Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Schick und Dr. Pelant als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde des FV in T, geboren am 11. Juni 1975, vertreten durch Mag. Georg Bürstmayr, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Stubenring 2, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 13. August 1998, Zl. 204.469/0-XI/34/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der BR Jugoslawien, der am 30. Juni 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 2. Juli 1998 die Gewährung von Asyl. Er wurde am selben Tag niederschriftlich einvernommen.
Hiebei gab er an, er stamme aus dem Kosovo, gehöre der albanischen Volksgruppe an und sei moslemischen Glaubens.
Als letzte Wohnadresse im Heimatland gab er Subotica 9, Prishtina, an.
Die Behörde erster Instanz gab sein damaliges Vorbringen in ihrem ua. den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 16. Juli 1998 folgendermaßen wieder:
"Sie seien nicht vorbestraft und hätten keine strafbaren Handlungen begangen.
Sie seien nicht Mitglied einer politischen Partei und seien auch nicht politisch tätig gewesen.
Auf die Frage, wann Sie aus der BRD, wo sie sich sechs Jahre lang aufgehalten haben, in den Kosovo zurückgekehrt seien, antworteten Sie, dass sie damals in die BRD geflüchtet seien, weil Sie keinen Militärdienst ableisten wollten.
Ihr Antrag auf Asyl sei im letzten Jahr abgelehnt worden und seien Sie in den Kosovo zurückgeschickt worden. Sie hätten am 26.12.1997 zurückfliegen sollen, da das Flugzeug jedoch Verspätung hatte, seien Sie erst am Tag darauf geflogen.
Befragt, warum Sie den Kosovo erneut verlassen hätten bzw. was der unmittelbare Anlass für Ihre Flucht gewesen sei, sagten Sie, nach etwa drei Monaten hätten Sie begonnen, für eine Hilfsorganisation zu arbeiten, die Lebensmittel und Medikamente in die Dörfer gebracht habe.
Auf die Frage, um welche Organisation es sich gehandelt habe, gaben Sie an, dass diese Transporte privat organisiert worden seien. Es seien immer wieder freiwillige Helfer gesucht worden, und da Sie nichts zu tun gehabt hätten, seien Sie diese Transporte gefahren. Sie seien von Prishtina aus in die Gegend von Drenica bzw. Grabovc, wo Ihre Schwester und Ihr Schwager wohnten, gefahren.
Sie hätten durch Mundpropaganda von diesen Transporten erfahren, und davon, dass immer wieder Leute dafür gesucht würden. Dies sei unter den Albanern bekannt gewesen.
Es habe auch Fälle gegeben, in denen man Helfer verhaftet und umgebracht habe. Man habe sie zur Grenze gebracht, und Waffen neben sie gelegt. Wenn irgendetwas passiere, oder jemand umgebracht werde, werde das sofort auf die Albaner geschoben.
Konkret befragt, gaben Sie an, den ersten dieser Transporte Anfang oder Mitte März gefahren zu sein. Sie hätten diese Transporte nach Prekac und Laush durchgeführt, diese Orte seien bombardiert worden. Auf Befragen gaben Sie an, dass diese Bombardements im März oder April stattgefunden hätten.
Die Hauptverbindung dorthin, die Straße von Peja nach Prishtina sei von der serbischen Polizei kontrolliert worden. Da Ihre Schwester in Grabovc wohne, und die Gegend dort kenne, hätte sie Ihnen einen anderen Weg dorthin zeigen können, der durch das Dorf Grabovc führe.
Befragt, wie oft Sie dorthin gefahren seien, gaben Sie an, zwei bis drei Mal pro Woche gefahren zu sein. Sie seien nicht der einzige gewesen, der diese Transporte durchgeführt habe. Sie gaben an, sowohl mit Ihrem eigenen PKW als auch mit LKWs, die von Geschäftsleuten zur Verfügung gestellt worden seien, gefahren zu sein.
Sie gaben weiters an, andere Personen, die diese Transporte durchgeführt hätten, nicht gekannt zu haben. Der Grund dafür sei gewesen, dass Sie sechs Jahre lang nicht in Ihrer Heimat gewesen seien.
Konkret befragt, gaben Sie an, glaublich Ende Mai zum letzten Mal gefahren zu sein. Danach hätten Sie aufgehört, da es keine Möglichkeit mehr dazu gegeben habe. Die Polizei habe Verdacht geschöpft, und sei weiter vorgerückt. Sie habe dann auch die Straße nach Grabovc kontrolliert. Es hätte dann überhaupt keine Hilfslieferungen mehr für diese Region von Seiten dieser Organisation gegeben.
Auf die Frage, wann und warum Sie sich entschlossen haben, Ihre Heimat neuerlich zu verlassen, antworteten Sie, dass es immer schlimmer geworden sei. Der Krieg sei immer näher gerückt. Sie gaben an, einmal auf der Straße von der Polizei angehalten worden zu sein. Ein Polizist habe Sie gefragt, ob Sie wüssten wie schnell man hier fahren dürfe. Als Sie ihm sagten: '60 km/h', habe er gemeint, ob Sie nicht die Tafel gesehen hätten, wonach es nur 50 km/h gewesen wären. Sie hätten diese verneint, weil es dort gar kein Schild gegeben habe. Daraufhin habe er Ihnen den Lauf seines Maschinengewehres an den Bauch gehalten.
Sie gaben an, dass über Prishtina Flugzeuge und Hubschrauber mit Rotkreuzzeichen fliegen und Leute umbringen würden. Sie selbst hätten aus dem Fenster beobachtet, wie ein solcher Hubschrauber zwei Stunden lang über Ihrem Bezirk gekreist sei. Wenn jemand erschossen werde, passiere gar nichts, niemand habe dies zu verantworten. Es gäbe sogar Kämpfe zwischen jungen serbischen Wehrpflichtigen und der Polizei, da Teile der Armee nicht mehr kämpfen wollten.
Als der Krieg begonnen habe, seien 100 Leute umgebracht worden, darunter 30 Frauen und Kinder.
Wenn die serbische Armee an der Front, wo sie gegen die UCK kämpfe, Verluste habe, würde sie auf dem Rückzug albanische Zivilisten umbringen. Es kämen jetzt auch Albaner, die jahrelang im Ausland gearbeitet hätten, in die Heimat zurück, um ihre Familien zu schützen.
Sie befürchteten, bei einer Rückkehr in den Kosovo getötet zu werden.
Nach dem Grund Ihrer Furcht befragt, gaben Sie an, dass alles was albanisch sei, zerstört werde. Sie gehörten auch dazu, sie seien auch noch jung.
Sie hätten Prishtina gemeinsam mit Ihrer Frau und Ihrem Bruder am 19.06.1998 verlassen und seien Sie am 30.06.1988 in Österreich angekommen."
Die Behörde erster Instanz begründete ihre Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer nicht Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention sei.
In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer gestützt auf Zitate aus der deutschen Judikatur und Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vor, dass "kein Zweifel an einer systematischen Verfolgung der ethnischen Albaner im Kosovo" bestehe. Die "Gruppenverfolgung der Albaner" sei mit "der seinerzeitigen Gruppenverfolgung der Moslems in Bosnien-Herzegowina" zu vergleichen. Es werde "von den serbischen Behörden offensichtlich alles unternommen ..., Kosovo-Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben und ihnen dort jegliche Lebensgrundlage zu entziehen". Dies führe dazu, "dass praktisch jeder ethnische Albaner in allen Lebensbereichen, allen Schichten und allen Altersgruppen derzeit jederzeit Übergriffe der serbischen Behörden - wie Angriffe von militärischen Einheiten mit schweren Waffen, Bombardements, Erschießungen, Hausdurchsuchungen, Schläge und Folter auf Polizeiposten und anlässlich von Kontrollen, sowie willkürliche Inhaftierungen - befürchten" müsse.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 13. August 1998 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 Asylgesetz 1997 ab. Sie erhob die vom Bundesasylamt in dessen Bescheid "im Wesentlichen richtig und vollständig" wiedergegebenen Angaben des Beschwerdeführers anlässlich seiner niederschriftlichen Vernehmung zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Nach Wiedergabe des Inhaltes der Berufung und allgemeinen rechtlichen Ausführungen begründete die belangte Behörde ihre Entscheidung damit, dass die vom Beschwerdeführer geschilderte Verkehrskontrolle keine Verfolgungshandlung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention darstelle. Die belangte Behörde setzte fort:
"Hinsichtlich des Vorliegens der Flüchtlingseigenschaft des Asylwerbers bleibt sohin lediglich die allgemeine Situation in seinem Heimatland, insbesondere die Entwicklungen in den letzten Wochen und Monaten zu prüfen, zumal der Asylwerber in seiner Berufung behauptet hat, dass 'die gesamte albanische Bevölkerung derzeit asylrelevante Verfolgung erleide'.
Dem Asylwerber ist darin beizupflichten, dass in jenen Gebieten, in welchen die albanische Befreiungsarmee (UCK) operiert, 'praktisch Krieg' herrscht. Nach langen Jahren einer friedlichen Separationsbemühung unter Leitung der LDK hat in wesentlichen Teilen des Kosovo die UCK, die sich ausdrücklich zum Partisanenkrieg bekennt und deren Führungsgremien weitgehend unbekannt sind, die Aktion übernommen, wobei Überfälle der UCK auf serbische Polizei- und Militäreinheiten seitens dieser mit Angriffen auf jene Dörfer, in welchen Angehörige der albanischen Befreiungsarmee verstärkt aufhältig sind bzw. vermutet werden, vergolten werden. Die seitens der serbischen Behörden gesetzten Maßnahmen sind durch den Versuch der Isolierung der UCK-Verbände, Zerstörung der strategisch erforderlichen Strukturen und des begünstigenden Umfeldes gekennzeichnet. Auch wenn sich die Kampfhandlungen nicht auf das gesamte Gebiet des Kosovo erstrecken, sondern sich auf bestimmte Hauptgebiete, insbesondere an der albanischen Grenze konzentrieren, so stellt sich in diesen Gebieten die Situation jedenfalls so dar, dass von einer Bürgerkriegssituation gesprochen werden muss.
Eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung setzt jedoch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise aus seiner Heimat eine individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung erlitten hätte oder ihn zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre. Auch dann, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt wären, dass davon gesprochen werden müsste, dass systematisch eine Gruppenverfolgung der ethnischen Albaner im Kosovo, denen der Asylwerber angehört, aus Gründen seiner Nationalität erfolgt, wäre eine derartige Befürchtung gerechtfertigt, weil der Asylwerber dadurch der Gefahr ausgesetzt wäre, davon unmittelbar betroffen zu sein (vgl. VwGH vom 2.2.1994, Zl. 92/01/0890).
Hiebei ist zu betonen, dass grundsätzlich allein in der Tatsache, dass es im Heimatland des Asylwerbers zu kriegerischen Handlungen gekommen ist, noch kein Grund gelegen wäre, darin gegen ihn selbst konkret gerichtete Verfolgungshandlungen zu erblicken (vgl. VwGH vom 20.12.1989, Zl. 89/01/0283-0286). Hinsichtlich der ehemaligen Situation in Bosnien hat der Verwaltungsgerichtshof jedoch im Erkenntnis vom 22.6.1994, Zl. 93/01/0061, erkannt, dass 'kriegerische Auseinandersetzungen im Rahmen der Gruppenverfolgung bosnischer Moslems durch die serbische 'Armee', die die Gesamtheit der in dem betreffenden Gebiet lebenden Moslems zum Ziel haben, und die nicht bloß in Beeinträchtigungen allgemeiner Natur bestehen, wie sie von allen hingenommen werden müssten, wobei auch keine inländische Fluchtalternative besteht, geeignet sind, begründete Furcht vor Verfolgung darzutun' (so auch in der Berufung des Asylwerbers zitiert).
Für die Qualifikation, ob die Verhältnisse im Heimatland eines Asylwerbers dergestalt sind, dass davon gesprochen werden müsste, dass systematisch eine Gruppenverfolgung jenes Personenkreises, dem auch der Asylwerber angehört, erfolgt, lassen sich aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sohin zwei Merkmale ableiten, die jedenfalls vorliegen müssen, damit von einer Gruppenverfolgung gesprochen werden kann:
Die gesetzten Maßnahmen müssen die Gesamtheit der in dem betreffenden Gebiet lebenden Personen, die der betrachteten Gruppe angehören, zum Ziel haben, und die gesetzten Maßnahmen dürfen nicht bloß in Beeinträchtigung allgemeiner Natur bestehen, wie sie von allen hingenommen werden müssten.
Für die Beantwortung der Frage, ob im Heimatland des Asylwerbers eine Gruppenverfolgung ethnischer Albaner vorliegt, müssen vor dem Hintergrund der besonderen Umstände im Kosovo zwei Arten von staatlichen Maßnahmen unterschieden werden:
1. Maßnahmen, die konkret gegen vorausbestimmte Einzelne gerichtet sind (z.B. Vorladungen zu Polizeistationen, Misshandlungen im Zuge von Verhören, ungerechtfertigte Anschuldigungen etc.).
Solche gegen individuell vorausbestimmte Einzelne gerichtete Verfolgungshandlungen kommen im Heimatland des Asylwerbers zwar vor und werden von kosovo-albanischen Stellen sowie von verschiedenen NGOs auch dokumentiert, doch weisen diese Verfolgungshandlungen die für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderliche Verfolgungsdichte angesichts einer Gesamtbevölkerung von nahezu 2 Millionen ethnischen Albanern im Kosovo nicht auf. Ein staatliches Vertreibungsprogramm müsste, um asylrechtlich von Relevanz zu sein, jeden ethnischen Albaner im Kosovo in seiner physischen Existenz, seiner körperlichen Unversehrtheit oder seiner persönlichen Freiheit aktuell und gegen seine Person zielgerichtet bedrohen. Staatliche Maßnahmen, die angesichts einer Gesamtbevölkerung von nahezu 2 Millionen ethnischen Albanern im Kosovo quantitativ lediglich punktuell erfolgen, reichen nicht aus, um ein asylrechtlich erhebliches Verfolgungsprogramm des serbischen Staates anzunehmen.
2. Maßnahmen, die im Zuge von kriegerischen Auseinandersetzungen erfolgen (z.B. der Beschuss von Dörfern, Errichtung von Checkpoints, Abschneiden von Versorgungswegen etc.).
Solche militärischen Handlungen sind charakteristischerweise gegen die Verbände der albanischen Befreiungsarmee UCK und nicht gegen individuell vorausbestimmte einzelne Personen der albanischen Zivilbevölkerung gerichtet. Im Zuge von Kampfhandlungen wird sohin 'lediglich' mittelbar die "anonyme Masse" der albanischen Bevölkerung betroffen, indem sie die Folgewirkung der kriegerischen Auseinandersetzungen zu tragen hat. Es muss sohin rechtlich beurteilt werden, ob diese mittelbare Betroffenheit bloß eine Beeinträchtigung allgemeiner Natur ist, oder bereits darüberhinausgeht. Hiebei erscheint es angezeigt, darauf Bedacht zu nehmen, dass der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt hat, dass 'durch Hinweise auf die Zerstörung ihres Hauses und des dauernden Beschusses des Krankenhauses, dessentwegen die Asylwerberin dort nicht habe entbinden können, sich die Asylwerberin auf die in ihrem Heimatland stattfindenden kriegerischen Auseinandersetzungen bezogen hat. Damit allein hat sie aber keine asylrechtlich relevante Verfolgung dargetan, weil darin bloß Aktivitäten zu erblicken sind, die die dort lebende Bevölkerung allgemein zu erdulden hat, zumal sich daraus kein Anhaltspunkt ergibt, dass gegen Angehörige der kroatischen Nationalität in ihrem Heimatland gezielt vorgegangen würde und die Asylwerberin zu fürchten gehabt hätte, im Rahmen einer derartigen Gruppenverfolgung unmittelbar betroffen zu sein' (vgl.VwGH vom 27.4.1994, Zl. 93/01/0487). Eine lediglich mittelbare Betroffenheit von kriegerischen Auseinandersetzungen durch den Umstand, die Last der Folgewirkungen (wie z.B. zerstörte Häuser und Dörfer, mangelnde medizinische Betreuung, mangelnde Versorgung der Bevölkerung, Verlust des Eigentums, Flüchtlingsströme etc.) ertragen zu müssen, scheint im Lichte der obzitierten Judikatur, die auf eine im Wesentlichen gleichartige Situation bürgerkriegsähnlicher Zustände Bezug nimmt, sohin keine asylrechtlich relevante Verfolgung darzustellen, weil darin bloß Aktivitäten zu erblicken sind, die die dort lebende Bevölkerung allgemein zu erdulden hat.
Sohin sind insgesamt keine Maßnahmen im Heimatland des Asylwerbers ersichtlich, die der aus der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgeleiteten Definition einer Gruppenverfolgung zu entsprechen vermögen, da hinsichtlich konkreter, gegen vorausbestimmte Einzelne gerichtete Übergriffe die erforderliche Verfolgungsdichte nicht gegeben ist und andererseits die Aktionen im Zuge der Bürgerkriegsgeschehnisse, so schwierig sich die Lebensumstände für die davon betroffene Bevölkerung auch darstellen mögen, bloß solche allgemeiner Natur sind, die jeder hinnehmen muss.
Das Asylrecht hat nicht zur Aufgabe, vor den allgemeinen Unglücksfolgen zu bewahren, die aus Krieg, Bürgerkrieg, Revolution oder sonstigen Unruhen hervorgehen. Demgemäß wird auch im UNHCR-Handbuch über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, Punkt 164, ausgeführt, dass Personen, die aufgrund bewaffneter internationaler oder nationaler Auseinandersetzungen gezwungen wurden, ihr Heimatland zu verlassen, normalerweise nicht als Flüchtlinge nach dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 gelten."
Dem Beschwerdeführer komme die Flüchtlingseigenschaft nicht zu.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Eine Gruppenverfolgung im Sinne der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liege auch bei einer "großangelegte(n) Vertreibung einer Volksgruppe aus ihrem Wohngebiet in Nachbarstaaten" vor, weil eine solche die "Existenz dieser Volksgruppe an sich" beeinträchtige. "Gruppenverfolgung" liege dann vor, "wenn ein Großteil der Bevölkerung Gefahr läuft, durch zielgerichtetes Vorgehen von erheblicher Intensität unterschiedslos in Menschenrechten intensive Eingriffe erleiden zu müssen". Die Beschwerde wirft der belangten Behörde vor, sie habe keine Feststellungen getroffen, welches Motiv die "Aktivitäten" wie die Bombardierung und Beschießung von ganzen Dörfern habe.
Als Verfahrensmangel rügt der Beschwerdeführer, es wäre Sache der belangten Behörde gewesen, Ermittlungen zur Situation männlicher Kosovo-Albaner im wehrfähigen Alter anzustellen, obwohl der Beschwerdeführer "hiezu sehr wenig Angaben gemacht" habe. Es wäre hervorgekommen, dass insbesondere Personen männlichen Geschlechts im wehrfähigen Alter, sofern sie der albanischen Volksgruppe angehören, in ganz Jugoslawien generell verdächtigt würden, mit der UCK zu kooperieren.
Des Weiteren fehle im angefochtenen Bescheid jeder Hinweis darauf, ob die Maßnahmen der serbischen Behörden auf ein "bestimmtes, geographisch abzugrenzendes Gebiet" im Kosovo beschränkt seien und "wenn ja, auf welches". Es fehle auch jede Prognose, wie sich diese Maßnahmen in absehbarer Zukunft entwickeln könnten. Die belangte Behörde hätte "angesichts der amtsbekannten Fakten- und Nachrichtenlage, aber eine Prognose dazu anstellen müssen, ob nicht die Angehörigen der Volksgruppe der Kosovo-Albaner, also auch der Bf, in naher Zukunft eine solche Ausweitung dieser Maßnahmen befürchten müssen, dass zumindest für die nahe und absehbare Zukunft ein 'asylrechtlich erhebliches Verfolgungsprogramm des serbischen Staates'" zu befürchten sei. Die belangte Behörde habe zudem im angefochtenen Bescheid nicht erkennen lassen, auf Grund welcher Unterlagen sie zu ihrer Schlussfolgerung gelangt sei. Soferne dem angefochtenen Bescheid solche Ermittlungsergebnisse zugrunde lägen, sei der Beschwerdeführer in seinem Parteiengehör verletzt worden. Hätte die belangte Behörde den Beschwerdeführer diese Ermittlungsergebnisse zur Kenntnis gebracht, hätte er vorbringen und unter Beweis stellen können, dass zumindest in absehbarer Zukunft jeder Angehörige der Volksgruppe der Kosovo-Albaner im Gesamten jugoslawischen Staatsgebiet, insbesondere dann, wenn er männlichen Geschlechts und im wehrfähigen Alter sei, Gefahr laufe, aus den in der GFK genannten Motiven verfolgt zu werden. Der Beschwerdeführer legte eine Information des UNHCR vom 13. August 1998 bei.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Aufgrund der sich gerade im Kosovo rasch ändernden Situation weist der Verwaltungsgerichtshof eingangs darauf hin, dass sich seine Überprüfungsbefugnis auf die dem angefochtenen Bescheid zum Zeitpunkt seiner Erlassung zugrundeliegende Sach- und Rechtslage bezieht.
Dem Beschwerdeführer ist zunächst zuzugestehen, dass - wie auch die belangte Behörde erkennbar dem angefochtenen Bescheid zugrunde legt - auch die "groß angelegte Vertreibung einer Volksgruppe aus ihrem Wohngebiet" asylrelevante Verfolgung sein kann. Der Beschwerdeführer wirft der belangten Behörde jedoch zu Unrecht vor, sie habe das Motiv für die kriegerischen Aktivitäten im angefochtenen Bescheid nicht dargetan. (Siehe Seite 5 des angefochtenen Bescheides: "Die seitens der serbischen Behörden gesetzten Maßnahmen sind durch den Versuch der Isolierung der UCK-Verbände, Zerstörung der strategisch erforderlichen Strukturen und des begünstigenden Umfeldes gekennzeichnet".) Entgegen der Behauptung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde auch ausgeführt, dass sich die Kampfhandlungen "nicht auf das gesamte Gebiet des Kosovo erstrecken". Sie konzentrierten sich auf "bestimmte Hauptgebiete, insbesondere an der albanischen Grenze". Diese Ausführungen stimmen mit Berichten in internationalen Medien sowie Berichten von Menschenrechtsorganisationen und insbesondere des UNHCR überein. Auch der vom Beschwerdeführer vorgelegte Bericht des UNHCR vom 13. August 1998 zeigt für den Zeitraum bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides kein anderes Bild auf, sondern bestätigt, dass die serbischen Aktionen in bestimmten Gebieten (insbesondere die Region Drenica und westlich sowie südlich davon entlang der albanischen Grenze; vgl. Seite 8 ff des Berichtes des UNHCR vom 13. August 1998) stattfanden.
Wenngleich dem Beschwerdeführer beizupflichten ist, dass die belangte Behörde die Beweisergebnisse, auf welche sie ihre Feststellungen stützte, auch dann, wenn es sich um allgemein bekannte Tatsachen handelt, dem Beschwerdeführer hätte vorhalten und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen, so führt dieses Vorbringen die Beschwerde nicht zum Erfolg.
Es ist nämlich auch allgemein bekannt, dass sich die Aktionen der serbischen Kräfte zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht auf den ganzen Kosovo bezogen. Der Beschwerdeführer stammt jedoch aus Prishtina. Für diesen Bereich des Kosovo waren zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides verstärkte Aktionen der genannten Art nicht notorisch.
Der Beschwerdeführer hat aber gerade nicht dargetan, dass die Gefahr der überschießenden serbischen Militäraktionen auch für die Heimatstadt des Beschwerdeführers (Prishtina) gegeben sei. Solches lässt sich auch nicht aus dem vorgelegten Bericht des UNHCR vom 13. August 1998 entnehmen.
Dass der Beschwerdeführer aus anderen Gründen - etwa weil ihm ein Naheverhältnis zu den "albanischen Separatisten" vorgeworfen bzw. unterstellt wird - von diesen Vorfällen besonders betroffen sei, hat er auch in der Beschwerde nicht behauptet. Aus der bloßen Zugehörigkeit zur albanischen Volksgruppe - ohne räumliches Naheverhältnis zu Gegenden mit verstärkten Aktivitäten von serbischen Einheiten (vgl. zu diesem Merkmal das hg. Erkenntnis vom 9. März 1999, Zl. 98/01/0370) und ohne sonstige Anhaltspunkte für eine individuelle Verfolgung - kann jedoch eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu befürchtende asylrelevante Verfolgung nicht abgeleitet werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0386).
Zum Vorbringen betreffend die generelle Gefährdung aller Kosovo-Albaner im wehrfähigen Alter ist der Beschwerdeführer darauf hinzuweisen, dass ihm bei dem von ihm geschilderten einzigen persönlichen Kontakt zu serbischen Sicherheitskräften (Verkehrskontrolle) keine asylrechtlich relevante Benachteiligung widerfahren ist. Abgesehen davon hat der Beschwerdeführer aber auch in der Beschwerde bloß die Behauptung aufgestellt, dass sämtliche Kosovo-Albaner im wehrfähigen Alter asylrechtlich relevanter Verfolgung unterlägen, diese Behauptung jedoch nicht konkret dargelegt.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aber aufgrund der gravierenden Änderung der Situation seit Mitte März 1999, die bei der Entscheidung über den am 13. August 1998 (Zustellung an den Beschwerdeführer am 21. August 1998) erlassenen angefochtenen Bescheid nicht mehr berücksichtigt werden darf, wegen der grundsätzlichen Bedeutung für derzeit bei den Verwaltungsbehörden anhängigen Asylverfahren von Asylwerbern aus dem Kosovo zu nachfolgender Aussage veranlasst:
Wie in den Medien berichtet wurde, hätten ab Mitte März 1999 serbische Einheiten mit "ethnischen Säuberungsaktionen" begonnen, die mit schwersten Übergriffen gegen Leib, Leben und wirtschaftliche Existenzmöglichkeit aller ethnischen Albaner im Kosovo verbunden seien. Diese Aktionen hätten augenscheinlich das Ziel, die Albaner aus dem Kosovo zu vertreiben. Sollte dies zutreffen, hätten Angehörige der albanischen Bevölkerungsgruppe im Kosovo schon allein aufgrund ihrer Volksgruppenzugehörigkeit grundsätzlich eine asylrelevante Verfolgung zu befürchten. Unter diesen Voraussetzungen stünde aufgrund des geänderten Sachverhaltes im vorliegenden Fall der neuerlichen Stellung eines Asylantrages nicht das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen.
Aufgrund des geänderten Sachverhaltes steht demnach der neuerlichen Stellung eines Asylantrages nicht das Hindernis der entschiedenen Sache entgegen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 12. Mai 1999
Schlagworte
Zurückweisung wegen entschiedener SacheEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998010455.X00Im RIS seit
20.11.2000