TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/19 W260 2185563-1

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Veröffentlicht am 19.02.2019
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Entscheidungsdatum

19.02.2019

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W260 2185563-1/21E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus BELFIN als Vorsitzender und die Richterin Mag. Karin GASTINGER, MAS sowie den fachkundigen Laienrichter Herbert PICHLER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, vertreten durch den KOBV Kriegsopfer- und Behindertenverband für Wien, Niederösterreich und Burgenland, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 12.12.2017, betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer ist seit 03.02.2015 Inhaber eines Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 von Hundert (in der Folge v.H.) und war Inhaber eines bis 31.01.2017 befristeten Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis).

2. Am 03.07.2017 stellte er beim Sozialministeriumservice (in der Folge "belangte Behörde" genannt) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29 b Straßenverkehrsordnung (StVO) (Parkausweis), der entsprechend dem von der belangten Behörde zur Verfügung gestellten und vom Beschwerdeführer ausgefüllten Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gilt und legte eine Reihe von ärztlichen Befunden vor.

3. Die belangte Behörde holte in weiterer Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am 08.11.2017 erstatteten Gutachten vom 29.11.2017 stellte die medizinische Sachverständige fest, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorlägen.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12.12.2017 wies die belangte Behörde den Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab.

Die belangte Behörde schloss dem genannten Bescheid das eingeholte Sachverständigengutachten in Kopie an.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht durch seine bevollmächtigte Vertretung die gegenständliche Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht und legte dieser ein Konvolut an medizinischen Befunden bei.

Darin brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass sich die von der belangten Behörde bestellte medizinische Sachverständige, nicht hinreichend mit der konkreten Fähigkeit des Beschwerdeführers auseinandergesetzt habe, ob diesem die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel möglich sei.

6. Der Aktenvorgang wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 08.02.2018 zur Vorlage gebracht.

7. Aufgrund des Beschwerdevorbringens beauftragte das Bundesverwaltungsgericht einen Facharzt für Anästhesiologie und Intensivmedizin mit der Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtens. In seinem Gutachten vom 25.05.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, bestätigt dieser zusammengefasst das Ergebnis des von der belangten Behörde eingeholten Gutachtens vom 29.11.2017, wonach dem Beschwerdeführer die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass aus medizinischer Sicht nicht vorliegen würden.

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten vom 25.05.2018 wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs mit Schreiben vom 20.06.2018 zur Kenntnis gebracht.

8. Die belangte Behörde gab keine Stellungnahme ab. Der Beschwerdeführer erstattete namens seiner bevollmächtigten Vertretung eine Stellungnahme, in welcher er zusammengefasst ausführte, dass es ihm aufgrund seiner festgestellten Leiden wie der Knie- und Hüftschädigung rechts nicht zumutbar und nicht möglich sei, ein öffentliches Verkehrsmittel zu erreichen, sowie in dieses ein- oder umzusteigen. Der Sachverständige bestätige selbst Funktions- und Beweglichkeitseinschränkungen des Beschwerdeführers und sei das Ergebnis seiner Untersuchung somit nicht nachvollziehbar und auch nicht hinreichend begründet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland und besitzt einen Behindertenpass.

Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar.

1.2. Art und Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers:

Caput:

sichtbare Häute und Schleimhäute gut durchblutet, Butbusmotorik seitengleich, beidseits prompte Pupillenreaktion.

Wirbelsäule:

im Lot, kein Schulter- oder Beckenschiefstand, Klopfschmerz mittlere BWS, im Seitaspekt physiologische Krümmungsverlauf, FBA 40 cm.

Obere Extremitäten:

Schulter rechts S 20/0/90, Abduktion 800, Schulter links S 20/0/100, Abduktion 900 . Auf die Frage, warum die rechte Schulter nicht besser zu bewegen sei, gibt er Muskelschmerzen im Bereich der rechten Schulter sowie des Nackens an. Distale Gelenke unauffällig, periphere DMS in Ordnung.

Untere Extremitäten:

Hüfte rechts S 0/10/80, Rotation nicht möglich, Abduktion 100. Eine ausladendere Beweglichkeit im rechten Hüftgelenk aufgrund der Schmerzen im rechten Knie nicht möglich. Hüfte links S 0/0/120, R 20/0/20, Abduktion 200. Umfang des rechten Oberschenkels im mittleren Drittel 50 cm, links 57 cm.

Am rechten Knie median verlaufend eine bland abgeheilte Narbe, 25 cm lang, über dem mittleren Schienbeinkopf ebenfalls eine bland abgeheilte, schräg verlaufende Narbe, 10 cm lang, eine weitere Narbe, ebenfalls etwa 10 cm lang, im Bereich des Wadenbeinköpfchens, im Bereich des Kniegelenks zahlreiche kleine Narben nach Stichinzisionen. Das Knie insgesamt verdickt, das rechte Bein wird leicht außen rotiert aufgelegt, Knie rechts S 0/15/60, Seitenbandapparat stabil, Kreuzbandapparat nicht überprüfbar. Das Kniegelenk im Seitenvergleich etwas überwärmt, keine Rötung, kein tastbarer Erguss.

Knie links S 0/0/130, Seiten- und Kreuzbandapparat stabil. Unterschenkelumfang seitengleich, keine Ödeme, Sprunggelenke frei, Wackelbewegungen der Zehen seitengleich. Die grobe Kraft der Dorsalextension und Plantarflexion scheint rechts minimal herabgesetzt, zudem gibt er ein herabgesetztes Hautgefühl rechts vom Knie nach distal hinreichend an. Durchblutung seitengleich. Beinlänge links +3 cm aufgrund des Streckdefizits im Knie, PSR rechts nicht auslösbar, links prompt,

ASR beidseits nicht auslösbar.

Thorax: symmetrisch, Herzaktion rein, rhythmisch, Pulmo beidseits

VA.

Abdomen: weich, über Thoraxniveau, kein Druckschmerz, keine Abwehrspannung. Bland abgeheilte Narbe rechter Mittelbauch nach Blinddarmentfernung.

1.3. Art der Funktionseinschränkungen:

-

Funktionseinschränkung Knie rechts schweren Grades

-

Diabetes mellitus II

-

Bluthochdruck

-

Depression

-

Venöses System - Funktionseinschränkung leichten Grades

Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel:

Die festgestellten Gesundheitsschädigungen am Stütz und Bewegungsapparat haben keine erhebliche Einschränkung der Mobilität zur Folge.

Das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken von 300 bis 400 Meter ist dem Beschwerdeführer aus eigener Kraft zumutbar.

Das Überwinden von Niveauunterschieden ist dem Beschwerdeführer möglich. Das Verwenden von Haltegriffen und Aufstiegshilfen ist dem Beschwerdeführer eingeschränkt möglich.

Der Transport in öffentliche Verkehrsmittel ist nicht eingeschränkt, auch die Sitzplatzsuche ist nur gering eingeschränkt.

Es liegt keine schwere Erkrankung des Immunsystems vor.

Es liegt keine maßgebende Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vor, durch welche eine Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu begründen wäre.

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:

Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Intensivmedizin vom 25.05.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am obgenannten Tag, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf.

Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer - trotz der vorliegenden Funktionseinschränkungen - möglich und zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Bei dem Beschwerdeführer liegt nach seinem Schienbeinkopfbruch, Osteosynthese, Knieprothese rechts, septischer Komplikation, Revisionsknie, erneuter septischer Komplikation und Wechsel des Inlays eine ausgeprägte Funktions- und Beweglichkeitseinschränkung im rechten Kniegelenk vor. Es besteht ein Streck- und Beugedefizit.

Aufgrund dieser Funktionseinschränkung ist die für den physiologischen Bewegungsablauf notwendige komplette Streckung und Verriegelung des rechten Knies für die Belastung nicht möglich, daraus ergibt sich eine Beeinträchtigung des Gangbildes, er benötigt auch eine Unterarmstützkrücke links.

Das Bundesverwaltungsgericht verkennt nicht, dass der Beschwerdeführer zwar durch seine Funktionseinschränkungen beeinträchtigt ist, diese Beeinträchtigungen erreichen jedoch keinen Grad der Unzumutbarkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. An dieser Stelle der Beweiswürdigung wird insbesondere hervorgehoben, dass beim Beschwerdeführer, wie es im Rahmen der Nachuntersuchung am 08.11.2017 festgehalten wurde, die operative Sanierung des rechten Kniegelenkes erfolgt ist und sich die Gehleistung verbessert hat; der Grund für den bis Jänner 2017 befristet ausgestellten Parkausweis und Zusatzeintragung in den Behindertenpass liegt nicht mehr vor. Der Beschwerdeführer gibt weiters in der persönlichen Untersuchung am 08.11.2017 selbst an, Stiegensteigen zu können. Der Beschwerdeführer kann ohne Unterarmstützkrücke gehen, jedoch verlangsamt; der freie Stand ist ihm ebenfalls möglich.

Das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 bis 400 Meter ist somit selbständig möglich. Auch wenn der Beschwerdeführer selbst angibt nur 100 Meter gehen zu können, dies wegen starker Schmerzen, gilt es hiezu anzumerken, dass dies nicht objektiviert werden kann, wurde dem Beschwerdeführer doch keine dem WHO-Schema entsprechende Schmerzmedikamentation verordnet.

Auch das Ein- und Aussteigen in öffentliche Verkehrsmittel ist dem Beschwerdeführer ohne fremde Hilfe zumutbar. Ein sicherer Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln durch Festhalten an Haltegriffen und das Ein- und Aussteigen ist entgegen dem Vorbringen in seiner Stellungnahme vom 09.07.2018 gewährleistet, werden ja Niveauunterschiede vom Beschwerdeführer im Beistellschritt selbst bewältigt, wie er es im Rahmen der persönlichen Untersuchung auch selbst angibt. Es ist auch im Rahmen der Beweiswürdigung den Ausführungen des Sachverständigen zu folgen, wenn dieser angibt, dass das Betreten eines ebenerdigen Verkehrsmittels dem Beschwerdeführer zumutbar erscheint, das Überwinden der steilen Treppen beispielsweise in eine Zuggarnitur ist zwar nachvollziehbar erschwert, jedoch ist der sichere Stand sowie die Möglichkeit des sicheren Festhaltens während des Transportes gegeben.

Der Beschwerdeführer ist mit dem oben wiedergegebenen Vorbringen in der Beschwerde und in seiner Stellungnahme vom 09.07.2018 dem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten eines Facharztes für Intensivmedizin im Lichte obiger Ausführungen daher nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten, steht es dem Antragsteller, so er der Auffassung ist, dass seine Leiden nicht hinreichend berücksichtigt wurden, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes doch frei, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. etwa VwGH 27.06.2000, 2000/11/0093).

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des Sachverständigengutachtens vom 29.05.2018, beruhend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, und wird dieses Sachverständigengutachten in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung

Zu A)

3.1. Zur Entscheidung in der Sache:

Der Vollständigkeit halber wird zunächst darauf hingewiesen, dass mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12.12.2017 der Antrag des Beschwerdeführers auf Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" gemäß §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz idgF BGBl I Nr. 59/2018 (in der Folge kurz BBG) abgewiesen wurde. Verfahrensgegenstand ist somit nicht die Feststellung des Gesamtgrades der Behinderung, sondern ausschließlich die Prüfung der Voraussetzungen der Vornahme der beantragten Zusatzeintragung.

Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten:

§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer, den Wohnort und einen festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

...

§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

...

§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen."

§ 1 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, idg F BGBl II Nr. 263/2016 lautet - soweit im gegenständlichen Fall relevant - auszugsweise:

"§ 1 ....

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

1. .......

2. ......

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller

Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1

Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

(6)......"

In den Erläuterungen zu § 1 Abs. 2 Z 3 zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl. II Nr. 495/2013 wird unter anderem - soweit im gegenständlichen Fall relevant - Folgendes ausgeführt:

"Zu § 1 Abs. 2 Z 3 (neu nunmehr § 1 Abs. 4 Z. 3, BGBl. II Nr. 263/2016):

...

Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

...

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

-

arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

-

Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

-

hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

-

Lungengerüsterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

-

COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

-

Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

-

mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden..."

Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, hat die Behörde nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist, und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142, und die dort zitierten Erkenntnisse vom 18.12.2006, 2006/11/0211, und vom 17.11.2009, 2006/11/0178, jeweils mwN.).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Bei der Beurteilung der zumutbaren Wegstrecke geht der Verwaltungsgerichtshof von städtischen Verhältnissen und der durchschnittlichen Distanz von 300 bis 400 Metern bis zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels aus (vgl. das Erkenntnis vom 27. Mai 2014, Zl. Ro 2014/11/0013).

Wie oben im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt - auf die diesbezüglichen Ausführungen wird verwiesen -, wurde im eingeholten Sachverständigengutachten vom 29.05.2018 nachvollziehbar verneint, dass im Fall des Beschwerdeführers - trotz der bei ihm vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen - die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass vorliegen. Mit dem Vorliegen der beim Beschwerdeführer objektivierten aktuellen Funktionsbeeinträchtigungen vermag der Beschwerdeführer noch nicht die Überschreitung der Schwelle der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne der Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen darzutun.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung aufgrund von erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind im Falle des Beschwerdeführers ebenfalls nicht gegeben. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit liegt ebenso wenig vor, wie entscheidungsmaßgebliche Einschränkungen der Sinnesfunktionen. Es kann im vorliegenden Fall außerdem keine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt festgestellt werden.

Was das Vorbringen des Beschwerdeführers im Rahmen der persönlichen Untersuchung am 25.05.2018 betrifft, dass er nunmehr auch nicht mit seiner Gattin Einkaufen fahren könne und Arztbesuche wegen des langen Weges zum Parkplatz beschwerlich geworden seien, so sei der Vollständigkeit halber darauf hingewiesen, dass es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für die Berechtigung der Zusatzeintragung in den Behindertenpass hinsichtlich der "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wie bereits zuvor ausgeführt, entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ankommt, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren (vgl. diesbezüglich das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258).

Im vorliegenden Fall beruhen die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aber in Bezug auf diesen Teil des Beschwerdevorbringens des Beschwerdeführers zu Folge nicht in der Art und Schwere der Gesundheitsschädigung, sondern entscheidend darin, einen für den Beschwerdeführer als zu weit empfundenen Weg zum Parkplatz in Kauf nehmen zu müssen.

Da festgestellt worden ist, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen kein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass bei einer späteren Verschlechterung des Leidenszustandes die neuerliche Prüfung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in Betracht kommt.

3.2. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde, auf das über Veranlassung des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten, das auf einer persönlichen Untersuchung beruht, und welchen der Beschwerdeführer im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs nicht substantiiert entgegengetreten ist.

Die strittige Tatsachenfrage, genauer die Art und das Ausmaß der Funktionseinschränkungen des Beschwerdeführers und damit verbunden die Frage der Zumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel, sind einem Bereich zuzuordnen, der von einem Sachverständigen zu beurteilen ist.

All dies lässt die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleichzeitig aber das Interesse der materiellen Wahrheit und der Wahrung des Parteiengehörs nicht verkürzt wird. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG - trotz dem in der Beschwerde gestellten Antrages auf eine mündliche Verhandlung - nicht entgegen.

Zu Spruchteil B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W260.2185563.1.00

Zuletzt aktualisiert am

25.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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