TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/4 W126 2155075-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.01.2019
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Entscheidungsdatum

04.01.2019

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W126 2155075-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Sabine FILZWIESER-HAT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 06.04.2017, Zl. 1093777008-151710275, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 06.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Bei der Erstbefragung am 06.11.2015 gab der Beschwerdeführer an, afghanischer Staatsangehöriger und schiitischer Muslime zu sein sowie der Volksgruppe der Tadschiken anzugehören. Er sei im Iran aufgewachsen, habe im Iran acht Jahre lang die Grundschule besucht und als Bauarbeiter gearbeitet. Als Fluchtgrund führte er an, dass er circa zwei Tage vor der Ausreise aus dem Iran einen Brief erhalten habe, in dem gestanden sei, dass er am nächsten Tag in der Moschee erscheinen solle. In der Moschee sei ihm gesagt worden, dass er entweder nach Afghanistan abgeschoben werde oder freiwillig in den Krieg nach Syrien gehen könne und dafür auch Geld erhalten würde. Der Beschwerdeführer habe nicht nach Syrien in den Krieg gehen und Menschen töten wollen. Nach Afghanistan habe er jedoch auch nicht gehen können, da er dort niemanden habe und die Sicherheitslage sehr schlecht sei. Daraufhin habe er auf Anraten seiner Mutter beschlossen zu flüchten.

Am 27.11.2015 erfolgte eine Bestimmung des Knochenalters des Beschwerdeführers mittels Handröntgen. Das Handwurzelröntgen ergab ein Skelettalter von 19 Jahren. Am 13.08.2016 erfolgte eine Untersuchung des Beschwerdeführers. Laut Gutachten vom 15.08.2016 sei die Volljährigkeit des Beschwerdeführers anzunehmen. Es wurde darin ausgeführt, dass die Vollendung des 18. Lebensjahres anhand des errechneten "fiktiven" Geburtsdatums bezogen auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung am 12.02.2015 erreicht worden sei.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge als BFA bezeichnet) vom 25.08.2016 wurde festgestellt, dass es sich beim Beschwerdeführer zum Asylantragszeitraum um eine volljährige Person handelt.

In der Stellungnahme der gesetzlichen Vertretung des Beschwerdeführers vom 29.08.2016 zur Verfahrensanordnung vom 25.08.2016 sowie zum Altersgutachten vom 15.08.2016 wurde im Wesentlichen die festgestellte Volljährigkeit bekämpft.

In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 31.03.2017 führte der Beschwerdeführer an, gesund zu sein und keine familiären Beziehungen zu in Österreich aufhältigen Personen zu haben. Er sei seit 16 Monaten in Österreich und lebe von der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer habe eine befreundete Familie aus Graz und spiele in XXXX in einem Fußballverein. Er habe auch eine Freundin hier, mit der er sich gut verstehen würde. Er habe in Österreich nicht richtig gearbeitet, aber zum Beispiel in der Küche in Traiskirchen mitgeholfen. Er würde gerne Anwalt werden.

In Afghanistan habe er keine Verwandten. Seine Mutter und seine zwei Schwestern würden im Iran leben. Im Iran habe der Beschwerdeführer eine afghanische Schule besucht und danach in den fünf Jahren vor seiner Ausreise auf Baustellen gearbeitet. Von diesem Einkommen habe er im Iran leben können. In Afghanistan verfüge seine Familie über kein Vermögen. Er sei zwar in Afghanistan, in der Provinz Herat, geboren, aber sei als Kind im Alter von circa einem Jahr mit seiner Familie in den Iran gezogen.

Zu seinem Fluchtgrund befragt brachte der Beschwerdeführer vor, seit seiner Kindheit im Iran gewesen und dort aufgewachsen zu sein. An einem Samstag im Juli 2015 habe er einen Brief erhalten. Darin sei gestanden, dass er gebeten werde, in den nächsten 48 Stunden in die Moschee zu kommen. Der Brief sei von einem Mann, den der Beschwerdeführer von früher kennen würde, unterschrieben worden. Er sei dann am nächsten Tag in die Moschee gegangen, wo mehrere Jugendliche gewesen seien. Er sei in das Büro des Unterzeichners des Briefes gegangen; dieser Mann sei sehr nett gewesen und habe zum Beschwerdeführer gesagt, dass sie alle Muslime seien und einander helfen sollten. Er würde wissen, dass der Beschwerdeführer ohne Dokumente im Iran lebe und habe einen Vorschlag, wo der Beschwerdeführer mit einem Aufenthaltstitel leben würde können, nämlich, dass er nach Syrien gehen solle. In einem unfreundlicheren Ton habe er ergänzt, dass der Beschwerdeführer aber auch noch Syrien gebracht oder in sein Heimatland zurückgeschickt werden könnte. Er habe dem Beschwerdeführer daraufhin weitere 48 Stunden gegeben, um darüber nachzudenken. Auf Ratschlag und mit Unterstützung eines Freundes sei der Beschwerdeführer am nächsten Morgen ausgereist.

Der Beschwerdeführer habe noch Kontakt zu seiner Mutter, welche kurz nach dem Vorfall zu einer Schwester des Beschwerdeführers gezogen sei. Der Beschwerdeführer könne daher nicht sagen, ob jemand nach ihm gefragt habe.

Der Grund für die Ausreise aus Afghanistan sei gewesen, dass Krieg geherrscht habe. Die Schwestern des Beschwerdeführers seien als Frauen in Afghanistan auch in Gefahr gewesen. Seine ältere Schwester sei damals acht oder neun Jahre alt gewesen. Kinder wären in Afghanistan entführt und verkauft worden. Dies habe er von seiner Mutter erfahren. In Afghanistan habe der Beschwerdeführer niemanden.

Der Beschwerdeführer legte Teilnahmebestätigung von diversen Kursen, davon mehreren Deutschkursen sowie einem Brückenkurs zum Nachholen des Pflichtschulabschlusses, und ein Empfehlungsschreiben vor.

2. Mit Bescheid vom 06.04.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status als Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG erkannte es dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG wurde eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.04.2018 erteilt (Spruchpunkt III.).

Mit Verfahrensanordnung des BFA vom 06.04.2017 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht die ARGE-Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe zur Seite gegeben.

3. Am 26.04.2017 erhob der Beschwerdeführer, vertreten durch seinen Rechtsberater, gegen Spruchpunkt I des Bescheides fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor Zwangsrekrutierung für den syrischen Bürgerkrieg nach Österreich geflüchtet sei und auch in seinem Heimatland Afghanistan von seinen Verfolgern leicht auffindbar sei.

4. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.11.2017 wurden dem Beschwerdeführer das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan - Gesamtaktualisierung vom 02.03.2017 inkl. Kurzinformation (aktuelle Version mit Stand Ende September 2017) sowie die Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Asylsuchender vom 19.04.2016 vorab zur Vorbereitung auf die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Am 16.02.2018 führte das Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durch, an welcher der Beschwerdeführer und seine Rechtsvertreterin teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde nahm (entschuldigt) nicht an der Verhandlung teil.

Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung zusammengefasst an, dass er aus Herat komme, aber nicht wisse, woher genau, weil er erst ein Jahr alt gewesen sei, als die Familie des Beschwerdeführers in den Iran gegangen sei. Er habe keine Verwandten mehr in Afghanistan. Seine Familie sowie seine Onkel mütterlicherseits würden im Iran leben. Er habe einen Onkel väterlicherseits gehabt, dieser sei jedoch verstorben. Die Familie des Beschwerdeführers habe Afghanistan verlassen, weil die Sicherheitslage sehr schlecht gewesen sei. Die ältere Schwester des Beschwerdeführers sei damals sieben oder acht Jahre alt gewesen und zu dieser Zeit seien vermehrt Mädchen entführt worden. Aus Angst davor, dass seiner Schwester so etwas passieren könne, habe der Vater des Beschwerdeführers beschlossen, mit seiner Familie in den Iran zu gehen.

Der Beschwerdeführer habe Kontakt zu seiner Mutter im Iran. Im Iran habe der Beschwerdeführer auf der Baustelle gearbeitet. Im Iran sei ihm vorgeschlagen worden, nach Syrien zu gehen, weil Soldaten für den Krieg benötigt werden würden und afghanische Flüchtlinge dafür am besten in Frage kämen. Wenn sich der Beschwerdeführer geweigert hätte, nach Syrien zu gehen, wäre er nach Afghanistan geschickt worden. Er könne wegen der schlechten Sicherheitslage nicht nach Afghanistan zurückkehren. Der Grund für das Verlassen Afghanistans seien keine konkreten Probleme oder Feindschaften der Familie gewesen, sondern die schlechte Sicherheitslage und die Entführungen von Kindern, insbesondere von Mädchen. Den Iran habe er verlassen, weil er entweder freiwillig in den Krieg ziehen hätte müssen oder er dazu gezwungen worden wäre. Für den Mann, von dem er den Brief aus der Moschee erhalten habe, wäre es möglich gewesen, den Beschwerdeführer in Afghanistan zu finden. Der Einfluss des Iran in den Nachbarländern sei groß. Es würde keine Schwierigkeiten bereiten, jemanden in Afghanistan zu finden und in den Iran mitzunehmen, ohne dass der afghanische Staat etwas dagegen unternehmen würde. Diese Leute hätten dem Beschwerdeführer vertraut, deshalb hätten sie ihm Zeit gegeben. Der Beschwerdeführer habe sie hintergangen, daher sei es für ihn vorstellbar, dass sie ihn wegen Verrats suchen würden. Der Beschwerdeführer habe auch gehört, dass im Iran Afghanen von der Arbeit mitgenommen und sofort nach Syrien geschickt werden würden. Im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan hätte der Beschwerdeführer Angst, einer von den vielen Menschen, die täglich sterben, zu sein.

Die Rechtsvertreterin gab zu den vorab übermittelten und in der Verhandlung hinsichtlich des Länderinformationsblattes in der Fassung vom 30.01.2018 aktualisierten Länderberichten keine Stellungnahme ab.

Am 28.03.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Bescheid des BFA vom 27.03.2018 ein, mit welchem dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 06.04.2020 erteilt wurde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Volksgruppe der Tadschiken und schiitischer Muslime.

Er wurde in der Provinz Herat geboren. Seine Familie verließ Afghanistan, als der Beschwerdeführer circa ein Jahr alt war, und zog in den Iran. Im Iran besuchte der Beschwerdeführer acht Jahre lang die Grundschule und arbeite danach fünf Jahre lang als Bauarbeiter.

Die Familie des Beschwerdeführers hat Afghanistan wegen der schlechten Sicherheitslage und der Angst vor einer Entführung, vor allem der zum damaligen Zeitpunkt sieben- oder achtjährigen Schwester des Beschwerdeführers, verlassen.

In Afghanistan droht dem Beschwerdeführer keine individuelle Verfolgung. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie hat Feindschaften in Afghanistan.

Es wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan gesucht wird und dazu gezwungen werden würde, in den Krieg nach Syrien zu gehen.

1.2. Zur im konkreten Fall maßgeblichen Lage in Afghanistan:

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist nach wie vor höchst volatil - der Konflikt zwischen regierungsfeindlichen Kräften und Regierungskräften hält landesweit an (UN GASC 20.12.2017). Zur Verschlechterung der Sicherheitslage haben die sich intensivierende Zusammenstöße zwischen Taliban und afghanischen Sicherheitskräften beigetragen (SIGAR 30.10.2017; vgl. SCR 30.11.2017).

Die afghanischen und internationalen Sicherheitskräfte verstärkten deutlich ihre Luftoperationen (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die in 22 Provinzen registriert wurden. So haben sich im Berichtszeitraum der Vereinten Nationen (UN) Luftangriffe um 73% gegenüber dem Vorjahreswert erhöht (UN GASC 20.12.2017). Der Großteil dieser Luftangriffe wurde in der südlichen Provinz Helmand und in der östlichen Provinz Nangarhar erfasst (UN GASC 20.12.2017; vgl. SIGAR 30.10.2017), die als Hochburgen des IS und der Taliban gelten (SIGAR 30.10.2017). Verstärkte Luftangriffe hatten wesentliche Auswirkungen und führten zu hohen Opferzahlen bei Zivilist/innen und regierungsfeindlichen Elementen (UN GASC 20.12.2017). Zusätzlich ist die Gewalt in Ostafghanistan auf die zunehmende Anzahl von Operationen der ANDSF und der Koalitionskräfte zurück zu führen (SIGAR 30.10.2017).

Landesweit kam es immer wieder zu Sicherheitsoperationen, bei denen sowohl aufständische Gruppierungen als auch afghanische Sicherheitskräfte Opfer zu verzeichnen hatten (Pajhwok 1.12.2017; TP 20.12.2017; Xinhua 21.12.2017; Tolonews 5.12.2017; NYT 11.12.2017).

Den Vereinten Nationen zufolge hat sich der Konflikt seit Anfang des Jahres verändert, sich von einer asymmetrischen Kriegsführung entfernt und in einen traditionellen Konflikt verwandelt, der von bewaffneten Zusammenstößen zwischen regierungsfeindlichen Elementen und der Regierung gekennzeichnet ist. Häufigere bewaffnete Zusammenstöße werden auch als verstärkte Offensive der ANDSF-Operationen gesehen um die Initiative von den Taliban und dem ISKP zu nehmen - in diesem Quartal wurde im Vergleich zum Vorjahr eine höhere Anzahl an bewaffneten Zusammenstößen erfasst (SIGAR 30.10.2017).

Laut der internationalen Sicherheitsorganisation für NGOs (INSO) wurden vom 1.1.-30.11.2017 24.917 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan registriert (Stand: Dezember 2017) (INSO o.D.).

Die östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an sicherheitsrelevanten Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von den südlichen Regionen - zusammen wurde in diesen beiden Regionen 56% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle registriert. Gezielte Tötungen und Entführungen haben sich im Vergleich zum Vorjahreswert um 16% erhöht (UN GASC 20.12.2017).

Landesweit haben in den letzten Monaten Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (The Guardian; vgl. BBC 29.1.2018). Die Gewalt Aufständischer gegen Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen hat in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban erhöhen ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (Asia Pacific 30.1.2018).

Im Stadtzentrum und im Diplomatenviertel wurden Dutzende Hindernisse, Kontrollpunkte und Sicherheitskameras errichtet. Lastwagen, die nach Kabul fahren, werden von Sicherheitskräften, Spürhunden und weiteren Scannern kontrolliert, um sicherzustellen, dass keine Sprengstoffe, Raketen oder Sprengstoffwesten transportiert werden. Die zeitaufwändigen Kontrollen führen zu langen Wartezeiten; sollten die korrekten Papiere nicht mitgeführt werden, so werden sie zum Umkehren gezwungen. Ebenso werden die Passagiere in Autos von der Polizei kontrolliert (Asia Pacific 30.1.2018).

Taliban

Der UN zufolge versuchten die Taliban weiterhin von ihnen kontrolliertes Gebiet zu halten bzw. neue Gebiete unter ihre Kontrolle zu bringen - was zu einem massiven Ressourcenverbrauch der afghanischen Regierung führte, um den Status-Quo zu halten. Seit Beginn ihrer Frühjahrsoffensive unternahmen die Taliban keine größeren Versuche, um eine der Provinzhauptstädte einzunehmen. Dennoch war es ihnen möglich kurzzeitig mehrere Distriktzentren einzunehmen (SIGAR 30.10.2017):

Die Taliban haben mehrere groß angelegte Operationen durchgeführt, um administrative Zentren einzunehmen und konnten dabei kurzzeitig den Distrikt Maruf in der Provinz Kandahar, den Distrikt Andar in Ghazni, den Distrikt Shib Koh in der Farah und den Distrikt Shahid-i Hasas in der Provinz Uruzgan überrennen. In allen Fällen gelang es den afghanischen Sicherheitskräften die Taliban zurück zu drängen - in manchen Fällen mit Hilfe von internationalen Luftangriffen. Den afghanischen Sicherheitskräften gelang es, das Distriktzentrum von Ghorak in Kandahar unter ihre Kontrolle zu bringen - dieses war seit November 2016 unter Talibankontrolle (UN GASC 20.12.2017).

Im Rahmen von Sicherheitsoperationen wurden rund 30 Aufständische getötet; unter diesen befand sich - laut afghanischen Beamten - ebenso ein hochrangiger Führer des Haqqani-Netzwerkes (Tribune 24.11.2017; vgl. BS 24.11.2017). Das Haqqani-Netzwerk zählt zu den Alliierten der Taliban (Reuters 1.12.2017).

Aufständische des IS und der Taliban bekämpften sich in den Provinzen Nangarhar und Jawzjan (UN GASC 20.12.2017). Die tatsächliche Beziehung zwischen den beiden Gruppierungen ist wenig nachvollziehbar - in Einzelfällen schien es, als ob die Kämpfer der beiden Seiten miteinander kooperieren würden (Reuters 23.11.2017).

Provinz Herat

Herat ist eine der größten Provinzen Afghanistans und liegt im Westen des Landes. Herat grenzt im Norden an die Provinz Badghis und Turkmenistan, im Süden an die Provinz Farah, im Osten an die Provinz Ghor und im Westen an den Iran. Die Provinz ist in folgende Bezirke eingeteilt, die gleichzeitig auch die administrativen Einheiten bilden: Shindand, Engeel, Ghorian, Guzra und Pashtoon Zarghoon, werden als Bezirke der ersten Stufe angesehen. Awba, Kurkh, Kushk, Gulran, Kuhsan, Zinda Jan und Adraskan als Bezirke zweiter Stufe und Kushk-i-Kuhna, Farsi, und Chisht-i-Sharif als Bezirke dritter Stufe (o.D.q). Provinzhauptstadt ist Herat City, mit etwa 477.452 Einwohner/innen (UN OCHA 26.08.2015; vgl. auch: Pajhwok 30.11.2016). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.928.327 geschätzt (CSO 2016).

Herat ist eine vergleichsweise entwickelte Provinz im Westen des Landes. Sie ist auch ein Hauptkorridor menschlichen Schmuggels in den Iran - speziell was Kinder betrifft (Pajhwok 21.01.2017).

Im Zeitraum 01.09.2015 - 31.05.2016 wurden in der Provinz Herat 496 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert (EASO 11.2016).

Herat wird als einer der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in abgelegenen Distrikten der Provinz aktiv (Khaama Press 02.01.2017; vgl. auch: RFE/RL 06.10.2016; Press TV 30.07.2016; IWPR 14.06.2014). Regierungsfeindliche Aufständische greifen regelmäßig heilige Orte wie Moscheen an. In den letzten Monaten haben eine Anzahl von Angriffen, gezielt gegen schiitische Muslime, in Hauptstädten, wie Kabul und Herat stattgefunden (Khaama Press 02.01.2017).

In der Provinz werden militärische Operationen durchgeführt um manche Gegenden von Aufständischen zu befreien (Khaama Press 18.01.2017; Khaama Press 15.01.2017). Zusammenstöße zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen finden statt (AAN 11.01.2017).

Das afghanische Institut für strategische Studien (AISS) hat die alljährliche Konferenz "Herat Sicherheitsdialog" (Herat Security Dialogue - HSD) zum fünften Mal in Herat abgehalten. Die zweitägige Konferenz wurde von hochrangigen Regierungsbeamten, Botschafter/innen, Wissenschaftlern, Geschäftsleuten und Repräsentanten verschiedener internationaler Organisationen, sowie Mitgliedern der Presse und der Zivilgesellschaft besucht (ASIS 17.10.2016).

Schiiten

Die Bevölkerung schiitischer Muslime wird auf 10-19% geschätzt (AA 9.2016; vgl. auch: CIA 21.10.2016). Zu der schiitischen Bevölkerung zählen die Ismailiten und die ethnischen Hazara (USDOS 10.8.2016). Die meisten Hazara Schiiten gehören der Jafari-Sekte (Zwölfer-Sekte) an. Im letzten Jahrhundert ist allerdings eine Vielzahl von Hazara zur Ismaili-Sekte übergetreten. Es gibt einige Hazara-Gruppen, die zum sunnitischen Islam konvertierten. In Uruzgan und vereinzelt in Nordafghanistan sind einige schiitische Belutschen (BFA Staatendokumentation 7.2016).

Auseinandersetzungen zwischen Sunniten und Schiiten sind in Afghanistan selten. Sowohl im Rat der Religionsgelehrten (Ulema), als auch im Hohen Friedensrat sind Schiiten vertreten; beide Gremien betonen, dass die Glaubensausrichtung keinen Einfluss auf ihre Zusammenarbeit habe (AA 9.2016). Afghanische Schiiten und Hazara sind dazu geneigt weniger religiös und gesellschaftlich offener zu sein, als ihre religiösen Brüder im Iran (CRS 08.11.2016).

Die Situation der afghanisch schiitisch-muslimischen Gemeinde hat sich seit dem Ende des Taliban-Regimes wesentlich gebessert (USCIRF 30.04.2015). Beobachtern zufolge ist die Diskriminierung gegen die schiitische Minderheit durch die sunnitische Mehrheit zurückgegangen; dennoch gab es Berichte zu lokalen Vorfällen (USDOS 10.08.2016).

Afghanischen Schiiten ist es möglich ihre Feste öffentlich zu feiern - manche Paschtunen sind über die öffentlichen Feierlichkeiten verbittert, was gelegentlich in Auseinandersetzungen resultiert (CRS 08.11.2016). Im November 2016, hat ein Kämpfer der IS-Terrormiliz, während einer religiösen Zeremonie in der Bakir-al-Olum-Moschee - einer schiitischen Moschee in Kabul - am schiitischen Feiertag Arbain, einen Sprengstoffanschlag verübt (Tolonews 22.11.2016; vgl. auch: FAZ 21.11.2016). Bei diesem Selbstmordanschlag sind mindestens 32 Menschen getötet und 80 weitere verletzt worden (Khaama Press 22.11.2016). In Kabul sind die meisten Moscheen trotz Anschlagsgefahr nicht besonders geschützt (FAZ 21.11.2016). Am 23. Juli 2016 wurde beim schwersten Selbstmordanschlag in der afghanischen Geschichte die zweite Großdemonstration der Enlightenment-Bewegung durch den ISKP angegriffen. Es dabei starben über 85 Menschen, rund 240 wurden verletzt. Dieser Schlag richtete sich fast ausschließlich gegen Schiiten (AA 9.2016).

Einige Schiiten bekleiden höhere Ämter (CRS 08.11.2016); sowie andere Regierungsposten. Schiiten verlautbarten, dass die Verteilung von Posten in der Regierung die Demographie des Landes nicht adäquat berücksichtigte. Das Gesetz schränkt sie bei der Beteiligung am öffentlichen Leben nicht ein - dennoch verlautbarten Schiiten - dass die Regierung die Sicherheit in den Gebieten, in denen die Schiiten die Mehrheit stellten, vernachlässigte. Hazara leben hauptsächlich in den zentralen und westlichen Provinzen, während die Ismailiten hauptsächlich in Kabul, den zentralen und nördlichen Provinzen leben (USDOS 10.08.2016).

Unter den Parlamentsabgeordneten befinden sich vier Ismailiten. Manche Mitglieder der ismailitischen Gemeinde beschweren sich über Ausgrenzung von Position von politischen Autoritäten (USDOS 10.08.2015).

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers und zu seiner Herkunft ergeben sich aus den Aussagen des Beschwerdeführers im Verfahren.

Der Sachverhalt in Bezug auf die Gründe für das Verlassen Afghanistans basiert auf dem gleichbleibenden Vorbringen des Beschwerdeführers während des gesamten Verfahrens. Aus seiner Aussage, dass seine Familie Afghanistan wegen der schlechten Sicherheitslage verlassen hat, kann in Zusammenschau mit der Quellenlage keine maßgeblich wahrscheinliche individuelle Verfolgungsgefahr des Beschwerdeführers abgeleitet werden. Dies gilt auch für die Angaben des Beschwerdeführers zur Angst des Vaters, dass die zum Zeitpunkt der Ausreise sieben oder acht Jahre alte Schwester des Beschwerdeführers in Afghanistan entführt werden könnte. Dazu gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, dass zur Zeit der Ausreise der Familie vermehrt Mädchen entführt worden seien, woraus aber ebenso wenig auf eine konkrete individuelle Bedrohungssituation geschlossen werden kann, zumal eine bereits erfolgte zielgerichtete Bedrohung der Schwester des Beschwerdeführers auch im gesamten Verfahren nicht vorgebracht wurde.

Konkrete gegen ihn gerichtete Verfolgungshandlungen in Afghanistan hat der Beschwerdeführer nicht geltend gemacht. Auf Nachfrage in der Verhandlung verneinte der Beschwerdeführer die Frage, ob seine Familie in Afghanistan konkrete Probleme oder Feindschaften hat, explizit.

Das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers reduzierte sich ausschließlich auf seine Lage im Iran, wo der Beschwerdeführer die meiste Zeit seines Lebens lebte. Es kann auch in Anbetracht der Aussagen des Beschwerdeführers nicht davon ausgegangen werden, dass gerade der Beschwerdeführer in Afghanistan verfolgt werden würde, um nach Syrien in den Krieg geschickt zu werden. Seine vorgebrachte Befürchtung, von Personen, welche ihn im Iran nach Syrien schicken wollten, verfolgt zu werden, vermochte er nicht plausibel und nicht hinreichend substantiiert darzutun. Auch die Behauptung, wegen Verrats von diesen Leuten gesucht zu werden, weil er deren Vertrauen missbraucht habe, stellte er lediglich vage in den Raum und ließ sich dieser nicht nachvollziehbar entnehmen, warum gerade an seiner Person ein solches Interesse bestehen sollte, dass er in Afghanistan gesucht werden würde. In der Beschwerde wurde in dem Zusammenhang lediglich angeführt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan leicht auffindbar sei, ohne aber weitere Konkretisierungen in seinem Vorbringen vorzunehmen. Eine persönliche Bedrohung des Beschwerdeführers in Afghanistan lässt sich daraus insgesamt nicht ableiten und erscheint nicht wahrscheinlich.

Auch in Zusammenschau mit der Quellenlage kann keine individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers in Afghanistan erkannt werden.

2.2. Die fallbezogenen Feststellungen zur Lage in Afghanistan stützen sich auf das dem Parteiengehör unterworfene Länderinformationsblatt der Staatendokumentation in der aktualisierten Fassung vom 30.01.2018 und beruhen auf einer Vielzahl von jeweils angeführten verschiedenen, voneinander unabhängigen Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen. In ihrer Kernaussage bieten diese Dokumentationen ein stimmiges und einheitliches Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche und besteht daher für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der darin getroffenen Länderfeststellungen zu zweifeln. Insofern bietet das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan eine ausreichende Entscheidungsgrundlage im gegenständlichen Fall und brauchen weitere Berichte nicht herangezogen werden beziehungsweise braucht auf die weiteren in die Verhandlung einbezogenen Länderberichte nicht näher eingegangen zu werden. Der Beschwerdeführer bzw. sein Vertreter ist den Länderberichten nicht (substantiiert) entgegengetreten.

Insoweit den Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat Berichte älteren Datums zugrunde liegen, ist auszuführen, dass sich seither die darin angeführten Umstände unter Berücksichtigung der dem Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen vorliegenden Berichte aktuelleren Datums für die Beurteilung der gegenwärtigen Situation nicht wesentlich geändert haben. So hat sich insbesondere auch seit der Verhandlung auf Basis der aktuellen Quellenlage, vor allem des Länderinformationsblattes vom 23.11.2018, die Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht wesentlich verändert beziehungsweise nicht in einer Weise verändert, die für den Beschwerdeführer asylrechtlich entscheidungsrelevant wäre.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG 2005 kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn 1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder 2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 ist die Entscheidung, mit der einem Fremden von Amts wegen oder auf Grund eines Antrags auf internationalen Schutz der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird, mit der Feststellung zu verbinden, dass diesem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention definiert, dass als Flüchtling im Sinne dieses Abkommens anzusehen ist, wer aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, sich außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde. (vgl. jüngst VwGH 05.08.2015, Ra 2015/18/0024, mit Verweis auf VwGH 12.11.2014, Ra 2014/20/0069).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. VwGH 13.09.2016, Ra 2016/01/0054). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, die Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt; sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet. Relevant kann aber nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr sein. Für die Asylgewährung ist entscheidend, ob der Asylwerber im Zeitpunkt der Entscheidung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen rechnen muss (VwGH 09.03.1999, 98/01/0318; VwGH 22.02.2017, Ra 2016/19/0238, mit Verweis auf den Beschluss des VwGH vom 13.12.2016, Ro 2016/20/0005, mwN).

Eine Verfolgung, d.h. ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen, kann weiters nur dann asylrelevant sein, wenn sie aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen (Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung) erfolgt, und zwar sowohl bei einer unmittelbar von staatlichen Organen ausgehenden Verfolgung als auch bei einer solchen, die von Privatpersonen ausgeht. Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen oder privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (vgl. etwa VwGH 21.04.2011, 2011/01/0100, mwN). Eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat hingegen nur dann asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (vgl. etwa VwGH 26.11.2014, Ra 2014/19/0059, mwN). (VwGH 18.11.2015, Ra 2014/18/0162)

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Entscheidend für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht, ist vielmehr, ob für einen von dritter Seite aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen Verfolgten trotz staatlichen Schutzes der Eintritt eines - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteiles aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (22.03.2000, 99/01/0256; VwGH 06.07.2011, 2008/19/0994, mit Verweis auf VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191, mwN).

3.2. Ausgehend von diesen rechtlichen Voraussetzungen ergibt sich im Fall des Beschwerdeführers keine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe:

Der Beschwerdeführer hat weder konkrete individuelle Verfolgungshandlungen noch eine Verfolgungsgefahr in seinem Herkunftsstaat Afghanistan nachvollziehbar dargetan.

Die Gründe für das Verlassen Afghanistans der Familie des Beschwerdeführers (schlechte Sicherheitslage und Angst vor der Entführung der Schwester des Beschwerdeführers) lassen nicht auf eine asylrelevante Verfolgung des Beschwerdeführers schließen.

Die vorgebrachte Angst des Beschwerdeführers, von Personen, welche ihn im Iran nach Syrien schicken wollten, verfolgt und auch in Afghanistan gesucht und gefunden zu werden, ist nicht begründet. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass eine Verfolgung in diesem Zusammenhang mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht. Die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung ist gemäß der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht ausreichend.

Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides war sohin abzuweisen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A) wiedergegeben. Die Frage der Asylrelevanz im Sinne des § 3 AsylG erfordert eine ganzheitliche Bewertung der Gefahren und hat sich auf die persönliche Situation des Betroffenen in Relation zur allgemeinen Menschenrechtslage im Zielstaat zu beziehen. Bei derartigen Gefahrenprognosen handelt es sich letztlich um einzelfallbezogene Beurteilungen, die im Allgemeinen nicht revisibel sind (vgl. VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404; VwGH 18.03.2016, Ra 2015/01/0255; VwGH 12.10.2016, Ra 2016/18/0039).

Es war somit insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Asylantragstellung, asylrechtlich relevante Verfolgung,
Asylverfahren, begründete Furcht vor Verfolgung, Bürgerkrieg,
erhebliche Intensität, Fluchtgründe, Glaubhaftmachung, individuelle
Verfolgungsgefahr, Krieg, maßgebliche Wahrscheinlichkeit, mündliche
Verhandlung, Nachvollziehbarkeit, Unzumutbarkeit, Verfolgungsgefahr,
Verfolgungshandlung, wohlbegründete Furcht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W126.2155075.1.00

Zuletzt aktualisiert am

22.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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