TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/18 W151 2168125-1

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Veröffentlicht am 18.02.2019
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Entscheidungsdatum

18.02.2019

Norm

AuslBG §32a
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W151 2168125-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Doris KOHL, MCJ als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Mag. Sandra HUBER und den fachkundigen Laienrichter Anton LIEDLBAUER als Beisitzer über den Vorlageantrag vom 20.08.2017 des Beschwerdeführers XXXX , geb. XXXX , StA. Kroatien, XXXX , vertreten durch Mag. Stefan Errath, Rechtsanwalt, Untere Viaduktgasse 6/6, 1030 Wien, in Verbindung mit der Beschwerde betreffend Nichtausstellung einer Bestätigung nach § 32a AuslBG, gegen die Beschwerdevorentscheidung des Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz, GZ XXXX , vom 03.08.2017 in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. XXXX kroatischer Staatsangehöriger (im Folgenden Beschwerdeführer oder BF), stellte am 06.03.2017 beim Arbeitsmarktservice Wien Esteplatz (in Folge: AMS) einen Antrag auf Freizügigkeitsbestätigung für kroatische Staatsangehörige. Dem Antrag beigelegt war:

-

die Kopie eines Reisepasses des BF,

-

Kopien des Reisepasses sowie Auszüge aus einem Sparbuch von XXXX (Vaters des BF),

-

Verständigung über Leistungshöhe der Invaliditätspension des Vaters,

-

Meldebestätigungen,

-

Auszüge aus der Geburts- und Heiratsurkunde des BF,

-

Eidesstaatliche Erklärungen, wonach der Vater für den Unterhalt, Wohnung und Versicherung aufkommt.

2. Mit Parteiengehör vom 04.04.2017 gab die belangte Behörde bekannt, dass die Kindeseigenschaft gemäß § 1 Abs. 2 lit. l AuslBG beim BF nicht vorliegend sei, da es sich bei seiner Wohnadresse in Wien nur um einen Nebenwohnsitz handle und er erst nach Vollendung des 21.Lebensjahres nach Österreich gekommen sei.

3. Mit Schreiben vom 17.04.2017 ersuchte der rechtsfreundlich vertretene BF um Fristerstreckung.

4. Mit Schreiben vom 25.04.2017 brachte der BF eine Stellungnahme ein. Der BF sei auf Unterhaltsleistungen seines Vaters angewiesen. Dieser verfüge über eine Pension sowie über Sparguthaben. Durch den gemeinsamen Haushalt werde zudem Naturalunterhalt geleistet.

5. Mit Bescheid vom 27.04.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Freizügigkeitsbestätigung ua. mit der Begründung ab, der Lebensmittelpunkt des BF liege nicht in Österreich und es fehle am kausalen Zusammenhang der Angehörigeneigenschaft zur Verwirklichung des Freizügigkeitssachverhaltes.

6. Mit fristgerecht eingebrachter Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht brachte der BF im Wesentlichen vor, der BF habe seinen Lebensmittelpunkt in Österreich im Zusammenleben mit seinem kroatischen Vater und sei auch zwei seiner drei in Österreich lebenden Brüdern bei identischem Sachverhalt die beantragte Bestätigung ausgestellt worden. Die Behörde habe es unterlassen, im Zuge eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens festzustellen, dass der BF seinen Lebensmittelpunkt in Österreich habe bzw. aufzuzeigen, aufgrund welcher Überlegungen dies tatsächlich nicht vorliege. Der BF beantragte, in der Sache selbst zu entscheiden und die beantragte Bestätigung zu erteilen, in eventu den angefochtenen Bescheid zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an die Behörde zurückzuverweisen.

7. Mit Bescheid vom 03.08.2017 (Beschwerdevorentscheidung) wies die belangte Behörde die Beschwerde ab. Begründend wurde ausgeführt, dass der Vater des BF unter Bedachtnahme auf seine eigenen Lebensunterhaltskosten keine ausreichenden finanziellen Mittel verfüge, um dem BF dauerhaft die Deckung des Lebensunterhaltes im erforderlichen Ausmaß zu finanzieren. Dem Verfahren liege somit keine Unterhaltsleistung durch den Vater im nötigen Umfang zugrunde weshalb das Erfordernis des § 32a Abs. 3 AuslBG nicht erfüllt sei.

8. Am 20.08.2017 stellte der BF einen Vorlageantrag.

9. Einlangend am 18.10.2017 wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

10. Mit Schreiben vom 08.08.2018 brachte der BF weitere Unterlagen in Vorlage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF, geb. XXXX kroatischer Staatsangehöriger stellte am 06.03.2017 beim AMS einen Antrag auf Freizügigkeitsbestätigung für kroatische Staatsangehörige. Der BF ist seit 15.11.2016 am Wohnsitz seines Vaters in XXXX gemeldet. Seit 25.04.2017 ist der BF an dieser Adresse zum Hauptwohnsitz gemeldet.

Der BF verfügt über keine Einkünfte aus selbstständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit und verfügt nicht über eigenes Vermögen. Der BF ist in Anbetracht seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht in der Lage, seine Grundbedürfnisse selbst zu decken.

Der Vater des BF bezieht eine Invaliditätspension in Höhe von (Netto) € 1231,52 und verfügte zum 21.09.2018 über Spareinlagen in Höhe von € 33.314,01. Der Nachweis ausreichender Unterhaltsmittel wurde damit erbracht.

2. Beweiswürdigung:

Die kroatische Staatsangehörigkeit sowie das Geburtsdatum steht aufgrund der Aktenklage als unstrittig fest.

Die Feststellungen zum Wohnsitz des BF in Österreich und dessen wirtschaftlicher Situation, sowie zu den Einkünften und dem Sparvermögen des Vaters des BF ergeben sich aus den vorgelegten unbedenklichen Urkunden und wurden diese von der belangten Behörde nicht in Abrede gestellt. Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner Einsicht in das zentrale Melderegister genommen und eine Abfrage beim Hauptverband der Sozialversicherungsträger vorgenommen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I. Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 20f Abs. 1 AuslBG entscheidet über Beschwerden gegen Bescheide der regionalen

Geschäftsstellen des Arbeitsmarktservices, die in Angelegenheiten des

Ausländerbeschäftigungsgesetzes ergangen sind, das Bundesverwaltungsgericht durch einen Senat, dem zwei fachkundige Laienrichter, je einer aus dem Kreis der Arbeitgeber und einer aus dem Kreis der Arbeitnehmer, angehören.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg. cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das

Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Die im vorliegenden Fall anzuwendenden maßgebenden Bestimmungen des AuslBG in der geltenden Fassung lauten:

§ 1

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz regelt die Beschäftigung von Ausländern (§ 2) im Bundesgebiet.

(2) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes sind nicht anzuwenden auf

a) bis j) ...

l) Ausländer, die aufgrund eines Rechtsaktes der Europäischen Union Arbeitnehmerfreizügigkeit genießen;

m) ..."

§ 32a:

"Übergangsbestimmungen zur EU-Erweiterung

§ 32a. (1) Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union, die am 1. Jänner 2007 aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Republik Bulgarien und Rumäniens zur Europäischen Union (Beitrittsvertrag von Luxemburg), Amtsblatt der Europäischen Union Nr. L 157 vom 21. Juni 2005, Seite 11, der Europäischen Union beigetreten sind, genießen keine Arbeitnehmerfreizügigkeit im Sinne des § 1 Abs. 2 lit. l, es sei denn, sie sind Angehörige eines gemeinschaftsrechtlich aufenthaltsberechtigten Staatsangehörigen eines anderen EWR-Mitgliedstaates gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 bis 3 NAG.

(2) EU-Bürger gemäß Abs. 1 haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie

1. am Tag des Beitritts oder nach dem Beitritt rechtmäßig im Bundesgebiet beschäftigt sind und ununterbrochen mindestens zwölf Monate zum Arbeitsmarkt zugelassen waren oder

2. die Voraussetzungen des § 15 sinngemäß erfüllen oder

3. seit fünf Jahren im Bundesgebiet dauernd niedergelassen sind und über ein regelmäßiges Einkommen aus erlaubter Erwerbstätigkeit verfügen.

(3) Ehegatten und eingetragene Partner von EU-Bürgern gemäß Abs. 2 und deren Verwandte in gerader absteigender Linie, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und darüber hinaus, sofern ihnen von diesen Unterhalt gewährt wird, haben unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt, wenn sie mit diesen einen gemeinsamen rechtmäßigen Wohnsitz im Bundesgebiet haben.

(4) Das Recht auf unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt gemäß Abs. 2 und 3 ist von der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zu bestätigen. Die Bestätigung ist vor Beginn der Beschäftigung einzuholen. Der Arbeitgeber hat eine Ausfertigung der Bestätigung im Betrieb zur Einsichtnahme bereitzuhalten. Die Bestätigung erlischt bei Ausreise aus dem Bundesgebiet aus einem nicht nur vorübergehenden Grunde.

(Anm.: Abs. 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 72/2013)

(6) bis (10) ...

(11) Aufgrund des Vertrages über den Beitritt der Republik Kroatien zur Europäischen Union, ABL. Nr. L 112 vom 24.04.2012 S. 10, gelten die Abs. 1 bis 9 ab dem EU-Beitritt Kroatiens sinngemäß für Staatsangehörige der Republik Kroatien und für Arbeitgeber mit Betriebssitz in der Republik Kroatien. Kroatischen Staatsangehörigen, die bis zum Beitritt gemäß § 17 zur Ausübung einer Beschäftigung im gesamten Bundesgebiet berechtigt waren, ist ohne weitere Prüfung ein unbeschränkter Arbeitsmarktzugang zu bestätigen. Die Abs. 3 und 4 sind mit der Maßgabe anzuwenden, dass den dort genannten Familienangehörigen in den ersten zwei Jahren ab dem Beitritt unbeschränkter Arbeitsmarktzugang nur dann zu bestätigen ist, wenn sie mit dem kroatischen Staatsangehörigen, der bereits unbeschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt hat, am Tag des Beitritts oder, sofern sie erst später nachziehen, mindestens achtzehn Monate einen gemeinsamen rechtmäßigen Wohnsitz im Bundesgebiet hatten. Diese Frist entfällt, wenn der kroatische Staatsangehörige bis zum Beitritt über eine "Rot-Weiß-Rot - Karte", eine "Rot-Weiß-Rot - Karte plus", eine "Blaue Karte EU" oder einen Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EG" verfügt hat.

(11a) und (12) ..."

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Der BF stützt seine Beschwerde auf § 32a Abs. 3 AuslBG. Er leitet seinen Anspruch auf EU-Freizügigkeit von seinem Vater ab. Der BF hat mit seinem Vater einen gemeinsamen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet.

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob dem BF, der das 21. Lebensjahr überschritten hat, weiterhin von seinem Vater Unterhalt in der Weise gewährt wird, dass die Voraussetzung des § 32a Abs. 3 AuslBG erfüllt wird.

Das AMS vertritt dazu die Auffassung, dass die vom Vater in seiner Unterhaltsbestätigung angeführten Unterhaltsleistungen nicht den von § 32a Abs. 3 AuslBG geforderten Umfang erreichen. Dieser verfüge nicht über ausreichende finanzielle Mittel, um dem BF dauerhaft die Deckung des Lebensunterhaltes im erforderlichen Ausmaß zu finanzieren.

Dazu wird folgendes ausgeführt:

Der hier maßgebliche Begriff des § 32a Abs. 3 AuslBG ("Verwandte in gerader absteigender Linie von EU-BürgerInnen gemäß Abs. 2 über das 21. Lebensjahr hinaus, sofern ihnen Unterhalt gewährt wird") wurde mit BGBl I Nr. 25/2011 in § 32a Abs. 3 AuslBG aufgenommen. Vor dieser Novelle stellte § 32a Abs. 3 AuslBG auf den Begriff "Kind iSd § 1 Abs. 2 lit l AuslBG" ab.

In den zu BGBl I Nr. 25/2011 ergangenen Erläuternden Bemerkungen (1077 der Beilagen XXIV.GP) wird bezüglich dieser eben genannten Änderung des § 32a Abs. 3 AuslBG nichts angemerkt.

Die genannte Formulierung deckt sich allerdings mit der Begriffsbestimmung "Familienangehöriger" iSd Art 2, Ziffer 2, Buchstabe c der Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten.

Mit dem letztgenannten Begriff hat sich der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil C423/12 vom 16.1.2014 (Flora May Reyes) - auseinandergesetzt und festgestellt, dass ein Verwandter in gerader absteigender Linie, der 21 Jahre oder älter ist - um als Person, der Unterhalt gewährt wird, und somit als von der Definition des "Familienangehörigen" im Sinne dieser Vorschrift erfasst angesehen zu werden - folgendes nachzuweisen hat:

Es muss das Vorliegen eines tatsächlichen Abhängigkeitsverhältnisses nachgewiesen werden. Diese Abhängigkeit ergibt sich aus der tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der materielle Unterhalt des Familienangehörigen durch den Unionsbürger, der von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat oder von dessen Ehegatten, sichergestellt wird.

Es ist nicht erforderlich, die Gründe für diese Abhängigkeit zu ermitteln. Es ist auch nicht der Nachweis darüber erforderlich, dass die betreffende Person vergeblich versucht hat, Arbeit zu finden, von den Behörden seines Herkunftslandes Hilfe zum Lebensunterhalt zu erlangen und/oder auf andere Weise ihren Unterhalt zu bestreiten. Auch der Umstand, dass ein Familienangehöriger aufgrund persönlicher Umstände wie Alter, Ausbildung und Gesundheit gute Voraussetzungen dafür mitbringt, eine Arbeit zu finden und darüber hinaus beabsichtigt, im Aufnahmemitgliedstaat einer Arbeit nachzugehen, schadet nicht.

In seinem Urteil C1/05 vom 9.1.2007 (Jia) hat der Europäische Gerichtshof bezogen auf Art 1 Abs. 1 Buchstabe d der Vorgänger-Richtlinie 73/148/EWG zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs und bezogen auf den Begriff "Verwandte in aufsteigender und absteigender Linie dieser Staatsangehörigen und ihrer Ehegatten, denen diese Unterhalt gewähren" folgendes festgestellt:

Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich die Eigenschaft als Familienangehöriger, dem "Unterhalt gewährt" wird, aus einer tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet wird, dass der erforderliche Unterhalt vom Gemeinschaftsangehörigen, der von seinem Freizügigkeitsrecht Gebrauch gemacht hat oder seinem Ehegatten materiell sichergestellt wird. Die Eigenschaft, als Familienangehöriger, dem Unterhalt gewährt wird, setzt keinen Unterhaltsanspruch voraus. Es ist nicht erforderlich, die Gründe des Unterhaltsbedarfs zu ermitteln und zu prüfen, ob der Betroffene in der Lage wäre, seinen Lebensunterhalt durch Ausübung einer entgeltlichen Tätigkeit zu bestreiten. Es ist lediglich zu prüfen, ob der Verwandte eines Unionsbürgers in Anbetracht seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht in der Lage ist, seine Grundbedürfnisse selbst zu decken. Der Unterhaltsbedarf muss im Herkunftsland des Verwandten in dem Zeitpunkt bestehen, in dem er beantragt, dem Gemeinschaftsangehörigen zu folgen.

Die diesen Urteilen zugrundeliegenden Fälle betrafen Tatbestände, welche eine Antragstellung vor der Einreise des/der Familienangehörigen in den Mitgliedstaat erforderten. Dem gegenüber setzt § 32a Abs. 3 AuslBG einen bereits bestehenden gemeinsamen Wohnsitz im Bundesgebiet voraus. Dieser Umstand ist in die hier vorzunehmende Interpretation des § 32a Abs. 3 AuslBG mit einzubeziehen.

Im vorliegenden Fall war daher zu prüfen, ob der BF in Anbetracht seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage seine Grundbedürfnisse für seinen Aufenthalt in Österreich selbst decken konnte.

Da § 32a Abs. 3 AuslBG sowohl auf das Gewähren von Unterhalt, als auch auf das Zur- Verfügung-Stellen einer Wohnung durch den Unterhaltsleistenden abstellt, geht der Gesetzgeber erkennbar davon aus, dass § 32a Abs. 3 AuslBG eine materielle Abhängigkeit in der Weise fordert, dass jene Person, die Unterhalt erhält, trotz der Möglichkeit, beim Unterhaltsleistenden zu wohnen, nicht in der wirtschaftlichen und sozialen Lage ist, ihre materiellen Grundbedürfnisse selbst zu decken. Es sind daher die Kosten für Wohnung in die hier anzustellende Berechnung der Grundbedürfnisse nicht einzubeziehen.

Aus den dem erkennenden Gericht vorliegenden Unterlagen und dem vom Gericht durchgeführten Ermittlungsverfahren ist ersichtlich, dass der BF keine Einkünfte aus selbstständiger oder unselbständiger Erwerbstätigkeit bezieht und wurde von der Behörde nichts Gegenteiliges vorgebracht. Dass der BF sonst über eigenes Vermögen verfügt, ist nicht hervorgekommen.

Daraus ergibt sich, dass der BF, der bei seinem Vater kostenlos wohnen kann, nicht in der Lage ist, seine (darüber hinausgehenden) wirtschaftlichen Grundbedürfnisse selbst zu decken.

Zu der Frage der Verfügbarkeit der erforderlichen Unterhaltsmittel ist festzuhalten, dass der Vater des BF eine Invaliditätspension in Höhe von (Netto) € 1231,52 und zum 21.09.2018 über Spareinlagen in Höhe von € 33.314,01 verfügt.

Nach der Rechtsprechung des VwGH darf der Unterhalt grundsätzlich auch durch Sparguthaben gedeckt werden, sofern dieses nicht aus illegalen Quellen stammt (vgl. zu § 11 NAG, VwGH 31.05.2011, 2009/22/0260).

Wenn die Behörde unter diesem Gesichtspunkt ausführt, der Vater des BF verfüge - auch im Hinblick auf die eigenen Lebenserhaltungskosten und unter Berücksichtigung der Sonderzahlungen und des Sparguthabens - über keine ausreichenden Unterhaltsmittel, kann ihr insofern nicht gefolgt werden, zumal nicht ersichtlich ist, welche Richtwerte die Behörde ihrer Beurteilung zugrunde gelegt hat. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, dass die Auszüge aus dem gegenständlichen Sparbuch einen kontinuierlichen Anstieg des Sparguthabens seit 2011 verzeichnen. Dies berechtigt zur Annahme, dass die eigenen Lebenserhaltungskosten des Vaters schon bisher in der Invaliditätspension bzw. sonstigen Einkünften hinreichend Deckung gefunden haben und eine Gefährdung des Lebensunterhalts des Vaters auch hinkünftig nicht zu erwarten ist. Es ist ferner nicht erkennbar, dass der Unterhalt des BF im Hinblick auf die Höhe des Sparguthabens nicht auf Dauer gedeckt werden kann, zumal auch die Wohnung durch den Vater zur Verfügung gestellt wird.

Im Ergebnis kann daher davon ausgegangen werden, dass der Unterhalt des BF aufgrund des verfügbaren Sparguthabens und den Bezug der Invaliditätspension durch dessen Vater dauerhaft bewerkstelligt werden kann.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Entfall der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 3 1. Satz VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen.

Das Bundesverwaltungsgericht erachtete die Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG nicht für erforderlich, da der festgestellte Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde hinreichend geklärt erschien.

Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art 6. Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK), BGBl. Nr. 2010/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRC), ABl. Nr. C83 vom 30.03.2010 S. 389, entgegen.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 19. Februar 1998, Zl. 8/1997/792/993 (Fall Jacobsson; ÖJZ 1998, 41), unter Hinweis auf seine Vorjudikatur das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung dann als mit der EMRK vereinbar erklärt, wenn besondere Umstände ein Absehen von einer solchen Verhandlung rechtfertigen. Solche besonderen Umstände erblickte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte darin, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers im Fall Jacobsson vor dem Obersten Schwedischen Verwaltungsgericht nicht geeignet war, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich machte (vgl. z.B. die VwGH-Erkenntnisse vom 29. Juni 2005, Zl. 2004/08/0044, und vom 19. November 2004, Zl. 2000/02/0269). Des Weiteren hat der EGMR in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies in diesem Zusammenhang auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtigte (vgl. das VwGH-Erkenntnis vom 28. September 2010, 2009/05/0160).

Solche Umstände, die ein Absehen von einer mündlichen Verhandlung rechtfertigen, liegen auch im gegenständlichen Fall vor.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Freizügigkeitsbestätigung, Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W151.2168125.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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