TE Vwgh Erkenntnis 1999/5/12 98/01/0467

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Veröffentlicht am 12.05.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AVG §37;
AVG §43 Abs5;
AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AVG §67d;
AVG §68 Abs1;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des IB, geboren am 2. Oktober 1977, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. Mai 1998, Zl. 202.915/0-IV/10/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der "BR Jugoslawien", der am 2. Februar 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 10. Februar 1998 die Gewährung von Asyl. Er wurde am 26. Februar 1998 niederschriftlich einvernommen.

Hiebei gab er an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens. Er habe zuletzt in Trpeza, Verwaltungsbezirk Vitina, gewohnt und gearbeitet.

Die Behörde erster Instanz gab sein damaliges Vorbringen in ihrem den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 7. April 1998 folgendermaßen wieder:

"Sie seien aus dem Kosovo geflüchtet, da Sie von der Polizei verfolgt würden. Die Polizei sei, beginnend mit November 1997, insgesamt viermal an Ihren Arbeitsplatz, einem angeblich Ihnen gehörenden Lebensmittelladen in Ihrem Heimatort Trpeza gekommen und hätte Sie über Ihre Kunden befragt. Beim letzten Besuch durch die Polizei seien Sie nicht anwesend gewesen und die Polizei hätte eine Vorladung für den 25.11.1997 zur Polizei von Vitina hinterlassen. Sie seien dieser Ladung nicht nachgekommen, obwohl Sie sich keiner Schuld bewusst gewesen seien, und seien am 24.11.1997 zu Ihren Verwandten nach Bobelde gefahren, und hätten sich dort bis zu Ihrer Rückkehr nach Trpeza am 8.1.1998 aufgehalten. Am 9.1.1998 hätten Sie einen neuen Personalausweis beantragt, da Ihr alter abgelaufen sei. Der neue Personalausweis sei von der Polizeibehörde in Vitina ausgestellt worden.

Auf den Vorhalt, dass Sie einer Vorladung zur Polizei von Vitina für den 24.11.1997 aus Angst nicht nachgekommen seien und nun bei der gleichen Behörde einen Personalausweis beantragt hätten, geben Sie an, dass die Polizei diesen Ausweis nur bestätige, ihn aber nicht ausstellen würde.

Auf den Vorhalt, dass die Polizei Ihre Antragstellung dazu benutzen hätte können, um Ihrer habhaft zu werden, geben Sie an, dass Sie der Meinung gewesen seien, dass Sie die Polizei nicht mehr suchen würde. Sie hätten bei der Abholung des Personalausweises keine Schwierigkeiten gehabt.

Am Tag nachdem Sie Ihren Ausweis abgeholt hätten, seien vier Polizisten in Ihr Geschäft gekommen und hätten Sie gefragt, ob Sie der BAJRAMI Imir seien.

Auf den Vorhalt, dass die Polizei Sie, nach Ihren Angaben, schon vorher viermal aufgesucht hätte und Sie daher bereits kennen müsste, geben Sie an, dass es andere Polizisten gewesen seien und dass sie vermutlich mit Absicht gefragt hätten, um Sie im Falle dass Sie sich verleugnen würden, einen Grund gehabt hätten, Sie mitzunehmen.

Sie seien gefragt worden, ob Sie die UCK mit Lebensmitteln unterstützen und als Sie dies verneint hätten und auch angegeben hätten, diese Leute nicht zu kennen, seien Sie bewusstlos geschlagen worden und erst wieder aufgewacht, nachdem Ihnen Ihre inzwischen anwesende Mutter einen Kübel Wasser über den Kopf geleert hätte. Die Polizisten wären davongelaufen, als Ihre Mutter gekommen sei.

Auf den Vorhalt, dass es unglaubwürdig ist, dass im Kosovo vier serbische Polizisten vor einer albanischen Frau davonlaufen, sagen Sie, dass sie wahrscheinlich genug gehabt hätten.

Von den Schlägen hätten Sie keine heute noch sichtbaren Verletzungen davongetragen.

Sie seien nie in Haft gewesen und gegen Sie sei auch kein Strafverfahren anhängig. Andere Fluchtgründe hätten Sie nicht und Sie würden jederzeit zurückkehren, wenn Sie von der Polizei in Ruhe gelassen werden würden.

Sie seien kein Mitglied einer Partei und hätten vor Ihrer

Flucht den Kosovo noch nie verlassen.

...

Im Falle Ihrer Rückkehr nach Jugoslawien hätten Sie mit einer sofortigen Verhaftung zu rechnen, sobald Sie serbischen Boden betreten würden. Der Grund dafür wären die von Ihnen angegebenen Vorgänge."

Die Behörde erster Instanz wertete die Angaben des Beschwerdeführers mit folgender Begründung als unglaubwürdig:

"Glaubwürdig ist ein Vorbringen nur, wenn die Angaben eines Asylwerbers nachvollziehbar und wahrscheinlich erscheinen. Die von Ihnen gemachten Angaben entbehren über weite Strecken jeder Logik, und die von Ihnen geschilderten Handlungsabläufe widersprechen jeder allgemeinen Lebenserfahrung.

Sie geben an, Sie hätten sich aus Angst vor einer Vorladung zur Polizei für mehr als sechs Wochen bei Verwandten versteckt gehalten. Am Tag nach Ihrer Rückkehr in Ihren Heimatort hätten Sie bei eben dieser Behörde problemlos einen Antrag auf Ausstellung eines Personalausweises gestellt und diesen eine Woche später auch problemlos persönlich bei der Behörde abgeholt. Am Tag nach der persönlichen Abholung Ihres Personalausweises hätten die Verfolgungshandlungen gegen Sie wieder eingesetzt und Sie wären neuerlich von der Polizei in Ihrem Geschäft aufgesucht worden.

Es ist unglaubwürdig, dass Sie, als angeblich Verfolgter im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, nachdem Sie sich einer polizeilichen Vorladung sogar durch eine innerstaatliche Flucht entzogen hätten, mit der für Ihre angebliche Verfolgung zuständigen Behörde persönlich von sich aus in Kontakt treten. Ein Verfolgter im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention würde es wohl vermeiden, persönlich bei der für seine Verfolgung verantwortlichen Behörde, vorstellig zu werden. Denn Ihr Personalausweis wurde von SUP Vitina ausgestellt, von dem Sie auch Ihre Vorladung für den 25.11.1997 erhalten haben.

Die Tatsache, dass Ihnen auf Antrag problemlos ein neuer Personalausweis ausgestellt worden sei, zu einem Zeitpunkt, als Sie nach Ihren Angaben, bereits über einen längeren Zeitraum Verfolgungshandlungen ausgesetzt gewesen seien, lässt die von Ihnen geschilderten Geschehnisse unglaubwürdig erscheinen.

Es widerspricht jeder Logik, und jedem behördlichen Vorgehen, dass man Ihre persönlichen Anwesenheiten bei der Behörde nicht dazu benutzt hätte, Ihrer habhaft zu werden, sondern statt dessen am Tag nach der positiven Erledigung Ihres Ansuchens, die Verfolgungshandlungen gegen Sie wieder aufgenommen hätte."

Es sei daher nicht glaubhaft, dass dem Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Verfolgung drohe.

Das Bundesasylamt wies seinen Asylantrag daher gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab (Spruchpunkt I.).

Mit Spruchpunkt II. stellte die Behörde erster Instanz fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Jugoslawien gemäß § 8 Asylgesetz zulässig sei.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung wendete sich der Beschwerdeführer gegen die Wertung seiner Angaben als unglaubwürdig im Wesentlichen mit dem Hinweis auf die "betreffende Ladung", welche er in Kopie zur Vorlage bringe. Diese Ladung war jedoch weder der Berufung angeschlossen, noch wurde sie im Verwaltungsverfahren vorgelegt.

Im Wesentlichen gestützt auf einen Vorfall des Jahres 1990, zitiert im Menschenrechtsreport Nr. 1, Februar 1991, und Ausschnitte aus einem Urteil des Verwaltungsgerichtes Freiburg des Jahres 1992, erscheine es "durchaus angebracht, dem BW eine begründete Furcht vor Verfolgung zuzugestehen, dies als Angehöriger der ethnischen Volksgruppe der Albaner". Weiters hätte die Behörde "erkennen müssen, dass sich die Situation im Kosovo zusehends zugespitzt" habe und dass es "wahllos zu einzelnen Übergriffen von serbischer Polizei gegen Albaner gekommen" sei. "Unter Betrachtung dieses Zustandes wäre bereits die Frage einer möglichen Gruppenverfolgung relevant gewesen."

Die belangte Behörde beraumte eine öffentliche mündliche Verhandlung an, zu welcher sie den Beschwerdeführer und seinen ausgewiesenen Vertreter lud. Beide Ladungen wurden dem ausgewiesenen Vertreter gemäß den im Akt befindlichen Rückscheinen am 8. Mai 1998 durch Zustellung in dessen Kanzlei rechtsgültig zugestellt. Sowohl der Beschwerdeführer als auch sein Vertreter blieben der Verhandlung jedoch unentschuldigt fern. In der Verhandlung wurde von der belangten Behörde "Einsicht" in die von ihr amtswegig beigeschafften Dokumentationen aus dem Zeitraum Oktober 1994 bis 31. März 1998 genommen. Mit dem in der mündlichen Verhandlung verkündeten Berufungsbescheid vom 26. Mai 1998 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers ab. Sie erhob die vom Bundesasylamt in dessen Bescheid "richtig und vollständig" wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner niederschriftlichen Vernehmung zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Nach Wiedergabe des Inhaltes der Berufung und allgemeinen rechtlichen Ausführungen führte die belangte Behörde aus, sie schließe sich im Wesentlichen der Wertung der Angaben des Beschwerdeführers als unglaubwürdig durch die Behörde erster Instanz an. Sie wies ergänzend darauf hin, dass auch das Vorbringen, dass Polizisten vor "einer alten Frau (der Mutter des Asylwerbers) flüchten, wohl als unglaubwürdig, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamtbeurteilung des Asylwerbers angesehen werden" müsse.

Darüber hinaus kam die belangte Behörde gestützt auf die von ihr beigeschafften Länderberichte und Rechtsprechung aus Deutschland aus den Jahren 1994 bis Dezember 1997 zum Ergebnis, dass eine Gruppenverfolgung ethnischer Albaner zu verneinen sei, da im Kosovo die hiefür erforderliche Verfolgungsdichte nicht vorliege. Ein staatliches Programm, das etwa die physische Vernichtung oder die Vertreibung der gesamten albanischen Volksgruppe aus dem Kosovo zum Ziele habe, sei weder ersichtlich noch belegbar.

Dem Beschwerdeführer komme die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 7 Asylgesetz 1997 (siehe Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention) nicht zu.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem "gesetzlich gewährleisteten Recht auf Anerkennung als Flüchtling im Sinne der GFK und des AsylG 1997 verletzt". Auch die Beschwerdeausführungen versuchen nur aufzuzeigen, dass der Beschwerdeführer Flüchtling im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention sei, weshalb davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführer Punkt II. des angefochtenen Bescheides, mit welchem die belangte Behörde festgestellt hat, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien gemäß § 8 Asylgesetz 1997 zulässig sei, nicht angefochten hat.

Der Beschwerdeführer rechtfertigt sein Nichterscheinen bei der mündlichen Verhandlung in der Beschwerde lediglich mit einem "Missverständnis", weil er sich in Wien nicht zurechtgefunden habe und zu spät zur mündlichen Verhandlung gekommen sei. Diese Begründung für das nicht zeitgerechte Erscheinen (im Akt ist zudem nicht dokumentiert, dass der Beschwerdeführer überhaupt erschienen wäre) ist unbeachtlich, weil es am Beschwerdeführer gelegen wäre, sich zeitgerecht mit den örtlichen Verhältnissen vertraut zu machen und dementsprechend früh anzureisen. Das Nichterscheinen seines Rechtsvertreters wird in der Beschwerde nicht zu erklären versucht. Wirkt aber ein Beschwerdeführer im Ermittlungsverfahren nicht mit, steht es der Behörde frei, aus diesem Verhalten gemäß § 45 Abs. 2 und 46 AVG im Rahmen der ihr zustehenden freien Beweiswürdigung auch für den Antrag des Beschwerdeführers negative Schlüsse zu ziehen. Wirkt eine Partei an der Durchführung von Beweisen (hier:

seine Einvernahme in der mündlichen Verhandlung zwecks Klärung seiner Glaubwürdigkeit), die eine solche Mitwirkung erforderlich machen, nicht mit, kann dieser Umstand im Wege der Beweiswürdigung berücksichtigt werden. Der Grundsatz der Amtswegigkeit des Verfahrens befreit die Partei nicht von der Verpflichtung, zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes beizutragen und Verzögerungen des Verfahrens hintanzuhalten. Daher ist die Verfahrensrüge einer Partei abzulehnen, die im Verwaltungsverfahren untätig geblieben ist, um erst vor dem Verwaltungsgerichtshof ihre Zurückhaltung abzulegen und das Verfahren als mangelhaft zu bekämpfen, an dem sie trotz gebotener Gelegenheit nicht genügend mitgewirkt hat (vgl. die in Hauer/Leukauf, Handbuch des Verwaltungsverfahrens5, Seite 300 f, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Die belangte Behörde war daher nicht verpflichtet - wie vom Beschwerdeführer gefordert -, die Verhandlung zu vertagen.

Sachverhaltsbehauptungen in der Beschwerde, die über die Sachverhaltsdarstellung im Verwaltungsverfahren hinausgehen, unterliegen grundsätzlich dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG. Darunter fällt insbesondere das gegen die Wertung seiner Angaben als unglaubwürdig erstattete Vorbringen, es sei im Kosovo nicht die Polizei die zuständige Ausstellungsbehörde für Ausweise, sondern eigene Verwaltungsbehörden.

Insoweit sich der Beschwerdeführer gegen die von der belangten Behörde vorgenommene Beweiswürdigung wendet, ist ihm entgegenzuhalten, dass die Beweiswürdigung ein Denkprozess ist, der nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich ist, als es sich um die Schlüssigkeit dieses Denkvorganges handelt bzw. darum, ob die Beweisergebnisse, die in diesem Denkvorgang gewürdigt wurden, in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegt daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, S. 549 ff abgedruckte hg. Judikatur). Die nicht dem Neuerungsverbot unterliegenden weiteren Beschwerdeausführungen lassen aber Zweifel an der Schlüssigkeit der von der belangten Behörde detailliert dargelegten Erwägungen zur Beweiswürdigung nicht aufkommen. Der Verwaltungsgerichtshof kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die vom Beschwerdeführer gemachten Angaben unlogisch seien und der allgemeinen Lebenserfahrung widersprächen, weshalb sein Vorbringen nicht glaubwürdig sei, nicht als unschlüssig erkennen.

Der Beschwerdeführer behauptet eine asylrelevante Verfolgung aller Albaner im Kosovo allein auf Grund ihrer ethnischen Zugehörigkeit zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides.

Der Verwaltungsgerichtshof sieht es insbesondere auf Grund von Medienberichten als notorisch an, dass mit der Reaktion serbischer Sonderpolizei auf einen Überfall auf eine reguläre Polizeipatrouille durch "albanische Separatisten" am 28. Februar 1998 eine neue Stufe der (bewaffneten) Auseinandersetzungen im Kosovo begonnen hat. Diese Auseinandersetzungen gehen auch mit vermehrten Übergriffen insbesondere auf die albanische Zivilbevölkerung einher.

Derartige Vorgänge, insbesondere in Ländern, aus denen viele Asylwerber nach Österreich kommen, sind vom Bundesasylamt und vom unabhängigen Bundesasylsenat als Spezialbehörden jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen.

Die Beschwerde zeigt aber die Relevanz des Umstandes nicht auf, dass die belangte Behörde diesbezüglich kein Ermittlungsverfahren über Ereignisse nach dem 28. Februar 1998 - unter Einräumung des Parteiengehörs und allenfalls Durchführung einer mündlichen Verhandlung - geführt hat. Es ist nämlich auch allgemein bekannt, dass sich die Aktionen der serbischen Kräfte zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht auf den ganzen Kosovo bezogen. Der Beschwerdeführer stammt jedoch aus Trpeza im Verwaltungsbezirk Vitina. Für diesen Bereich des Kosovo waren zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstärkte Aktionen der genannten Art nicht notorisch. Dass der Beschwerdeführer aus anderen Gründen - etwa weil ihm ein Naheverhältnis zu den "albanischen Separatisten" vorgeworfen bzw. unterstellt wird - von diesen Vorfällen besonders betroffen sei, hat er auch in der Beschwerde nicht behauptet. Aus der bloßen Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe - ohne räumliches Naheverhältnis zu Gegenden mit verstärkten Aktivitäten von serbischen Einheiten (vgl. zu diesem Merkmal das hg. Erkenntnis vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0370) und ohne sonstige Anhaltspunkte für eine individuelle Verfolgung - kann jedoch eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchtende asylrelevante Verfolgung nicht abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0386).

Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aber aufgrund der gravierenden Änderung der Situation seit Mitte März 1999, die bei der Entscheidung über den am 26. Mai 1998 erlassenen angefochtenen Bescheid nicht mehr berücksichtigt werden darf, wegen der grundsätzlichen Bedeutung für derzeit bei den Verwaltungsbehörden anhängigen Asylverfahren von Asylwerbern aus dem Kosovo zu nachfolgender Aussage veranlasst:

Wie in den Medien berichtet wurde, hätten ab Mitte März 1999 serbische Einheiten mit "ethnischen Säuberungsaktionen" begonnen, die mit schwersten Übergriffen gegen Leib, Leben und wirtschaftliche Existenzmöglichkeit aller ethnischen Albaner im Kosovo verbunden seien. Diese Aktionen hätten augenscheinlich das Ziel, die Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben. Sollte dies zutreffen, hätten Angehörige der albanischen Bevölkerungsgruppe im Kosovo schon allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit grundsätzlich eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten. Unter diesen Voraussetzungen stünde auf Grund des geänderten Sachverhaltes im vorliegenden Fall der neuerlichen Stellung eines Asylantrages nicht das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Von der vom Beschwerdeführer beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

Wien, am 12. Mai 1999

Schlagworte

Verfahrensgrundsätze im Anwendungsbereich des AVG Offizialmaxime Mitwirkungspflicht Manuduktionspflicht VwRallg10/1/1 Zurückweisung wegen entschiedener Sache

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010467.X00

Im RIS seit

21.02.2002
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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