollisionsrechtliche Regelungen für (u.a.) ArbeitnehmerInnen vor, die eine Beschäftigung in zwei oder mehr Mitgliedstaaten ausüben bzw. in einen anderen Mitgliedsstaat, als jenem, wo sie gewöhnlich tätig sind, entsandt werden. Die Frage der Staatsbürgerschaft ist dabei nicht relevant. Montenegro ist (bzw. war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum) kein Mitgliedstaat der EU und hat auch kein Abkommen mit der EU geschlossen, dass die Anwendung der beiden genannten Verordnungen bewirken könnte. Eine Anwendung der VO (EWG) Nr. 1408/71 bzw (Anm. der ab 01.05.2010 geltenden Nachfolge-) VO (EG) Nr. 883/2004 auf die hier strittige Pflichtversicherung scheidet daher aus. Die gegenständliche Entsendung der BF von Österreich nach Montenegro ist von den genannten EU-Verordnungen nicht erfasst. Zwischen Montenegro und der Europäischen Union besteht auch kein Abkommen, das den Geltungsbereich der genannten EU-Verordnungen auf eine Beschäftigung wie die hier vorliegende ausweiten würde.

Kein Anhaltspunkt ergibt sich ferner für die von der BF behauptete Anwendung des 1974 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien abgeschlossenen Abkommens über soziale Sicherheit auf den vorliegenden Fall.

Soweit die BF auf den von der BF mit der mitbeteiligten GmbH geschlossenen Arbeitsvertrag und die daran angeschlossene Zusatzvereinbarung über die Verpflichtungen des Konzerns im Fall einer Entsendung verweist, so sind daraus unmittelbar keine Rechtsfolgen für die hier gegenständliche Versicherungspflicht abzuleiten. Die Versicherungspflicht nach § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG iVm § 1 Abs 1 lit a AlVG besteht ipso iure; die Versicherten und ihre DienstgeberInnen können über sie nur im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeiten verfügen.

Soweit die BF eine Leistungspflicht der österreichischen Behörden auf Basis des Unionsrechts geltend macht, muss erneut auf den Gegenstand des hier anhängigen Beschwerdeverfahrens verwiesen werden, der ausschließlich die Frage der Pflichtversicherung nach § 4 Abs 1 Z 1 und Abs 2 ASVG sowie § 1 Abs 1 lit a AlVG betrifft. Leistungsrechtliche Fragen sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens und fallen auch nicht in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte. Die rückwirkende Feststellung bzw. Verneinung der Versicherungspflicht ist auch keiner Verjährung unterworfen.

Gegenstand dieses Verfahrens ist auch nicht die Frage einer Pflichtversicherung nach den montenegrinischen Gesetzen, ferner nicht die Frage einer freiwilligen Selbstversicherung in der Kranken- und Pensionsversicherung und auch nicht die Frage einer Formalversicherung gem. § 21 ASVG. Auch die beitragsrechtlichen Folgen dieser Entscheidung bilden nicht den Gegenstand dieses Verfahrens.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Entsendung, Pflichtversicherung, Teilstattgebung,
Versicherungspflicht, Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W164.2123125.1.00

Zuletzt aktualisiert am

26.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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