Entscheidungsdatum
09.01.2019Norm
BVergG 2006 §12 Abs1 Z2Spruch
W138 2209653-2/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Klaus HOCHSTEINER als Vorsitzenden sowie Mag. Franz PACHNER als fachkundigen Laienrichter der Auftraggeberseite und MMag. Dr. Christoph WIESINGER als fachkundigen Laienrichter der Auftragnehmerseite über den Antrag der XXXX, vertreten durch Leitner Trischler Rechtsanwälte, Lindengasse 38/3, 1070 Wien vom 16.11.2018 betreffend das Vergabeverfahren "Flächendesinfektionsmittel, PrNr 2018-18" der Auftraggeberin Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert-Stifter-Straße 65, 1200 Wien, vertreten durch Schramm Öhler Rechtsanwälte OG, Bartensteingasse 2, 1010 Wien nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:
A) Das Bundesverwaltungsgericht weist den Antrag der XXXX, das Bundesverwaltungsgericht möge nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung das Ausscheiden des Angebotes der Antragstellerin für nichtig erklären, ab.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Vorbringen der Parteien/Verfahrensgang:
Mit Schriftsatz vom 16.11.2018, beim Bundesverwaltungsgericht am selben Tag eingelangt, stellte die Antragstellerin das im Spruch ersichtliche Begehren iVm. einem Antrag auf Akteneinsicht in den Vergabeakt, auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung, auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung und auf Ersatz der entrichteten Pauschalgebühren durch die Auftraggeberin. Begründend führte die Antragstellerin zusammengefasst im Wesentlichen folgendes aus:
Das gegenständliche Vergabeverfahren werde als offenes Verfahren im Oberschwellenbereich geführt. Angefochten werde die Ausscheidensentscheidung betreffend die Angebote der Antragstellerin zu Los 3 und zu Los 4. Bei der Antragstellerin handle es sich um ein Unternehmen, welches im Bereich Lieferung von Hygienepapier und Desinfektionsmittel tätig sei. Im gegenständlichen Vergabeverfahren habe die Antragstellerin für mehrere Lose Angebote gelegt.
Mit Schreiben vom 08.11.2018 sei die Antragstellerin darüber informiert worden, dass die Angebote betreffend die Lose 3 und 4 gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG 2006 wegen Nichterfüllung von Mindest- bzw. Mussanforderungen ausgeschieden würden. Die Angebote der übrigen Bieter seien im Vergabeverfahren verblieben. Dies sei jedoch nicht deshalb erfolgt, weil die anderen Angebote ausschreibungskonform wären, sondern allein deshalb, weil die Prüfung der Angebote noch nicht abgeschlossen wäre. Dies führe dazu, dass das Angebot der Antragstellerin zeitlich vor den anderen Angeboten ausgeschieden worden sei. Ein Vergabefahren sei unter Gleichbehandlung aller Bieter zu führen. Die Ausscheidensentscheidung gegenüber der Antragstellerin zeitlich vor den übrigen Bietern sei willkürlich. Durch das zeitliche frühere Ausscheiden sei die Antragstellerin beschwert. Die Zuschlagsentscheidung sei nur den im Vergabeverfahren verbliebenen Bietern mitzuteilen. Dies bedeute, dass die Antragstellerin keinerlei Kenntnis von der Zuschlagsentscheidung erhalten würde. Hierzu wäre die Antragstellerin nach der Rechtsprechung des EuGH ungeachtet des allenfalls rechtskräftig ausgeschiedenen Angebots berechtigt. Dass alle anderen Angebote auch auszuscheiden sein würden, ergebe sich zwingend daraus, dass das von der Auftraggeberin gewünschte Produkt zu den Losen 3 und 4 faktisch nicht erhältlich sei.
Das gegenständliche Vergabeverfahren werde als Verfahren im Oberschwellenbereich geführt. Die Frist zur Einbringung eines Antrages auf Nachprüfung sei daher gewahrt. Die Antragstellerin sei ein erfolgreiches Unternehmen im Handel mit Hygienepapier und Desinfektionsmitteln. Das Interesse am Vertragsabschluss habe die Antragstellerin mit dem Herunterladen der Ausschreibungsunterlagen hinreichend bekundet. Darüber hinaus habe sie am 25.06.2018 über das Portal Fragen an die Auftraggeberin gerichtet. Im Wesentlichen drohe der Antragstellerin insofern ein Schaden, als das Vergabeverfahren zwingend zu widerrufen seien würde, zumal keine ausschreibungskonformen Angebote betreffend Los 3 und 4 gelegt worden seien. Durch die Vorgehensweise der Auftraggeberin entgingen der Antragstellerin Deckungsbeiträge und würde sie ein namhaftes Referenzprojekt verlieren. Pauschalgebühren seien in ordnungsmäßiger Höhe entrichtet worden. Überdies beantragte die Antragstellerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung.
Am 21.11.2018 erteilte die Auftraggeberin allgemeine Auskünfte zum Vergabeverfahren und äußerte sich zum Antrag auf Erlassung der einstweiligen Verfügung.
Am 23.11.2018 nahm die Auftraggeberin zum Nachprüfungsantrag Stellung. Nach Darstellung des Sachverhaltes führte sie im Wesentlichen aus, dass die Antragstellerin in ihrem Nachprüfungsantrag im Wesentlichen behaupte, dass die Auftraggeberin die Angebote der Antragstellerin zeitlich vor den Angeboten von anderen Bietern ausgeschieden hätte und dass die im Los 3 und Los 4 von der Auftraggeberin gewünschten Produkte nicht erhältlich seien.
Die Antragstellerin würde das Vorliegen von Ausscheidensgründen in ihren Angeboten in den Losen 3 und 4 inhaltlich nicht bestreiten, sondern lediglich den Zeitpunkt des Ausscheidens für willkürlich erachten. Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens wäre ausschließlich die Prüfung des Ausscheidens des Angebotes der Antragstellerin. Fakt wäre, dass das Angebot der Antragstellerin in Los 3 und Los 4 auszuscheiden gewesen sei. Das Angebot der Antragstellerin in Los 3 und Los 4 würde die bestandfesten Mindestanforderungen nicht erfüllen. Es widerspreche den bestandfesten Ausschreibungsunterlagen und wäre zwingend auszuscheiden. Die Antragstellerin selbst würde im Nachprüfungsantrag nicht behaupten, ein ausschreibungskonformes Angebot abgegeben zu haben. Die Auftraggeberin habe bei der Prüfung der Angebote sämtlicher Bieter den Grundsatz der Bietergleichbehandlung gewahrt.
In einer weiteren Stellungnahme vom 04.12.2018 führte die Antragstellerin im Wesentlichen aus, dass trotz Vorliegens von zwingenden Ausscheidensgründen betreffend Los 3 und Los 4 andere Angebote weiterer Bieter nicht ausgeschieden worden wären.
Es wäre ein Termin für die Produkttests der angebotenen Produkte von der Auftraggeberin auf den 19.12.2018 gesetzt worden. Weitere Bieter würden daher frühestens am 19.12.2018 ausgeschieden und würden die unterschiedlichen Zeitpunkte der Ausscheidensentscheidung per se eine Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes darstellen. Wenn nach der Judikatur sogar ein rechtskräftig ausgeschiedener Bieter zur Anfechtung der Zuschlagsentscheidung legitimiert sei, so müsse es umso mehr für den nicht rechtskräftig ausgeschiedenen Bieter im Zusammenhang mit der Anfechtung der Ausscheidensentscheidung gelten.
Am 12.12.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung statt. Auf Frage des Gerichtes an die Antragstellerin, ob die Gründe für das Ausscheiden der Angebote im Los 3 und Los 4 überhaupt bestritten würden, gab die Antragstellerin an, dass diese Gründe an sich nicht bestritten würden. Die Nichterfüllung der Musskriterien in den Losen 3 und 4 werde von der Antragstellerin außer Streit gestellt. Im Übrigen wurde auf das schriftliche Vorbringen verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Aufgrund der vorliegenden Stellungnahmen, der bezugnehmenden Beilagen, der vorgelegten Unterlagen des Vergabeverfahrens sowie der Ergebnisse der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wird folgender entscheidungserheblicher Sachverhalt festgestellt:
Die Auftraggeberin hat einen Lieferauftrag zur Beschaffung eines Flächendesinfektionsmittels im Oberschwellenbereich, der im Wege eines offenen Verfahrens nach dem Bestbieterprinzip in Los 1, 2, 5, 6 und 8 und dem Billigstbieterprinzip in Los 3, 4 und 7 vergeben werden soll, ausgeschrieben.
Die Bekanntmachung in Österreich ist am 06.06.2018 und in der EU am 05.06.2018 erfolgt. Die Angebotsfrist endete am 08.10.2018 um 11:00 Uhr. Die Antragstellerin überreichte fristgerecht Angebote insbesondere zu Los 3 und Los 4. Im Zuge der Angebotsprüfung stellte die Auftraggeberin Mängel im Angebot der Antragstellerin fest und ersuchte sie am 10.10.2018 um Aufklärung/Nachreichung. Ebenso ersuchte die Auftraggeberin andere Bieter am 10.10.2018 um Aufklärung/Nachreichung. Die Auftraggeberin prüfte die eingelangten Aufklärungen.
Als Ergebnis der Angebotsprüfung wurde nicht nur das Angebot der Antragstellerin im Los 3 und Los 4 ausgeschieden.
Am 08.11.2018 teilte die Auftraggeberin der Antragstellerin mit, dass das Angebot im Los 3 und Los 4 gemäß § 129 Abs. 1 Z 7 BVergG auszuscheiden ist. Auch anderen Bietern wurde am selben Tag mitgeteilt, dass die Angebote Ausscheidenstatbestände verwirklichen und auch diese Angebote ausgeschieden werden. Die Anfechtungsfrist der Ausscheidensentscheidungen endete am 19.11.2018.
Fristgerecht langte der gegenständliche Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ein.
Mit Beschluss des BVwG vom 23.11.2018, GZ: W138 2209653-1/2E wurde der Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.
Die Pauschalgebühren wurden von der Antragstellerin in korrekter Höhe entrichtet.
Am 12.12.2018 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt im Zuge welcher die Antragstellerin außer Streit stellte, dass ihre Angebote in Los 3 und Los 4 die bestandfest geforderten Musskriterien der Ausschreibung nicht erfüllen. Die Rechtskonformität des Ausscheidens der Angebote in Los 3 und Los 4 wurde von der Antragstellerin nicht bestritten. Durch Einsicht in den Vergabeakt konnte sich der Senat davon überzeugen, dass die Angebote der Antragstellerin zu Los 3 und Los 4 zwingende Musskriterien der Ausschreibung nicht erfüllten.
Es wurde weder ein Zuschlag erteilt, noch wurde eine Widerrufsentscheidung bekannt gegeben oder ein Widerruf erklärt.
2. Beweiswürdigung
Der Sachverhalt ergibt sich schlüssig aus den eingangs angeführten Beweismitteln. Bei der Beweiswürdigung haben sich gegen die Echtheit und Richtigkeit der vorliegenden Unterlagen des Vergabeverfahrens keine Bedenken ergeben. Die Feststellungen finden Deckung in den von den Verfahrensparteien eingebrachten Schriftsätzen, den bezugnehmenden Beilagen sowie den Vergabeunterlagen und den Angaben in der mündlichen Verhandlung. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde das Vorliegen von zwingenden Ausscheidensgründen bezüglich der Angebote der Antragstellerin in Los 3 und Los 4 von der Antragstellerin selbst außer Streit gestellt und ist daher das Vorliegen selbiger nicht weiter zu überprüfen.
3. Rechtliche Beurteilung
Anzuwendendes Recht
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes - BVwGG, BGBl I 2013/10 idgF, lauten:
"Einzelrichter
§ 6. Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist."
Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes - VwGVG, BGBl I 2013/33 idgF, lauten:
"Anwendungsbereich
§ 1. Dieses Bundesgesetz regelt das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes.
...
Erkenntnisse
§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) ..."
Die einschlägigen Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Vergabe von Aufträgen (Bundesvergabegesetz 2018 - BVergG 2018), BGBl I 2018/65 idgF, das die Bestimmungen über den Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht enthält und daher als lex specialis den Bestimmungen des VwGVG vorgeht, lauten:
"4. Teil
Rechtsschutz vor dem Bundesverwaltungsgericht
1. Hauptstück
Zuständigkeit, fachkundige Laienrichter, Ausschluss und Ablehnung
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
§ 327. Das Bundesverwaltungsgericht ist zuständig zur Entscheidung über Anträge wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens eines Auftraggebers in den Angelegenheiten des öffentlichen Auftragswesens, soweit es sich um Auftraggeber handelt, die gemäß Art. 14b Abs. 2 Z 1 B-VG in den Vollziehungsbereich des Bundes fallen.
Senatszuständigkeit und -zusammensetzung
§ 328. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet in den Angelegenheiten des § 327, soweit es sich nicht um die Entscheidung über einen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung eines Feststellungsantrags, über einen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung, die Entscheidung über den Gebührenersatz oder die Entscheidung über eine Verfahrenseinstellung nach Zurückziehung eines Nachprüfungs- oder Feststellungsantrages handelt, in Senaten.
(2) ...
2. Hauptstück
Besondere Bestimmungen über das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichtes
1. Abschnitt
Allgemeine Bestimmungen
Anzuwendendes Verfahrensrecht
§ 333. Soweit in diesem Bundesgesetz und im Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, nichts anderes bestimmt ist, sind die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles in den Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach diesem Bundesgesetz sinngemäß anzuwenden.
Zuständigkeit
§ 334. (1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Abschnittes über Anträge zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren (2. Abschnitt), zur Erlassung einstweiliger Verfügungen (3. Abschnitt) und zur Durchführung von Feststellungsverfahren (4. Abschnitt). Derartige Anträge sind unmittelbar beim Bundesverwaltungsgericht einzubringen.
(2) Bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zum Widerruf eines Vergabeverfahrens ist das Bundesverwaltungsgericht zum Zwecke der Beseitigung von Verstößen gegen dieses Bundesgesetz und die hierzu ergangenen Verordnungen oder von Verstößen gegen unmittelbar anwendbares Unionsrecht zuständig
1. zur Erlassung einstweiliger Verfügungen, sowie
2. zur Nichtigerklärung gesondert anfechtbarer Entscheidungen des Auftraggebers im Rahmen der vom Antragsteller geltend gemachten Beschwerdepunkte.
(3) ...
2. Abschnitt
Nachprüfungsverfahren
Einleitung des Verfahrens
§ 342. (1) Ein Unternehmer kann bis zur Zuschlagserteilung bzw. bis zur Widerrufserklärung die Nachprüfung einer gesondert anfechtbaren Entscheidung des Auftraggebers im Vergabeverfahren wegen Rechtswidrigkeit beantragen, sofern
1. er ein Interesse am Abschluss eines dem Anwendungsbereich dieses Bundesgesetzes unterliegenden Vertrages behauptet, und
2. ihm durch die behauptete Rechtswidrigkeit ein Schaden entstanden ist oder zu entstehen droht.
(2) ...
Parteien des Nachprüfungsverfahrens
§ 346. (1) Parteien des Nachprüfungsverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht sind jedenfalls der Antragsteller und der Auftraggeber. Soweit eine zentrale Beschaffungsstelle ein Vergabeverfahren oder Teile eines Vergabeverfahrens als vergebende Stelle durchführt, tritt sie als Partei des Nachprüfungsverfahrens an die Stelle des Auftraggebers. Der Auftraggeber kann, soweit die zentrale Beschaffungsstelle an seine Stelle tritt, dem Nachprüfungsverfahren als Nebenintervenient beitreten; §§ 17 Abs. 1, 18 Abs. 1 und 19 Abs. 1 ZPO sind sinngemäß anzuwenden. Wird ein Vergabeverfahren von mehreren Auftraggebern gemeinsam durchgeführt, so bilden die in der Ausschreibung genannten Auftraggeber eine Streitgenossenschaft im Nachprüfungsverfahren. Die Bestimmungen der §§ 14 und 15 ZPO sind sinngemäß anzuwenden.
(2) ...
Nichtigerklärung von Entscheidungen des Auftraggebers
§ 347. (1) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine im Zuge eines Vergabeverfahrens ergangene gesondert anfechtbare Entscheidung eines Auftraggebers mit Erkenntnis für nichtig zu erklären, wenn
1. sie oder eine ihr vorangegangene nicht gesondert anfechtbare Entscheidung im Rahmen der geltend gemachten Beschwerdepunkte rechtswidrig ist und
2. die Rechtswidrigkeit für den Ausgang des Vergabeverfahrens von wesentlichem Einfluss ist.
(2) ...
Inkrafttretens-, Außerkrafttretens- und Übergangsvorschriften
§ 376. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit Ausnahme der Einträge im Inhaltsverzeichnis zu den §§ 62, 66, 232, 237, 367 und 368 und der §§ 54 Abs. 2, 62 samt Überschrift, 66 samt Überschrift, 223 Abs. 2, 232 samt Überschrift, 237 samt Überschrift, 367 samt Überschrift, 368 samt Überschrift und des 2. Abschnittes von Anhang VIII samt Überschrift mit dem der Kundmachung folgenden Tag in Kraft. Zugleich tritt das Bundesvergabegesetz 2006 - BVergG 2006, BGBl. I Nr. 17/2006, außer Kraft.
(2) ...
(4) Für das Inkrafttreten der durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 65/2018 neu gefassten Bestimmungen gilt Folgendes: Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 bereits eingeleiteten Vergabeverfahren sind nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Die im Zeitpunkt des In- bzw. Außerkrafttretens gemäß Abs. 1 und 2 beim Bundesverwaltungsgericht anhängigen Verfahren sind vom Bundesverwaltungsgericht nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Hinsichtlich der Vergabeverfahren, die zum Zeitpunkt gemäß Abs. 1 und 2 bereits beendet sind, richtet sich die Durchführung von Feststellungsverfahren nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage.
Formale Voraussetzungen
Maßgebliche Rechtslage
Am 21. August 2018 trat das BVergG 2018 nach seinem § 376 Abs 1 in Kraft und das BVergG 2006 zu diesem Zeitpunkt außer Kraft.
Nach § 376 Abs 4 BVergG 2018 sind Vergabeverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 eingeleitet waren, nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage zu Ende zu führen. Da das gegenständliche Vergabeverfahren im Juni 2018 eingeleitet wurde, ist es nach der zu diesem Zeitpunkt geltenden Rechtslage, dem BVergG 2006, zu Ende zu führen und zu beurteilen.
Nach § 376 Abs 4 BVergG 2018 sind Nachprüfungsverfahren, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des BVergG 2018 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig waren, nach der nach der zum Zeitpunkt der Einleitung des jeweiligen Vergabeverfahrens geltenden Rechtslage fortzuführen. Da das gegenständliche Nachprüfungsverfahren nach diesem Zeitpunkt eingeleitet wurde, ist es nach der Rechtslage des BVergG 2018 zu führen.
Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes
Auftraggeberin im Sinne des § 2 Z 8 BVergG ist die Allgemeine Unfallversicherungsanstalt. Sie ist öffentliche Auftraggeberin gemäß § 3 Abs. 1 Z 2 BVergG (ständige Rechtsprechung z.B. BVA 08.03.2013, N/0124-BVA/02/2012-32; BVwG vom 22.09.2014, W187 2010665-2). Bei der gegenständlichen Ausschreibung handelt es sich gemäß § 5 BVergG um einen Lieferauftrag. Der geschätzte Auftragswert liegt jedenfalls über dem relevanten Schwellenwert des § 12 Abs. 1 Z 2 BVergG, sodass gemäß § 12 Abs. 3 BVergG ein Vergabeverfahren im Oberschwellenbereich vorliegt.
Der gegenständliche Beschaffungsvorgang liegt somit im sachlichen und persönlichen Geltungsbereich und damit im Vollanwendungsbereich des BVergG. Die allgemeine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zur Überprüfung des Vergabeverfahrens und zur Durchführung von Nachprüfungsverfahren entsprechend § 334 Abs 2 BVergG 2018 iVm Art 14b Abs 2 Z 1 lit b B-VG ist sohin gegeben.
Da darüber hinaus laut Stellungnahme der Auftraggeberin das Vergabeverfahren nicht widerrufen und der Zuschlag noch nicht erteilt wurde, ist das Bundesverwaltungsgericht damit gemäß § 334 Abs 2 BVergG 2018 zur Nichtigerklärung rechtswidriger Entscheidungen des Auftraggebers zuständig.
Zulässigkeit des Nachprüfungsantrages
Schließlich geht das Bundesverwaltungsgericht vorläufig davon aus, dass der Antragstellerin die Antragsvoraussetzungen nach § 342 Abs 1 BVergG 2018 nicht offensichtlich fehlen. Der Nachprüfungsantrag wurde damit rechtzeitig eingebracht. Er enthält alle in § 344 Abs 1 BVergG 2018 geforderten Inhalte.
Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass der Nachprüfungsantrag gemäß § 344 Abs 1 BVergG 2018 zulässig ist, wobei auch kein Grund für die Unzulässigkeit des § 344 Abs 2 BVergG 2018 vorliegt.
Zu Spruchpunkt A) - Inhaltliche Beurteilung des Nachprüfungsantrags
Der Antragstellerin wurde mit Schreiben der Auftraggeberin vom 08.11.2018 das Ausscheiden der Angebote in Los 3 und Los 4 mitgeteilt.
Das Vorliegen von zwingenden Ausscheidensgründen in Los 3 und Los 4 wurde von der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung außer Streit gestellt. Somit richtet sich der gegenständliche Nachprüfungsantrag zum Zeitpunkt der Entscheidung inhaltlich gar nicht gegen das Ausscheiden der Angebote in Los 3 und Los 4.
Im Wesentlichen sieht sich die Antragstellerin durch das von ihr vermutete frühere Ausscheiden ihres Angebotes als beschwert an.
Die gesondert anfechtbare Entscheidung des Ausscheidens des Angebotes gemäß § 2 Z 16 lit. A sublit. aa BVergG 2006 ist somit gar nicht verfahrensgegenständlich.
Bezüglich der weiteren Überlegungen der Antragstellerin, dass in einer Konstellation, wie in der gegenständlichen, es gleichheitswidrig wäre, wenn ein Angebot eines Bieters zeitlich vor den Angeboten anderer Bieter ausgeschieden würde bzw., dass das BVwG verpflichtet wäre, das Vorliegen von allfälligen Ausscheidensgründen bei von der Auftraggeberin noch gar nicht ausgeschiedenen Angeboten zu prüfen, ist wie folgt festzuhalten.
Die Frage der Zulässigkeit des tatsächlich erfolgten Ausscheidens eines Angebotes bildet die Hauptfrage des Nachprüfungsverfahrens über die in der Sache zu entscheiden ist (VwGH vom 25.03.2014, Ra 2014/04/0001; VwGH 12.09.2007, 2005/04/0181). Das Vorliegen von zwingenden Ausscheidensgründen in ihren Angeboten zu Los 3 und Los 4 wird von der Antragstellerin nicht bestritten. Im Erkenntnis vom 01.02.2017, Ro 2014/04/0069 führte der VwGH zur Antragslegitimation auf Grundlage der Rechtsprechung des EuGH im Urteil "VAMED" aus, dass nach diesem Urteil einem Bietern, der durch eine rechtskräftig gewordene Entscheidung des öffentlichen Auftraggebers von einem Verfahren zur Vergabe eines öffentlichen Auftrages ausgeschlossen wurde, der Zugang zu einer Nachprüfung der Zuschlagsentscheidung für den betreffenden öffentlichen Auftrag und des Vertragsschlusses verwehrt werden kann, auch wenn nur er und der Zuschlagsempfänger Angebote abgegeben haben und der ausgeschlossene Bieter vorbringt, dass auch das Angebot des Zuschlagsempfängers hätte ausgeschlossen werden müssen.
Umgelegt auf den gegenständlichen Fall hatte die Antragstellerin aufgrund des gestellten Nachprüfungsantrages die Möglichkeit der Anfechtung der Ausscheidensentscheidung nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 89/665/EWG und die Ausscheidensentscheidung wurde nach Art. 2a Abs. 2 der RechtsmittelRL von einer unabhängigen Nachprüfungsstelle, dem BVwG, geprüft. Wenn also das Angebot der Antragstellerin rechtsrichtig aus dem Vergabeverfahren ausgeschieden wurde, woran aufgrund der Außerstreitstellung durch die Antragstellerin nicht zu zweifeln ist, kommt ihr keine Antragslegitimation hinsichtlich der nachfolgenden Zuschlagsentscheidung zu. Diesbezüglich wird auch auf den Beschluss des VwGH vom 07.03.2017, Ro 2014/04/0067 verwiesen. Die vom VwGH geäußerte Sichtweise wurde auch vom EuGH mit Urteil vom 11.05.2017, C-131/16 neuerlich bestätigt.
Für den erkennenden Senat ist aus keiner der von der Antragstellerin herangezogenen Entscheidungen ableitbar, dass es der Nachprüfungsinstanz obliegen würde, sämtliche Angebote eines Vergabefahrens auf das Vorliegen von Ausscheidensgründen amtswegig zu überprüfen.
Auch die von der Antragstellerin behauptete gleichheitswidrige Vorgehensweise der Auftraggeberin ist für den erkennenden Senat nicht zu ersehen. Ob auch Angebote anderer Bieter im gegenständlichen Verfahren ausschreibungskonform sind oder nicht, ist nicht Gegenstand des gegenständlichen Nachprüfungsverfahrens. Gegenstand eines Nachprüfungsverfahrens betreffend das Ausscheiden des Angebotes ist alleine die Frage, ob das Angebot der Antragstellerin vom Auftraggeber zu Recht ausgeschieden wurde. Es ist nicht Aufgabe einer Nachprüfungsinstanz die objektive Rechtmäßigkeit des Vergabeverfahrens schlechthin zu überprüfen. Fest steht, dass das Angebot der Antragstellerin zu Recht ausgeschieden wurde. Der Nachprüfungsantrag war daher spruchgemäß abzuweisen.
Über den Antrag auf Gebührenersatz wird gesondert entschieden.
Zu Spruchpunkt B) - Unzulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Dabei wird auf die wiedergegebene Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, des Europäischen Gerichtshofes, des Bundesverwaltungsgerichts und des Bundesvergabeamtes verwiesen.
Schlagworte
Angebot ausschreibungswidrig, Antragslegimitation, Ausscheiden einesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W138.2209653.2.00Zuletzt aktualisiert am
22.03.2019