Entscheidungsdatum
19.02.2019Norm
BFA-VG §9Spruch
W159 1413230-3/17E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX Staatsangehöriger von Mali, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2018, Zahl 761277709 / 171144415, nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung am 25.01.2019 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 46, 52 Abs. 4 und Abs. 9, 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz und § 9 BFA-Verfahrensgesetz hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., und IV. als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbotes gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz auf fünf Jahre herabgesetzt wird.
B)
Die Revision ist gemäß Artikel 133 Absatz 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Malis, stellte am 26.11.2006 in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der Polizeiinspektion Traiskirchen Erstaufnahmestelle Ost am 26.11.2006 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er am 12.10.2006 mit einem LKW seinen Heimatstaat verlassen habe.
Als Fluchtgrund gab er an, er wäre bei einem Bauern als Arbeiter beschäftigt gewesen. Er habe mit einem Pferd des Bauern einen Unfall gehabt, wobei das Tier getötet worden sei. Der Bauer habe ihn daraufhin schwer geschlagen und gesagt, dass er ihn umbringen werde. Aus diesem Grund sei er geflohen.
Eine weitere niederschriftliche Einvernahme erfolgte am 05.12.2006. Hierbei gab der Beschwerdeführer zum Fluchtgrund an, dass er eine Kutsche gelenkt und dabei ein Kind überfahren habe, das gerade die Straße überquert hätte. Die Verwandten des Kindes und die Dorfbewohner seien dann gekommen und hätten ihn brutal geschlagen. Sein Freund habe ihm gesagt, er wüsste nicht, ob das Kind tot wäre oder nicht, aber er habe gesagt, wenn ihn diese Leute finden würden, würden sie ihn umbringen, deswegen sei er von zu Hause weggelaufen.
Bei einer weiteren niederschriftlichen Befragung am 01.03.2007 ergänzte er noch Details zu seinem Fluchtgrund und am 06.03.2007 wurde seitens des Bundesasylamtes (BAA) eine Anfrage an die für den Länderbereich Mali zuständige österreichische Botschaft in Dakar (ÖB Dakar) gestellt, deren Beantwortung am 21.06.2007 beim BAA einlangte.
Inhalt der Anfragebeantwortung war, dass der Beschwerdeführer in dem von ihm genannten Dorf nicht bekannt sei und ein tödlicher Unfall sich dort seit Jahren nicht ereignet habe. Es gäbe in dieser Region keine Pferdefuhrwerke, denn Pferde wären zu kostbar, wenn überhaupt dann Eselskarren.
Am 02.08.2007 wurde der Beschwerdeführer ergänzend niederschriftlich befragt und ihm die Botschaftsanfragebeantwortung zur Kenntnis gebracht.
Er brachte dabei vor, dass er sich nicht vorstellen könne, dass ihn niemand im Dorf kenne, er komme von dort her.
Am 14.08.2007 wurde seitens des BAA eine ergänzende Anfrage an die ÖB Dakar gestellt, deren Beantwortung am 03.10.2008 beim BAA einlangte.
Inhalt dieser ergänzenden Anfragebeantwortung war, dass auch nicht bekannt sei, dass ein Unfall, in welches ein/mehrere Kind/Kinder verwickelt gewesen wäre/n, sich ereignet hätte, bei dem nachträgliche Gesundheitsschäden aufgetreten seien. Der Beschwerdeführer sei im Dorf nicht bekannt, eine vom Beschwerdeführer angegebene Familie sei jedoch in ein anderes Dorf verzogen.
Dem Beschwerdeführer wurde auch diesbezüglich Parteiengehör eingeräumt und er wurde am 20.01.2009 nochmals niederschriftlich befragt. Er gab jedoch keine Stellungnahme ab. Der gesetzliche Vertreter des Beschwerdeführers jedoch ließ eine schriftliche Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen ab der niederschriftlichen Einvernahme vom 20.01.2009 nachfolgen. In dieser Stellungnahme vom 12.02.2009 brachte der Jugendwohlfahrtsträger vor, dass dem Amt für Soziales, Jugend und Familie unverständlich sei, dass man offensichtlich weiß, wo die Familie hingezogen sei, diese aber nicht befragt habe.
Da der Beschwerdeführer weder einen Reisepass oder Passersatz oder eine andere erforderliche Urkunde oder Unterlage, die für die Feststellung der Identität von Bedeutung ist, vorlegte, wurde am 24.02.2009 zwecks Überprüfung des angegebenen Herkunftsgebietes eine Sprachanalyse durchgeführt.
Das Sprachanalysegutachten kam zum Schluss, dass der Beschwerdeführer nicht aus Mali stamme.
Am 23.03.2010 wurde der Beschwerdeführer ergänzend niederschriftlich befragt und ihm die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme eingeräumt.
Der Beschwerdeführer betonte dabei nochmals, dass er Staatsangehöriger von Mali sei und versuchte dies durch eine Stellungnahme zur Sprachanalyse zum Zwecke der Herkunftsbestimmung von Asylantragstellern, abgefasst von Prof. Dr. XXXX , Johannes-Gutenberg-Universität Main zu untermauern.
Darüber hinaus beantragte er die zeugenschaftliche Einvernahme des vom BAA für seine Einvernahme bestellten Dolmetschers Mag. XXXX , amtsbekannt, zum Beweis dafür, dass er einen Manding-Dialekt, wie in Mali vorkommend, spreche.
Diese Stellungnahme führte zum ergänzenden Gutachten des Sprachsachverständigen vom 16.04.2010 und setzte sich dieser mit den Ausführungen des in der Stellungnahme angeführten Prof. XXXX auseinander, kam neuerlich zum Schluss, dass mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit der Beschwerdeführer nicht aus Mali stamme, führte aber zum Antrag des Beschwerdeführers auf zeugenschaftliche Einvernahme von Mag. XXXX folgendes wörtlich aus:
"Die von Herrn XXXX angeregte zeugenschaftliche Einvernahme von Mag. XXXX wäre sicherlich sehr aufschlussreich. Allerdings müsste die an Mag. XXXX zu richtende Frage nicht etwa lauten, ob Herr XXXX einen Manding-Dialekt spricht, wie man ihn etwa als Sprecher eines in Mali gesprochenen anderen Manding-Dialektes noch verstehen kann, sondern ob Herr XXXX einen ‚Manding-Dialekt' spricht, wie er auch in Mali gesprochen wird, bzw. ob das von Herrn XXXX gesprochene ‚Manding' in dessen dialektaler oder sprachlicher Ausprägung so auch in Mali gesprochen wird."
Ohne diese Gutachtensergänzung dem Beschwerdeführer neuerlich vorzuhalten, wies das BAA mit Bescheid vom 21.04.2010 der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF und gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 auch der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia ab un den Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet aus Gambia aus.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde.
Mit Schreiben vom 12.05.2010 wurde der Behörde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht (LG) XXXX zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren rechtskräftig verurteilt wurde.
Der Asylgerichtshof (AsylGH) wies mit Erkenntnis vom 11.06.2010, A1 413.230-1/2010/3E, die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunktes I. gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet ab, behob den bekämpften Bescheid bezüglich der Spruchpunkte II. und III. und verwies die Angelegenheit gem. § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das BAA zurück.
Das Erkenntnis ist im Wesentlichen damit begründet, dass das BAA die zeugenschaftliche Befragung von Mag. XXXX hätte durchführen müssen. Weiters hätte man, die in den Nachbarort verzogene Familie, befragen sollen, um allenfalls Klarheit zu gewinnen, ob sich der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Sachverhalt zumindest in irgendeiner Version tatsächlich zugetragen hätte.
Spruchpunkt I. erwuchs mit Ablauf des 16.06.2010 in Rechtskraft.
Am 28.06.2010 wurde diesbezüglich erneut im Wege der Staatendokumentation eine Anfrage an die ÖB Dakar gerichtet, welche mit Schreiben vom 03.07.2010 beantwortet wurde. Der Vertrauensanwalt der Botschaft hatte recherchiert und festgestellt, dass die vom Beschwerdeführer angegebene Familie nicht weggezogen, sondern vor drei Jahren in den Ort gezogen sei. Das Familienoberhaupt sei als Fremdarbeiter in Frankreich. Die anwesenden Familienmitglieder kennen den Beschwerdeführer nicht. Und auch alle anderen Angaben des Beschwerdeführers konnten nicht verifiziert werden.
Mit Bescheid vom 08.06.2010 wurde gegen den Beschwerdeführer ein Verbot vom Besitz von Waffen und Munition verhängt.
Am 10.09.2010 wurde über den Beschwerdeführer ein rechtskräftiges Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren verhängt.
Eine Einvernahme des Sprachsachverständigen Mag. XXXX konnte trotz mehrmaliger Versuche seitens der Behörde nicht stattfinden. Daher wurde der Dolmetscher als Sprachsachverständiger beigezogen.
Bei der Einvernahme am 22.02.2011 beim BAA, Außenstelle XXXX , bekräftigte der Beschwerdeführer nochmals, nicht aus Gambia sondern aus Mali zu stammen. In seinem Heimatort habe er keine engere Familie mehr. Sein Vater sei anscheinend im Senegal. Er habe aber selbst keinen Kontakt zu seinem Vater.
Befragt zu seiner Integration gab er an, von der Volkshilfe zu leben und als Fußballspieler in einem Club Geld zu bekommen, außerdem mache er derzeit den Hauptschulabschluss. Familiäre Beziehungen habe er in Österreich keine.
Im Anschluss an die Einvernahme wurde der anwesende Dolmetscher am 22.02.2011 und am 11.05.2011 niederschriftlich als Zeuge befragt. Dieser gab im Wesentlichen an, dass der Beschwerdeführer einen Mandingo-Dialekt sprechen würde, welcher aus Gambia stamme.
Der Beschwerdeführer gab in mehreren Stellungnahmen an, er könne zu den Länderfeststellungen zu Gambia keine Stellungnahme abgeben könne, weil er aus Mali stamme.
Am 15.06.2011 wurde der Beschwerdeführer vom LG XXXX zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sieben Monaten verurteilt und befand sich bis 18.11.2011 in Strafhaft.
Mit Bescheid vom 23.08.2011 wies das BAA den Antrag auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat "Gambia" gem. § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.) und den Beschwerdeführer gem. § 10 Abs. 1 AsylG 2005aus dem österreichischen Bundesgebiet nach "Gambia" aus (Spruchpunkt II.).
Im Bescheid verwies das BAA auf das Sprachgutachten und die Recherchen der ÖB Dakar. Es sei weder an der fachlichen Qualifikation noch an der Objektivität des Gutachters zu zweifeln und aus dem Gutachten ergebe sich schlüssig und widerspruchsfrei, dass der Beschwerdeführer aus Gambia stamme. Aufgrund der vorliegenden Länderinformationen könne keinesfalls davon ausgegangen werden, dass die allgemeine Lage eine Rückkehr nach Gambia unzumutbar erscheinen lassen würde. Zur Integration führte das BAA aus, dass der Beschwerdeführer über keine besonders ausgeprägten persönlichen, sozialen und wirtschaftlichen Bindungen zu Österreich verfüge, er sei zweimal von einem Strafgericht rechtskräftig verurteilt geworden, es sei ein Waffen- und ein Rückkehrverbot verhängt worden, sodass auch trotz des Aufenthaltes von fünf Jahren in Österreich nicht von einer gelungenen Integration gesprochen werden kann.
In der am 07.09.2011 eingelangten Beschwerde vom 06.09.2011 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass Madinka seine Muttersprache sei. Diese unterscheide sich von Madingo und er sei Staatsangehöriger Malis. Er benannte einen Zeugen, der dies bestätigen könne.
Mit Schreiben vom 04.04.2013 legte der Beschwerdeführer eine Kopie einer Geburtsurkunde aus Mali vor. Die Echtheit der Urkunde wurde von der Botschaft Malis in Deutschland bestätigt.
Mit Schreiben vom 21.10.2014 wurde eine Kopie der Bestätigung der Staatsbürgerschaft durch die Botschaft von Mali in Berlin nachgereicht.
Am 30.10.2014 führte das Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerdeverhandlung durch, wobei im Wesentlichen erörtert wurde, dass die malische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers nunmehr feststehe. Erörtert wurde weiters die Integration des Beschwerdeführers und dass er eine österreichische Freundin habe. Der Beschwerdeführer räumte hinsichtlich seiner strafgerichtlichen Verurteilungen ein, dass er Fehler begangen habe. Er wolle sich besser integrieren, den Führerschein machen; er wolle Koch oder Tapezierer werden. Der Beschwerdeführer habe keine Verwandten in Österreich, auch in Mali habe er keine Verwandten mehr, diese seien im Senegal.
Mit Erkenntnis vom 30.12.2014, W153 1413230-2/22E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gem. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass der Antrag auf internationalen Schutz in Bezug auf den Herkunftsstaat Mali abgewiesen werde (Spruchpunkt A I.), gab der Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt II. des Bescheides statt und stellte gem. § 9 Abs. 3 BFA-VG iVm § 75 Abs. 20 AsylG 2005 fest, dass eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig sei (Spruchpunkt A II.). Die ordentliche Revision ließ es nicht zu (Spruchpunkt B).
Das Erkenntnis ist im Wesentlichen damit begründet, es hätten keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Herkunftsland einer unmenschlichen Behandlung, der Todesstrafe oder einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr ausgesetzt zu sein. Er leide auch an keiner schweren Erkrankung.
Da der Beschwerdeführer seit 2012 eine österreichische Lebensgefährtin habe und seit seiner 2011 verbüßten Haftstrafe über einen ordentlichen Lebenswandel aufweise und sich erfolgreich in Österreich um Integration bemühe, erweise sich eine Rückkehrentscheidung im Hinblick auf die Schutzwürdigkeit des in Österreich begründeten Familien- und Privatlebens gegen den Beschwerdeführer als unverhältnismäßig.
Am 11.01.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bezirksgericht (BG) XXXX zu einer Geldstrafe in der Höhe von 300 Tagessätzen in der Höhe von € 4,- und im Nichteinbringungsfall zu 150 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe verurteilt.
Am 05.10.2017 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und am 07.10.2017 über ihn Untersuchungshaft verhängt.
Mit Schreiben vom 09.10.2017 verständigte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme und trug ihm die Beantwortung einer Reihe von Fragen zur Beantwortung binnen zweier Wochen auf und übermittelte ihm das Länderinformationsblatt zu Mali.
Mit handschriftlichem, in deutscher Sprache verfasstem, Schreiben vom 16.10.2017, beim BFA eingelangt am 18.10.2017, nahm der Beschwerdeführer zum Parteiengehör vom 09.10.2017 Stellung. Darin führt er - soweit dem Schreiben ein Begründungswert zu entnehmen ist - sinngemäß aus, er sei 2006 illegal und ohne Reisedokument nach Österreich gekommen und seitdem hier geblieben. Er sei gesund und nicht in ärztlicher Behandlung. Er habe eine Schule in Mali absolviert und in Österreich einen Hauptschulabschluss gemacht. Er habe die Rot-Weiß-Rot - Karte plus. Familienangehörige in der EU habe er nicht. Er sei - vermittelt durch das AMS und den Magistrat der Stadt XXXX - Kochlehrling gewesen, seine letzte Beschäftigung habe er am 04.10.2017 gehabt. Besitz habe er in Österreich keinen. Er habe bei der XXXX Fußball gespielt. Er spreche sehr gut Deutsch. Seine Integrationsbemühungen bestünden aus Sprache, Schule, Sport, Freunden, Ausbildung. Er sei mit dem Fußballverein XXXX zweimal Meister geworden. Persönliche Bindungen zu seinem Heimatland habe er nicht mehr, auch keine Wohnanschrift, sein Vater sei in Gambia. Derzeit habe der Beschwerdeführer keine Barmittel zu Verfügung. Er bemühe sich, über Kontakt zum AMS seine Selbsterhaltungsfähigkeit herzustellen. Er würde freiwillig in sein Heimatland zurückkehren, könne aber nur zu seinem Vater, das sei in Gambia, dort sei es für ihn sicher.
Am 19.01.2018 wurde der Beschwerdeführer vom LG XXXX zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.
Mit Schreiben vom 29.03.2018 übermittelte das BFA dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Mali. Der Beschwerdeführer nahm dazu nicht Stellung.
Mit dem nunmehr bekämpften und im Spruch bezeichneten Bescheid vom 20.04.2018, erließ das BFA gegen den Beschwerdeführer gem. § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.), stellte gem. § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Mali zulässig sei (Spruchpunkt II.), erließ gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.) und setzte die Frist für die freiwillige Ausreise das Beschwerdeführers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).
In der Begründung des Bescheides wurde der bisherige Verfahrensgang einschließlich der oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahme dargestellt, sowie Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und seinem Leben in Österreich und seinen strafgerichtlichen Verurteilungen getroffen.
Rechtlich führte das BFA zu Spruchpunkt I. aus, das Verhalten des Beschwerdeführers stelle eine tatsächliche erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weil er die österreichische Rechtsordnung beharrlich missachte und insgesamt viermal verurteilt worden sei. Er sei ledig, familiäre Bindungen seien nicht festgestellt worden. Er sei 2006 illegal in das Bundesgebiet eingereist und halte sich hier seitdem durchgehend hier auf. Er habe einen ordentlichen Wohnsitz, sei teilweise Beschäftigungen nachgegangen und habe teilweise Notstandshilfe erhalten. Er habe die Hauptschule absolviert und spreche die deutsche Sprache. Er sei bei der Rettung tätig und spiele Fußball in einem Verein. Er habe eine Rot-Weiß-Rot - Karte plus. Derzeit befinde er sich in einer Justizanstalt (JA). Er habe noch Familie in Mali, sein Vater lebe in Gambia. Nach Durchführung der Interessenabwägung führte das BFA aus, dass die Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht unzulässig ist, weshalb eine solche zu erlassen sei.
Zu Spruchpunkt II. führte das BFA rechtlich aus, dass auszusprechen sei, dass im Falle der Durchsetzbarkeit der Rückkehrentscheidung sowie bei Vorliegen der in § 46 Abs. 1 Z 1-4 FPG genannten Voraussetzungen seine Abschiebung nach Mali zulässig sei.
Zu Spruchpunkt III. führte das BFA aus, der Beschwerdeführer sei iSd § 53 Abs. 3 Z 1 FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten verurteilt worden, was das Vorliegen einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit indiziere. Aufgrund der beharrlichen Missachtung der österreichischen Rechtsordnung sei es dringend geboten, eine aufenthaltsbeendende Maßnahme samt Einreiseverbot in der angegebenen Dauer zu erlassen.
Zu Spruchpunkt IV. führte das BFA aus, die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 22.05.2018 innerhalb offener Frist gegenständliche Beschwerde.
Bestritten werde die Rechtmäßigkeit der Verhängung des Einreiseverbotes gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG dem Grunde nach, in eventu auch die Rechtmäßigkeit der Zeitdauer und dem räumlichen Umfang nach. Mit einer Rückkehrentscheidung müsse nicht zwingend ein Einreiseverbot erlassen werden. Die Verurteilung werde zwar nicht in Abrede gestellt, jedoch bestritten, dass der Beschwerdeführer weiterhin eine gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die österreichische Gesellschaft darstellen würde. Das BFA gehe willkürlich davon aus, dass der Beschwerdeführer weitere Straftaten verüben werde.
Der Beschwerdeführer sei zwölf Jahre in Österreich aufhältig, könne Deutsch, sei seit vier Jahren in einer Beziehung, habe einen großen Freundeskreis in Österreich, spiele seit Jahren Fußball, arbeite in der Beamtenküche der JA XXXX , wo er ca € 110,- im Monat verdiene und habe keinen Kontakt mehr zu seinen Verwandten in Mali, seine Mutter sei verstorben, sein Vater lebe in Gambia.
Dem Bescheid fehle es an einer ausreichenden Begründung, wieso der Beschwerdeführer eine aktuelle gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit sei, auf die Verurteilungen und Straftaten zu verweisen, reiche nicht hin.
Der Beschwerdeführer wurde am 05.08.2018 enthaftet.
Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für den 25.01.2019 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an, zu der der Beschwerdeführer gemeinsam mit einer Rechtsvertreterin der Diakonie Flüchtlingsdienst GmbH erschien. Das BFA hatte bereits in der Beschwerdevorlage erklärt, von der Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung Abstand zu nehmen.
Soweit wesentlich gab der Beschwerdeführer an, sein Vorbringen aufrecht zu erhalten. Er stamme aus Mali und gehöre der Volksgruppe der Mandinga an. Seine Verwandten lebten in Mali und im Senegal, der Beschwerdeführer habe zu seinen Familienangehörigen Kontakt. In Mali habe der Beschwerdeführer seiner Familie in der Landwirtschaft geholfen. Er sei seit 26.11.2006 in Österreich, danach habe er Österreich nicht mehr verlassen. Derzeit lebe der Beschwerdeführer alleine, seine Freundin sei nach Deutschland zurückgekehrt, zu ihr habe er noch telefonischen Kontakt. Der Beschwerdeführer habe keine Kinder.
In Österreich habe der Beschwerdeführer Deutschkurse besucht und die Pflichtschule abgeschlossen. Das Pflichtschulabschlusszeugnis habe der Beschwerdeführer vorgelegt, Deutschdiplome könne er nicht in Vorlage bringen, er habe nur Kursbesuchsbestätigungen.
Als der Beschwerdeführer aus dem Gefängnis entlassen worden sei, habe er eine Lehre zum Koch begonnen; mit dieser habe er wieder aufgehört. Er habe mit dem Führerschein begonnen, aber keine Lenkerberechtigung erworben.
Der Beschwerdeführer habe ein Jahr als Verpacker bei einer Firma gearbeitet, das sei im Schichtdienst gewesen. Ein halbes Jahr habe er als Verkäufer gearbeitet.
Die Kochlehre habe der Beschwerdeführer abgebrochen, weil seine Chefin keinen Platz für einen weiteren Kochlehrling gehabt habe. Sie habe jemanden für die Abwasch gebraucht.
Derzeit sei der Beschwerdeführer in Kontakt mit dem Verein Neustart und er suche eine neue Arbeit. Er sei in Verbindung mit der XXXX , die in Kooperation mit dem AMS stehe und für den Beschwerdeführer einen Ausbildungsplan erstellt hätte.
Der Beschwerdeführer sei Mitglied beim Verein XXXX , wo er im Mittelfeld spiele. Er habe dreimal in der Woche Training. Wenn er nicht arbeite, trainiere der Beschwerdeführer. Er gehe laufen und ins Fitnesscenter. Österreichische Freunde habe der Beschwerdeführer hauptsächlich im Fußballverein.
Zu seiner Delinquenz befragt gab der Beschwerdeführer an, falsche Entscheidungen getroffen zu haben. Er konsumiere seit seiner Enthaftung kein Suchtgift mehr.
Wenn er in Österreich bleiben dürfe, wolle er die Lehre fortsetzen und weiter Fußball spielen.
Im Falle einer Rückkehr nach Mali habe er dort kein Leben. Seit er 15 Jahre alt sei, sei er in Österreich.
Er habe jetzt die Unterstützung des Vereins Neustart. Es komme auf ihn selbst an, ob er es schaffen werde, ein geregeltes Leben zu führen. Vielleicht sei es seine letzte Chance.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Mali. Er heißt XXXX und wurde am XXXX geboren. Er reiste spätestens am XXXX unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und stellte einen an diesem Tag einen unbegründeten Antrag auf internationalen Schutz, welcher rechtskräftig (Spruchpunkt I. mit Ablauf des 16.06.2010; im Übrigen mit Ablauf des 05.01.2015) abgewiesen wurde. Einen weiteren Asylantrag hat der Beschwerdeführer nicht gestellt. Der Beschwerdeführer ist seiner daraus resultierenden Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen und hat seinen Aufenthalt im Bundesgebiet fortzusetzen.
Der Beschwerdeführer war mit einer deutschen Staatsangehörigen liiert, diese Beziehung ist aber nicht mehr aufrecht; Kinder hat der Beschwerdeführer keine. Er hat eine Lehre zum Koch begonnen, diese abgebrochen und ist derzeit auf der Suche nach einer neuen Arbeit, wobei er von der XXXX unterstützt wird. In die Grundversorgung ist der Beschwerdeführer nicht einbezogen. Von 06.07.2016 bis zum 07.07.2018 hatte er den Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus".
Der Beschwerdeführer wurde in Österreich wiederholt straffällig und dabei auch zu unbedingten Freiheitsstrafen verurteilt:
Mit Urteil des LG XXXX vom 24.11.2009, XXXX wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt, wobei die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung lagen das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 5. F SMG und die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. F, Abs. 2 SMG zugrunde.
Mit Urteil des LG XXXX vom 15.06.2011, XXXX , wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt. Dies wegen der Begehung des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs. 1
1. S, 1., 2. und 3. F SMG, der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 8. F und Abs. 3 SMG und der Vergehen nach § 27 Abs. 1 Z 1, 1. und 2. F und Abs. 2 SMG.
Mit Urteil des BG XXXX vom 11.01.2017, XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen der Begehung des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. F und Abs. 2 SMG zu einer Geldstrafe von 300 Tagessetzen (im Nichteinbringlichkeitsfall 150 Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verurteilt.
Mit Urteil des LG XXXX vom 19.01.2018, XXXX , wurde der Beschwerdeführer zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt. Der Verurteilung zugrunde lagen das Verbrechen des Suchtgifthandels nach § 28 Abs. 1 5. F SMG, die Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1 1. und 2. F und Abs. 2 SMG sowie das Vergehen nach § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG zugrunde.
Zu Mali:
Politische Lage
Ende März 2012 fand ein Militärputsch statt. Militärs unter Führung von Hauptmann Amadou Sanogo stürmten den Präsidentenpalast und setzten die Regierung ab. Anfang April 2012 trat der gestürzte Präsident Touré offiziell zurück, um die Machtübergabe an eine Übergangsregierung zu ermöglichen, und floh nach Senegal. Der bisherige Parlamentspräsident Dioncounda Traoré wurde zum Übergangspräsident vereidigt. In der von den Militärs eingesetzten Regierung waren neben zahlreichen Zivilisten auch den Putschisten nahestehende hochrangige Militärs vertreten (GIZ 12.2017a).
Am 28.7.2013 und 11.8.2013 fanden Präsidentschaftswahlen statt, die Ibrahim Boubacar Keita gewann. Parlamentswahlen zur Bestimmung von 147 Abgeordneten fanden im Dezember 2013 statt (AA 10.2017a). Bei den Parlamentswahlen hat die Partei von Präsident Ibrahim Boubacar Keita deutlich das Rennen gemacht. Seine RPM (Vereinigung für Mali, Rassemblement pour le Mali) hatte 60 der insgesamt 147 Sitze erhalten (DS 18.12.2013; vgl. JA 18.12.2013). Die nächsten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sind für 2018 vorgesehen. Nach mehreren Verschiebungen konnten am 20.11.2016 Kommunalwahlen durchgeführt werden (AA 10.2017a). Im April 2017 wurde der aus Nordmali stammende Abdoulaye Idrissa Maiga zum Premierminister ernannt. Er ist der sechste Premierminister in nur vier Jahren (GIZ 12.2017a).
Am 15.5.2015 wurde in Bamako durch die Regierung und einen Teil der bewaffneten Gruppen ein Friedensabkommen unterzeichnet. Weitere nach Unabhängigkeit strebende Gruppen unterzeichneten das Abkommen im Juni 2015. Ein neu geschaffenes Ministerium für Versöhnung und Entwicklung des Nordens bemüht sich um Versöhnung zwischen allen Bevölkerungsgruppen des Landes. Wichtige Elemente des Friedensvertrags, wie eine Verfassungsreform mit dem Ziel von mehr Dezentralisierung, Übergangsverwaltungen zum Zweck der Rückkehr staatlicher Ordnung in den Norden und gemeinsame Patrouillen der Konfliktparteien, konnten seitdem auf den Weg gebracht werden (AA 10.2017a).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Mali - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mali-node/-/208288, Zugriff 9.1.2018
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DS - Der Standard (18.12.2013): Präsidentenpartei gewinnt Mali-Wahl, verfehlt aber Absolute, http://derstandard.at/1385171459572/Praesidentenpartei-und-Verbuendete-gewannen-Parlamentswahl, Zugriff 9.1.2018
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GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit GmBH (12.2017a): Mali - Geschichte & Staat, http://liportal.giz.de/mali/geschichte-staat/, Zugriff 9.1.2018
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JA - Jeuneafrique (18.12.2013): Large victoire du parti d'IBK et de ses alliés aux élections législatives maliennes, http://www.jeuneafrique.com/Article/ARTJAWEB20131218081422/mali-ibrahim-boubacar-keita-adema-assemblee-nationale-mali-large-victoire-du-parti-d-ibk-et-de-ses-allies-aux-elections-legislatives-maliennes.html, Zugriff 9.1.2018
Sicherheitslage
Obwohl die terroristisch-islamistischen Kräfte v.a. durch französisches Engagement geschwächt wurden, stellen sie weiterhin eine - wenn auch asymmetrische - Bedrohung dar. Die Friedenstruppen der Mission der Vereinten Nationen in Mali (MINUSMA), die französische Mission Barkhane, wie auch malisches Militär und Zivilisten werden immer wieder Ziel von terroristischen Anschlägen (AA 10.2017a). Seit Juli 2013 unterstützt die große, multifunktionale Mission der UNO mit der Bezeichnung MINUSMA die malische Regierung bei der Stabilisierung des Landes (EDA 9.1.2018).
Rebellengruppen und islamistische Terroristen sind jedoch weiterhin aktiv. Im ganzen Land bestehen hohe Sicherheitsrisiken. Die politische Lage ist volatil. Die weitere Entwicklung der Lage bleibt ungewiss. Eine rasche Verschlechterung der Sicherheitslage im ganzen Land ist nach wie vor möglich. Das Risiko von Attentaten besteht jederzeit im ganzen Land. Zu den möglichen Zielen von Terrorangriffen zählen öffentliche und touristische Einrichtungen sowie große Menschenansammlungen, z.B. belebte Märkte, Einkaufszentren, öffentlicher Verkehr, kulturelle Anlässe, bekannte internationale Hotels, beliebte Restaurants (EDA 9.1.2018).
Insbesondere im Norden Malis und in der Region Mopti kommt es zu Anschlägen und militärischen Kampfhandlungen. In den nord-östlichen und zentralen Landesteilen sind Terrorgruppen aktiv (AA 9.1.2018). In den Regionen Mopti, Timbuktu, Gao, Kidal und anderen Landesteilen kommt es immer wieder zu Anschlägen, die Tote und Verletzte fordern.
Beispiele: am 18.6.2017 forderte ein terroristisches Attentat auf ein bei Ausländern beliebtes Hotel in der Region Bamako mehrere Todesopfer und Verletzte (EDA 9.1.2018; vgl. AA 9.1.2018). Im Jänner 2017 forderte ein Bombenangriff auf das Militärlager in Gao über 70 Tote und zahlreiche Verletzte. Am 22.11.2015 forderte ein terroristisches Attentat in einem internationalen Hotel in Bamako mehrere Todesopfer und Verletzte. Am 7.3.2015 verübten Terroristen einen Überfall auf ein bei Ausländern beliebtes Restaurant in Bamako; mehrere Personen sind erschossen oder verletzt worden (EDA 9.1.2018).
Vor Reisen nach und in Mali nordöstlich der Linie mauretanische Grenze-Yelimane-Diéma-Kolokani-Kouilikorou-entlang des Nigerflusses bis Ségou-Bla-Koutikala-Grenze Burkina Faso bei Faramana wird daher gewarnt. Für die anderen Landesteile südwestlich dieser Linie gilt Folgendes: Auch im Süden des Landes und in der Hauptstadt Bamako kann eine Gefährdung durch terroristische Gruppen nicht ausgeschlossen werden (AA 9.1.2018). Das französische Außenministerium rät von Reisen in Mali ab, außer in einer Zone im Süden, in der Reisen aus wichtigen Gründen durchgeführt werden können. Diese Zone, in der auch Bamako liegt, befindet sich südlich der Linie Kayes, Bafoulabe, Banamba (in der roten Zone), Ségou, Markala, Mopti, Ouonkoro (FD 9.1.2018).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (9.1.2018): Mali - Reise- und Sicherheitshinweise,
https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mali-node/malisicherheit/208258, Zugriff 9.1.2018
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AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Mali - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mali-node/-/208288, Zugriff 9.1.2018
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EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (9.1.2018): Reisehinweise Mali, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/mali/reisehinweise-fuermali.html, Zugriff 9.1.2017
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FD - France Diplomatie (9.1.2018): Mali, https://www.diplomatie.gouv.fr/fr/conseils-aux-voyageurs/conseils-par-pays/mali/, Zugriff 9.1.2018
Rechtsschutz / Justizwesen
Die Verfassung und das Gesetz gewährleisten eine unabhängige Justiz, die Exekutive übte jedoch weiterhin Einfluss auf das Justizsystem aus (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 27.1.2016). Richter werden vom Präsidenten ernannt und der Justizminister überwacht die Sicherheitskräfte sowie Justizorgane. Die Effizienz des Justizsystems ist mangelhaft (FH 27.1.2016), es ist landesweit von Vernachlässigung und Missmanagement sowie Personalmangel geprägt. Dadurch können Fälle nicht schnell verhandelt werden, und hunderte von Häftlingen sitzen in überlanger Untersuchungshaft (HRW 12.1.2017). Traditionelle Behörden wie Dorfchefs und von der Regierung ernannte Friedensrichter entscheiden im Großteil der Streitfälle in ländlichen Gegenden (USDOS 3.3.2017; vgl. FH 27.1.2016). Friedensrichter üben untersuchende, staatsanwaltliche und richterliche Funktionen aus. In der Praxis gewährleistet dieses System nicht dieselben Rechte wie zivile oder Strafgerichte (USDOS 3.3.2017).
Die Verfassung gewährleistet ein faires Verfahren, und die Justiz setzt diese Vorgabe zumeist um. Allerdings kommt es bei Verfahren oft zu Verzögerungen, und manche Angeklagte warten jahrelang auf ihr Verfahren. Es gilt die Unschuldsvermutung und Angeklagte haben das Recht, zeitnah über die Details der Anklagepunkte gegen sie informiert zu werden. Angeklagte haben das Recht auf einen Anwalt ihrer Wahl oder einen auf öffentliche Kosten zur Verfügung gestellten. Vor allem in ländlichen Gegenden ist der prompte Zugang aufgrund von administrativem Rückstau bzw. Mangel an Anwälten jedoch nicht immer gegeben. Angeklagte und ihre Anwälte haben das Recht auf angemessene Vorbereitungszeit für die Verteidigung, Zugang zu von der Regierung gehaltenen Beweismitteln und sie dürfen Zeugen befragen sowie eigene Zeugen aufrufen und Beweismittel zu ihren Gunsten vorlegen. Die Regierung respektiert diese Rechte üblicherweise. Gegen Urteile kann beim Berufungsgericht sowie beim Obersten Gerichtshof berufen werden (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/327721/468401_de.html, Zugriff 10.1.2018
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/334713/476542_de.html, Zugriff 10.1.2018
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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/337203/479967_de.html, Zugriff 10.1.2018
Sicherheitsbehörden
Die Sicherheitsbehörden umfassen die nationale Polizei, die Armee (FAMA), die nationale Gendarmerie, die Nationalgarde, und die Generaldirektion für Staatssicherheit (DGSE). Polizeibeamte sind für Gesetzesvollzug und Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung in Städten verantwortlich, die Gendarmerie in ländlichen Gebieten. Der nationalen Polizei mangelt es an Ressourcen und Ausbildung. Korruption ist ein Problem, vor allem auch bei der Verkehrspolizei (USDOS 3.3.2017).
Das Mandat der UN-Mission MINUSMA ist es, Sicherheit zu gewährleisten, Zivilisten zu schützen, Regierungskontrolle wiederherzustellen und den Sicherheitssektor wieder aufzubauen. Unter anderem werden weitreichende Patrouillen in den nördlichen Landesteilen durchgeführt. Im Rahmen der französischen Militäroperation Barkhane sind etwa 1000 Soldaten in Mali stationiert und führen gemeinsam mit der malischen Armee Anti-Terror-Operationen in Nordmali durch (USDOS 3.3.2017).
Zivilen Behörden mangelte es während des Jahres 2016 zeitweise an effektiver Kontrolle über die Sicherheitskräfte. Vor allem im Norden des Landes gab es viele Berichte über Fälle von Straffreiheit betreffend Angehörige der Sicherheitskräfte. Mechanismen zur Untersuchung von Fällen von Misshandlung durch oder Korruption von Sicherheitskräften bleiben ineffizient (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/337203/479967_de.html, Zugriff 10.1.2018
Folter und unmenschliche Behandlung
Laut Verfassung sind Folter oder unmenschliche Behandlung verboten, es gibt jedoch Berichte, dass das Militär diese gegen Personen anwendet, die im Verdacht stehen, Verbindungen zur Ansar al-Dine, al-Murabitoun und der Macina Liberation Front zu haben (USDOS 3.3.2017) bzw. die im Verdacht stehen, Mitglieder oder Unterstützer bewaffneter islamistischer Gruppen zu sein. Es gibt kaum Bemühungen seitens des Militärs, diese Gewaltanwendungen gegen Zivilisten zu untersuchen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen (HRW 12.1.2017).
Quellen:
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/334713/476542_de.html, Zugriff 10.1.2018
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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/337203/479967_de.html, Zugriff 10.1.2018
Korruption
Korruption ist ein Problem in Mali sowohl im Bereich der Regierung sowie öffentlicher Beschaffung als auch bei öffentlichen sowie privatwirtschaftlichen Verträgen (FH 27.1.2016). Gesetzlich sind Strafen für Korruption bei Staatsbediensteten vorgesehen. Die Regierung setzte diese Vorgaben jedoch nicht effektiv um, und Regierungsbeamte konnten ungestraft Bestechungsgelder annehmen. Korruption ist in allen Bereichen der Verwaltung verbreitet. Polizeibeamte wurden für Korruption häufig nicht zur Verantwortung gezogen. Beamte, Polizisten und Angehörige der Gendarmerie forderten häufig Bestechungsgeld. Gemäß Verfassung müssen der Präsident, der Premierminister und andere Regierungsmitglieder ihr Einkommen und Vermögen jährlich dem Obersten Gerichtshof melden. Die Meldungen werden jedoch nicht öffentlich gemacht (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
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FH - Freedom House (27.1.2016): Freedom in the World 2016 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/327721/468401_de.html, Zugriff 10.1.2018
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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/337203/479967_de.html, Zugriff 10.1.2018
Wehrdienst und Rekrutierungen
Die Streitkräfte Malis bestehen aus der Armee (Armée de Terre), der Luftwaffe (Force Aérienne de la République du Mali, FARM) und der Nationalgarde (Garde national du Mali). 18 Jahre ist das Mindestalter für den (selektiv angewandten) verpflichtenden und freiwilligen Wehrdienst. Der Wehrdienst dauert zwei Jahre (CIA 3.1.2018). In Mali gilt seit 2015 wieder ein verpflichtender Nationaldienst mit zivilen und militärischen Elementen für alle 18-35 jährigen (DW 15.12.2015).
Quellen:
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CIA - Central Intelligence Agency (3.1.2018): The World Factbook - Mali,
https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ml.html, Zugriff 10.1.2018
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DW - Deutsche Welle (15.12.2015): Le Mali instaure un Service National des Jeunes,
http://www.dw.com/fr/le-mali-instaure-un-service-national-des-jeunes/a-18919739, Zugriff 10.1.2018
Allgemeine Menschenrechtslage
Nach Putsch und Unabhängigkeitserklärung des Nordens kam es insbesondere in den Nordprovinzen zu schweren Menschenrechtsverletzungen, wie z.B. Steinigungen oder das Abtrennen von Gliedmaßen in angeblicher Ausübung der Scharia-Rechtsprechung. Nach der Rückeroberung der Städte im Norden kam es zu vereinzelten Racheakten durch die malische Armee an Tuareg. In der Folge der militärischen Auseinandersetzung zwischen bewaffneten Gruppen und malischen Sicherheitskräften in Kidal verübten Kämpfer der bewaffneten Gruppen im Mai 2014 schwere Menschenrechtsverstöße an Mitgliedern der zivilen Verwaltung in Kidal. Malische Medien berichten in jüngerer Zeit von verstärktem Vorgehen der malischen Sicherheitsbehörden gegen Vertreter der Volksgruppe der Peulh (AA 10.2017a). Trotz des Friedensabkommens vom Juni 2015 zwischen der Regierung und der Plattform der nördlichen Milizen sowie der Koordination der Bewegungen des Azawad dauert der gewaltsame Konflikt in den nördlichen Regionen an. Terroristische Gruppen wie Ansar al-Dine, Al-Qaida im islamischen Maghreb (AQIM), Al-Murabitun sowie die Macina Befreiungsfront führen Angriffe gegen das Militär, bewaffnete Gruppen und zivile Ziele in den nördlichen und zentralen Regionen durch. Menschenrechtsverletzungen bei diesen gewaltsamen Konflikten gehören zu den gravierendsten Menschenrechtsverletzungen in Mali. Darunter fallen etwa willkürliche Verhaftungen, Zerstörung und Inbesitznahme von Eigentum, sowie die Ermordung von Zivilisten. Auch über Menschenrechtsverletzungen seitens des Militärs wird berichtet (USDOS 3.3.2017, vgl. HRW 12.1.2017).
Der Sicherheitsrat und der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen, die Afrikanische Union und die Regionalorganisation ECOWAS haben Menschenrechtsbeobachter nach Mali entsandt. Der Internationale Strafgerichtshof führt auf Antrag der malischen Regierung aufgrund möglicher Völkerrechtsverbrechen sogenannte Vorermittlungen durch. Menschenrechte sind auch ein Teil der Ausbildung durch die Ausbildungsmission der EU für die malische Armee, EUTM Mali, sowie der zivilen Ausbildungsmission EUCAP Sahel Mali (AA 10.2017a).
Die Verfassung gewährleistet Meinungsfreiheit, aber die Regierung schränkt dieses Recht gelegentlich ein. Ein Pressegesetz aus dem Jahr 2000 setzt Gefängnisstrafen für Beleidigung fest. Ebenso sind Vergehen wie die Unterminierung der Staatssicherheit, Demoralisierung der Streitkräfte, Beleidigung des Staatschefs u.a. unter Strafe gestellt. Journalisten hatten Schwierigkeiten von der Regierung als heikel eingestufte militärische Informationen zu erhalten und hatten Probleme aus nördlichen Gegenden zu berichten (USDOS 3.3.2017).
Die Verfassung gewährleistet das Recht auf Versammlungsfreiheit sowie Vereinigungsfreiheit. Das Recht auf Versammlungsfreiheit wird seitens der Regierung in der Praxis nicht immer respektiert. In Bezug auf Vereinigungsfreiheit ist das Recht zwar via Verfassung gewährleistet, gesetzlich sind jedoch als unmoralisch angesehene Vereinigungen verboten (USDOS 3.3.32017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (10.2017a): Mali - Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/mali-node/-/208288, Zugriff 9.1.2018
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HRW - Human Rights Watch (12.1.2017): World Report 2017 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/334713/476542_de.html, Zugriff 10.1.2018
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USDOS - U.S. Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Mali, https://www.ecoi.net/local_link/337203/479967_de.html, Zugriff 10.1.2018
Haftbedingungen
Die Haftbedingungen sind hart und lebensbedrohlich. Die Gefängnisse sind überbelegt. Die Versorgung mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln, die sanitären Anlagen und die medizinische Versorgung sind inadäquat. Unangemessene Sicherheitsmechanismen und eine genereller Ressourcenmangel verhindern, dass die Behörden effektive Kontrolle über die Gefängnisse ausüben (USDOS 3.3.2017). Die Haftbedingungen bleiben schlecht. In Bamako sind 1.200 Häftlinge in einem Gefängnis mit einer Kapazität von 400 Personen untergebracht (UNHRC 25.10.2017).
Die Regierung gestattet Gefängnisbesuche durch Menschenrechtsgruppen. Verschiedene Organisationen führen solche durch, unter anderem Menschenrechtsbeobachter der MINUSMA sowie Angehörige des IKRK (USDOS 3.3.2017).
Quellen:
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UNHRC - U.N. Human Rights Council (25.10.2017): Summary of