Entscheidungsdatum
11.02.2019Norm
BBG §41Spruch
W266 2196427-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Stephan WAGNER als Vorsitzenden und die Richterin Mag. Ulrike SCHERZ sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf HALBAUER, Bakk. Phil. als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen,
Landesstelle Wien, vom 24.04.2018, OB: XXXX, betreffend den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses in nicht öffentlicher
Sitzung zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Mit dem im Spruch zitierten Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Burgenland (in der Folge: belangte Behörde) wurde betreffend den Antrag des Beschwerdeführers vom 6.10.2017 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30% nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfülle.
1.2. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung sowie eine ergänzende Stellungnahme der Sachverständigen zu den Einwendungen des Beschwerdeführers im Rahmen des Parteiengehörs eingeholt worden seien und nach diesen ein Grad der Behinderung von 30% vorliege.
1.3. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Die Ergebnisse der ärztlichen Begutachtung würden als schlüssig anerkannt und in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
1.4. Da die ärztliche Begutachtung einen Grad der Behinderung in Höhe von 30% festgestellt habe, lägen die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr vor, da gemäß § 40 Abs. 3 Bundesbehindertengesetz der Grad der Behinderung mindestens 50% zu betragen habe.
1.5. In der gegen diesen Bescheid erhobenen, fristgerechten Beschwerde führt der Beschwerdeführer - unter Vorlage weiterer Befunde - im Wesentlichen aus, dass es sehr befremdlich sei, dass seine Einwände gegen das Gutachten von derselben Ärztin, die das Gutachten erstellt habe beantwortet worden wären. Weiters brachte er vor, dass im Gutachten nicht erwähnt worden sei, dass er auf Krücken zur Untersuchung gekommen wäre, und im Gegenteil sogar festgestellt worden wäre, dass er aufrecht und ohne Hinken gegangen wäre.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Nach Einsicht in den behördlichen Verwaltungsakt steht folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:
1.2. Dem Beschwerdeführer wurde seitens der belangten Behörde mit Wirksamkeit ab dem 15.5.2008 ein Behindertenpass mit einem GdB in Höhe von 50% ausgestellt.
1.3. Am 6.10.2017 beantragte der Beschwerdeführer die Neufestsetzung des Grades der Behinderung.
1.4. In der Folge wurde von der belangten Behörde ein orthopädisches Gutachten eingeholt, in welchem ein Grad der Behinderung in Höhe von 30% festgestellt wurde.
1.5. Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobenen Einwendungen wurden der Sachverständigen zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt und kam diese zu dem Ergebnis, dass sich daraus keine Änderung ihres Gutachtens ergibt.
1.6. Daraufhin erließ die belangte Behörde den gegenständlichen Bescheid, dessen Spruch wie folgt lautet: "Mit einem Grad der Behinderung (GdB) von 30% erfüllen Sie nicht mehr die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses."
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen beruhen den unbedenklichen Unterlagen im Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 17 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist,.
3.3. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
3.4. Gemäß § 1 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz (BBG) ist unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
3.5. Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
3.6. Gemäß § 40 Abs. 2 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
3.7. Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
3.8. Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
3.9. Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpaß unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.
3.10. Gemäß § 43 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Änderungen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.
3.11. Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
3.12. Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
3.13. Gemäß § 46 BBG beträgt die Beschwerdefrist abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Daraus folgt:
3.14. Im Gegenstand hat der Beschwerdeführer einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung gestellt und hat die belangte Behörde in der Folge mit dem angefochtenen Bescheid festgestellt, dass der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers 30% beträgt und dass dieser die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr erfüllt.
3.15. In seinem Erkenntnis vom 13.12.2018, Ra 2018/11/0204, hat der VwGH in einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen, dass ein Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung, wie sich aus § 41 Abs. 2 BBG ergibt - innerhalb zeitlicher Schranken - zulässig ist. Im Falle einer solchen Neufestsetzung des Grades der Behinderung ist, solange der Grad der Behinderung weiterhin wenigstens 50 % beträgt, gemäß § 43 Abs. 1 erster Satz BBG der Behindertenpass zu korrigieren (bzw. erforderlichenfalls ein neuer mit geänderten Eintragungen auszustellen). Demgegenüber regelt § 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG, wie vorzugehen ist, wenn sich herausstellt, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses weggefallen sind. In einem solchen Fall "ist der Behindertenpass einzuziehen" (vgl. zB. VwGH 29.3.2011, 2008/11/0191). Die Einziehung hat gemäß § 45 Ab. 2 BBG durch Bescheid zu erfolgen. § 43 Abs. 1 zweiter Satz BBG enthält keine Ermächtigung für einen gesonderten Ausspruch der Behörde, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr vorliegen (anders als etwa § 14 Abs. 2 des Behinderteneinstellungsgesetzes - BEinstG) oder dass ein Grad der Behinderung von weniger als 50 % besteht.
3.16. Diesem Erkenntnis folgend ist der angefochtene Bescheid, ungeachtet der gesundheitlichen Einschränkungen, zu beheben, da dessen Spruch im BBG keine Deckung findet. Den Ausführungen des VwGH zu Folge hätte die belangte Behörde (unter Annahme eines GdB von 30%) zunächst den Antrag des Beschwerdeführers auf Neufestsetzung abweisen, sodann amtswegig ein Einziehungsverfahren einleiten und in der Folge den Behindertenpass mit Bescheid einziehen müssen.
3.17. Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
3.18. Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
3.19. Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Einziehung, Grad der Behinderung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W266.2196427.1.00Zuletzt aktualisiert am
25.03.2019