Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
BFA-VG 2014 §21 Abs7Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):Ra 2018/19/0565Ra 2018/19/0566Serie (erledigt im gleichen Sinn):Ra 2018/21/0195 B 04.04.2019Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner in der Revisionssache 1. der G A,
2. des M S S, 3. der A S, alle in W und alle vertreten durch Mag. Doris Einwallner, Rechtsanwältin in 1050 Wien, Schönbrunnerstraße 26/3, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2018, Zlen. 1) W215 2108235-1/18E, 2) W215 2109415-1/14E und 3) W215 22168834-1/6E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die revisionswerbenden Parteien, eine Familie bestehend aus der Mutter (Erstrevisionswerberin) sowie einem Sohn (Zweitrevisionswerber) und einer Tochter (Drittrevisionswerberin), sind Staatsangehörige der Republik Tadschikistan.
2 Die Erstrevisionswerberin stellte am 6. August 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Als Fluchtgrund gab sie an, als Bankangestellte von einem vermögenden Mann bedroht worden zu sein, der sie habe heiraten wollen. Das habe sie verweigert, weshalb sie befürchte, von ihm verfolgt zu werden. Sie habe sich in einen anderen Mann verliebt, der in Österreich lebe. Aus diesem Grund sei sie nach Österreich gereist.
3 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit Bescheid vom 22. Mai 2015 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung der Erstrevisionswerberin in die Republik Tadschikistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
4 Dagegen erhob die Erstrevisionswerberin Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
5 Am 2. Juni 2015 stellte die Erstrevisionswerberin für den in Österreich geboren Zweitrevisionswerber einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2015 entschied das BFA über den Antrag des Zweitrevisionswerbers inhaltsgleich. Dagegen erhob der Zweitrevisionswerber Beschwerde.
6 Das Bundesverwaltungsgericht führte am 6. Februar 2017 eine mündliche Verhandlung durch.
7 Am 20. Juli 2017 wurde durch die Erstrevisionswerberin für die in Österreich geborene Drittrevisionswerberin ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Auch dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 2. August 2017 inhaltsgleich wie die Bescheide der Erstrevisionswerberin und des Zweitrevisionswerbers entschieden. Dagegen erhob die Drittrevisionswerberin ebenso Beschwerde.
8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht die erhobenen Beschwerden der revisionswerbenden Parteien ab und erklärte die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig.
9 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
10 In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit vorgebracht, das Bundesverwaltungsgericht habe zu Unrecht von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weil zwischen der mündlichen Verhandlung und der Erlassung des Erkenntnisses bereits mehr als anderthalb Jahre vergangen seien. Hinsichtlich der Drittrevisionswerberin sei gar keine mündliche Verhandlung durchgeführt worden, weil diese erst nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung geboren worden sei. Weiters fehle es an Feststellungen zu den Lebensumständen der revisionswerbenden Parteien, etwa zu einer Erkrankung des Zweitrevisionswerbers mit Autismus, den Deutschkenntnissen der erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien und den Bindungen der (minderjährigen) zweit- und drittrevisionswerbenden Parteien zu den im gemeinsamen Haushalt lebenden Großeltern, weshalb nicht mehr von einem hinreichend aktuellen Sachverhalt ausgegangen werden könne.
11 Wenn die Revision eine Verletzung der Verhandlungspflicht rügt, ist ihr zu entgegnen, dass § 21 Abs. 7 BFA-VG das Unterbleiben einer Verhandlung erlaubt, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (vgl. VwGH 18.10.2017, Ra 2017/19/0422, sowie zu den Voraussetzungen, wann dies als gegeben anzusehen ist, VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017, 0018). Dass die angeführten Voraussetzungen für die Abstandnahme von der Verhandlung nicht gegeben gewesen wären, vermag die Revision nicht aufzuzeigen. So wird hinsichtlich der Drittrevisionswerberin mit dem bloßen Hinweis, dass keine mündliche Verhandlung durchgeführt wurde, nicht dargelegt, dass der im vorliegenden Fall maßgebliche Sachverhalt nicht feststünde.
Das gilt auch für das Vorbringen, beim Zweitrevisionswerber sei der "Verdacht auf Autismus" aufgetreten, zumal weder entsprechende Nachweise einer solchen Krankheit vorgelegt wurden noch es einen Anspruch darauf gibt, in einem Land zu verbleiben, nur um eine - unter Umständen bessere - medizinische Behandlung zu erhalten (vgl. VwGH 21.2.2017, Ro 2016/18/0005). Auch werden hier exzeptionelle Umstände im Sinn der Rechtsprechung des EGMR nicht aufgezeigt (vgl. VwGH 25.5.2016, Ra 2016/19/0036). Etwaige weiter erworbene Deutschkenntnisse werden im Zulässigkeitsvorbringen nicht substantiiert dargelegt. Was die familiären Bindungen betrifft, hat das Bundesverwaltungsgericht ausreichend Feststellungen zur Kernfamilie der revisionswerbenden Parteien getroffen.
12 Die Zulässigkeitsbegründung der Revision wendet sich auch gegen die bei der Erlassung der Rückkehrentscheidung vorgenommene Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht revisibel im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG (vgl. etwa VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0304, mwN).
13 Vor diesem Hintergrund gelingt es der Revision nicht, die Unvertretbarkeit der im vorliegenden Einzelfall vorgenommenen Abwägung des Bundesverwaltungsgerichts aufzuzeigen.
14 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Wien, am 25. Februar 2019
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018190564.L00Im RIS seit
18.07.2019Zuletzt aktualisiert am
18.07.2019