TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/19 W261 2207002-1

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Veröffentlicht am 19.02.2019
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Entscheidungsdatum

19.02.2019

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W261 2207002-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS als Vorsitzende und den Richter Mag. Markus BELFIN sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch den Verein Chronisch Krank, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 31.07.2018, betreffend die Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer war seit 2014 Inhaber eines bis 30.09.2016 befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung in Höhe von 50 von Hundert (in der Folge v.H.). In dem der Passausstellung zugrundeliegenden Sachverständigengutachten vom 03.09.2014 wurden die Leiden "Lebercirrhose bei congenitaler Leberfibrose" (Einzelgrad der Behinderung 50 v.H.) und "Zustand nach Milzentfernung" (Einzelgrad der Behinderung 10 v.H.) festgestellt. Da der begutachtende Facharzt für Innere Medizin festhielt, dass aufgrund der geplanten Lebertransplantation eine Besserung des Leidens möglich sei, wurde ein Nachuntersuchungstermin für September 2016 vorgeschlagen.

Am 05.12.2017 stellte der Beschwerdeführer beim Sozialministeriumservice (in der Folge als belangte Behörde bezeichnet) einen Antrag auf Neuausstellung eines Behindertenpasses und legte dabei ein Konvolut an medizinischen Unterlagen vor.

Die belangte Behörde holte zur Überprüfung des Antrages ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 18.01.2018 erstatteten Gutachten vom 28.02.2018 stellte der medizinische Sachverständige beim Beschwerdeführer die Funktionseinschränkungen "Zustand nach orthotoper Lebertransplantation 02/2015" (Einzelgrad der Behinderung 30 v.H.), "chronisch obstruktive Lungenerkrankung bei Nikotinabusus overlapping Asthma bronchiale" (Einzelgrad der Behinderung 20 v.H.), "Abnützungserscheinung an mehreren großen Gelenken insbesondere den Hüftgelenken und dem linken Sprunggelenk, ohne signifikante Funktionsstörung, Verdacht auf Osteoporose, geringgradiger Beckenschiefstand" (Einzelgrad der Behinderung 20 v.H.), "Milzverlust" (Einzelgrad der Behinderung 10 v.H.), "leichter Bluthochdruck" (Einzelgrad der Behinderung 10 v.H.), "Nephrolithiasis (Oxalatsteine)" (Einzelgrad der Behinderung 10 v. H.), "dyshydrotisches Handekzem" (Einzelgrad der Behinderung 10 v. H.) und "plantarer Fersensporn links" (Einzelgrad der Behinderung 30 v.H.) mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 30 v.H. fest. Im Vergleich zum Vorgutachten habe das Leiden 1) durch die Lebertransplantation gebessert werden können und werde um zwei Stufen niedriger bewertet, was sich auch auf die Gesamteinschätzung auswirke. Die übrigen Leiden würden mangels maßgeblichem ungünstigem funktionellem Zusammenwirken nicht erhöhen.

Mit Schreiben vom 07.03.2018 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Der durch den Verein Chronisch Krank bevollmächtigt vertretene Beschwerdeführer gab mit Schreiben vom 26.03.2018 zum eingeholten Sachverständigengutachten eine Stellungnahme ab. Dabei brachte er im Wesentlichen vor, das führende Leberleiden sei mit dem mittleren Rahmensatz der gewählten Positionsnummer zu gering eingestuft worden, da beim Beschwerdeführer nachweislich mehrere rezidivierende Infekte, genannt seien Cystitis, Konjunktivitis, Augenlidentzündung, Mund-Soor, Parodontitis sowie Influenza und Diarrhoe, aufgetreten seien, was den vorgelegten Befunden zu entnehmen sei. Dieses Beschwerdebild rechtfertige eine Einstufung unter die Positionsnummer 07.05.07 mit einem Grad der Behinderung von zumindest 50 v.H.

Aufgrund der Einwendungen des Beschwerdeführers ersuchte die belangte Behörde den bereits befassten allgemeinmedizinischen Sachverständigen um eine ergänzende Stellungnahme. In der Stellungnahme vom 25.06.2018 führte der Gutachter zusammengefasst aus, dass die angeführten rezidivierenden Infekte medizinisch nicht als Dekompensationszeichen zu werten seien. Es seien keine neuen objektiven medizinischen Befunde vorgelegt worden, die von den bereits im Gutachten erfassten Dokumenten abweichen und eine geänderte Beurteilung rechtfertigen würden. Sohin müsse an der Einschätzung festgehalten werden.

Mit Schreiben vom 25.06.2018 brachte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer das Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens in Wahrung des Parteiengehörs gemäß § 45 AVG zur Kenntnis und räumte ihm abermals die Möglichkeit einer Stellungnahme ein.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 31.07.2018 wies die belangte Behörde den Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß §§ 40, 41 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG) ab und stellte einen Grad der Behinderung in Höhe von 30 v.H. fest. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Die belangte Behörde legte dem Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten sowie die ergänzende Stellungnahme in Kopie bei.

Gegen diesen Bescheid erhob der bevollmächtigt durch den Verein Chronisch Krank vertretene Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24.09.2018, übermittelt mit Email vom 01.10.2018 Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass die vom Sachverständigen gewählte Positionsnummer 07.05.06 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. laut Anlage der Einschätzungsverordnung bei einer kompensierten Teilresektion zu wählen sei, beim Beschwerdeführer sei jedoch eine Transplantation der ganzen Leber vorgenommen worden. In den ersten zwei Jahren nach einer Transplantation sei gemäß der Positionsnummer 07.05.08 eine Einstufung von 100% vorzunehmen, danach sei diese abhängig vom klinischen Gesamtzustand und der Leberfunktion. Laut einer Fachärztin für Innere Medizin komme es beim Beschwerdeführer zu rezidivierenden Infekten und Pilzinfektionen, Parodontitis sowie Influenza und Diarrhoe, was den vorgelegten Befunden des AKH Wien vom 18.10.2017 bzw. aus dem Schreiben der Fachärztin für Innere Medizin vom 11.09.2018 zu entnehmen sei. Somit sei eindeutig eine Einschränkung der Leberfunktion gegeben, da bei einer Funktionsstörung nicht nur auf die Syntheseleistung abzustellen sei. Bezüglich des klinischen Gesamtzustandes sei hier auf die weiteren Erkrankungen, die teilweise sogar einen eigenen Grad der Behinderung erreichen (Bluthochdruck, Nephrolithiasis), zu verweisen. Entgegen der Feststellungen im Gutachten liege durchaus ein ungünstiges funktionelles Zusammenwirken der lebenslang erforderlichen Immunsuppression nach Lebertransplantation und der Splenektomie vor, welche sich auf die Immunkompetenz des Beschwerdeführers und somit auch auf die rezidivierenden Infekte auswirke. Der Beschwerde wurde ein Konvolut an medizinischen Befunden angeschlossen.

Die belangte Behörde legte den Aktenvorgang dem Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) mit Schreiben vom 04.10.2018 vor, wo dieser am selben Tag einlangte.

Mit Schreiben vom 05.10.2018 erging seitens des BVwG ein Verspätungsvorhalt an den durch den Verein Chronisch Krank vertretenen Beschwerdeführer. Darin wurde dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht, dass sich die gegenständliche Beschwerde nach der vorliegenden Aktenlage als verspätet darstelle. Der angefochtene Bescheid sei am 31.07.2018 abgefertigt worden und ausgehend davon, dass gemäß § 26 Abs. 2 ZustG die Zustellung am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan als bewirkt gelte, habe die sechswöchige Beschwerdefrist mit Ablauf des 14.09.2018 geendet. Die nachweislich am 01.10.2018 erhobene Beschwerde sei somit als verspätet anzusehen. Der Beschwerdeführer erhielt die Gelegenheit, innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Zustellung dieses Schreibens eine schriftliche Stellungnahme zu diesem Verspätungsvorhalt abzugeben.

Mit Schreiben vom 15.10.2018 gab der Verein Chronisch Krank als bevollmächtigte Vertretung des Beschwerdeführers eine Stellungnahme ab, in welcher vorgebracht wurde, der Verein sei den gesamten August über in Vereinsurlaub gewesen und erst ab 03.09.2018 wieder im Büro gewesen, weshalb § 26 Abs. 1 letzter Satz ZustellG zum Tragen komme und die Bescheidbeschwerde nicht verspätet eingegangen sei. Als Beweis werde der Bescheid samt Eingangsstempel angeschlossen.

Nach Aufforderung seitens des BVwG mit Schreiben vom 25.10.2018, wonach um Übermittlung von Bescheinigungsmitteln ersucht wurde, welche die tatsächliche Ortsabwesenheit des Vereins und die Mitteilung an die belangte Behörde über eine solche Ortsabwesenheit nachweisen, übermittelte der Verein Chronisch Krank mit Schreiben vom 06.11.2018 eine bei der Österreichischen Post AG am 30.07.2018 ausgestellte Ortsabwesenheit, in welcher die Ortsabwesenheit von 01.08.2018 bis 31.08.2018 festgehalten und vermerkt wurde, dass RSa- und RSb-Briefe mit dem Vermerk "ortsabwesend" zurückzusenden seien. Es sei für den Verein Chronisch Krank nicht umsetzbar, jede einzelne Behörde über eine Ortsabwesenheit gesondert zu informieren, zumal die von der Post ausgestellte Ortsabwesenheit inklusive Rücksendung sämtlicher oben genannter Schrieben diesen Zweck erfülle. Das wichtigste Medium zur Kommunikation des Vereins sei dessen Facebookseite, aus welcher eindeutig hervorgehe, dass sich der Verein im August 2018 tatsächlich auf Urlaub befunden habe. Auch auf der Homepage des Vereins sei der Vereinsurlaub vermerkt.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes holte das BVwG ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin ein. In dem aufgrund einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 11.12.2018 erstattete Gutachten vom 26.12.2018 stellte der Sachverständige die Funktionseinschränkungen "orthotope Lebertransplantation 02/2015 wegen congenitaler Leberfibrose mit Übergang in Zirrhose" (Einzelgrad der Behinderung 40 v.H.), "chronisch obstruktive Lungenerkrankung overlapping Asthma bronchiale" (Einzelgrad der Behinderung 20 v.H.), "Abnützungserscheinung an mehreren großen Gelenken insbesondere den Hüftgelenken und dem linken Sprunggelenk, ohne signifikante Funktionsstörung, Verdacht auf Osteoporose, geringgradiger Beckenschiefstand" (Einzelgrad der Behinderung 20 v.H.), "Milzverlust" (Einzelgrad der Behinderung 10 v.H.), "leichter Bluthochdruck" (Einzelgrad der Behinderung 10 v.H.), "Nephrolithiasis (Oxalatsteine)" (Einzelgrad der Behinderung 10 v. H.), "dyshydrotisches Handekzem" (Einzelgrad der Behinderung 10 v. H.) und "plantarer Fersensporn links" (Einzelgrad der Behinderung 30 v.H.) mit einem Gesamtgrad der Behinderung in Höhe von 40 v.H. fest. Das führende Leiden 1 sei im Vergleich zum Vorgutachten um eine Stufe höher eingestuft, da es nicht mit einer Leberteilresektion gleichzuhalten sei. Die übrigen Leiden erhöhen den Gesamtgrad der Behinderung nicht, da kein maßgebliches ungünstiges funktionelles Zusammenwirken vorliege.

Das BVwG brachte den Parteien des Verfahrens das Ergebnis der Beweisaufnahme mit Schreiben vom 07.01.2018 zur Kenntnis und räumte ihnen eine Möglichkeit zur Abgabe einer Stellungnahme ein.

Keine der Parteien gab dazu eine Stellungnahme ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses langte am 05.12.2017 bei der belangten Behörde ein.

Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz im Inland.

Ausmaß der Funktionseinschränkungen:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut, 176 cm, 68 kg

Knochenbau: normal, Haut und Schleimhäute: unauffällig

Lymphknoten nicht tastbar

Augen: isokor, prompte Lichtreaktion

Zunge: normal, Zähne: 2 Kronen, gut saniert

Hals: unauffällig, Schilddrüse nicht tastbar, Pulse vorhanden, keine Gefäßgeräusche, Venen nicht gestaut

Thorax symmetrisch, elastisch

Lunge: sonorer Klopfschall, vesikuläres Atemgeräusch

Herz: reine rhythmische Herztöne

RR 105/60, Frequenz 80/Min. rhythmisch

Abdomen: Bauchdecken weich, ausgedehnte Operationsnarben, gut verheilt.

Leber und Milz nicht abgrenzbar (Milz entfernt)

Rektal nicht untersucht, Nierenlager frei

Extrem/täten und Wirbelsäule: geringfügige Fehlstellung der Wirbelsäule, Arme normal, an den Beinen altersgemäß normaler Gelenksstatus, Pulse tastbar, keine Varizen, keine Ödeme Gangbild normal Beim Beschwerdeführer bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1. orthotope Lebertransplantation 02/2015 wegen congenitaler Leberfibrose mit Übergang in Zirrhose

2. chronisch obstruktive Lungenerkrankung overlapping Asthma bronchiale

3. Abnützungserscheinung an mehreren großen Gelenken insbesondere den Hüftgelenken und dem linken Sprunggelenk ohne signifikante Funktionsstörung, Verdacht auf Osteoporose, geringgradiger Beckenschiefstand

4. Milzverlust

5. leichter Bluthochdruck

6. Nephrolithiasis (Oxalatsteine)

7. dyshydrotisches Handekzem

8. plantarer Fersensporn links

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 40 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der Antragsstellung basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Inland basieren auf dem seitens des Beschwerdeführers vorgelegten Meldebestätigung.

Der Gesamtgrad der Behinderung gründet sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichts eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Innere Medizin vom 26.12.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 11.12.2018.

Darin wird auf die Art der Leiden des Beschwerdeführers und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Der medizinische Gutachter setzt sich auch umfassend und nachvollziehbar mit den vorgelegten Befunden sowie mit der Frage der wechselseitigen Leidensbeeinflussungen und dem Zusammenwirken der zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen auseinander. Die getroffenen Einschätzungen entsprechen auch den festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen; die Gesundheitsschädigungen sind nach der Einschätzungsverordnung richtig eingestuft.

Der Gutachter berücksichtigt die Einwendungen in der Beschwerde insoweit, als das führende Leiden nunmehr unter der Positionsnummer 07.05.04 mit einem Grad der Behinderung von 40 v.H., und damit um eine Stufe höher als im Vorgutachten eingeschätzt ist. Bei der im Vorgutachten gewählten Position handelt es sich um eine kompensierte Teilresektion der Leber, der Beschwerdeführer hatte jedoch eine komplette Lebertransplantation, weshalb diese Einschätzung nunmehr korrigiert wurde. Die Positionsnummer 07.05.08 entfiel mit der Novelle der Einschätzungsverordnung BGBl. II Nr. 251/2012, somit ist dem Beschwerdevorbringen, wonach in den ersten zwei Jahren nach der Transplantation eine Einstufung von 100% vorzunehmen sei und die Höhe der Einstufung danach vom klinischen Gesamtzustand und der Leberfunktion abhängig sei, nicht zu folgen.

Der internistische Sachverständige begründet die Wahl der Positionsnummer schlüssig damit, dass die Funktion der transplantierten Leber sehr gut ist. Die im Jahr 2014 angeführten Umstände, die eine Einstufung mit einem Grad der Behinderung von 50 v. H. begründet hatten, sind nun nicht mehr festzustellen. Ginge man allein von der Funktion des transplantierten Organs aus, müsste die Einstufung geringer sein als die nunmehr gewählte. Es sind jedoch die mit der immunsuppressiven Behandlung verbundenen Risiken und Nebenwirkungen berücksichtigt, weshalb der obere Rahmensatz der Positionsnummer 07.05.04. herangezogen wird. Dem Beschwerdevorbringen, wonach es beim Beschwerdeführer zu rezidivierenden Infekten und Pilzinfektionen, Parodontitis sowie Influenza und Diarrhoe, kommt, wird damit Rechnung getragen.

Die Erhöhung des Grades der Behinderung des führenden Leidens wirkt sich auch auf den Gesamtgrad der Behinderung aus, welcher sich im Unterschied zum dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Vorgutachten ebenfalls von 30 v.H. auf 40 v.H. erhöht. Ein Grad der Behinderung von 50 v.H. liegt hingegen nicht vor, da gegenüber dem Zustand vor der Lebertransplantation eine deutliche Verbesserung eingetreten ist.

Betreffend die übrigen Leiden wird das Ergebnis des seitens der belangten Behörde eingeholten und auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruhenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens vom 28.02.2018 bestätigt. Diese Leiden sind ohne maßgeblichem ungünstigem funktionellen Zusammenwirken nicht geeignet, den Grad der Behinderung des führenden Leidens und damit den Gesamtgrad der Behinderung zu erhöhen.

Der Beschwerdeführer gab im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs keine Stellungnahme zum internistischen Sachverständigengutachten vom 26.12.2018 ab. Er ist damit den Ausführungen der medizinischen Sachverständigen nicht und damit insbesondere auch nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des BVwG bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit, Widerspruchsfreiheit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 26.12.2018 Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

1. Zur Entscheidung in der Sache

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

"§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

...

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.

§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3) oder ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

...

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen."

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung (Einschätzungsverordnung, BGBl. II. Nr. 261/2010 idgF BGBl II. Nr. 251/2012) lauten auszugsweise wie folgt:

"Behinderung

§ 1. Unter Behinderung im Sinne dieser Verordnung ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft, insbesondere am allgemeinen Erwerbsleben, zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht. Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

..."

Zunächst ist rechtlich festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war, was im Verfahren auch unbestritten geblieben ist.

Wie oben unter Punkt 2. (Beweiswürdigung) ausgeführt, wird der gegenständlichen Entscheidung das seitens des BVwG eingeholte, auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 11.12.2018 beruhende Sachverständigengutachten vom 26.12.2018 zu Grunde gelegt.

Der medizinische Sachverständigen stellt in diesem Gutachten fest, dass das Leiden unter der laufenden Nummer 1 höher einzustufen ist als in dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Sachverständigengutachten, da der Zustand nach Lebertransplantation keiner Leberteilresektion gleichzuhalten ist. Daraus ergibt sich im Vergleich zum Vorgutachten eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung von 30 v.H. auf 40 v.H.

Die vom Beschwerdeführer im Rahmen der Beschwerde vorgelegten Befunde und Beschwerdegründe waren nicht geeignet, die durch den medizinischen Sachverständigen getroffenen Beurteilungen zu widerlegen oder zusätzliche Dauerleiden bzw. eine zwischenzeitlich eingetretene Verschlechterung des Zustandes zu belegen.

Mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 40 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, aktuell nicht erfüllt.

Im Übrigen ist aber auch darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Einschätzung des Grades der Behinderung nach Maßgabe des § 41 Abs. 2 BBG in Betracht kommt.

Die Beschwerde war daher spruchgemäß abzuweisen.

2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde und insbesondere auf das vom BVwG eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers beruht, auf alle Einwände und die im Verfahren vorgelegten Atteste des Beschwerdeführers in fachlicher Hinsicht eingeht, und welchem der Beschwerdeführer nicht substantiiert entgegengetreten ist. Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist. All dies lässt die Einschätzung zu, dass - trotz dem in der Beschwerde gestellten Antrages auf eine mündliche Verhandlung - die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Neufestsetzung,
Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W261.2207002.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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