Entscheidungsdatum
16.01.2019Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
W104 2212777-1/2E
W104 2212776-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Dr. Christian Baumgartner über die Beschwerde vonXXXX, BNr. XXXX, gegen die Bescheide der Agrarmarkt Austria (AMA)
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vom 20.9.2018, AZ II/4-DZ/15-10913289010 betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2015, sowie
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vom 13.9.2018, AZ II/4-DZ/16-10824184010 betreffend die Gewährung von Direktzahlungen für das Antragsjahr 2016:
A)
Den Beschwerden wird stattgegeben, die Bescheide behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Bescheide an die Behörde zurückverwiesen.
B)
Die Revision ist unzulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang
1. Der Beschwerdeführer (BF) stellte über die Internet-Applikation eAMA elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2015 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen für dieses Antragsjahr.
Auch für das Antragsjahr 2016 wurde ein solcher Antrag gestellt.
2. Mit Schreiben vom 24.2.2017 übermittelte die Behörde dem BF die Information, wonach im Rahmen eines EDV-Abgleichs der beantragten Flächen der Jahre 2012-2015 festgestellt worden sei, dass das Feldstück 17 in diesem Vergleichszeitraum nur mehr in verringertem Ausmaß bzw. bestimmte Grundstücke gar nicht mehr beantragt worden seien und wurde um Klärung des Sachverhalts ersucht. Mit Schreiben vom 7.3.2017 übermittelte der BF der Behörde die Information, dass er die Grundstücke dieses Feldstücks verkauft habe.
3. In Abänderung eines Vorbescheides gewährte die Behörde mit dem angefochtenen Bescheid betreffend das Antragsjahr 2015 dem BF Direktzahlungen in Höhe von EUR 4.450,61 und sprach eine Rückforderung von EUR 266,78 aus. Dabei wurden 5,2245 Zahlungsansprüche (ZA) im Wert von je EUR 591,66 zu Grunde gelegt.
Ebenfalls in Abänderung eines Vorbescheides gewährte die Behörde mit dem angefochtenen Bescheid betreffend das Antragsjahr 2016 dem BF Direktzahlungen in Höhe von EUR 3.757,99 und sprach eine Rückforderung von EUR 202,21 aus. Dabei wurden 5,2245 Zahlungsansprüche (ZA) im Wert von je EUR 498,91 zu Grunde gelegt.
4. Gegen diese Bescheide erhob der BF am 4.10.2018 Beschwerde, mit er geltend machte, er habe das Feldstück 17 bis inklusive 2014 bewirtschaftet und 2015 verkauft. Er ersuche daher um Neuberechnung ohne Sanktion und verweise auf den beiliegenden Kaufvertrag.
5. Bei Vorlage der Akten nahm die AMA dahingehend Stellung, dass in der vorliegenden Sache aus Sicht der AMA ein Anwendungsfall des § 28
(3) VwGVG vorliege. Die Aktenlage habe sich dahingehend geändert, dass aufgrund der eingebrachten Beschwerde das Feldstück 17 für das Antragsjahr 2014 bezüglich des Referenzflächenabgleichs positiv beurteilt werden könnte. Aufgrund der Änderung des Referenzbetrags 2014 ändere sich der ZA-Wert 2015 ebenfalls ab. Die Beschwerde sei sowohl formal als auch inhaltlich geprüft worden und könnte von der AMA positiv berücksichtigt werden, wäre die AMA noch zuständig. Eine Entscheidung durch die AMA selbst würde zu einer wesentlichen Beschleunigung des Verfahrens führen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der BF stellte über die Internet-Applikation eAMA elektronisch einen Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2015 und beantragte die Gewährung von Direktzahlungen für dieses Antragsjahr.
Auch für das Antragsjahr 2016 wurde ein solcher Antrag gestellt.
Die Grundstücke, die bis zum Mehrfachantrag-Flächen für das Antragsjahr 2014 das Feldstück 17 gebildet haben, wurden im Jahr 2014 vom BF als Grünland genutzt und mit Kaufvertrag vom 25.2.2015 verkauft.
2. Beweiswürdigung:
Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wurden von keiner Partei bestritten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EU) 1307/2013:
"Artikel 4
Begriffsbestimmungen und damit zusammenhängende Bestimmungen
(1) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Begriff
[...]
e) "landwirtschaftliche Fläche" jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt wird;
[...]"
"Artikel 21
Zahlungsansprüche
(1) Die Basisprämienregelung kann von Betriebsinhabern in Anspruch genommen werden, die
a) Zahlungsansprüche im Rahmen der vorliegenden Verordnung durch Zuweisung gemäß Artikel 20 Absatz 4, durch Erstzuweisung nach Maßgabe der Artikel 24 oder Artikel 39, durch Zuweisung aus der nationalen Reserve oder den regionalen Reserven gemäß Artikel 30 oder durch Übertragung gemäß Artikel 34 erhalten [...].
(2) Die Gültigkeit der im Rahmen der Betriebsprämienregelung gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 erhaltenen Zahlungsansprüche läuft am 31. Dezember 2014 ab.
[...]."
"Artikel 32
Aktivierung von Zahlungsansprüchen
(1) Eine Stützung im Rahmen der Basisprämienregelung wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche mittels Anmeldung gemäß Artikel 33 Absatz 1 in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsanspruch zugewiesen wurde, gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die jährliche Zahlung der darin festgesetzten Beträge, unbeschadet der Anwendung von Haushaltsdisziplin, Kürzung von Zahlungen gemäß Artikel 11 sowie linearen Kürzungen gemäß Artikel 7, Artikel 51 Absatz 2 und Artikel 65 Absatz 2 Buchstabe c der vorliegenden Verordnung sowie der Anwendung von Artikel 63 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.
(2) Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Begriff "beihilfefähige Hektarfläche"
a) jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, [...].
Artikel 33
Anmeldung der beihilfefähigen Hektarflächen
(1) Für die Zwecke der Aktivierung von Zahlungsansprüchen nach Artikel 32 Absatz 1 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Hektarfläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Außer im Falle höherer Gewalt oder außergewöhnlicher Umstände müssen die angemeldeten Parzellen dem Betriebsinhaber zu einem vom Mitgliedstaat festzusetzenden Zeitpunkt zur Verfügung stehen, der jedoch nicht nach dem in demselben Mitgliedstaat festgesetzten Zeitpunkt für die Änderung des Beihilfeantrags gemäß Artikel 72 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 liegen darf.
[...]."
Delegierte Verordnung (EU) Nr. 640/2014 der Kommission vom 11. März 2014, ABl. L 181 vom 20.6.2014, S. 48, im Folgenden VO (EU) 640/2014:
"Artikel 2
Begriffsbestimmungen
(1) Für die Zwecke des integrierten Systems im Sinne von Artikel 67 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013 gelten die Begriffsbestimmungen in Artikel 4 Absatz 1 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 und Artikel 67 Absatz 4 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.
Zudem gelten folgende Begriffsbestimmungen:
[...]
23. ‚ermittelte Fläche':
im Rahmen flächenbezogener Beihilferegelungen die Fläche, die alle Förderkriterien oder anderen Auflagen im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Beihilfegewährung erfüllt, ungeachtet der Zahl der Zahlungsansprüche, über die der Begünstigte verfügt, [...]"
§ 28 Abs. 2 und 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:
"(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."
Die dem Feldstück 17 zu Grunde liegenden Flächen wurden im Jahr 2014 als landwirtschaftliche Fläche/Grünland beantragt und auch genutzt und sind daher der Berechnung der für das Jahr 2015 und 2016 zuzuweisenden Zahlungsansprüche bezüglich deren Anzahl und Wert zu Grunde zu legen.
Der Amtswegigkeitsgrundsatz und der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit verpflichten die Behörde jedoch, von Amts wegen ohne Rücksicht auf Vorträge, Verhalten und Behauptungen der Parteien die entscheidungserheblichen Tatsachen zu erforschen und deren Wahrheit festzustellen. Der Untersuchungsgrundsatz verwirklicht das Prinzip der materiellen (objektiven) Wahrheit, welcher es verbietet, den Entscheidungen einen bloß formell (subjektiv) wahren Sachverhalt zu Grund zu legen. Vor dem Hintergrund des Amtswegigkeitsprinzips und dem Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, hätte die belangte Behörde den wahren Sachverhalt hinsichtlich der zuzuteilenden Zahlungsansprüche somit ermitteln müssen (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG, § 39 Rz 3ff).
Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus dem neuen Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts.
Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zur Zurückverweisung liegt ständige einschlägige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor, von der nicht abgewichen wird.
Schlagworte
amtswegige Ermittlungspflicht, Behebung der Entscheidung,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W104.2212776.1.00Zuletzt aktualisiert am
22.03.2019