TE Bvwg Erkenntnis 2018/11/19 G314 1432283-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.11.2018
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Entscheidungsdatum

19.11.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
FPG §66 Abs1
FPG §70 Abs3
NAG §55 Abs3

Spruch

G314 1432283-4/8E

G314 2203890-1/8E

G314 2203891-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde 1. des XXXX, geboren XXXX,

Staatsangehörigkeit: Indien, 2. der XXXX, geboren am XXXX,

Staatsangehörigkeit: XXXX, und 3. des XXXX, geboren am XXXX,

Staatsangehörigkeit: Slowakei, gesetzlich vertreten durch seine Eltern XXXX und XXXX, sämtliche vertreten durch die XXXX, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 06.07.2018, Zl. XXXX, XXXX und XXXX, zu Recht:

A) Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

XXXX (im Folgenden als Erstbeschwerdeführer, kurz BF1, bezeichnet) und XXXX (im Folgenden als Zweitbeschwerdeführerin, kurz BF2, bezeichnet) sind seit XXXX.2015 miteinander verheiratet; der minderjährige XXXX (im Folgenden als Drittbeschwerdeführer, kurz BF3, bezeichnet) ist ihr gemeinsames Kind.

Im Jänner 2018 wurde das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) von der Bezirkshauptmannschaft XXXX hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung des BF1 befasst. Mit Schreiben des BFA vom 07.03.2018 wurde der BF1 aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung einer Ausweisung zu äußern. Mit Schreiben des BFA vom 24.04.2018 wurde die BF2 (auch als gesetzliche Vertreterin des BF3) aufgefordert, sich zur beabsichtigten Erlassung einer Ausweisung zu äußern.

Nachdem der BF1 und die BF2 entsprechende Stellungnahmen erstattet und Urkunden vorgelegt hatten, wurden die Beschwerdeführer (BF) mit den oben angeführten Bescheiden gemäß § 66 Abs 1 FPG iVm § 55 Abs 3 NAG aus dem österreichischen Bundesgebiet ausgewiesen (Spruchpunkt I.) und ihnen gemäß § 70 Abs 3 FPG ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat erteilt (Spruchpunkt II.). Die Ausweisungen wurden im Wesentlichen damit begründet, dass der BF1 und der BF3 ihr Aufenthaltsrecht von der BF2 ableiteten. Weder der BF1 noch die BF2 gingen im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nach. Mangels ausreichender Existenzmittel könnten die BF ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht mehr in Anspruch nehmen. Es bestünde die Gefahr der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft. Die vorzunehmende Interessenabwägung ergebe das Überwiegen der öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung gegenüber den privaten Interessen der BF an einem Verbleib in Österreich.

Dagegen richtet sich die gemeinsame Beschwerde der BF mit dem Antrag, festzustellen, dass die Ausweisung unzulässig sei und ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nach wie vor bestehe. Die Beschwerde wird zusammengefasst damit begründet, dass die BF2 bis XXXX.2016 als Arbeiterin erwerbstätig gewesen sei, danach habe sie Wochengeld und Kinderbetreuungsgeld bezogen. Am XXXX.2018 sei das zweite Kind des BF1 und der BF2 in XXXX zur Welt gekommen. Nach der Kinderbetreuungszeit habe die BF2 wieder eine Vollzeitbeschäftigung in Aussicht; seit 01.07.2017 bestehe eine vorläufige Versicherungszeit wegen Kindererziehung. Der BF1, der sich seit 2012 in Österreich aufhalte, könne im August 2018 ein Arbeitsverhältnis beginnen, sodass dann ausreichende Existenzmittel vorhanden seien. Die BF2, der BF3 und das zweite gemeinsame Kind des BF1 und der BF2 seien slowakische Staatsangehörige, sodass es keinen gemeinsamen Herkunftsstaat gebe. Die BF hätten ein schützenswertes Familien- und Privatleben in Österreich.

Das BFA legte die Beschwerde und die Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, wo sie am 21.08.2018 einlangten, und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Schreiben vom 04.09.2018 wurden die BF aufgefordert, ergänzende Unterlagen vorzulegen. Am 02.10.2018 und am 10.10.2018 langten beim BVwG Urkundenvorlagen der BF ein.

Das Bundesverwaltungsgericht hat - über die gemäß § 39 Abs 2 AVG iVm § 17 VwGVG zur gemeinsamen Entscheidung verbundenen Beschwerden - erwogen:

Feststellungen:

Der BF1 ist Staatsangehöriger von Indien, seine Muttersprache ist XXXX. Er lebte bis November 2012 in Indien, wo seine Eltern im Bundesstaat XXXX eine Landwirtschaft betreiben. Ende 2012 reiste er unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und beantragte am 25.11.2012 internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit dem Bescheid des Bundesasylamts vom 04.12.2012 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen; der BF1 wurde nach Indien ausgewiesen. Seine Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 10.04.2013 als unbegründet abgewiesen. Der BF1 kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und verblieb im Bundesgebiet.

Die BF2 ist slowakische Staatsangehörige. Sie übersiedelte im April 2015 nach Österreich. Der BF1 und die BF2 schlossen am XXXX.2015 in XXXX die Ehe. Dieser entstammen der am XXXX.2016 geborene BF3 und der am XXXX.2018 geborene XXXX. Beide Kinder sind slowakische Staatsangehörige.

Der BF2 wurde am 08.06.2015 eine Anmeldebescheinigung als Arbeitnehmerin ausgestellt. Dem BF1 wurde am 30.11.2015 eine Aufenthaltskarte als Ehegatten einer EWR-Bürgerin ausgestellt. Dem BF3 wurde am 01.06.2016 eine Anmeldebescheinigung als Familienangehörigem ausgestellt.

Die BF2 war von XXXX.2015 bis XXXX.2017 im Bundesgebiet mit Hauptwohnsitz gemeldet. Seit XXXX.2018 liegt wieder eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet vor. Sie war von XXXX.2015 bis XXXX.2016 im Bundesgebiet vollversichert erwerbstätig. Aufgrund der Geburt des BF3 bezog sie von XXXX.2016 bis XXXX.2016 Wochengeld und von XXXX.2016 bis XXXX.2017 pauschales Kinderbetreuungsgeld. Seither war sie im Bundesgebiet nicht mehr erwerbstätig. Am XXXX.2018 kam ihr zweites Kind in XXXX zur Welt.

Der BF1 war zunächst am 04. und am 05.12.2012 mit Hauptwohnsitz in XXXX gemeldet. Von XXXX.2012 bis XXXX.2013 verfügte er über eine Hauptwohnsitzbestätigung als Obdachloser gemäß § 19a MeldeG in XXXX. Von XXXX.2013 bis XXXX.2015, von XXXX.2015 bis XXXX.2017 und seit XXXX.208 bestehen Hauptwohnsitzmeldungen an verschiedenen Adressen im Bundesgebiet. Der BF1 war im Bundesgebiet von XXXX.2012 bis XXXX.2013 als Asylweber krankenversichert. Zwischen XXXX. und XXXX.2016, zwischen XXXX. und XXXX.2017, zwischen XXXX. und XXXX.2018, am XXXX. und XXXX.2018 und von XXXX. bis XXXX.2018 war er als Arbeiter vollversichert erwerbstätig, zwischen XXXX.2017 und XXXX.2017 und von XXXX.2017 bis XXXX.2018 war er geringfügig beschäftigt. Seither war er im Bundesgebiet nicht mehr erwerbstätig. Zuletzt verdiente er im XXXX 2018 EUR 133,36 netto.

Die BF leben seit XXXX 2017 in einer Mietwohnung in XXXX. Zwischen XXXX.2017 und XXXX.2018 verfügten sie über keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet, obwohl sie sich nach wie vor hier aufhielten.

Der BF1 und die BF2 sind gesund und arbeitsfähig. Sie gehen derzeit keiner Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach und haben keine konkrete Aussicht auf einen Arbeitsplatz. Die BF sind im Bundesgebiet nicht krankenversichert. Der BF1 ist seit Juni 2018 beim Arbeitsmarktservice XXXX als arbeitslos vorgemerkt.

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes XXXX vom XXXX, XXXX, wurde der BF1 wegen des Vergehens der Urkundenfälschung nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB zu einer unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Freiheitstrafe von vier Monaten verurteilt. Die BF2 und der BF3 sind strafrechtlich unbescholten.

Die BF leben derzeit in XXXX in einem gemeinsamen Haushalt mit XXXX. Sie verfügen (abgesehen von den mit ihnen im gemeinsamen Familienverband lebenden Familienmitgliedern) über keine familiären oder sonstigen nennenswerten privaten Bindungen in Österreich. Der BF1 und die BF2 sprechen wenig Deutsch; sie haben keine Deutschprüfung abgelegt. Es liegen keine Anhaltspunkte für die Annahme einer weitergehenden Integration der BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht vor.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsaktes. Es liegen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche vor.

Die Feststellungen zu Identität, Familienstand und Staatsangehörigkeiten der BF beruhen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der Beschwerde nicht entgegengetreten wurde, in Zusammenschau mit den in den Akten erliegenden Urkunden. Der bis 30.11.2016 gültige Reisepass des BF1 und der Personalausweis der BF2 liegen dem BVwG in Kopie vor, ebenso die Geburtsurkunden der BF und die Heiratsurkunde des BF1 und der BF2. Die Anmeldebescheinigungen bzw. die Aufenthaltskarte ergeben sich aus dem Fremdenregister.

Die Feststellungen zum Asylverfahren des BF1 und zu seinem Aufenthalt in Österreich ab 2012 basieren auf dem Fremdenregister und auf dem Inhalt der vorgelegten Akten, insbesondere auf den Erkenntnissen des Asylgerichtshofs vom XXXX.2013, Zl. XXXX, und des BVwG vom 09.05.2016, W169 1432283-2/15E. Im Asylverfahren gab er seine Muttersprache mit XXXX an; eine Verständigung mit Dolmetschern für diese Sprache war problemlos möglich. Aus den vorgelegten Akten geht auch hervor, dass der BF1 Österreich nach dem Abschluss seines Asylverfahrens nicht verließ.

Der Aufenthalt der BF2 im Bundesgebiet seit 2015 ergibt sich aus ihrer Stellungnahme an das BFA, die durch Wohnsitzmeldungen ab XXXX 2015 laut dem Zentralen Melderegister (ZMR), ihre Erwerbstätigkeit 2015 und die Ausstellung der Anmeldebescheinigung untermauert wird.

Die Geburt des zweiten Sohnes der BF2 und des BF1 (der zunächst als XXXX bezeichnet wurde, laut der zuletzt vorgelegten Geburtsurkunde aber XXXX heißt) ergibt sich aus dem Vorbringen in der Beschwerde, den vorgelegten medizinischen Unterlagen anlässlich seiner Geburt und der vorgelegten Geburtsurkunde.

Der Aufenthalt des BF1 und der BF2 in Österreich ergibt sich aus den Wohnsitzmeldungen laut ZMR. Der Mietvertrag vom 13.07.2017 wurde vorgelegt. Zwar waren die BF zwischen XXXX 2017 und XXXX 2018 laut ZMR nicht im Bundesgebiet gemeldet; da sie aber aufgrund des Mietvertrags über eine Unterkunft verfügten und der BF1 bis XXXX.2018 eine geringfügige Beschäftigung bei einem Dienstgeber in XXXX hatte, ist davon auszugehen, dass sie sich trotzdem weiterhin im Inland aufhielten, zumal die BF2 in ihrer Stellungnahme an das BFA auf Probleme bei der Anmeldung hinweist.

Die Feststellungen zu den Beschäftigungsverhältnissen des BF1 und der BF2 und zum Bezug von Wochen- und Kinderbetreuungsgeld durch die BF2 ergeben sich aus den jeweiligen Versicherungsdatenauszügen, aus denen derzeit keine Beschäftigungsverhältnisse und auch kein Bezug von Wochen- oder Kinderbetreuungsgeld, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe oder ähnlichen Leistungen (und einer damit einhergehenden Krankenversicherung) ersichtlich ist. Das vom BF1 bei seiner letzten Erwerbstätigkeit erzielte Nettoeinkommen ergibt sich aus dem vorgelegten Verdienstnachweis. Da die BF trotz einer entsprechenden Aufforderung keine Nachweise für eine bestehende Krankenversicherung vorlegten und keine Beweisergebnisse dafür vorliegen, ist davon auszugehen, dass derzeit keine Krankenversicherung besteht.

Die strafgerichtliche Verurteilung des BF1 ergibt sich aus dem Strafregister, aus dem keine weiteren Verurteilungen ersichtlich sind. Die Unbescholtenheit der BF2 ergibt sich ebenfalls aus dem Strafregister; beim BF3 folgt sie schon aus seinem strafunmündigen Alter.

Da der BF1 und die BF2 in der Beschwerde angaben, arbeiten zu wollen, ist angesichts ihres berufsfähigen Alters davon auszugehen, dass beide arbeitsfähig und gesund sind, zumal keine Anhaltspunkte für Erkrankungen oder Einschränkungen ihrer Arbeitsfähigkeit zutage getreten sind. Es gibt auch keine Hinweise auf Erkrankungen des BF3 oder des XXXX.

Es liegen keine Beweisergebnisse vor, dass der BF1 oder die BF2 konkrete Aussichten auf eine Arbeitsstelle haben. Der BF1 behauptet zwar in der Beschwerde, er werde "mit August 2018 ein Arbeitsverhältnis starten", sodass ab da ausreichende Existenzmittel vorhanden sein würden. Er war aber seither nur fünf Tage im August 2018 erwerbstätig, an denen er lediglich ein geringes Einkommen erzielte. Es gibt keine Anhaltspunkte, dass er seither beschäftigt war oder Aussicht auf eine Einstellung hat. Die BF2 brachte vor, sie werde nach dem Ende der Kinderbetreuung eine Vollzeitbeschäftigung bei XXXX antreten. Das dazu mit der Beschwerde am 02.08.2018 vorgelegte Schreiben enthält jedoch keine konkreten Informationen zu dem in Aussicht genommenen Beschäftigungsverhältnis, zumal daraus weder der Beginn der Beschäftigung noch das voraussichtliche Einkommen hervorgehen. Die BF2 gab dem BVwG trotz einer entsprechenden Aufforderung nicht bekannt, wann sie vorhat, nach der Kinderbetreuungszeit wieder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Es ist auch nicht plausibel, dass sie am XXXX.2018, dem Tag, an dem sie laut den vorgelegten medizinischen Unterlagen das Krankenhaus nach der Geburt von XXXX verließ, ein Vorstellungsgespräch für eine nach dem Ende der Kinderbetreuungszeit geplante Beschäftigung absolvierte. Es steht jedenfalls fest, die BF2 nach dem Ende des Beschäftigungsverbots nach der Geburt ihrer Kinder keine Erwerbstätigkeit aufnahm. Hinweise für eine in Aussicht stehende Einstellung fehlen.

Die Feststellungen zur Arbeitssuche des BF1 beruhen auf der vorgelegten Betreuungsvereinbarung zwischen ihm und dem Arbeitsmarktservice XXXX vom 08.06.2018, aus der auch seine geringen Deutschkenntnisse hervorgehen. Deutschkurse oder Deutschprüfungen der BF sind nicht aktenkundig. Es ist aber davon auszugehen, dass die BF2 während ihres Aufenthalts und ihrer Erwerbstätigkeit im Inland gewisse rudimentäre Deutschkenntnisse erworben hat. Die Formulierung der Stellungnahmen der BF an das BFA sprechen ebenfalls für vergleichsweise geringe Deutschkenntnisse.

Die Feststellung zum Fehlen familiärer und privater Bindungen - mit Ausnahme des aus den BF und dem zweiten Sohn des BF1 und der BF2 bestehenden Familienverbands - sowie zum Nichtvorliegen einer weitergehenden Integration in Österreich beruhen auf den Angaben der BF. Den entsprechenden Feststellungen im angefochtenen Bescheid tritt die Beschwerde nicht entgegen. Für weitere Integrationsmomente gibt es weder im Akteninhalt noch im Vorbringen der BF irgendwelche Hinweise.

Rechtliche Beurteilung:

Als Staatsangehörige der Slowakei sind die BF2 und der BF3

EWR-Bürger iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG. Der BF1 ist als Staatsangehöriger

von Indien grundsätzlich Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10

FPG. Durch seine Ehe mit einer EWR-Bürgerin, die ihr

unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen hat,

erlangte er den Status eines begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd

§ 2 Abs 4 Z 11 FPG.

§ 66 FPG ("Ausweisung") lautet:

"(1) EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige können ausgewiesen werden, wenn ihnen aus den Gründen des § 55 Abs 3 NAG das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht nicht oder nicht mehr zukommt, es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden; oder sie bereits das Daueraufenthaltsrecht (§§ 53a, 54a NAG) erworben haben; im letzteren Fall ist eine Ausweisung nur zulässig, wenn ihr Aufenthalt eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellt.

(2) Soll ein EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger ausgewiesen werden, hat das Bundesamt insbesondere die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet, sein Alter, seinen Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration im Bundesgebiet und das Ausmaß seiner Bindung zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen.

(3) Die Erlassung einer Ausweisung gegen EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige, die ihren Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatten, ist dann zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens des Fremden davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Dasselbe gilt für Minderjährige, es sei denn, die Ausweisung wäre zum Wohl des Kindes notwendig, wie es im Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes vorgesehen ist."

Gemäß § 51 Abs 1 NAG sind EWR-Bürger auf Grund der Freizügigkeitsrichtlinie zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt, wenn sie in Österreich Arbeitnehmer oder Selbständige sind (Z 1); für sich und ihre Familienangehörigen über ausreichende Existenzmittel und einen umfassenden Krankenversicherungsschutz verfügen, so dass sie während ihres Aufenthalts weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müssen (Z 2), oder als Hauptzweck ihres Aufenthalts eine Ausbildung einschließlich einer Berufsausbildung bei einer öffentlichen Schule oder einer rechtlich anerkannten Privatschule oder Bildungseinrichtung absolvieren und die Voraussetzungen der Z 2 erfüllen (Z 3). Gemäß § 51 Abs 2 NAG bleibt die Erwerbstätigeneigenschaft als Arbeitnehmer oder Selbständiger dem EWR-Bürger, der diese Erwerbstätigkeit nicht mehr ausübt, erhalten, wenn er wegen einer Krankheit oder eines Unfalls vorübergehend arbeitsunfähig ist (Z 1), sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach mehr als einjähriger Beschäftigung der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt (Z 2), sich als Arbeitnehmer bei ordnungsgemäß bestätigter unfreiwilliger Arbeitslosigkeit nach Ablauf seines auf weniger als ein Jahr befristeten Arbeitsvertrages oder bei im Laufe der ersten zwölf Monate eintretender unfreiwilliger Arbeitslosigkeit der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Verfügung stellt, wobei in diesem Fall die Erwerbstätigeneigenschaft während mindestens sechs Monaten erhalten bleibt (Z 3), oder eine Berufsausbildung beginnt, wobei die Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft voraussetzt, dass zwischen dieser Ausbildung und der früheren beruflichen Tätigkeit ein Zusammenhang besteht, es sei denn, der Betroffene hat zuvor seinen Arbeitsplatz unfreiwillig verloren (Z 4) .

Gemäß § 54 Abs 1 iVm § 52 Abs 1 Z 1 NAG sind Drittstaatsangehörige, die Ehegatten von unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgern sind, zum Aufenthalt für mehr als drei Monate berechtigt. Ihnen ist auf Antrag eine Aufenthaltskarte für die Dauer von fünf Jahren oder für die geplante kürzere Aufenthaltsdauer auszustellen.

Die BF können idR nach fünf Jahren des rechtmäßigen und ununterbrochenen Aufenthalts im Bundesgebiet das vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen (insbesondere ausreichender Existenzmittel und eines umfassenden Krankenversicherungsschutzes) unabhängige Recht auf Daueraufenthalt erwerben (vgl §§ 53a, 54a NAG).

§ 55 NAG ("Nichtbestehen, Fortbestand und Überprüfung des Aufenthaltsrechts für mehr als drei Monate") lautet:

"(1) EWR-Bürgern und ihren Angehörigen kommt das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52, 53 und 54 zu, solange die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind.

(2) Der Fortbestand der Voraussetzungen kann bei einer Meldung gemäß §§ 51 Abs 3 und 54 Abs 6 oder aus besonderem Anlass wie insbesondere Kenntnis der Behörde vom Tod des unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürgers oder einer Scheidung überprüft werden.

(3) Besteht das Aufenthaltsrecht gemäß §§ 51, 52 und 54 nicht, weil eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt, die Nachweise nach § 53 Abs 2 oder § 54 Abs 2 nicht erbracht werden oder die Voraussetzungen für dieses Aufenthaltsrecht nicht mehr vorliegen, hat die Behörde den Betroffenen hievon schriftlich in Kenntnis zu setzen und ihm mitzuteilen, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung befasst wurde. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist unverzüglich, spätestens jedoch gleichzeitig mit der Mitteilung an den Antragsteller, zu befassen. Dies gilt nicht in einem Fall gemäß § 54 Abs 7. Während eines Verfahrens zur Aufenthaltsbeendigung ist der Ablauf der Frist gemäß § 8 VwGVG gehemmt.

(4) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung (§ 9 BFA-VG), hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dies der Behörde mitzuteilen. Sofern der Betroffene nicht bereits über eine gültige Dokumentation verfügt, hat die Behörde in diesem Fall die Dokumentation des Aufenthaltsrechts unverzüglich vorzunehmen oder dem Betroffenen einen Aufenthaltstitel zu erteilen, wenn dies nach diesem Bundesgesetz vorgesehen ist.

(5) Unterbleibt eine Aufenthaltsbeendigung von Drittstaatsangehörigen, die Angehörige sind, aber die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, ist diesen Angehörigen ein Aufenthaltstitel "Rot-Weiß-Rot - Karte plus" quotenfrei zu erteilen.

(6) Erwächst eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft, ist ein nach diesem Bundesgesetz anhängiges Verfahren einzustellen. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird."

Gemäß § 9 BFA-VG ist ua eine Ausweisung gemäß § 66 FPG, die in das Privat- und Familienleben eines Fremden eingreift, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im

Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art 8 Abs 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß

§ 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Sachverhalt ergibt folgendes:

Die BF haben weder das Daueraufenthaltsrecht erworben (§§ 53a, 54a NAG) noch liegt ein zumindest zehnjähriger Aufenthalt im Bundesgebiet vor (§ 66 Abs 3 FPG). Der BF1 hält sich zwar seit mehr als fünf Jahren in Österreich auf, doch war sein Aufenthalt nach der Abweisung seines Antrags auf internationalen Schutz 2013 bis zur Eheschließung mit der BF2 2015 nicht rechtmäßig. Die BF2 und der BF3 halten sich erst seit weniger als fünf Jahren im Inland auf.

Der BF1 und der BF3 leiten ihr Aufenthaltsrecht von der BF2 ab. Diese geht in Österreich seit Anfang 2016 keiner Erwerbstätigkeit mehr nach. Auch die Voraussetzungen für eine Beibehaltung der Erwerbstätigeneigenschaft trotz Nichtausübung einer Erwerbstätigkeit iSd § 51 Abs 2 NAG liegen nicht vor. Zwar führen körperliche Belastungen während der Schwangerschaft und unmittelbar nach der Geburt des Kindes, die eine Frau zur vorübergehenden Aufgabe ihrer Erwerbstätigkeit zwingen, nicht zum Verlust der Arbeitnehmereigenschaft, wenn die Frau "innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach der Geburt" die Beschäftigung wieder aufnimmt oder eine andere Stelle findet (vgl EuGH 19.06.2014, C-507/12 Saint Prix). Die Voraussetzungen der Beibehaltung der Arbeitnehmereigenschaft liegen aber nur für die Dauer der Beschäftigungsverbote nach den §§ 3 und 5 MSchG vor, sofern die Betroffene nach dem Ablauf der Schutzfrist wieder eine Beschäftigung aufnimmt. Die Beibehaltung der Arbeitnehmerschaft kommt hingegen nicht in Betracht, wenn die Wiederaufnahme der Erwerbstätigkeit infolge der Inanspruchnahme der Karenz unterbleibt (siehe VwGH 11.08.2017, Ro 2015/10/0019). Die BF2 ist nach wie vor nicht erwerbstätig, obwohl die Schutzfrist von acht Wochen nach der Geburt ihres zweiten Sohnes am XXXX.2018 endete.

Der BF1 geht in Österreich ebenfalls weder einer selbständigen noch einer unselbständigen Erwerbstätigkeit nach. Zwar kann auch das nachhaltige Bemühen um eine Arbeitsstelle ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht begründen, sofern dieses Bemühen objektiv nicht aussichtslos ist, wie die in § 66 Abs 1 erster Satz FPG aufgenommene Einschränkung ("es sei denn, sie sind zur Arbeitssuche eingereist und können nachweisen, dass sie weiterhin Arbeit suchen und begründete Aussicht haben, eingestellt zu werden") zeigt (siehe VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0130). Der BF1 ist zwar seit XXXX 2018 beim Arbeitsmarktservice als arbeitssuchend gemeldet. Da sein Bemühen, einen Arbeitsplatz zu erlangen, seither nur zu einer zweitägigen Beschäftigung im XXXX 2018 und einer einwöchigen Beschäftigung im XXXX 2018 geführt hat und er ab XXXX.2018 überhaupt nicht mehr erwerbstätig war, hat er nicht nachgewiesen, dass er begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden, zumal keine Beweisergebnisse dafür vorliegen, dass er eine Arbeitsstelle in Aussicht hat.

Mangels eines Erwerbseinkommens oder anderer finanzieller Mittel verfügen die BF auch nicht über ausreichende Existenzmittel iSd § 51 Abs 1 Z 2 NAG; sie sind überdies nicht krankenversichert. Da keiner der BF über eine gesetzliche Krankenversicherung verfügt, liegt keine (für Angehörige grundsätzlich mögliche) Mitversicherung vor. Die BF erfüllen die Voraussetzungen für ein drei Monate übersteigendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht derzeit somit nicht.

Da die Ausweisung in das Privat- und Familienleben der BF eingreift, ist sie nur zulässig, wenn sie zur Erreichung der in Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist und wenn das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung die gegenläufigen privaten Interessen der BF übersteigt.

Einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren - wie bei der BF2 und dem BF3 - kommt für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die vorzunehmende Interessenabwägung zu (vgl VwGH 30.08.2017, Ra 2017/18/0070). Der BF1 hält sich zwar bereits seit ca. sechs Jahren im Bundesgebiet auf. Seine längere Aufenthaltsdauer wird allerdings dadurch relativiert, dass er strafgerichtlich nicht mehr unbescholten ist und sein Aufenthalt nach dem Abschluss seines Asylverfahrens bis zur Eheschließung mit der BF2 ca. zwei Jahre lang nicht rechtmäßig war, sodass ihm insoweit ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG zur Last fällt. Ein weiterer (wenngleich nicht allzu gravierender) Verstoß gegen die öffentliche Ordnung liegt im Aufenthalt der BF ohne Wohnsitzmeldung zwischen XXXX 2017 und XXXX 2018.

Die BF haben in Österreich - abgesehen von der aus ihnen und XXXX bestehenden Familiengemeinschaft - keine berücksichtigungswürdigen familiären Anknüpfungspunkte. Es ist den BF und dem zweiten Sohn des BF1 und der BF2, dem mangels ausreichender Existenzmittel und mangels Krankenversicherung ebenfalls kein drei Monate übersteigendes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukommt, möglich und zumutbar, ihr Familienleben außerhalb Österreichs zu führen. Der BF1 kann als Ehemann und Vater slowakischer Staatsangehöriger in der Slowakei eine Aufenthaltserlaubnis beantragen; bei einem Aufenthalt in anderen EU-Staaten kommt ihm ein von der BF2 abgeleitetes unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zu. Es ist den BF auch möglich, nach Österreich zurückzukehren, wenn sie die Voraussetzungen für ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht (wieder) erfüllen, zumal mit der Ausweisung kein Verbot, in das Bundesgebiet zurückzukehren, verbunden ist. Es liegt daher trotz der unterschiedlichen Herkunftsstaaten des BF1 einerseits und der BF2 und des BF3 andererseits kein unverhältnismäßiger Eingriff in ihr Familienleben vor.

Die BF haben keine wesentlichen integrationsbegründenden Umstände oder privaten Anknüpfungspunkte dargetan. Die erwachsenen BF sprechen schlecht Deutsch und waren am österreichischen Arbeitsmarkt nie nachhaltig integriert, zumal der BF1 zum Teil äußerst kurze Beschäftigungsverhältnisse hatte und insgesamt nur ca. XXXX Monate lang vollversichert und ca. XXXX Monate geringfügig beschäftigt war. Die BF2 war 2015 ca. XXXX Monate lang erwerbstätig.

Soweit Kinder von einer Ausweisung betroffen sind, sind ihre besten Interessen und ihr Wohlergehen, die Schwierigkeiten, denen sie im Heimatstaat begegnen, sowie die sozialen, kulturellen und familiären Bindungen sowohl zum Ausweisungsstaat als auch zum Heimatstaat zu berücksichtigen. Dabei kommt den Fragen, wo die Kinder geboren wurden, in welchem Land und in welchem kulturellen und sprachlichen Umfeld sie gelebt haben, wo sie ihre Schulbildung absolviert haben, ob sie die Sprache des Heimatstaats sprechen, und insbesondere, ob sie sich in einem anpassungsfähigen Alter befinden (die grundsätzlich für Kinder im Alter von sieben bis elf Jahren angenommen wird), maßgebliche Bedeutung zu (VwGH 21.04.2011, Zl. 2011/01/0132). Selbst unter der Annahme einer schnelleren Verwurzelung von minderjährigen Kindern im Aufnahmestaat kann angesichts des geringen Alters der Söhne des BF1 und der BF2 nicht gesagt werden, dass sie eine tiefgreifende Verwurzelung in Österreich bei gleichzeitigem Abbruch der Beziehungen zum Herkunftsstaat erfahren haben. Vielmehr attestiert der EGMR Kindern, selbst im Falle ihrer Geburt im Aufnahmestaat, eine hinreichende Anpassungsfähigkeit in Bezug auf deren Rückkehr in den Herkunftsstaat (vgl. EGMR 26.01.1999, Zl. 43279/98, Sarumi). Der BF3 und sein Bruder leben in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt mit ihren Eltern und besuchen keine außerhäusliche Kinderbetreuung. Da es sich um unter dreijährige Kleinkinder handelt und keine Trennung von den Eltern als ihren Hauptbezugspersonen beabsichtigt ist, ist eine Eingliederung in ihren Herkunftsstaat jedenfalls zumutbar.

Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA unter Beachtung des großen öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen (vgl VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0062) zum Schutz der öffentlichen Ordnung iSd Art 8 Abs 2 EMRK zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts der BF im Bundesgebiet ihr persönliches Interesse am Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide ist daher als unbegründet abzuweisen.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist ua EWR-Bürgern und begünstigten Drittstaatsangehörigen bei der Erlassung einer Ausweisung von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Spruchpunkt II. der angefochtenen Bescheide ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Da der entscheidungswesentliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde nicht klärungsbedürftig ist, kann die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG unterbleiben (vgl VwGH 26.04.2018, Ra 2018/21/0052), zumal ohnehin dem ergänzenden Tatsachenvorbringen der BF in der Beschwerde gefolgt wurde.

Die Revision war wegen der Einzelfallbezogenheit dieser Entscheidung, die keine grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG begründet, nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausweisung, Durchsetzungsaufschub, EU-Bürger, Interessenabwägung,
öffentliche Interessen, Privat- und Familienleben, strafrechtliche
Verurteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G314.1432283.4.00

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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