TE Vwgh Beschluss 2019/2/27 Ra 2018/05/0280

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Veröffentlicht am 27.02.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;

Norm

B-VG Art133 Abs4;
VwGG §34 Abs1;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bernegger und den Hofrat Dr. Moritz sowie die Hofrätin Mag. Rehak als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Artmann, über die Revision der revisionswerbenden Partei Gemeinderat der Stadtgemeinde E, vertreten durch Dr. Josef Weixelbaum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Lastenstraße 38, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 12. Oktober 2018, Zl. LVwG-151275/19/JS/KG, betreffend baupolizeilichen Abbruchauftrag (weitere Partei: Oberösterreichische Landesregierung; mitbeteiligte Partei: W L E, vertreten durch Dr. Hubert Maier, Rechtsanwalt in 4310 Mauthausen, Vormarktstraße 17), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen

Begründung

1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

3 Nach § 34 Abs. 1 a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4 In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme:

5 Im gegenständlichen Fall geht es um einen baupolizeilichen Abtragungsauftrag für eine Mauer, die weitgehend parallel zur R-Gasse verläuft. Von den Gemeindebehörden wurden dabei folgende Auflagen vorgeschrieben:

"1.        Die Abbrucharbeiten sind unter Aufsicht eines

Bauführers bei Berücksichtigung aller erforderlichen Pölzungs- und

Sicherungsmaßnahmen so durchzuführen, dass die angrenzende R-

 ... Gasse ... dauerhaft vor Schäden geschützt wird.

2.        bei sämtlichen absturzgefährdeten Stellen zu denen der

Zutritt möglich ist, sind standsichere Geländer mit einer Höhe von

mind. 1,00 m anzuordnen. Die Geländer sind gem. ÖNORM B 5371

auszuführen und dürfen keine Leiterwirkung aufweisen.

3.        Die Abbruchstelle ist so abzusichern, dass ein Betreten

durch Unbefugte nicht möglich ist. Bei unklaren Sichtverhältnissen ist die Abschrankung entsprechend zu beleuchten. Durch die Aufstellung von Warnplakaten ist für den Fußgängerverkehr auf die möglichen Gefahren hinzuweisen und zusätzlich genügend Aufsichtspersonen bereitzustellen."

6 Der Auflagepunkt 1. wurde vom Verwaltungsgericht ersatzlos gestrichen, weil er unverhältnismäßig sei. Es gehe um die Abtragung einer ca. 11 m langen Mauer, die nicht als Stützmauer für die angrenzende öffentliche Straße und die damit verbundenen Verkehrslasten geplant worden sei. Mit der Auflage werde dem Mitbeteiligten auf hoheitlichem Weg die Verpflichtung zum dauerhaften Schutz der öffentlichen Straße auferlegt, den die Gemeinde jedoch im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung nach dem OÖ Straßengesetz 1991 selbst gewährleisten müsse. Durch die Auflage würde dem Mitbeteiligten im Ergebnis ein unkalkulierbares zivil- und strafrechtliches Haftungsrisiko für die Sicherheit der technisch dringend zu sanierenden öffentlichen Straße übertragen. Der Mitbeteiligte habe es nicht in der Hand, die Art des Verkehrs auf der Straße zu beeinflussen, was jedoch für den Sicherheitsaufwand von wesentlichem Einfluss sei. Das Grundstück des Mitbeteiligten liege sowohl vor als auch nach dem Abtrag der Mauer niveaumäßig unterhalb der Straße. Es wäre somit Aufgabe der Straßenverwaltung, für die Standsicherheit der Straße zur Sicherheit des darauf stattfindenden Verkehrs Sorge zu tragen.

7 Der Auflagepunkt 2. wurde mit dem angefochtenen Erkenntnis als Auflagepunkt 1. wie folgt formuliert:

"1. Bei absturzgefährlichen Stellen müssen geeignete

Schutzvorrichtungen gegen ein Abstürzen von Personen angebracht werden, die Kindern das Durchschlüpfen nicht ermöglicht und ein Hochklettern erschwert wird."

8 Begründend wurde vom Verwaltungsgericht ausgeführt, es sei unverhältnismäßig, dem Mitbeteiligten auch die Errichtung eines Geländers von mindestens 1 m Höhe aufzutragen. Zur Erreichung des Schutzes von Passanten des Gehsteigbereiches während der Abtragungsarbeiten erscheine der Schutz vor Absturzunfällen in allgemeiner Form durch geeignete Schutzvorrichtungen verhältnismäßiger.

9 Der Auflagepunkt 3. wurde vom Verwaltungsgericht als Auflagepunkt 2. wie folgt festgelegt:

"2. Die Abbruchstelle ist so abzusichern, dass ein Betreten

durch Unbefugte nicht möglich ist."

10 Es handle sich um eine standardmäßige Vorschreibung, wie auch die belangte Behörde bei der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eingeräumt habe, wobei sie auch zugestanden habe, dass es im konkreten Fall ausreiche, dass die Abbruchstelle so abgesichert werde, dass ein Betreten durch Unbefugte nicht möglich sei. In Anbetracht der generellen Pflicht zur Absicherung des Abbruchbereiches sei die zusätzliche Verpflichtung des Mitbeteiligten zur Aufstellung von Warnplakaten und zur Bereitstellung von Aufsichtspersonen hinsichtlich des Abtragungsgegenstandes einer rund 11 m langen Mauer für die Dauer deren Abtragung überschießend.

11 In den Revisionszulässigkeitsgründen wird im Wesentlichen ausgeführt, die Vorschreibung des Auflagepunktes 1. durch die belangte Behörde habe nur eine konkretisierende Wiederholung gesetzlicher Verpflichtungen dargestellt und könne daher nicht überschießend sein. Indem mit der ersatzlosen Behebung dieser Auflage dem Mitbeteiligten die Verpflichtung erlassen werde, sich einer kompetenten Fachaufsicht zu bedienen, sei eine grob fehlerhafte Beurteilung erfolgt. Da die unter dem Niveau der angrenzenden R-Gasse gelegene Mauer derzeit als Stütze für diese diene und zudem Umsturzgefahr drohe, erweise sich die von der belangten Behörde erteilte Auflage 1. nicht nur als verhältnismäßig, sondern auch als erforderlich, um Gefahren für die körperliche Sicherheit von Menschen, der Nachbarschaft oder für fremde Sachwerte vorzubeugen (wurde näher ausgeführt). Außerdem habe es gegolten, einem Amtshaftungsrisiko für die Gemeinde vorzubeugen. Im Übrigen resultiere die Gefährdung des Fußgängerverkehrs auf der R-Gasse nicht aus einer allenfalls vernachlässigten Straßenerhaltungspflicht, sondern aus dem Baugebrechen der Mauer (wurde näher ausgeführt). Dass das Grundstück des Nachbarn dem öffentlichen Verkehr gewidmet sei, habe für die Beurteilung eigentums- und nachbarschaftsrechtlicher Auswirkungen außer Betracht zu bleiben. Zwischen der Erhaltungspflicht des Straßenerhalters und den von einem Bauherrn zu beachtenden Schutzpflichten sei zu unterscheiden. Die Pflichten könnten auch völlig getrennt nebeneinander bestehen. Die Pflicht des Straßenerhalters sei vorliegend überhaupt nicht zur Beurteilung gestanden.

12 Die hinsichtlich der aufgehobenen Auflagen angenommene Unverhältnismäßigkeit beruhe auf einer grob fehlerhaften Beurteilung oder auf einer der Judikatur widersprechenden Ermessensentscheidung. Grob fehlerhaft sei, dass die Auflagen als überschießend gewertet worden seien, obwohl sie ohnehin im Gesetz Deckung fänden und in keinem Fall einer Bestimmung der Oö. Bauordnung zuwiderliefen. Die angeordneten Maßnahmen seien nach allgemeiner Lebenserfahrung auch regelmäßig auf Baustellen anzutreffen. Die von der belangten Behörde angeordneten Mittel zur Gefahrenbeherrschung seien allgemein anerkannt, als handelsübliche Waren jederzeit verfügbar und damit nicht unverhältnismäßig. Das zur angenommenen Unverhältnismäßigkeit ausgeübte, lediglich mit rechtlichen Überlegungen allgemeiner Art begründete Ermessen könne nicht nachvollzogen werden, womit umgekehrt eine der gesicherten Judikatur widersprechende Beurteilung vorliege. Anordnungen seien dann nicht zu beanstanden, wenn der damit verbundene Aufwand in einem vertretbaren Verhältnis zum erzielbaren Erfolg stehe. Dem für Menschen und Sachwerte gegebenen Gefahrenpotential hätte zumindest jener materielle Aufwand gegenübergestellt werden müssen, der zur Gefahrenbeherrschung in Form von Auflagen erforderlich gewesen sei. Jede Beurteilung der Unverhältnismäßigkeit beruhe auf einer Ermessensentscheidung, die nachvollziehbar sein müsse, was aber aufgrund der auf der Tatsachenebene unterlassenen Prüfung im Gegenstand nicht gegeben sei.

13 Die Frage, ob und welche Auflagen in einem konkreten Fall vorzuschreiben sind, betrifft nur den Einzelfall. Gleiches gilt für eine Ermessensübung (VwGH 2.8.2017, Ra 2017/05/0202). Fragen, die nur den Einzelfall betreffen, berühren keine Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung (vgl. VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0006, mwN). Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung würde nur dann vorliegen, wenn die im Einzelfall vorgenommene Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre (vgl. wiederum VwGH 27.2.2018, Ra 2018/05/0006, mwN) bzw. wenn eine krasse Fehlbeurteilung im Sinne eines Missbrauches oder eines Überschreitens des eingeräumten Ermessens vorläge (vgl. wiederum VwGH 2.8.2017, Ra 2017/05/0202).

14 Im vorliegenden Fall ist es im Hinblick auf die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses in keiner Weise ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht in Bezug auf die Auflagen in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgegangen wäre oder ein Ermessensmissbrauch bzw. eine Ermessensüberschreitung vorläge. Derartig gravierende Fehler werden auch in den Revisionszulässigkeitsgründen nicht aufgezeigt. Der Frage, ob die besonderen Umstände des Einzelfalles auch eine andere Entscheidung gerechtfertigt hätten, kommt in der Regel keine grundsätzliche Bedeutung zu (vgl. VwGH 20.12.2017, Ra 2016/04/0078, mwN).

15 Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 27. Februar 2019

Schlagworte

Ermessen VwRallg8Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018050280.L00

Im RIS seit

25.03.2019

Zuletzt aktualisiert am

29.03.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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