TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/19 W261 2207976-1

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Veröffentlicht am 19.02.2019
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Entscheidungsdatum

19.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2207976-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 03.10.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen auf Grund des festgestellten Grades der Behinderung in Höhe von 50 (fünfzig) von Hundert (v.H.) vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 16.05.2018 beim Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 09.07.2018 erstatteten Gutachten vom 03.09.2018 stellte der medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen "1. Koronare Herzkrankheit" (Einzelgrad der Behinderung 40 v.H.), "2. atopische Dermatitis" (Einzelgrad der Behinderung 20 v.H.) und "3. Rezidivierende Depressio" (Einzelgrad der Behinderung 20 v.H.) mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. fest. Leiden 2 und 3 würden den Grad der Behinderung nicht weiter erhöhen, da kein ungünstiges wechselseitiges Zusammenwirken mit dem führenden Leiden 1 bestehe.

Mit Schreiben vom 05.09.2018 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt des Schreibens ein.

Mit Schreiben vom 24.09.2018 gab der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ab und entschuldigte sich für die verspätete Rückmeldung, es sei ihm nicht so gut gegangen. Er selbst wäre nie auf die Idee gekommen, einen Behindertenpass zu beantragen, sondern ihm sei vom Präsidenten des Behindertenrates dazu geraten worden. Dies nicht, weil ihm der Beschwerdeführer von seinen Herzproblemen erzählt habe, sondern weil er sein Gesicht gesehen habe. Er lege daher Fotos vor, eines aus dem Jahr 2012, die weiteren aus dem Jahr 2018. Dabei sehe man, wie sich im vormals gesunden Auge die Neurodermitis/atopische Dermatitis ausgebreitet habe. Er fühle sich von dieser Krankheit entstellt. Laut Anlage der Einschätzungsverordnung sei die Lokalisation der Krankheit an exponierten Stellen nach der Positionsnummer 01.01.03 mit einem Grad der Behinderung von bis zu 80 v.H. einzustufen. Die Schwellungen würden auch zu permanenten Schmerzen und dauernd rinnenden Augen führen. Oftmals rinne auch die Nase und Gesicht und Ohren würden heftig jucken. All das führe dazu, dass sich der Beschwerdeführer gesellschaftlich sehr zurückgezogen habe und nicht sein bis zum Ausbruch der Krankheit gewohntes Sozialleben führe, was sich auf seine psychische Verfassung auswirke. Der Stellungnahme wurden Fotos der Augen des Beschwerdeführers angeschlossen.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 03.10.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. fest. Da eine Stellungnahme zum Parteiengehör innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie bei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und verwies dabei auf seine Stellungnahme zum Parteiengehör. Er legte zwei weitere aktuelle Fotos vor.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 19.10.2018 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes holte das BVwG ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie ein. In dem aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 04.12.2018 erstatteten Gutachtens vom selben Tag stellte die Sachverständige die Funktionseinschränkungen "Koronare Herzkrankheit" (Einzelgrad der Behinderung 40 v.H.), "Rezidivierende Depression" (Einzelgrad der Behinderung 30 v.H.) und "Atopische Dermatitis" (Einzelgrad der Behinderung 20 v.H) mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 50 v.H. fest. Leiden 1 werde durch Leiden 2 um eine Stufe erhöht, da eine wechselseitig ungünstige Leidensbeeinflussung bestehe. Auch Leiden 3 beeinflusse ungünstig, erhöhe aber nicht weiter.

Das BVwG brachte den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben vom 02.01.2018 zur Kenntnis und räumte ihnen eine Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

Keine der Parteien gab dazu eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 16.05.2018 bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Im Kopf- und im Hirnnervenbereich keine Auffälligkeiten. Keine Halbseitenzeichen. Seitengleiche Verhältnisse bezüglich Tonus, Kraft, Sensibilität und Reflexe. Keine pathologischen Reflexe. Sämtliche Koordinationsversuche regelrecht. Romberg, Unterberger, Zehen- und Fersenstand unauffällig. Gangbild unauffällig.

Psychischer Status:

Bewusstseinsklar und allseits orientiert. Keine Denkstörungen. Keine psychotische Symptomatik.

Konzentration, Aufmerksamkeit und Merkfähigkeit regelrecht. Gedankenductus regelrecht.

Befindlichkeit gemischt zwischen depressiv und dysphor gestimmt, resigniert und pessimistisch, vermindert affizierbar und resonanzfähig. Beklagt seine Hauterkrankungen und vor allem seine therapieresistenten Augenprobleme. Schwere Schlafstörungen. Geht um 1 Uhr zu Bett, Schläft aber nur etwa bis 4 Uhr früh, wacht dann auf, kann dann nicht mehr schlafen, wacht auf und schläft dann schlecht bis 10 oder 11 Uhr vormittags. Dann gehe es ihm schlecht.

Keine Suizidalität. Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. Koronare Herzkrankheit

2. Rezidivierende Depression

3. Atopische Dermatitis

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Meldebestätigung.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 04.12.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am selben Tag.

Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Die medizinische Gutachterin setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Im Vergleich zum dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 03.09.2018 ist die Funktionseinschränkung "Rezidivierende Depression" nunmehr um eine Stufe höher mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. eingestuft. Die Einschätzung zwei Stufen über dem unteren Rahmensatz ist korrekt, da sich das Leiden unter Medikation zwar stabil zeigt, jedoch beginnende soziale Rückzugstendenzen auftreten. Aufgrund der negativen wechselseitigen Leidensbeeinflussung zwischen Leiden 1 und 2 erhöht sich der Gesamtgrad der Behinderung auf 50 v.H. Der Beschwerdeführer brachte auch glaubhaft vor, dass die atopische Dermatitis einen starken Einfluss auf seine psychische Verfassung haben, aufgrund der geringen prozentuellen Einstufung der Dermatitis erhöht diese den Grad der Behinderung jedoch nicht weiter.

Der Beschwerdeführer gab im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs keine Stellungnahme zum nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 04.12.2018 ab. Er ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093). Auch die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab.

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 04.12.2018. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens des BVwG eingeholte, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 04.12.2018 beruhende Sachverständigengutachten vom selben Tag zu Grunde gelegt.

Die medizinische Sachverständige stellt in diesem Gutachten fest, dass das Leiden unter der laufenden Nummer 2 höher einzustufen ist als in dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Sachverständigengutachten, da eine beginnende soziale Rückzugstendenz festzustellen ist. Weiters besteht eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung zwischen den Funktionseinschränkungen unter der laufenden Nummer 1 und 2. Daraus ergibt sich im Vergleich zum Vorgutachten eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung von 40 v.H. auf 50 v.H.

Beide Parteien sind diesem Sachverständigengutachten im Rahmen des Parteiengehörs nicht entgegengetreten.

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses beim Beschwerdeführer somit aktuell erfüllt.

Der Beschwerde war daher spruchgemäß stattzugeben.

Die belangte Behörde wird somit dem Beschwerdeführer in der Folge einen Behindertenpass auszustellen haben.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das vom BVwG eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. Beide Parteien haben keinen Verhandlungsantrag gestellt. All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2207976.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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