Entscheidungsdatum
17.12.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W161 2185086-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Monika LASSMANN als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.12.2017, Zl.: 1093032901-151668495, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan und stellte am 01.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
2. Bei seiner Erstbefragung am selben Tag gab der Beschwerdeführer (BF) an, er sei am XXXX in Teheran (Iran) geboren, ledig und afgahnischer Staatsangehöriger. Er spreche Dari, Farsi und schlechtes Englisch. Er bekenne sich zum muslimischen Glauben (Schiit) und gehöre der Volksgruppe der Hazara an. Er habe 11 Jahre lang die Schule in Teheran (Grund,- Mittelschule und Gymnasium) besucht. Zuletzt habe er als Schneidergehilfe im Iran gearbeitet. Seine Eltern, und seine beiden Schwestern würden im Iran leben. Der BF sei im Iran geboren und aufgewachsen und nie in Afghanistan gewesen. Zuletzt habe er mit seiner Familie in Teheran gelebt. Die finanzielle Situation sei schlecht gewesen, die Familie habe den Lebensunterhalt durch die Arbeit des Vaters bestritten.
Den Entschluss zur Ausreise habe er vor ca. 1,5 Monaten gefasst. Er sei mit Hilfe eines Schleppers vor ca. 1,5 Monaten zu Fuß von Teheran über die Türkei nach Griechenland gebracht worden. Von dort sei er selbstständig über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gekommen.
Als Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an, die iranische Behörde habe seinem Vater versprochen, dass er Geld und die iranische Staatsbürgerschaft bekomme, wenn er nach Syrien in den Krieg gehe. Der Vater habe dies gemacht und habe ca. ein Jahr in Syrien gekämpft. Da dies nur leere Versprechungen gewesen seien, sei sein Vater zurück in den Iran gekommen. Zudem habe der Mullah der Moschee den Beschwerdeführer und zwei andere Jugendliche in den Krieg nach Syrien schicken wollen. Sie seien von ihm zwei Tage lang eingesperrt worden. Er habe ihnen eine Stunde Zeit gegeben, um zu Hause ihre Sachen einzupacken. Diese Zeit habe er zur Flucht genutzt. Der Vater habe ihn dann aus dem Iran weggeschickt, da er nicht gewollte habe, dass der Beschwerdeführer in den Krieg ziehe. Afghanistan hätten seine Eltern damals aus Angst vor den Taliban verlassen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan befürchte er keine Familie zu haben.
3. Am 31.05.2017 brachte der BF folgende Unterlagen in Vorlage:
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Bestätigung vom 24.05.2017, wonach der BF gemeinnützige Arbeit in der Gemeinde verrichte und gut integriert sei;
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Bestätigung der Volkshochschule vom 22.05.2017, wonach der BF den Kurs "Deutsch für Asylwerbende - A 2/1" besucht habe;
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Besätigung, datiert mit 27.05.2017, wonach der BF bei einem älteren Paar Gartenarbeiten als freiwilliges Hilfsangebot verrichtet habe;
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Empfehlungsschreiben;
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ÖSD-Zertifikat A1, datiert mit 16.03.2017;
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Kursbesuchsbestätigung für den Kurs "Deutsch für Asylwerbende - A 1/1", datiert mit 18.07.2016.
4. Am 17.05.2017 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) dazu aufgefordert binnen zwei Wochen für das Verfahren relevante Unterlagen in Vorlage zu bringen.
5. Am 27.11.2017 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen.
Der Beschwerdeführer gab an im Iran geboren zu sein und keine Tazkira zu besitzen. Er habe bis dato der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht. Sein Geburtsdatum sei in der ersten Einvernahme anders als auf seinem Ausweis. Er wisse überhaupt nicht, wann er geboren sei, der Dolmetscher habe das Geburtsdatum angegeben. Er sei am XXXX in Teheran geboren. Seine Familie lebe in Teheran. Er sei in Teheran aufgewachsen und habe dort die Grundschule für die afghanische Bevölkerung und die Mittelschule besucht (8 Klassen). Den genauen Zeitraum wisse er nicht, es sei ca. mit 7 Jahren gewesen. In den Sommerferien und in der Woche habe er als Schneidergehilfe gearbeitet. Nach dem Schulabschluss habe er nicht mehr arbeiten können, da er keinen Aufenthalt im Iran gehabt habe und illegal dort gewesen sei. Er habe regelmäßig die Moschee besucht und der Mullah habe ihnen gesagt, dass Syrien Kämpfer brauche, die dort gegen Terroristen kämpfen. Die Taliban hätten seinen Vater bedroht. Er habe seine Arbeit nicht ausüben dürfen. Er sei "bei Zeitschriften gewesen" und die Taliban habe nicht gewollt, dass der Vater die "amtliche Arbeit" weitermache. Wo die Firma und welche Zeitschrift es gewesen sei, wisse er nicht. Der Vater habe nicht so viel erzählt. Die Familie sei vor 23 Jahren aus Afganistan weggezogen. Der Vater versorge die Familie, er arbeite für eine Firma und sammle Plastikmüll. Manchmal helfe auch die Mutter. Besitztümer habe seine Familie nicht. Die Flucht habe der Vater bezahlt und organisiert, er wisse nicht, wieviel diese gekostet habe. Verwandtschaft habe er keine. Die Mutter stamme aus Maidan Wardak. Die Eltern hätten keine Geschwister gehabt. Er habe jede Woche 3-4 Mal Kontakt zu seinen Familienangehörigen und spreche mit Mutter sowie Schwester. Der Vater würde von Polizisten gesucht werden, da er keinen Aufenthalt habe. Zudem hätten ihm Polizisten gesagt, dass es gut wäre nach Syrien zu gehen, um zu kämpfen. Sein Vater habe bereits in Syrien gekämpft, die Behörde wolle aber, dass er nochmal gehe. Wann ungefähr sein Vater in Syrien gekämpft habe wisse er nicht, er sei ca. 13 oder 14 Jahre alt gewesen. Er habe sich vor ca. zwei Jahren und acht Monaten dazu entschieden den Iran zu verlassen.
Zu seinen Fluchtgründen gab der Beschwerdeführer wie folgt an:
"Wir waren drei Afghanen und haben regelmäßig Moschee besucht. Es gibt einen Mullah und er heißt XXXX und er hat uns oft über Syrien und Kämpfe gesprochen. Eines Tages die Leute von diesen Mullah haben uns an einen unbekannten Ort gebracht und auf uns aufgepasst, dass wir diesen Ort nicht verlassen können. Wir waren ein paar Tage dort und haben uns versprochen, jetzt wir werden euch nach Hause schicken. Dort waren drei Auto, Marke Samand. Wir haben auch Handschellen gehabt, israelische Handschellen gehabt und haben bemerkt, sie fahren nicht zu unserer Wohnung sondern anderen Weg Ich hab gedacht, sie werden direkt uns nach Syrien schicken und ich habe schreckliche Angst gehabt. Ich habe andere Auto nicht gesehen und ich hab begonnen zu schreien und mit Faust auf Fenster zu stoßen. Und ich habe Angst gehabt und im Auto werden mich vergewaltigen oder verletzen. Dann habe ich denen gesagt, ich muss dringend auf das Klo gehen. Auf der Autobahn sie sind stehen geblieben und in kurzer Zeit habe ich schnell ausgenutzt und bin geflüchtet. Der Grund war, dass ich später nach Europa gekommen bin.
...
LA: Wer waren die Leute des Mullahs?
VP: Ich habe sie nicht gekannt.
LA: Woher wissen sie, dass es Leute des Mullahs waren?
VP: Später Mullah selber in diese unbekannte Ort gekommen.
LA: Was machte er dort?
VP: Mit seinen Leuten gesprochen. Wir waren in anderem Zimmer.
LA: Beschreiben Sie das Zimmer!
VP: Das ist eine alte Zimmer und ca. 9 Quadratmeter. (nachgefragt) (blickt im Raum
und zeigt herum) Es hat keine Fenster und nur ein paar Löcher in der Tür gewesen.
LA: Woher wissen Sie, dass es der Mullah war?
VP: Seine Stimme haben wir gehört und später hat unser Zimmer
aufgemacht und uns gesehen.
LA: Was sagte er?
VP: Er hat uns geschimpft. (nachgefragt) Er hat Afghanen beschimpft. Die Afghanen
sind Missgeburt.
LA: War der Mullah Iraner?
VP: Ja, er war aus Iran.
LA: Aus welchem Grund hat er Sie beschimpft, wenn Sie doch für die schiitische
Sache kämpfen sollten?
VP: Weiß ich nicht, im Iran ist es ganz normal, weil die Bevölkerung mögen Afghanen
nicht.
...
LA: Wie gelang es den Leuten des Mullahs Sie an diesen unbekannten Ort zu
bringen. Erzählen Sie!
VP: Wir waren eigentlich zusammen mit anderen in der Moschee, nach dem Gebet
ist Mullah zu uns gekommen und hat gesagt: Wir haben genug Zeit und wir werden
zu anderer Moschee gehen und dort ein bisschen beten. Wir sind gemeinsam von
dort zu anderer Moschee hingegangen. Dann sind wir mit diesen drei Auto zu
unbekannten Ort gefahren.
LA: Sind Sie freiwillig eingestiegen?
VP: Ja, es war freiwillig, weil wir haben gedacht, wir werden irgendwo nochmals
beten.
LA: Woher wissen Sie, dass die Handschellen israelischer Herkunft waren?
VP: Im Iran sagen sie zu dieser Handschelle, israelische Handschelle.
LA: Wurden Sie gefesselt eingesperrt?
VP: Ja, schon gehabt.
LA: Waren die Hände hinten oder vorne gefesselt.
VP: Vorne.
LA: Womit waren sie gefesselt?
VP: Mit dieser israelischen Handschelle.
LA: Wie viele Personen befanden sich im Raum, wo Sie eingesperrt waren?
VP: Wir waren zu dritt in einem Zimmer.
LA: Wie lange waren Sie eingesperrt?
VP: Genau weiß ich nicht, aber zwischen zwei, drei Tage.
LA: was wurde Ihnen gesagt, aus welchem Grund Sie eingesperrt wurden?
VP: nein, Sie haben es uns nicht gesagt.
LA: Woher wissen Sie dann, dass die Gefangennahme in Zusammenhang mit einem
möglichen Kriegseinsatz in Syrien steht.
VP: Er hat uns in Moschee gesagt: "Sie werden Aufenthalt hier kriegen, wenn sie nach Syrien zum Kämpfen gehen." Eigentlich sein Ziel war, dass uns nach Syrien schicken.
LA: Wissen Sie von weiteren Fällen, bei denen so vorgegangen wurde?
VP: Weiß ich nicht.
LA: Erzählen Sie davon, als Sie Ihren Entführern entkamen!
VP: Sie waren alle von Mullah, sie waren alle kräftige Männer und ich habe früher sie
nicht gesehen. (nachgefragt) ich habe oben meine Fluchtgründer erzählt, es war eine
Autobahn und ich wollte ins Klo gehen und sie haben kurzfristig stehen geblieben und
habe diese Zeit ausgenutzt und konnte flüchten.
LA: Sie haben meine Frage nicht beantwortet! Erzählen Sie davon, als Sie Ihren
Entführern entkamen!
VP: Ich habe furchtbare Angst damals gehabt und als ich vom Auto ausgestiegen
war, sehr schnell gelaufen. Ich hab schon bemerkt, sie verfolgen mich aber ich war
sehr schnell gewesen.
LA: Waren Ihre Hände gefesselt?
VP: Ja, habe ich Handschellen gehabt. (nachgefragt) Vorne.
LA: Was befürchten Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat, ich meine Afghanistan,
Sie sind afghanischer Staatsbürger?
VP: Werde ich auch dort Probleme kriegen
LA: Welche Probleme befürchten Sie?
VP: Ich bin Hazare und schiitisch und 100 Prozent von Hazara in Afghanistan sind in
Gefahr, es gibt regelmäßig Attentate dort.
LA: Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen bei Rückkehr nach Afghanistan unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen?
VP: ich kenne überhaupt Afghanistan nicht und ich habe niemanden dort. Sie können youtube anschauen, es gibt dort einen Krieg, besonders gegen Hazara.
LA: Das beantwortet meine Frage nicht! Gibt es konkrete Hinweise, dass Ihnen als Person XXXX bei Rückkehr nach Afghanistan unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohen?
VP: Den besten Grund habe ich, ich bin Hazare. Ich habe Angst vor Afghanistan, ich werde nie nach Afghanistan zurückkehren.
LA: Hätten Sie im Falle Ihrer Rückkehr in Ihren Heimatstaat Afghanistan mit
irgendwelchen Sanktionen zu rechnen? Wenn ja, welche?
VP: Sie werden mich am ersten Tag töten, weil ich kenne meine Feinde und meine
Freunde nicht.
...
LA: Welche Befürchtungen haben Sie in Bezug auf eine mögliche Rückkehr?
VP: Ich bin einziger Sohn in meiner Familie und ich werde nie eine Rückkehr nach Afghanistan vorstellen.
LA: Wie organisierte Ihr Vater die Ausreise nach Europa?
VP: Er hat einen Schlepper gefunden, mit Hilfe von diesem Schlepper konnte ich Iran
verlassen.
LA: Wie viel Zeit war zwischen der Rückkehr Ihres Vaters aus Syrien und Ihrer Ausreise vergangen?
VP: Genau weiß ich nicht.
Zu seinem Leben in Österreich gab der BF an, viel Kontakt zur österreichschen Bevölkerung und zu - namentlich genannten - Personen zu haben. Er gehe ins Fitnessstudio und arbeite an der Bushaltestelle in seiner Gemeinde. Jeden Sonntag gehe er zu Fußballspielen, dort putze er auch ab und zu. Auch bei zwei Friedhöfen habe er gearbeitet. Mitglied in Vereinen oder Organisationen sei er nicht. Er habe zweimal Probleme mit der Polizei gehabt (grundloser Angriff durch Paschtunen und einmal habe ein anderer Freund etwas gestohlen, er habe dies aber nicht gewusst und sei unschuldig).
Auf konkrete Nachfrage gab er noch an, dass es sonst keine gezielte Verfolgung seiner Person in Afghanistan oder im Iran gegeben habe. Probleme mit afghanischen Behörden habe er nicht gehabt, er sei nie in Afghanistan gewesen und im Iran habe er auch keine strafbare Handlung begangen. Zu seinem Gesundheitszustand führte er aus, bis auf eine leichte Allergie im Sommer keine gesundheitlichen Probleme zu haben. Dagegen verwende er eine Hautcreme.
Die Vertrauensperson berichtete im Anschluss über die positive Integration des Beschwerdeführers.
Abschließend gab der Beschwerdeführer an, damals als seine Familie in Afghanistan gewesen sei, seien zwei Onkel mütterlicherseits in Wardak von Kutchi umgebracht (verbrannt) worden. Die Kutchi hätten seinen Vater bedroht und ihm gesagt, wenn er seine Arbeit nicht aufgebe, dann würden sie "Schlimmes" machen. Später hätten sie dann beide Onkel getötet. Darum habe er gesagt keine Verwandtschaft zu haben. Über Frage der Vertrauensperson führte der Beschwerdeführer aus, sein Vater habe bei einer Behörde gearbeitet. Der Vater habe ihm aber nichts Genaues darüber gesagt, sondern nur über Zeitungen und Zeitschriften gesprochen. Zudem seien Polizisten und "Basic" oft zu seiner Familie gekommen und hätten nach ihm und dem Vater nachgefragt.
Im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme legte der Beschwerdeführer folgende neue Unterlagen vor:
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Schreiben, wonach seine Eltern ihm nie das genaue Geburtsdatum sagen hätten können. Die Behörde habe in Zusammenarbeit mit dem Dolmetscher bei der Erstbefragung als Geburtsdatum den XXXX angeben und einige Tage später habe er dann einen Ausweis mit dem Geburtsdatum XXXX bekommen, darum würden die Angaben auf den Dokumenten nicht übereinstimmen;
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Bestätigung vom 14.11.2017, wonach der Beschwerdeführer an einem Lehrgang zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses im Rahmen der Initiative für Erwachsenenbildung (Oktober 2017 bis Ende August 2018) teilnehme;
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ÖSD-Zertifikat A2, datiert mit 24.07.2017;
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Arbeitsbestätigung einer Gemeinde, datiert mit 20.11.2017, wonach der Beschwerdeführer gemeinnützige Tätigkeiten (Busstation reinigen, Volleyballplatz und Spielplatz von Unkraut befreien und Beseitigungsarbeiten) im Zeitraum von Jänner 2017 bis Oktober 2017 verrichtet habe und dafür 5 EUR/Stunde (insgesamt 615 EUR) erwirtschaftete;
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Vereinbarung mit einer Gemeinde über eine gemeinnützige Beschäftigung, Zeitraum 01.08.2017 bis 31.12.2017, über maximal 110 Stunden für 5 Monate für 5 EUR/Stunde;
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Bestätigung, wonach der Beschwerdeführer bei einer ehrenamtlichen Deutschtrainerin an einem ergänzdenen Unterricht des A2-Kurses teilnehme:
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Bestätigung, wonach der Beschwerdeführer einem älteren Paar Hilfe geleistet habe;
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Benachrichtung der StA, wonach ein Verfahren gegen den Beschwerdeführer (versuchter Diebstahl) eingestellt wurde.
6. Am 29.11.2017 wurde der Beschwerdeführer im Zuge des Parteiengehörs aufgefordert innerhalb einer Frist von zwei Wochen schriftlich Stellung zu nehmen.
7. Am 05.12.2017 langte eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass er im Iran, seine Eltern in Afghanistan geboren wären. Er und seine Eltern würden keine Papiere besitzen. Sie hätten alle illegal im Iran gelebt. Er sei noch nie in Afghanistan gewesen. Seine Eltern hätten ihm gesagt, dass es dort zu gefärhlich sei und Hazara oft ohne Grund getötet würden. Einige Taliban, Daesch, Paschtunen und Kuchi würden glauben, dass sie direkt in den Himmel kämen, wenn sie einen Hazara töten würden. Hazara würden auf offener Straße, ohne speziellen Grund getötet werden. In den Iran könne er nicht zurück. Er sei acht Jahre im Iran in einer afghanischen (illegalen) Schule gewesen. Es sei keine richtige Schule, sondern ein privater Unterricht gewesen. Ein Zeugnis habe er nicht bekommen. In Afghanistan würden viele Männer gezwungen werden zu kämpfen, dies durch Regierungstruppen, Taliban oder andere. Wenn er nach Afghanistan komme, werde er entweder gleich getötet oder gezwungen für eine Gruppe zu kämpfen. Er wolle nicht kämpfen. Seine beiden Onkel seien in Afghanistan wegen des Berufes seines Vaters (Journalist) getötet worden. Den Vater hätten sie nicht erwischt, dann hätten sie aber die Onkel getötet. Der Vater sei dann in den Iran geflüchtet. Der Vater habe für eine Zeitung gearbeitet. Die Taliban wollten nicht, dass Männer für eine Zeitung oder die Regierung arbeiten. Zudem würden ihn die Leute in Afghanistan ausgrenzen, da er einen anderen Dialekt (iranischen Akzent) spreche. Überhaupt sei es so, dass geflüchtete Menschen, die nach Afghanistan zurückkehren würden unfreundlich behandelt bzw. bedroht werden würden. Er habe niemanden, der ihm helfe und wäre auf sich alleine gestellt. Abschließend wurde auf zahlreiche Berichte zur Situation von Hazara, Schiiten und Journalisten in Afghanistan aus dem Jahr 2017 verwiesen.
8. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes vom 22.12.2017 wurde der gegenständliche Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde der Antrag des Beschwerdeführers bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde festgehalten, dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Das Bundesamt stellte fest, dass der volljährige Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei, sich zum schiitisch-muslimischen Glauben bekenne und der Volksgruppe der Hazara angehöre. Seine Identität habe mangels eines unbedenklichen Identitätsdokumentes nicht festgestellt werden können. Er leide an keinen lebensbedrohlichen Krankheiten, seine Eltern würden aus der Provinz Maidan Wardak stammen. Der Aufenthaltsort der Familienangehörigen im Iran habe nicht festgestellt werden können. Er sei ledig und verfüge über Schul- und Berufsausbildung. Die angegebenen Fluchtgründe seien nicht glaubhaft. Es hätte auch keine Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung festgestellt werden können.
Weiters traf das BFA Feststellungen zur Lage in Afghanistan (Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017, letzte Kurzinfo vom 21.12.2017).
Beweiswürdigend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben zu seinem Geburtsdatum getätigt habe und dies dadurch habe rechtfertigen wollen, indem er angeben habe, dass der Dolmetscher ihm das Geburtsdatum zugwiesen habe. Dies sei nicht glaubhaft. Soweit er in der Stellungnahme vom 05.12.2017 behaupte, lediglich privaten Unterrricht gehabt zu haben, so sei dies nicht glaubwürdig. Zu seinen Fluchtgründen habe er in der Erstbefragung andere Angaben als in der niederschriftlichen Einvernahme gemacht. So habe er in der Erstbefragung angegeben, der Mullah habe ihm eine Stunde Zeit zum Einpacken der Sachen gegeben und habe er dann diese Zeit zu seiner Flucht genutzt; während er im Zuge der Einvernahme ausführte, er habe mit Handschellen gefesselt während einer Autofahrt eine Toilettenpause erwirkt und wäre so den Entführern an der Autobahn entkommen. Ebenso sei unglogisch, dass er erst zu schreien begonnen habe, als er bemerkt habe, dass er nicht nach Hause gebracht werde, obwohl er aber auch ausführt habe, dass ihm zuvor Handschellen angelegt worden seien. Bereits das Anlegen der Handschellen wäre ein Grund gewesen, Angst zu haben. Der Beschwerdeführer habe auch angegeben im Fahrzeug um sich geschlagen und geschrieen zu haben und sei es daher auch völlig unlogisch, weshalb man ihn dann bei einem Toilettengang nicht überwachen hätte sollen. Zudem sei das Fluchtvorbringen detaillos und habe der Beschwerdeführer beispielsweise nicht angegeben wie er in einer fremden Umgebung mit Handschellen gefesselt wieder nach Hause gekommen sei und sich der Fesseln entledigen habe können. Weiters habe er in der niederschrifltichen Einvernahme am 27.11.2017 angebenen, er habe den Entschluss zur Ausreise vor zwei Jahren und ca. acht Monaten getroffen (sohin März/April 2015). Zudem habe er ausgeführt, die Reisedauer wäre ca. 1,5 Monate gewesen, womit er etwa im September 2015 abgereist sei. Zwischen dem Entschluss zur Ausreise (März/April 2015) und der tatsächlichen Ausreise im September 2015 würde somit rund ein halbes Jahr Vorbereitungszeit liegen, weshalb eine Verfolgung auch unter diesem Aspekt nicht glaubhaft sei. Zudem sei der Beschwerdeführer auch nicht in der Lage gewesen, anzugeben, wann sein Vater in Syrien gekämpft habe. Auch sei völlig unglaubwürdig, dass sein Vater mit etwa 60 Jahren als Kämpfer nach Syrien geschickt worden sei. Aus diesem Grund sei auch nicht glaubhaft, dass sein Vater mit mittlerweile etwa 63 Jahren von den iranischen Behörden bzw. Geheimdienst gesucht werde, um erneut in den Krieg nach Syrien geschickt zu werden. Auch die Angaben zum angeblichen Job seines Vaters seien völlig unpräzise und nicht glaubhaft. In der Stellungnahme habe der Beschwerdeführer seine Erzählung noch weiter gesteigert und angegeben, dass der Vater Journalist gewesen sei und beide Onkel wegen dessen Beruf getötet worden seien. In der Einvernahme habe er angegeben, die Kutchi hätten den Vater wegen dessen Arbeit bedroht und die beiden Onkel getötet. Es sei völlig unlogisch, dass die Kuchi - ein Nomadenvolk - den Vater wegen seinem Beruf bedrohen hätten sollen. Außerdem würden die Ergeignisse bereit 23 Jahre zurückliegen. Seine Angaben seien somit insgesamt als nicht glaubhaft zu bewerten.
Betreffend die Nichtzuerkennung des subsidiären Schutzes wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer jung, gesund und arbeitsfähig sei. Der Beschwerdeführer habe verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Afghanistan zwar verneint, doch angesichts der zahlreichen Widersprüche gehe die Behörde von bestehenden verwandtschaftlichen Beziehungen aus und könne der Beschwerdeführer von diesen eine Unterstützung bekommen. Zudem habe er die Schule besucht und verfüge über Berufserfahrung als Schneidergehilfe. Seine Familie habe auch die notwednigen finanziellen Mittel für eine illegale Einreise nach Österreich aufbringen können. Es sei ihm zumutbar durch eigene und notfalls auch wenig attraktive Arbeit - oder erforderlichenfalls durch Zuwendung von dritten Seite - nach Überwindung von Anfgangsschwierigkeiten seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Es könne nicht erkannt werden, dass ihm im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan die notwendigste Lebensgrundlage entzogen werden würde. Es liege eine relevante Gefährdungslage bezüglich seiner unmittelbaren Heimatprovinz Maidan Wardak vor, aber nicht für Afghanistan allgemein. Die allgemeine Lage in Kabul sei relativ stabil und komme als innerstaatliche Fluchtalternative in Frage. Sicherheitsrelevante Vorfälle in Kabul würden sich hauptsächlich auf "high profile" Institutionen bzw. gegen "high profile" Personen richten, die Regierung behalte die Kontrolle über Kabul. Kabul sei mit dem Flugzeug über den internationalen Flughafen sicher zu erreichen. Alternativ zu Kabul würden beispielsweise auch Mazar-e Sharif oder Herat zur Verfügung stehen. In Kabul werde der Beschwerdeführer schnell Fuß fassen können. Zudem sei im Kontext seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara anzunehmen, dass umfassende Netzwerke vorhanden seien, welche eine zusätzliche Stütze bei seiner Rückkehr sein würden. Der Beschwerdeführer sei zudem mit den kulturellen Gepflogenheiten in seinem Herkunftsstaat vertraut und verfüge über die notwendigen Sprachkenntnisse. Er könne auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.
Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine Angehörigen in Österreich habe. Er habe keine weitreichenden Kontakte zu österreichischen Gesellschaft aufgebaut, sei sportlich aktiv, nehme aber nicht am gesellschaftlichen Leben seines Gastlandes teil. Er lebe ausschließlich von staatlichen Unterstützungsleistungen. Besondere soziale Kontakte würden nicht bestehen. Eine Integrationsverfestigung habe nicht festgestellt werden können. Die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen seien höher zu werten, als ein allfällig bestehendes privates Interesse.
9. Gegen den Bescheid des BFA richtet sich die vollumfängliche Beschwerde. Es wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus ethnischen/religiösen Gründen bzw. wegen Zugehörigkeit zu seiner bestimmten sozialen Gruppe verfolgt werde. Er befürchte auch aufgrund der Gründe, die bereits seine Familie zur Flucht gezwungen hätten und aufgrund seiner westlichten Lebenseinstellung verfolgt zu werden. Er sei im Iran aufgewachsen und habe jeglichen Bezug zu seinem Heimatland verloren. Bei einer Rückkehr wäre er der Gefahr ausgesetzt, in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Die Beweiswürdigung der Behörde bestehe fast ausschließlich aus selektiven Zitaten und Textbausteinen. Ein erkannbarer Begründungswert sei nicht vorhanden. Die Vorwürfe der Behörde hinsichtlich seiner Identität seien unverständlich. Hinsichtlich seiner Korrekturen in der Einvernahme werde darauf verwiesen, dass die Erstbefragung nicht dazu gedacht sei, die Fluchgründe des Beschwerdeführers erschöpfend darzustellen. Der Beschwerdeführer befürchte eine Verfolgung durch den afghanischen Staat und könne der afghanische Staat eine Schutzfähigkeit (vor allem vor islamistischer Gewalt) auch nicht gewährleisten. Eine innerstaatliche Fluchtalternative würde mangels Anknüpfungspunkte nicht bestehen. Die UNHCR-Richtlinien würden zeigen, dass die Verfolungssituation des Antragstellers glaubwürdig sei. Der Beschwerdeführer verfüge über kein familiäres oder soziales Netzwerk in Afghanistan. Soweit das Bundesamt in spekulativer Weise meine, dass der Beschwerdeführer schon Familienangehörge habe, da Hazara immer Verwandtschaft hätten, sei zu entgegnen, dass die Familie des Beschwerdeführers bereits vor Jahrzenten aus Afghanistan geflohen sei. In Afghanistan sei eine teilweise dramatische Verschlechterung der Lage erkennbar und sei die Anzahl der Binnenflüchtlinge auf 1,2 Millionen angestiegen. Auch in Kabul würde es regelmäßig zu schrecklichen Terroranschlägen mit hunderten Opfern kommen. Im Falle einer Abschiebung bestehe die reale Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung. Er habe keine Familienangehörigen, welche ihn unterstützen könnten. Auch das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers sei unzureichend behandelt worden. Er habe sich intensiv um eine Integration bemüht, die deutsche Sprache erlernt, soziale Kontakte geknüpft, sei arbeitsfähig und -willig sowie unbescholten. Der Beschwerdeführer habe eine umfassende Integration nachgewiesen und durch ein Konvolut an Unterlagen bestätigt. Eine Ausweisung stelle daher einen Widerspruch zu Art. 8 und Art. 2 und 5 EMRK dar.
Mit der Beschwerde legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung eines Psychotherapeuten (datiert mit 19.01.2018) vor, wonach dieser seit 05.01.2018 in Psychotherapie stehe und bisher drei Termine wahrgenommen habe.
10. Am 22.08.2018 übermittelte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer aktuelle Feststellungen zu Afghanistan (Stand: 29.06.2018) und wurde er dazu aufgefordert zweckdienliches (zur persönlichen/privaten Situation, Gesundheitszustand etc.) zur Frage der Beurteilung des Antrages auf internationalen Schutz vorzubringen. Ihm wurde eine Frist von zwei Wochen zur Einbringung einer Stellungnahme eingeräumt.
11. Am 31.08.2018 brachte der Beschwerdeführer eine Stellungnahme ein. Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Verfolgung des Beschwerdeführers aus den Länderberichten deutlich ersichtlich sei. Darin würde die katastrophale Sicherheits- und Wirtschaftslage und die mangelnde Durchschlagskraft der Zentralbehörden den Beschwerdeführer zu beschützen aufgezeigt. Es bestehe die Gefahr in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten. Zudem wurde auf die UNHCR-Richtlinien verwiesen. Laut einer Anfrage des deutschen Bundesministers für Inneres von Dezember 2016 habe sich die Situation weiter verschlechtert, der Konflikt sich verschärft und sei die Zahl der zivilen Opfer gestiegen. Es gebe mehr Vertreibungen, die Aufnahmekapazitäten und Infrastruktur unterliege einer gravierenden Belastung. Zudem habe er keinen familiären Rückhalt und liege eine Entwurzelung aus der Heimat vor. Die UNO habe die allgemeine Sicherheitslage in Afghanistan im Februar 2018 für sehr instabil erklärt. Auch das aktuelle Länderinformationsblatt würde die Verschlechterung der Sicherheitslage in Kabul verdeutlichen. Eine IFA in Kabul sei somit nicht möglich. Terroristische Gruppen seien in der Lage, Attentate und Entführungen zu vollziehen, die Schutzmaßnahmen seien nicht ausreichend. Auch der EASO-Bericht von Mai 2018 bestätige einen Anstieg der Opfer. Das französiche Asylgericht habe erkannt, dass selbst für junge, männliche Afghanen eine Rückkehr nach Kabul unzumutbar sei. Es bestehe Wohnungs- und Arbeitsnot und fehle es an staatlicher Unterstützung. Eine Rückschiebung verletze daher Art. 2 bzw. 3 EMRK. Man dürfe nicht davon ausgehen, dass junge Männer automatisch eine höhere Chance besitzen würden, ein neues Leben führen zu können. Dem Stahlmann-Gutachten vom 28.03.2018 sei zu entnehmen, dass junge afghanische Männer eher der Gefahr ausgesetzt seien, Opfer von Morden durch Terrorgruppen zu werden. Junge Männer würden von Regierungs- und Nicht Regierungsseiten konstant ausgenutzt werden. Zudem würde die Erstarkung von terroristischen Gruppen und die Verschlechterung der Sicherheitslage in Afghanistan zu einer stetigen Bedrohung der Volksgruppe der Hazara führen. Die Wahrscheinlichkeit als Hazara Opfer eines Gewaltverbrechens zu werden, sei deutlich höher, dies sei auf die leichte Erkennbarkeit innerhalb der Bevölkerung zurückzuführen. Zudem wären die Terroristischen Gruppen in Afghanistan Sunniten und würden die Schiiten als Ungläubige ansehen. Auch würden Berichte belegen, dass eine Diskriminierung von Hazara sehr wohl vorliege. Auch verwestlichte Personen würden einer Lebensgefahr unterliegen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Aufgrund des der Entscheidung zugrundeliegenden Aktes des BFA samt Beschwerdeschrift, vorgelegter Unterlagen und Stellungnahme sowie des Bundesverwaltungsgerichtes steht nachstehender entscheidungswesentlicher Sachverhalt als erwiesen fest:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der volljährige Beschwerdeführer ist ein Staatsangehöriger Afghanistans, bekennt sich zum muslimischen Glauben (Schiit) und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er ist nicht verheiratet und hat keine Kinder.
Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari, er spricht auch Farsi und ein wenig Englisch.
Seine Identität und sein Geburtsdatum stehen nicht fest.
Die Eltern des Beschwerdeführers stammen ursprünglich aus Afghanistan (die Mutter aus der Provinz Maidan Wardak) und sind bereits vor seiner Geburt in den Iran gezogen.
Der Beschwerdeführer wurde im Iran (Teheran) geboren und lebte dort von seiner Geburt bis zu seiner Ausreise nach Österreich, gemeinsam mit seinen Eltern und seinen zwei Schwestern. Ob die Familie des Beschwerdeführers aktuell noch im Iran lebt, kann nicht festgestellt werden. Der Beschwerdeführer steht in regelmäßigem Kontakt mit seiner Familie.
Der Beschwerdeführer besuchte mehrere Jahre lang eine afghanische Schule im Iran und arbeitete mehrere Jahre lang als Schneidergehilfe.
Der Beschwerdeführer war nie in Afghanistan aufhältig, ist jedoch mit der afghanischen Kultur vertraut und in einem afghanischen Familienverband aufgewachsen.
Der Beschwerdeführer verließ den Iran etwa im September 2015 und gelangte schlepperunterstützt über die Türkei nach Griechenland. Von dort ist er selbstständig über Mazedonien, Serbien, Kroatien und Slowenien nach Österreich gekommen und stellte hier am 01.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden psychischen oder physischen Erkrankungen, welche eine Rückkehr nach Afghanistan iSd Art. 3 EMRK unzulässig machen würden. Er geht keiner Erwerbstätigkeit nach und lebt von der Grundversorgung.
1.2. Zu den Fluchgründen des Beschwerdeführers:
Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte Verfolgungsvorbringen kann nicht festgestellt werden.
Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an seine Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seine politische Überzeugung anknüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität droht.
Weiters kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer als Angehöriger der Volksgruppe der Hazara sowie als schiitischer Moslem in Afghanistan physischer und/oder psychischer Gewalt ausgesetzt wäre.
Schließlich kann nicht festgestellt werden, dass konkret der Beschwerdeführer auf Grund der Tatsache, dass er sich im Iran und in Europa aufgehalten hat und "westlich" orientiert ist mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in Afghanistan psychische und/oder physische Gewalt zu befürchten hätte. Afgahnische Staatsangehörige, die aus dem Iran bzw. Europa nach Afghanistan zurückkehren, droht in Afghanistan allein aufgrund ihres Aufenthaltes außerhalb Afghanistans keine psychische und/oder physische Gewalt.
Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung iSd GFK glaubhaft gemacht.
Der Beschwerdeführer hat im Iran keine Handlungen gesetzt, die ihn in Afghanistan einer Verfolgung aussetzen würden.
1.3. Zu einer möglichen "Rückkehr" des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:
Es besteht für den Beschwerdeführer als alleinstehenden, gesunden und leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter, ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf im Falle einer Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat keine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit. Dieser liefe auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine auswegslose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er hat keine Unterhaltspflichten und kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.
Es ist dem Beschwerdeführer daher möglich nach allfälligen anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedelung in den Städten Mazar-e Sharif oder Herat Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.
1.4. Zum (Privat) Leben des Beschwerdeführers in Österreich:
Der unbescholtene Beschwerdeführer hält sich seit etwa drei Jahren und zwei Monaten im Bundesgebiet auf. Er bezieht laufend Leistungen aus der Grundversorgung, geht keiner Beschäftigung nach und wohnt in einer Unterkunft für Asylwerber. Er hat in Österreich bereits Deutschkurse besucht und die Prüfung A2 erfolgreich abgeschlossen. Zudem hat der Beschwerdeführer gemeinnützige Tätigkeiten in einer Gemeinde verübt und dafür 5 EUR/Stunde bekommen. Weiters hat er freiwillige Tätigkeiten (Gartenarbeit) für ein älteres Ehepaar verrichtet und einen Lehrgang zur Nacholung des Pflichtschulabschlusses besucht. Der Beschwerdeführer gehört keinem Verein, keiner religiösen Verbindung und keiner sonstigen Gruppierung in Österreich an. Er führt kein Familienleben in Österreich und hat auch keine sonstigen engen sozialen Bindungen.
1.5. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:
Zur Situation im Herkunftsland wurden dem Beschwerdeführer die aktuellen Feststellungen (Stand: 29.06.2018) am 22.08.2018 vom Bundesverwaltungsgericht übermittelt und ihm eine Frist von zwei Wochen zur Einbringung einer Stellungnahme (Parteiengehör) gewährt. Der Beschwerdeführer brachte am 31.08.2018 eine Stellungnahme ein.
1. Länderberichte zur Situation in Afghanistan:
Sicherheitslage:
Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).
Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).
...
(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).
Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)
...(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)
Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).
...(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)
Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:
...(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)
Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).
Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).
...
(Darstellung der Staatendokumentation)
Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).
Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).
Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele
Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).
Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).
Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).
Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).
Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).
? Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).
? Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)
? Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).
? Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weit