TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/14 W123 2132146-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.01.2019
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Entscheidungsdatum

14.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W123 2132146-2/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.03.2018, Zl. 1067850602-150479716, nach Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Paschtunen, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 09.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In seiner Erstbefragung am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er aus der Provinz Nangarhar stamme.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass sein Vater in seinem Heimatdorf der Stammesälteste gewesen sei und an Friedensgesprächen zwischen Regierungsbeamten und den Taliban teilgenommen habe. Er sei immer wieder nachts von den Taliban aufgesucht und dazu aufgefordert worden, nicht mehr für die Regierung und für ausländische Mitarbeiter der NGO's zu arbeiten. Eines Nachts, als der Beschwerdeführer bei seinem Onkel übernachtet habe, seien ca. 20 Taliban in das Haus eingedrungen. Der älteste Bruder des Beschwerdeführers namens Amin habe einem Mann die Waffe weggenommen und sei daraufhin erschossen worden. Diese Männer hätten den Vater des Beschwerdeführers mitgenommen. Am nächsten Morgen sei seine Mutter zum Haus des Onkels gekommen sowie habe diesem von dem Vorfall berichtet und diesen gebeten, den Beschwerdeführer außer Landes zu bringen.

3. In seiner Einvernahme vor der belangten Behörde am 28.01.2016 führte der Beschwerdeführer im Wesentlichen aus, dass er am XXXX geboren worden sei und nicht am 09.04.1988. Er stamme aus der Provinz Nangarhar, Distrikt XXXX, Dorf XXXX. Dort habe der Beschwerdeführer mit seinen Eltern, seinen sieben Brüdern und seinen zwei Schwestern gelebt.

Im Zuge der Einvernahme brachte der Beschwerdeführer seinen afghanischen Reisepass und seine Tazkira im Original in Vorlage.

Zu seinen Fluchtgründen erneut befragt, gab der Beschwerdeführer wortwörtlich Folgendes an:

"[...] LA: Haben Sie bei den vorangegangen Befragungen und Einvernahmen der Wahrheit entsprechenden Angaben gemacht und wurden Ihnen diese Angaben rückübersetzt und richtig protokolliert?

VP: Ja. Ich habe die Wahrheit gesagt, die vorangegangenen Befragungen und Einvernahmen wurden rückübersetzt und richtig protokolliert. Ich glaube aber, dass zwecks meines Geburtsdatums sich der Polizist vertippt hat. Mein richtiges Geburtsdatum wäre der XXXX.

(Anm.: Dem AW wird mitgeteilt, dass eine etwaige Änderung des Geburtsdatums nur nach Echtheitsüberprüfung des vorgelegten afghanischen Reisepasses erfolgen kann.)

[...]

LA: Was waren Ihre persönlichen Beweggründe, Afghanistan zu verlassen? Schildern Sie die Gründe für Ihre Ausreise so konkret und detailliert wie möglich, sodass diese auch für Außenstehende nachvollziehbar sind.

VP: Die Regierung wollte dass mein Vater an den Friedensgesprächen teilnimmt und eine Gruppe von XXXX aufstellt damit diese gegen die Taliban kämpfen. Mein Vater hat den Regierungsleuten gesagt, er würde das mit dem Stamm besprechen. Nach dem Freitagsgebet hat er das mit den Leuten besprochen ob sie bereit wären so eine Gruppe aufzustellen um gegen die Taliban zu kämpfen. Die Leute sagten es wäre nicht so einfach die Taliban als Feinde zu haben. Dann sind die Taliban zu meinem Vater gekommen und haben ihm gesagt, dass er nicht mehr zulassen sollte, dass die amerikanischen NGOs hierher kommen und für die Leute Brunnen graben und ihnen helfen. Weiters soll er den Jugendlichen verbieten mit der Regierung zusammenzuarbeiten und für die gefallenen Regierungssoldaten, Polizisten und Regierungsbeamten Trauergebete abzuhalten.

LA: Wann haben Sie den Entschluss gefasst das Land zu verlassen?

VP: Nachdem wir angegriffen worden sind, mein Bruder erschossen wurde und sie meinen Vater mitgenommen haben, habe ich meinen Bruder beerdigt und habe eine Nach wo anders verbracht. Am Tag darauf hat mich meine Mutter meinem Onkel mütterlicherseits übergeben. Dieser hat mich weggebracht und dem Schlepper übergeben.

LA: Wann wurde denn Ihr Vater Dorfältester?

VP: Ich war noch sehr jung als er Dorfältester wurde.

Befragt, ich bin jetzt siebzehn Jahre alt, aber seitdem ich denken kann, war mein Vater Dorfältester. Seit meiner Kindheit.

LA: Mit welchen NGOs hat denn Ihr Vater zusammengearbeitet?

VP: Mein Vater hat nicht mit den NGOs zusammengearbeitet, sondern diese sind zu uns gekommen und haben sich von meinem Vater beraten lassen und haben Ratschläge geholt, zB. wo was gebraucht wird oder gemacht gehört.

Frage wird wiederholt.

VP: Es gab eine NGO die UN geheißen hat, die hat Öl und Kekse in den Schulen verteilt. Eine andere NGO hieß wie DIA und die hat für die Leute Hühnerfarmen gebaut.

Befragt, die haben wohltätige Sachen gemacht, damit die Leute eine Arbeit haben. Zum Beispiel haben sie für Arbeitslose Projekte wie diese Hühnerfarmen realisiert, damit diese Leute Arbeit haben. Diese Hilfe war einmalig, jeder hat nur einmal diese Unterstützung bekommen.

LA: Für was steht denn die Abkürzung UN?

VP: Ich weiß nicht, auf den Autos stand immer UN. Die haben für die Leute auch immer Wasserpumpen gebaut. Das waren Ausländer.

LA: Während der Erstbefragung haben Sie von einfachen Keksverteilungen nichts erwähnt, sondern haben vorgebracht dass Ihr Vater dafür gesorgt hätte, dass 24 Schulen im Distrikt XXXX wieder den Betrieb aufnehmen. Wie kommen Sie zu der Aussage, dass Ihr Vater nicht mit den NGOs zusammengearbeitet hat sondern nur beraten hätte? Erklären Sie sich!

VP: Ja, mein Vater hat die Schulen aufgemacht. Deswegen hat er auch die Drohbriefe bekommen.

LA: Wie viel Drohbriefe hat er bekommen?

VP: Als ich nach der Schule nach Hause kam, lagen immer 1 bis 2 Briefe vor der Tür. Sie haben meinem Vater sogar am Telefon gesagt, dass mein Bruder und ich schon alt genug für den Dschihad wären und er uns zu ihnen schicken soll. Dann hat mein Vater angefangen sie am Telefon zu beschimpfen.

Frage wird wiederholt.

VP: Es waren sehr viele, einen habe ich sogar von meinem Onkel gezeigt bekommen.

Frage wird wiederholt.

VP: Jeden Tag in der Früh einen. Insgesamt waren es um die 20 Drohbriefe. Die wollten, dass mein Vater die Kinder, Jungs und Mädchen nicht zur Schule gehen.

LA: Während der Erstbefragung gaben Sie an, dass es 3 bis 4 Drohbriefe waren, jetzt sagen Sie es wären 20 gewesen. Wie kommen Sie zu der Aussage? Erklären Sie sich!

VP: 3 habe ich mit dabei, es waren aber viele mehr.

Befragt, ja ich habe die Briefe mit dabei.

(Anm.: AW legt Kopien von drei Briefen vor. Die Briefe werden zum Akt genommen.)

LA: Mit wie viel Jahren wurde Ihr Vater Dorfältester?

VP: Das weiß ich nicht. Ich war ja ein kleines Kind als er Dorfältester wurde.

LA: Wann bekam er zum ersten Mal Probleme mit den Taliban?

VP: Vom Datum her weiß ich es nicht. Er bekam Anrufe und Briefe. Die kamen mit Motorrädern und Pick - Ups.

LA: Wurden Sie persönlich jemals wegen einer strafbaren Handlung von der afghanischen Polizei gesucht?

VP: Nein. Ich habe keine Straftaten begangen.

LA: Wurden Sie jemals persönlich von den Taliban bedroht?

VP: Nachdem mein älterer Bruder umgebracht worden ist, habe ich ihn beerdigt. Bei uns ist es üblich, dass man nach dem Tod von jemand selber 3 Tage lang nicht kocht sondern die Nachbarn einen versorgen. So war ich zu Hause und wir waren am Abendessen, als es hieß dass die Taliban wieder da wären, die einen Abend zuvor meinen Vater mitgenommen hatten um mich und meinen Bruder zu holen.

LA: Ihr Vater wurde mitgenommen, Ihr Bruder wäre erschossen worden und Sie waren dann später weiterhin zu Hause und hätten zu Abend gegessen? Wie kommen Sie zu der Aussage? Erklären Sie sich!

VP: Am Abend ist mein Bruder erschossen worden. Am nächsten Tag in der Früh haben sich die Dorfbewohner versammelt und wir haben ihn beerdigt und Gebete ausgesprochen. Daraufhin sind wir dann zu den Dorfbewohnern, die uns zum Essen eingeladen haben. Wir waren am Essen als es hieß dass die Taliban wieder da wären.

LA: Wann wurde denn Ihr Vater von den Taliban mitgenommen?

VP: Nach dem letzten Telefonat, dass die Taliban mit meinem Vater geführt haben, in welchem sie gefordert haben dass ich und mein Bruder für den Dschihad kämpfen und mein Vater sie beschimpft hat. Er hat sogar Mullah XXXX und seine Mutter erwähnt. Am nächsten Tag haben sie unser Haus angegriffen.

Befragt, es muss im zweiten Monat 2015 gewesen sein. Mein Bruder hatte immer eine Kalaschnikov dabei. Mit dieser Waffe hat er auf die Taliban geschossen und dabei haben sie zurückgeschossen und ihn dabei getötet. Meinen Vater haben sie im Zuge dieses Gefechts mitgenommen.

LA: Waren Sie während diesem ganzen Vorfall anwesend?

VP: Ja, ich war da.

LA: Wie viel Taliban waren an diesem Angriff dabei?

VP: Ich habe das nicht gezählt, es waren mehrere Pick ups.

LA: Während der Erstbefragung haben Sie im Gegensatz zu Ihrer jetzigen Aussage sehr genau ausgeführt, dass Sie während dieses Vorfalls nicht dabei waren, sondern bei ihrem Onkel waren. Gleichzeitig konnten Sie genaue Angaben hinsichtlich der Mannstärke der Taliban, es wären 20 Leute gewesen, während dieses Vorfalls machen und gaben sogar an, dass Ihr Bruder einem Mann die Waffe weggenommen hätte und daraufhin erschossen worden wäre. Wie kommen Sie jetzt plötzlich zu ganz anderen Aussagen? Erklären Sie sich!

VP: Ich habe damals angegeben, dass mein Bruder selber eine Kalschnikov hatte und mit seinen Kindern geschlafen hat. Als die Taliban gekommen sind, hat er die Waffe geladen. Bevor er was machen konnte, wurde er erschossen. Daraufhin sind die in das Zimmer von meinem Vater und haben ihn mitgenommen.

LA: Hatte Ihr Vater keinen Polizeischutz oder ähnliches, wenn er ein derartig wichtiger Dorfältester war?

VP: Nach jedem Drohbrief den wir bekommen haben, sind wir zur Behörde und haben das gemeldet. Eines Tages war ich am Weg zur Schule und als ich den Geheimdienstchef auf der Straße mit zwei Leibwächtern sah, streichelte er mir auf dem Kopf und sagte dass ich mir keine Sorgen machen soll und uns nichts passieren wird und ich zur Schule gehen soll. Als ich weiter ging habe ich selber gesehen, wie ein Auto von den Taliban angerast kam und die drei Leute auf offener Straße am helllichten Tag am Bazar erschossen hat. Wie sollen die uns beschützen wenn sie sich nicht selber schützen können.

LA: Welche Marke und Farbe war das Auto dieser Taliban die den Geheimdienstchef erschossen haben?

VP: Das war ein Toyota Corolla in goldener Farbe. Das habe ich selber gesehen.

LA: Wie heißt dieser Geheimdienstchef?

VP: Ich weiß nicht. Aber er war von Laghman und war sehr berühmt.

LA: Wenn der Geheimdienstchef so berühmt war, dann werden Sie sicher seinen Namen wissen?

VP: Er war ziemlich jung, er war 30 Jahre alt. Seinen Namen habe ich aber vergessen.

LA: Woher wussten Sie dass der Mann Geheimdienstchef war?

VP: Ich war einige Male bei ihm wegen den Anzeigen.

Befragt, ich habe seinen Namen jetzt vergessen aber mein Onkel mütterlicherseits kennt ihn noch.

LA: Wie viel Geld hat denn Ihre Flucht gekostet?

VP: Das weiß ich nicht genau. Meine Mutter hat meinem Onkel mütterlicherseits ihr Gold mitgegeben. Ich weiß nicht wie viel mein Onkel noch dazu gegeben hat.

LA: Wan waren Sie zum letzten Mal in Afghanistan?

VP: Ich bin Ende des zweiten Monats 2015 weggegangen. Ein genaues Datum weiß ich nicht.

LA: Wie viel Tage nach dem Ihr Bruder erschossen wurde haben Sie das Land verlassen?

VP: Ca. 2 Tage danach.

LA: Was fürchten Sie bei einer eventuellen Rückkehr in Ihr Heimatland?

VP: Wenn ich nur mit der Waffe erschossen worden wäre. Aber jetzt ist in unserem Dorf Daesh aufgetaucht. Die sind barbarisch. Die köpfen gleich einen."

4. Mit Bescheid vom 13.07.2016, Zl. 1067850602/150479716, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.) und die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde nach Wiedergabe der Einvernahmeprotokolle im Rahmen der Feststellungen der belangten Behörde ua ausgeführt, dass der Beschwerdeführer Staatsangehöriger von Afghanistan sei, der Volksgruppe der Paschtunen angehöre, zuletzt in "Afghanistan gelebt" habe und er am XXXX geboren worden sei. Zudem könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aufgrund der angeblichen Arbeit seines Vaters als Stammesältester zur Zielscheibe der Taliban geworden sei.

Beweiswürdigend hielt die belangte Behörde im Wesentlichen fest, dass sich das Vorbringen des Beschwerdeführers als gänzlich unglaubwürdig und die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohungssituation als offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechend erwiesen hätten.

In ihrer rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde des Weiteren im Wesentlichen aus, dass dem Beschwerdeführer keine aktuelle und konkrete Verfolgung aus einem in der Genfer Flüchtlingskonvention aufgezählten Gründe drohe sowie, dass im gegenständlichen Fall keine Anhaltspunkte hervorgekommen seien, aufgrund derer darauf zu schließen sei, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einem erhöhten Gefährdungsrisiko in Hinblick auf die Verletzung einer Art. 2 bzw. Art. 3 EMRK bzw. der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein werde. Die Ausweisungsentscheidung gemäß Spruchpunkt III. wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art. 8 Abs. 2 EMRK begründet.

5. Gegen den Bescheid vom 13.07.2016 wurde fristgerecht eingebrachte Beschwerde am 01.08.2016 eingebracht.

Der Beschwerdeführer sei am XXXX geboren worden, welcher Umstand durch die Vorlage des Reisepasses und der Tazkira bestätigt sei. Der Beschwerdeführer ersuche daher auch um Richtigstellung des Geburtsdatums.

In der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass in den Länderberichten in Bezug auf Afghanistan immer wieder ausgeführt werde, dass Personen, die mit der Regierung zusammenarbeiten würden, Angriffen der Taliban ausgesetzt seien. Der Beschwerdeführer verweise zudem auch auf ein Bestätigungsschreiben eines Vertreters der Provinz in Nangarhar, in welchem die ins Treffen geführten Übergriffe am 28.01.2015 durch die Talibankämpfer, die Entführung des Vaters des Beschwerdeführers und der Tod seines Bruders bestätigt werden würden. Tatsache sei, dass die Familie des Beschwerdeführers zum Ziel der Taliban geworden sei und der Beschwerdeführer nach Auffassung der Taliban für diese in den Krieg ziehen solle. Dies habe der Vater des Beschwerdeführers abgelehnt, weshalb es zu diesen Übergriffen gekommen sei. Der Beschwerdeführer könne drei Drohbriefe vorlegen.

6. Mit den Schreiben vom 05.12.2016 und vom 23.01.2017 brachte der Beschwerdeführer diverse Unterlagen in Vorlage.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 09.02.2017, W123 2132146-1/7E, wurde der Bescheid der belangten Behörde vom 13.07.2016 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides an die belangte Behörde zurückverwiesen.

8. Am 18.12.2017 erfolgte eine weitere Einvernahme vor der belangten Behörde. Die ergänzende Niederschrift lautet auszugweise:

"[...]

LA: Haben Sie bei den vorangegangen Befragungen und Einvernahmen der Wahrheit entsprechenden Angaben gemacht und wurden Ihnen diese Angaben rückübersetzt und richtig protokolliert?

VP: Ich habe die Wahrheit gesagt, die Erstbefragung wurde rückübersetzt und richtig protokolliert. Die Einvernahme vor dem Bundesamt wurde mir nicht rückübersetzt, aber es wurde protokolliert, dass es rückübersetzt wurde.

[...]

LA: Wer Ihrer Familie lebt noch im Heimatland?

VP: Meine Mutter, meine 5 Brüder und 2 Schwester.

LA: Wo leben diese?

VP: Zuvor haben Sie bei meinem Onkel mütterlicherseits gelebt. Wo Sie jetzt leben, weiß ich nicht. Mein Onkel wurde getötet. Deshalb habe ich auch keinen Kontakt mehr zu meiner Familie.

[...]

LA: Wann hatten Sie zuletzt Kontakt nach Afghanistan?

VP: Das letzte Mal hatte ich am 05.10.2017 Kontakt zu meinem Onkel mütterlicherseits. Damals waren die Wahlen in Österreich. Seitdem hatte ich keinen Kontakt nach Afghanistan.

LA: Woher haben Sie dann diese Fotos aus Afghanistan?

VP: Diese habe ich aus Facebook.

LA: Wer hat diese Fotos in Facebook veröffentlicht?

VP: Ein Freund von mir in Wien erzählte mir, dass in meinem Heimatdorf ein Vorfall passiert ist. Wir haben uns gemeinsam auf Facebook die Bilder angeschaut und ich habe meinen Onkel mütterlicherseits erkannt. Die Bilder habe ich mir dann ausgedruckt.

Frage wird wiederholt!

VP: Ein Freund meines Freundes hat diese Fotos gepostet und dieser Freund in Wien hat sie mir dann gezeigt.

[...]

LA: Warum genau sind Sie aus Afghanistan ausgereist?

VP: Mein Vater war der älteste unseres Stammes. Er hat die Probleme des Stammes geschlichtet und gelöst. Auch zur Regierung hatte mein Vater Kontakte. Vom Zentrum der Provinz Nangarhar sind einmal in der Woche Leute zu meinem Vater gekommen. Das waren Regierungsleute. Sie sagten meinem Vater, dass er aus seinem Stamm junge Burschen zusammenstellen soll, damit diese zu den "XXXX" (Lokale Polizei) zusammengeschlossen werden können. Mein Vater antwortete diesen Leuten, dass er sich mit seinen Stammesleuten beraten wird. Am Freitag nach dem Freitagsgebet hat sich mein Vater mit seinen Leuten beraten. Mein Vater berichtete ihnen, dass die Regierung ihn aufgefordert hat Leute aus seinem Stamm als "XXXX" zu stellen. Die Stammesleute sagten meinem Vater, dass sie nicht bereit sind, "XXXX" zu werde. Sie wollen keine Feindschaft mit den Taliban. Danach kamen die Taliban zu meinem Vater. Sie haben meinen Vater aufgefordert, dass er die Arbeit der NGOs beenden soll und die Schule im Dorf schließen muss. Sie forderten meinen Vater auf junge Burschen aus seinem Stamm den Taliban zu überstellen. Sie meinten, dass der Dschihad unsere Pflicht ist. Die jungen Burschen müssen mit ihnen Dschihad betreiben. Mein Vater hat sich geweigert. Es hat begonnen, dass sie meinem Vater Drohungen geschickt haben. Er bekam auch Anrufe. Am Telefon wurde er aufgefordert, dass er die Regierung nicht mehr unterstützten soll. Täglich, wenn ich von der Schule nach Hause gekommen bin, sah ich, dass 2 Briefe Hinter dem Eingangstor unseres Hauses gelegen sind. Jede briefliche Drohung haben wir bei der Distriktverwaltung angezeigt. Die Distriktverwaltung konnte uns gar nicht helfen, denn sie konnten sich selbst nicht helfen. Eines Tages, kurz vor der Ausreise, es war an einem Nachmittag, war ich von der Schule Richtung nach Hause unterwegs. Ich wurde auf den Bazar vom Leiter des Geheimdienstes und seinen Bodyguards angehalten. Er legte seine Hand auf meinem Kopf und sagte mir, ich solle weiterhin in die Schule gehen und solle nicht nervös werden. Ich bin einigen Schritten nach vorgegangen. Ich sah einem Gold lakierten Toyota. In diesem Auto saßen Taliban. Ich habe mit meinen eigenen Augen gesehen, wie diese Leute im Auto, den Leiter des Geheimdienstes und seine beiden Bodyguards erschossen haben. Sie haben ihnen auch die Waffen weggenommen und sind geflüchtet. Es war an einem Nachmittag, am Tag. Danach haben die Taliban meinen Vater angerufen. Sie sagten meinem Vater, dass mein Vater meinen jüngeren Bruder Faisal und mich den Taliban übergeben soll, damit wir mit den Taliban in den Dschihad ziehen. Sie sagten auch, dass mein Vater es verhindern soll, dass jemand aus dem Stamm sich der Nationalen Armee anschließt. Mein Vater hat sich geärgert. Er war über die Taliban verärgert und hat sie geschimpft. Er beschimpfte auch den Mullah XXXX. Das war das letzte Telefonat meines Vaters mit diesen Leuten. Die Taliban haben die Schulen geschlossen. Mein Vater ließ uns nicht mehr zur Schule gehen. Den Dorfkindern hat er angeraten weiterhin die Schule zu besuchen. Er ließ uns nicht in die Schule gehen, weil wir gefährdet waren. In den Schulen wurden die Kinder von der UNO und von den NGOs unterstützt. Die Taliban akzeptierten die Unterstützung der NGOs nicht, und wollten, dass alle Schulen geschlossen werden. In unserem Dorf gab es 2 NGOs. Eine davon war die UNO und die 2te war die DIA. Die DIA hat im Dorf Hühnerfarmen errichtet. Mein Vater war der größte Gegner der Taliban. Ich bin geflüchtet, da die Taliban gefordert haben, dass mein Bruder und ich mit ihnen in den Dschihad ziehen. Mein Vater hat sich geweigert. Danach haben die Taliban unser Haus angegriffen. Sie sind in unser Haus eingedrungen. Mein ältester Bruder war in seinem Zimmer mit seiner Familie. Er hat eine Tochter und einen Sohn. Er hatte immer eine Kalaschnikow bei sich gehabt. Als er gesehen hat, dass Leute in unser Haus kommen nahm er seine Kalaschnikow und ging hinaus. Mein Bruder wollte auf sie feuern. Bevor er es tun konnte, haben die Taliban ihn erschossen. Die Taliban sind ins Haus gekommen in das Zimmer meines Vaters. Er bekam eine Augenbinde. Seine Hände wurden gefesselt und sie nahmen ihn mit. In der Früh haben die Dorfbewohner von dem Vorfall erfahren. Wir haben unseren Bruder begraben. Am Abend haben die Nachbarn uns zu sich geholt und wir bekamen dort essen. In unserem Dorf ist es üblich, dass die Trauerfamilie in den ersten 3 Trauertagen selber nicht kocht. Die Nachbarn versorgen die Familie mit essen. Am Abend, als wir beim Essen waren, hörten wir Stimmen von draußen. Die Leute haben geschrien, dass die Taliban wieder da sind. Zu diesem Zeitpunkt hat meine Mutter zu meinem Onkel mütterlicherseits gesagt, dass er es schaffen muss mich aus dem Land zu bringen. Mein Onkel hat mich dann einem Schlepper übergeben. Er sagte mir, dass dieser Mann mich zum richtigen Ort bringen wird. Dann bin ich mit diesem Schlepper aus Afghanistan ausgereist.

Das sind meine Fluchtgründe, weitere habe ich nicht.

[...]"

9. Mit Bescheid der belangten Behörde wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs .1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG bzw. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkte IV.-VI.).

10. Gegen den ob genannten Bescheid der belangten Behörde richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde vom 15.04.2018. Die Beweiswürdigung der belangten Behörde sei nicht überzeugend im Vergleich zu den ausführlichen und konkreten Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen. Auch sei auf die vom Bundesverwaltungsgericht im zurückverweisenden Erkenntnis kritisierten Punkte im neuen Bescheid nicht in erkennbarer Weise eingegangen worden.

11. Am 20.12.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt.

12. Mit Schriftsatz vom 04.01.2019 nahm der Beschwerdeführer zu den Länderberichten Stellung und brachte einleitend vor, dass die Sicherheitslage in ganz Afghanistan volatil sei; daher sei eine Rückkehr für den Beschwerdeführer nicht zumutbar. Verwiesen wurde auf die aktuellen UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018, in denen insbesondere eine interne Flucht- oder Schutzalternative für die Stadt Kabul ausgeschlossen werde. Die Feststellungen im LIB zur Rückkehrsituation würden zudem fast ausschließlich auf den Fact Finding Mission Report Afghanistan beruhen und seien einseitig, nicht ausgewogen und keinesfalls objektiv. Ferner wurde auf das Gutachten von Friederike XXXX, das für das Verwaltungsgericht Wiesbaden erstellt worden sei, hingewiesen. Dieses Gutachten sei auch für das gegenständliche Verfahren von Relevanz, da es die Situation vieler möglicher Gruppen von Rückkehrern nach Afghanistan aus dem westlichen Ausland behandle. Bezüglich Dürre in den Städten Mazar-e Sharif und Herat wurde auf die ACCORD-Anfragebeantwortung vom 12.10.2018 verwiesen. Diesbezüglich wurde vorgebracht, dass sich bezüglich Mazar-e Sharif in dieser Anfragebeantwortung keine Informationen befinden würden. Dennoch werde darauf verwiesen, dass die Provinz Balkh mit ihrer Hauptstadt Mazar-e Sharif mit Stufe 3 - "Crisis" bewertet worden sei.

Abschließend wurde nochmals auf die Asylrelevanz des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers hingewiesen. Die UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 würden als Risikoprofil explizit Stammesälteste und religiöse Führer benennen, ferner Familienangehörigen von Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung oder mit der internationalen Gemeinschaft verbunden sind, oder diese tatsächlich oder auch vermeintlich unterstützen. Es bestehe somit eine aslyrelevante Verfolgung aufgrund der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zur sozialen Gruppe der Familie sowie eine Verfolgung aus politischen Gründen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist ein lediger und volljähriger afghanischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Paschtunen. Der Beschwerdeführer ist in der Provinz Nangarhar geboren und aufgewachsen und hat bis zu seiner Flucht im Heimatort dieser Provinz gelebt. Der Beschwerdeführer hat in seinem Heimatort acht Jahre die Schule besucht und im landwirtschaftlichen Betrieb seines Vaters gearbeitet. Im Heimatdorf des Beschwerdeführers lebt die Mutter, fünf Brüder und zwei Schwestern des Beschwerdeführers. Ferner hielt sich im Zeitpunkt der Flucht des Beschwerdeführers noch ein Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers auf. Bei diesem hat die restliche Familie des Beschwerdeführers gelebt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Onkel des Beschwerdeführers mütterlicherseits von den Taliban getötet wurde.

Der Beschwerdeführer war nie politisch tätig und gehörte nie einer politischen Partei an. Er ist in Afghanistan weder vorbestraft noch war er in Afghanistan inhaftiert.

Es kann nicht die Feststellung getroffen werden, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr nach Afghanistan mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer wie immer gearteten Verfolgung ausgesetzt wäre.

Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in die Städte Herat, Mazar-e-Sharif oder Kabul ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen würde. Bei einer Rückkehr kann er mit finanzieller Hilfe seiner Familie rechnen und könnte seine Existenz dort auch - zumindest anfänglich - mit Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten sichern.

Der Beschwerdeführer kann die Hauptstadt Kabul und die Städte Mazar-e-Sharif und Herat - über Kabul - von Österreich aus sicher mit dem Flugzeug erreichen.

Der Beschwerdeführer ist gesund und unbescholten. Der Beschwerdeführer verfügt über das Deutschzertifikat A2. Der Beschwerdeführer hat in Österreich noch nicht gegen Entgelt gearbeitet, sondern lediglich gemeinnnützige Tätigkeit verrichtet. Der Beschwerdeführer verfügt über keine schriftliche Einstellungszusage eines Dienstgebers und ist nicht Mitglied in einem Verein.

1.2. Feststellungen zum Herkunftsstaat:

1.2.1. Auszug Staatendokumentation (Stand 29.06.2018)

1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 23.11.2018, Anschläge in Kabul (relevant für Abschnitt 3/Sicherheitslage)

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 20.11.2018 ca. 55 Menschen ums Leben und ca. 94 weitere wurden verletzt (AJ 21.11.2018; vgl. NYT 20.11.2018, TS 21.11.2018, LE 21.11.2018). Der Anschlag fand in der Hochzeitshalle "Uranus" statt, wo sich Islamgelehrte aus ganz Afghanistan anlässlich des Nationalfeiertages zu Maulid an-Nabi, dem Geburtstag des Propheten Mohammed, versammelt hatten (AJ 21.11.2018; vgl. TS 21.11.2018, TNAE 21.11.2018, IFQ 20.11.2018, Tolonews 20.11.2018). Quellen zufolge befanden sich zum Zeitpunkt der Explosion zwischen 1.000 und 2.000 Personen, darunter hauptsächlich Islamgelehrte und Mitglieder des Ulemarates, aber auch Mitglieder der afghanischen Sufi-Gemeinschaft und andere Zivilisten, in der Hochzeitshalle (AJ 21.11.2018; vgl. LE 21.11.2018, NYT 20.11.2018, DZ 20.11.2018, IFQ 20.11.2018). Gemäß einer Quelle fand die Detonation im ersten Stock der Hochzeitshalle statt, wo sich zahlreiche Geistliche der afghanischen Sufi-Gemeinschaft versammelt hatten. Es ist nicht klar, ob das Ziel des Anschlags das Treffen der sufistischen Gemeinschaft oder das im Erdgeschoss stattfindende Treffen der Ulema und anderer Islamgelehrten war (LE 21.11.2018; vgl. TNAE 21.11.2018). Weder die Taliban noch der Islamische Staat (IS) bekannten sich zum Angriff, der dennoch von den Taliban offiziell verurteilt wurde (LE 21.11.2018; vgl. AJ 21.11.2018, IFQ 20.11.2018).

Am 12.11.2018 kamen bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt ca. sechs Personen ums Leben und 20 weitere wurden verletzt (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, ANSA 12.11.2018). Anlass dafür war eine Demonstration in der Nähe des "Pashtunistan Square" im Stadtzentrum, an der hunderte von Besuchern, darunter hauptsächlich Mitglieder und Unterstützer der Hazara-Gemeinschaft, teilnahmen, um gegen die während des Berichtszeitraums anhaltenden Kämpfe in den Provinzen Ghazni und Uruzgan zu demonstrieren (Tolonews 12.11.2018; vgl. DZ 12.11.2018, KP 12.11.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (DZ 12.11.2018; vgl. AJ 12.11.2018).

Bei einem Selbstmordanschlag in Kabul-Stadt kamen am 31.10.2018 ca. sieben Personen ums Leben und weitere acht wurden verletzt (Dawn 1.11.20181; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Unter den Opfern befanden sich auch Zivilisten (Pajhwok 31.10.2018; vgl. 1TV 31.10.2018). Die Explosion fand in der Nähe des Kabuler Gefägnisses Pul-i-Charkhi statt und hatte dessen Mitarbeiter zum Ziel (Dawn 1.11.2018; vgl. 1TV 31.10.2018, Pajhwok 31.10.2018). Der IS bekannte sich zum Anschlag (Dawn 1.11.2018, vgl. 1TV 31.10.2018).

[...]

3. Sicherheitslage

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Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

[...]

3.1. Kabul

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Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen: den Hamid Karzai International Airport (HKIR) (Tolonews 25.2.2018; vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35). Auch soll die vierspurige "Ring Road", die Kabul mit angrenzenden Provinzen verbindet, verlängert werden (Tolonews 10.9.2017; vgl. Kapitel 3.35.).

Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Einst als relativ sicher erachtet, ist die Hauptstadt Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen (Reuters 14.3.2018), die darauf abzielen, die Autorität der afghanischen Regierung zu untergraben (Reuters 14.3.2018; vgl. UNGASC 27.2.2018). Regierungsfeindliche, bewaffnete Gruppierungen inklusive des IS versuchen in Schlüsselprovinzen und -distrikten, wie auch in der Hauptstadt Kabul, Angriffe auszuführen (Khaama Press 26.3.2018; vgl. FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018). Im Jahr 2017 und in den ersten Monaten des Jahres 2018 kam es zu mehreren "high-profile"-Angriffen in der Stadt Kabul; dadurch zeigte sich die Angreifbarkeit/Vulnerabilität der afghanischen und ausländischen Sicherheitskräfte (DW 27.3.2018; vgl. VoA 19.3.2018 SCR 3.2018, FAZ 22.4.2018, AJ 30.4.2018).

[...]

Im gesamten Jahr 2017 wurden 1.831 zivile Opfer (479 getötete Zivilisten und 1.352 Verletzte) registriert. Hauptursache waren Selbstmordanschläge, gefolgt von IEDs und gezielte Tötungen. Dies bedeutet eine Steigerung von 4% im Gegensatz zum Vergleichsjahr 2016. Für Kabul-Stadt wurden insgesamt 1.612 zivile Opfer registriert; dies bedeutet eine Steigerung von 17% im Gegensatz zum Vorjahr 2016 (440 getötete Zivilisten und 1.172 Verletzte) (UNAMA 2.2018).

Im Jahr 2017 war die höchste Anzahl ziviler Opfer Afghanistans in der Provinz Kabul zu verzeichnen, die hauptsächlich auf willkürliche Angriffe in der Stadt Kabul zurückzuführen waren; 16% aller zivilen Opfer in Afghanistan sind in Kabul zu verzeichnen.

Selbstmordangriffe und komplexe Attacken, aber auch andere Vorfallsarten, in denen auch IEDs verwendet wurden, erhöhten die Anzahl ziviler Opfer in Kabul. Dieser öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriff im Mai 2017 war alleine für ein Drittel ziviler Opfer in der Stadt Kabul im Jahr 2017 verantwortlich (UNAMA 2.2018).

Militärische Operationen und Maßnahmen der afghanischen Regierung in der Provinz Kabul

Regelmäßig werden in der Hauptstadt Sicherheitsoperationen durch die Regierung in unterschiedlichen Gebieten ausgeführt (Tolonews 31.1.2018; vgl. AT 18.3.2018, RS 28.2.2018; vgl. MF 18.3.2018). Im Rahmen des neuen Sicherheitsplanes sollen außerdem Hausdurchsuchungen ausgeführt werden (MF 18.3.2018). Um die Sicherheitslage in Kabul-Stadt zu verbessern, wurden im Rahmen eines neuen Sicherheitsplanes mit dem Namen "Zarghun Belt" (der grüne Gürtel), der Mitte August 2017 bekannt gegeben wurde, mindestens 90 Kontrollpunkte in den zentralen Teilen der Stadt Kabul errichtet. Die afghanische Regierung deklarierte einen Schlüsselbereich der afghanischen Hauptstadt zur "Green Zone" - dies ist die Region, in der wichtige Regierungsinstitutionen, ausländische Vertretungen und einige Betriebe verortet sind (Tolonews 7.2.2018). Kabul hatte zwar niemals eine formelle "Green Zone"; dennoch hat sich das Zentrum der afghanischen Hauptstadt, gekennzeichnet von bewaffneten Kontrollpunkten und Sicherheitswänden, immer mehr in eine militärische Zone verwandelt (Reuters 6.8.2017). Die neue Strategie beinhaltet auch die Schließung der Seitenstraßen, welche die Hauptstadt Kabul mit den angrenzenden Vorstädten verbinden; des Weiteren, werden die Sicherheitskräfte ihre Präsenz, Personenkontrollen und geheimdienstlichen Aktivitäten erhöhen (Tolonews 7.2.2018). Damit soll innerhalb der Sicherheitszone der Personenverkehr kontrolliert werden. Die engmaschigen Sicherheitsmaßnahmen beinhalten auch eine erhöhte Anzahl an Sicherheitskräften und eine Verbesserung der Infrastruktur rund um Schlüsselbereiche der Stadt (Tolonews 1.3.2018). Insgesamt beinhaltet dieser neue Sicherheitsplan 52 Maßnahmen, von denen die meisten nicht veröffentlicht werden (RFE/RL 7.2.2018). Auch übernimmt die ANA einige der porösen Kontrollpunkte innerhalb der Stadt und bildet spezialisierte Soldaten aus, um Wache zu stehen. Des Weiteren soll ein kreisförmiger innerer Sicherheitsmantel entstehen, der an einen äußeren Sicherheitsring nahtlos anschließt - alles dazwischen muss geräumt werden (Reuters 14.3.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen in der Provinz Kabul

Sowohl die Taliban als auch der IS verüben öffentlichkeitswirksame (high-profile) Angriffe in der Stadt Kabul (UNGASC 27.2.2018; vgl. RFE/RL 17.3.2018, Dawn 31.1.2018), auch dem Haqqani- Netzwerk wird nachgesagt, Angriffe in der Stadt Kabul zu verüben (RFE/RL 30.1.2018; vgl. NYT 9.3.2018, VoA 1.6.2017). So existieren in der Hauptstadt Kabul scheinbar eine Infrastruktur, Logistik und möglicherweise auch Personal ("terrorists to hire"), die vom Haqqani-Netzwerk oder anderen Taliban-Gruppierungen, Splittergruppen, die unter der Flagge des IS stehen, und gewaltbereiten pakistanischen sektiererischen (anti-schiitischen) Gruppierungen verwendet werden (AAN 5.2.2018).

Zum Beispiel wurden zwischen 27.12.2017 und 29.1.2018 acht Angriffe in drei Städten ausgeführt, zu denen neben Jalalabad und Kandahar auch Kabul zählte - fünf dieser Angriffe fanden dort statt. Nichtsdestotrotz deuten die verstärkten Angriffe - noch - auf keine größere Veränderung hinsichtlich des "Modus Operandi" der Taliban an (AAN 5.2.2018).

Für den Zeitraum 1.1.2017 - 31.1.2018 wurden in der Provinz Kabul vom IS verursachte Vorfälle registriert (Gewalt gegenüber Zivilist/innen und Gefechte) (ACLED 23.2.2018).

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3.5. Balkh

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Die Hauptstadt Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana [Anm.: Provinzhauptstadt Faryab] und Pul-e-Khumri [Anm.:

Provinzhauptstadt Baghlan]; sie ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst. Die Infrastruktur ist jedoch noch unzureichend und behindert die weitere Entwicklung der Region. Viele der Straßen, vor allem in den gebirgigen Teilen des Landes, sind in schlechtem Zustand, schwer zu befahren und im Winter häufig unpassierbar (BFA Staaatendokumentation 4.2018). In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35).

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Allgemeine Information zur Sicherheitslage

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans (RFE/RL 23.3.2018), sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan (Khaama Press 16.1.2018; vgl. Khaama Press 20.8.2017). Balkh hat im Vergleich zu anderen Regionen weniger Aktivitäten von Aufständischen zu verzeichnen (RFE/RL 23.3.2018; vgl. Khaama Press 16.1.2018).

Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften (Tolonews 7.3.2018), oder auch zu Angriffen auf Einrichtungen der Sicherheitskräfte (BBC 22.4.2017; vgl. BBC 17.6.2017).

In der Provinz befindet sich u.a. das von der deutschen Bundeswehr geführte Camp Marmal (TAAC-North: Train, Advise, Assist Command - North) (NATO 11.11.2016; vgl. iHLS 28.3.2018), sowie auch das Camp Shaheen (BBC 17.6.2017; vgl. Tolonews 22.4.2017).

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3.13. Herat

[...] Provinzhauptstadt ist Herat- Stadt, welche sich im gleichnamigen Distrikt befindet und eine Einwohnerzahl von 506.900 hat (CP 21.9.2017). In der Provinz befinden sich zwei Flughäfen: ein internationaler in Herat-Stadt und ein militärischer in Shindand (vgl. Flughafenkarte der Staatendokumentation; Kapitel 3.35.). Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.967.180 geschätzt (CSO 4.2017).

Herat ist eine relativ entwickelte Provinz im Westen des Landes. Das Harirud-Tal, eines der fruchtbarsten Täler des Landes, wo Baumwolle, Obst und Ölsaat angebaut werden, befindet sich in der Provinz (AJ 8.3.2012). Bekannt ist Herat auch wegen seiner Vorreiterrolle in der Safran- Produktion (AJ 8.3.2012; vgl. EN 9.11.2017). Es sollen Regierungsprogramme und ausländische Programme zur Unterstützung der Safran-Produktion implementiert werden. Safran soll eine Alternative zum Mohnanbau werden (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Anfang Jänner 2018 wurde ein Labor zur Kontrolle der Safran-Qualität in Herat errichtet (Pajhwok 13.1.2018). Die Safran-Produktion garantierte z.B. auch zahlreiche Arbeitsplätze für Frauen in der Provinz (Tolonews 10.11.2017; vgl. EN 9.11.2017). Auch in unsicheren Gegenden wird Safran angebaut. (Tolonews 10.11.2017). Insgesamt wurden 2017 in der Provinz min. 8 Tonnen Safran produziert; im Vorjahr 2016 waren es 6.5 Tonnen (Pajhwok 13.1.2018; vgl. EN 9.11.2017). Trotzdem stieg im Jahr 2017 in der Provinz die Opiumproduktion. In den Distrikten Shindand und Kushk, geprägt von schlechter Sicherheitslage, war der Mohnanbau am höchsten (UNODC 11.2017).

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Allgemeine Informationen zur Sicherheitslage

Herat wird als eine der relativ friedlichen Provinzen gewertet, dennoch sind Aufständische in einigen Distrikten der Provinz, wie Shindand, Kushk, Chisht-i-Sharif und Gulran, aktiv (AN 18.2.2018; vgl. UNODC 12.2017, Khaama Press 25.10.2017, AJ 25.6.2017). Des Weiteren wurde Ende Oktober 2017 verlautbart, dass die Provinz Herat zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen des Landes zählt, wenngleich sich in den abgelegenen Distrikten die Situation in den letzten Jahren aufgrund der Taliban verschlechtert hat (Khaama Press 25.10.2017).

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3.35. Erreichbarkeit

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Internationale Flughäfen in Afghanistan

In Afghanistan gibt es insgesamt vier internationale Flughäfen; alle vier werden für militärische und zivile Flugdienste genutzt (Migrationsverket 23.1.2018). Trotz jahrelanger Konflikte verzeichnet die afghanische Luftfahrtindustrie einen Anstieg in der Zahl ihrer wettbewerbsfähigen Flugrouten. Daraus folgt ein erleichterter Zugang zu Flügen für die afghanische Bevölkerung. Die heimischen Flugdienste sehen sich mit einer wachsenden Konkurrenz durch verschiedene Flugunternehmen konfrontiert. Flugrouten wie Kabul - Herat und Kabul - Kandahar, die früher ausschließlich von Ariana Afghan angeboten wurden, werden nun auch von internationalen Fluggesellschaften abgedeckt (AG 3.11.2017).

Internationaler Flughafen Kabul

Der Flughafen in Kabul ist ein internationaler Flughafen (Tolonews 18.12.2017; vgl. HKA o.D.). Ehemals bekannt als internationaler Flughafen Kabul, wurde er im Jahr 2014 in "Internationaler Flughafen Hamid Karzai" umbenannt. Er liegt 16 km außerhalb des Stadtzentrums von Kabul. In den letzten Jahren wurde der Flughafen erweitert und modernisiert. Ein neues internationales Terminal wurde hinzugefügt und das alte Terminal wird nun für nationale Flüge benutzt (HKA o. D.). Projekte zum Ausbau des Flughafens sollen gemäß der Afghanistan's Civil Aviation Authority (ACAA) im Jahr 2018 gestartet werden (Tolonews 18.12.2017).

Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif

Im Jahr 2013 wurde der internationale Maulana Jalaluddin Balkhi Flughafen in Mazar-e Sharif, der Hauptstadt der Provinz Balkh, eröffnet (Pajhwok 9.6.2013). Nachdem der Flughafen Mazar-e Sharif derzeit die Anforderungen eines erhöhten Personen- und Frachtverkehrsaufkommens nicht erfüllt, ist es notwendig, den Flughafen nach internationalen Standards auszubauen, inklusive entsprechender Einrichtungen der Luftraumüberwachung und der Flugverkehrskontrolle. Die afghanische Regierung will dieses Projekt gemeinsam mit der deutschen Bundesregierung und finanzieller Unterstützung des ADFD (Abu Dhabi Fund for Development) angehen. Langfristig soll der Flughafen als internationaler Verkehrsknotenpunkt zwischen Europa und Asien die wirtschaftliche Entwicklung der Region entscheidend verbessern. Der im Juni 2017 eröffnete Flugkorridor zwischen Afghanistan und Indien beinhaltet derzeit nur Flüge von Kabul und Kandahar nach Indien; zukünftig sind Frachtflüge von Mazar-e Sharif nach Indien angedacht (BFA Staatendokumentation 4.2018).

Kam Air - eine private afghanische Fluglinie, führt seit kurzem auch internationale Flüge nach Delhi durch. Diese Flüge werden als nutzbringend für die afghanische Bevölkerung im Norden angesehen - sowohl wirtschaftlich als auch insbesondere für jene, die spezielle medizinische Behandlungen benötigen. Indien (Delhi) ist die fünfte internationale Destination, die vom Flughafen Mazar-e Sharif aus angeflogen wird. Die anderen sind Türkei, Iran, Vereinigte Arabische Emirate und Saudi-Arabien. Die Stadt Herat wird in Zukunft von Kam Air zweimal wöchentlich von Neu- Delhi aus angeflogen werden (BFA Staatendokumentation 4.2018).

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Internationaler Flughafen Herat

Der internationale Flughafen Herat befindet sich 10 km von der Provinzhauptstadt Herat entfernt. Der Flughafen wird u.a. von den Sicherheitskräften der ISAF benutzt, die einen Stützpunkt neben dem Flughafen haben. 2011 wurde ein neues Terminal mit Finanzierung der italienischen Regierung errichtet (HIA o.D.). Seit 2012 gilt er als internationaler Flughafen (Telesur 13.7.2017; vgl. TN 15.7.2017, Pajhwok 13.2.2012, DW 10.4.2013), von wo aus Flüge in den Iran, nach Pakistan, Dubai oder Tadschikistan gehen (HIA o.D.).

[...]

23. Rückkehr

Als Rückkehrer/innen werden jene afghanische Staatsbürger/innen bezeichnet, die nach Afghanistan zurückgekehrt sind, nachdem sie mindestens sechs Monate im Ausland verbracht haben. Dazu zählen sowohl im Ausland registrierte Afghan/innen, die dann die freiwillige Rückkehr über UNHCR angetreten haben, als auch nicht-registrierte Personen, die nicht über UNHCR zurückgekehrt sind, sondern zwangsweise rückgeführt wurden. Insgesamt sind in den Jahren 2012-2017 1.821.011 Personen nach Afghanistan zurückgekehrt. Die Anzahl der Rückkehrer/innen hat sich zunächst im Jahr 2016 im Vergleich zum Zeitraum 2012-2015, um 24% erhöht, und ist im Jahr 2017 um 52% zurückgegangen. In allen drei Zeiträumen war Nangarhar jene Provinz, die die meisten Rückkehrer/innen zu verzeichnen hatte (499.194); zweimal so viel wie Kabul (256.145) (IOM/DTM 26.3.2018). Im Jahr 2017 kehrten IOM zufolge insgesamt 98.191 Personen aus Pakistan und 462.361 Personen aus Iran zurück (sowohl freiwillig, als auch zwangsweise) (IOM 2.2018). Im Jahr 2018 kehrten mit Stand

21.3. 1.052 Personen aus angrenzenden Ländern und nicht-angrenzenden Ländern zurück (759 davon kamen aus Pakistan). Bis Juli 2017 kehrten aus Europa und der Türkei 41.803 Personen nach Afghanistan zurück (IOM 7.7.2017).

Im Rahmen des Tripartite Agreement (Drei-Parteien-Abkommen) unterstützt UNHCR die freiwillige Repatriierung von registrierten afghanischen Flüchtlingen aus Pakistan und Iran. Insgesamt erleichterte UNHCR im Jahr 2017 die freiwillige Rückkehr von 58.817 Personen (98% aus Pakistan sowie 2% aus Iran und anderen Ländern) (UNHCR 3.2018).

Die afghanische Regierung kooperierte mit UNHCR, IOM und anderen humanitären Organisationen, um IDPs, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu bieten. Die Fähigkeit der afghanischen Regierung vulnerable Personen zu unterstützen, einschließlich Rückkehrer/innen aus Pakistan und dem Iran, bleibt begrenzt und ist weiterhin auf die Hilfe der internationalen Gemeinschaft angewiesen (USDOS 20.4.2018). Nichtsdestotrotz versucht die afghanische Regierung die gebildete Jugend, die aus Pakistan zurückkehrt, aufzunehmen (BTI 2018). Von den 2.1 Millionen Personen, die in informellen Siedlungen leben, sind 44% Rückkehrer/innen. In den informellen Siedlungen von Nangarhar lebt eine Million Menschen, wovon 69% Rückkehrer/innen sind. Die Zustände in diesen Siedlungen sind unterdurchschnittlich und sind besonders wegen der Gesundheits- und Sicherheitsverhältnisse besorgniserregend. 81% der Menschen in informellen Siedlungen sind Ernährungsunsicherheit ausgesetzt, 26% haben keinen Zugang zu adäquatem Trinkwasser und 24% leben in überfüllten Haushalten (UN OCHA 12.2017).

Auch wenn scheinbar kein koordinierter Mechanismus existiert, der garantiert, dass alle Rückkehrer/innen die Unterstützung erhalten, die sie benötigen, und dass eine umfassende Überprüfung stattfindet, können Personen, die freiwillig oder zwangsweise nach Afghanistan zurückgekehrt sind, dennoch verschiedene Unterstützungsformen in Anspruch nehmen (BFA Staatendokumentation; vgl. AAN 19.5.2017). Eine Reihe unterschiedlicher Organisationen ist für Rückkehrer/innen und Binnenvertriebene (IDP) in Afghanistan zuständig (BFA Staatendokumentation 4.2018). Außerdem erhalten Rückkehrer/innen Unterstützung von der afghanischen Regierung, den Ländern, aus denen sie zurückkehren, und internationalen Organisationen (z.B. IOM) sowie lokalen Nichtregierungsorganisationen (NGO) (z. B. IPSO und AMASO). Nichtsdestotrotz scheint das Sozialkapital die wichtigste Ressource zu sein, die Rückkehrer/innen zur Verfügung steht, da keine dezidiert staatlichen Unterbringungen für Rückkehrer existieren und familiäre Unterbringungsmöglichkeiten für Rückkehrer/innen daher als die zuverlässigste und sicherste Möglichkeit erachtet werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. Asylos 8.2017). So kehrt der Großteil der (freiwilligen bzw. zwangsweisen) Rückkehrer/innen direkt zu ihren Familien oder in ihre Gemeinschaften zurück. Für jene, die diese Möglichkeit nicht haben sollten, stellen die Regierung und IOM eine temporäre Unterkunft zur Verfügung. Hierfür stand bislang das Jangalak-Aufnahmezentrum zur Verfügung, das sich direkt in der Anlage des Ministeriums für Flüchtlinge und Repatriierung in Kabul befand (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017) und wo Rückkehrende für die Dauer von bis zu zwei Wochen untergebracht werden konnten (BFA Staatendokumentation 4.2018; IOM 6.2012). Im Jangalak Aufnahmezentrum befanden sich 24 Zimmer, mit jeweils 2-3 Betten. Jedes Zimmer war mit einem Kühlschrank, Fernseher, einer Klimaanlage und einem Kleiderschrank ausgestattet (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. AAN 19.5.2017). Seit September 2017 nutzt IOM nicht mehr das Jangalak-Aufnahmezentrum, sondern das Spinzar Hotel in Kabul als temporäre Unterbringungsmöglichkeit. Auch hier können Rückkehrer/innen für maximal zwei Wochen untergebracht werden (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 18.4.2018).

Unterschiedliche Organisationen sind für Rückkehrer/innen unterstützend tätig:

IOM (internationale Organisation für Migration) bietet ein Programm zur unterstützten, freiwilligen Rückkehr und Reintegration in Afghanistan an (Assisted Voluntary Return and Reintegration - AVRR). In Österreich wird das Projekt Restart II seit 1.1.2017 vom österreichischen IOM- Landesbüro implementiert, welches vom österreichischen Bundesministerium für Inneres und AMIF (dem Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds der EU) mitfinanziert wird. Im Zuge dieses Projektes können freiwillige Rückkehrer/innen nach Afghanistan und in den Iran, nachhaltig bei der Reintegration in ihr Herkunftsland unterstützt werden. Das Projekt läuft mit 31.12.2019 aus und sieht eine Teilnahme von 490 Personen vor (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). IOM setzt im Zuge von Restart II unterschiedliche Maßnahmen um, darunter Rückkehr - und Reintegrationsunterstützung (BFA Staatendokumentation; vgl. IOM 25.1.2018). In Kooperation mit Partnerninstitutionen des European Reintegration Network (ERIN) wird im Rahmen des ERIN Specific Action Program, nachhaltige Rückkehr und Reintegration freiwillig bzw. zwangsweise rückgeführter Drittstaatangehöriger in ihr Herkunftsland implementiert (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM Belgium o. D.). IRARA (International Returns & Reintegration Assistance) eine gemeinnützige Organisation bietet durch Reintegrationsdienste nachhaltige Rückkehr an (BFA Staatendokumentation 4.2018; vgl. IOM 25.1.2018). ACE (Afghanistan Centre for Excellence) ist eine afghanische Organisation, die Schulungen und

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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