Index
L92053 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Niederösterreich;Norm
AufG 1992 §4 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde der 1977 geborenen A T in Sivas, vertreten durch Dr. E und Dr. V, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. Dezember 1996, Zl. 120.666/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin stellte am 25. April 1994 beim österreichischen Generalkonsulat in Istanbul einen als "Erstantrag" bezeichneten Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der am 3. September 1996 bei der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt einlangte. Mit Bescheid vom 5. September 1996 wies die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt namens des Landeshauptmannes von Niederösterreich den Antrag gemäß § 3 Abs. 1 Z. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab und begründete dies damit, dass die Beschwerdeführerin am 10. Mai 1996 ihre Volljährigkeit erreicht hätte, weshalb die Voraussetzung der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung mit dem Zweck "Familie" nicht mehr gegeben sei. Die Beschwerdeführerin erhob Berufung.
Im Berufungsverfahren legte die Beschwerdeführerin durch ihre Rechtsvertreter einerseits eine Kopie ihres Reisepasses sowie Kopien der Aufenthaltsbewilligungen ihrer Familienangehörigen vor und brachte andererseits vor, ihr Vater sei seit 25. März 1995 in ungekündigter Stellung bei einem Unternehmen in Wiener Neudorf als Lagerarbeiter beschäftigt. Das monatliche durchschnittliche Nettoeinkommen einschließlich der Prämien und Zulagen "zuzüglich Urlaubs- und Weihnachtsgeld" belaufe sich auf rund S 15.000,-- bzw. im Jahresdurchschnitt von S 17.000,-- einschließlich Sonderzahlungen. Der Grundlohn ohne Zulagen und Prämien betrage S 19.055,--. Beigelegt waren dem Schreiben der Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin überdies Lohnabrechnungen für den Vater für die Monate Juli bis Oktober 1996 sowie die Kopie eines Sparbuches mit einem Guthabensstand per 25. November 1996 von S 80.142,25.
Der Bundesminister für Inneres wies die Berufung mit Bescheid vom 19. Dezember 1996 gemäß § 5 Abs. 1 AufG ab. In der Begründung führte der Bundesminister für Inneres aus, die Notwendigkeit, in einem ohnedies sensiblen Bereich die weitere Zuwanderung sorgfältig zu steuern, mache es erforderlich, strenge Maßstäbe an die Beurteilung der gesicherten Unterhaltsmittel von Zuwanderern anzulegen. Sei der Unterhalt für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert, so dürfe gemäß § 5 Abs. 1 AufG eine Bewilligung nicht erteilt werden. Diese Beurteilung zeige im Falle der Beschwerdeführerin, dass einem grundsätzlichen Mindestbetrag von S 17.777,-- pro Monat (dieser Betrag setze sich zusammen aus S 5.148,-- für den Haushaltsvorstand, 2 x S 2.678,-- für Familienangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe und 3 x S 1.591,-- für Familienangehörige mit Anspruch auf Familienbeihilfe, zuzüglich S 2.500,-- Miete) gemäß dem Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Niederösterreich tatsächlich nur ca. S 15.000,-- pro Monat, "oft sogar weniger" nach der vorgelegten Gehaltsabrechnung des Vaters der Beschwerdeführerin gegenüber stünden, die vom Vater für eine sechsköpfige Familie aufgebracht werden können. Angesichts dieser Differenz könne eine Aufenthaltsbewilligung nicht erteilt werden. Das vorgelegte Sparbuch über S 80.000,-- habe zur Sicherung des Unterhaltes nicht berücksichtigt werden können, weil das Einkommen des Vaters "weit unter dem monatlichen Mindestbedarf nach dem Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Niederösterreich" liege, sodass die Ersparnisse bald aufgebraucht sein würden, um das monatliche Gehalt des Vaters in der Höhe aufzubessern, dass der Mindestunterhalt nach dem Sozialhilferichtsatz für das Bundesland Niederösterreich erreicht sein würde. Es sei daher davon auszugehen, dass die Unterhaltsmittel nicht dazu ausreichten, um ohne Unterstützung der Sozialhilfeträger auskommen zu können. Unter Berücksichtigung der für das Bundesland Niederösterreich feststehenden Höhe des Mindestunterhaltes müsste der Sozialhilfeträger Geldmittel zuschießen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 gebildeten Senat erwogen hat:
Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (die Zustellung erfolgte am 30. Dezember 1996) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof die Rechtslage nach der Novelle zum Aufenthaltsgesetz BGBl. Nr. 201/1996 maßgeblich.
§ 4 Abs. 1 und 2 sowie § 5 Abs. 1 AufG lauteten (auszugsweise):
"§ 4. (1) Eine Bewilligung kann Fremden ... erteilt werden, sofern kein Ausschließungsgrund (§ 5) vorliegt.
...
(2) Eine Bewilligung gemäß Abs. 1 ist zunächst befristet für höchstens ein Jahr zu erteilen. ...
...
§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, ..., wenn deren Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsüblic
he
Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 1 Abs. 1 der aufgrund des niederösterreichischen Sozialhilfegesetzes erlassenen Verordnung der Niederösterreichischen Landesregierung über Sozialhilfen, LGBl. 9200/1 in der Fassung der Verordnung LGBl. 9200/1-25, lautete:
"§ 1.
Richtsätze
(1) Die monatlichen Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes betragen unbeschadet der in den §§ 2 bis 4 genannten Leistungen:
a) für Alleinstehende ...................... S 5.861,--
b) für Haushaltsvorstände .................. S 5.148,--
c) für Haushaltsangehörige mit Anspruch auf
Familienbeihilfe ........................ S 1.591,--
d) für Haushaltsangehörige ohne Anspruch auf
Familienbeihilfe ........................ S 2.678,--"
Weder nach dem Beschwerdevorbringen noch nach der Aktenlage verfügte die Beschwerdeführerin jemals über eine Aufenthaltsbewilligung. Die belangte Behörde wertete ihren Antrag daher zu Recht nicht als Verlängerungsantrag.Der angefochtene Bescheid ist demnach auch nicht gemäß § 113 Abs. 6 oder 7 des Fremdengesetzes 1997 mit Ablauf des 31. Dezember 1997 außer Kraft getreten.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Antragsteller von sich aus (initiativ) zu belegen, dass er über die zur Bestreitung seines Unterhaltes erforderlichen Mittel verfügt. Nur dadurch kommt er seiner Obliegenheit gemäß § 6 Abs. 1 AufG nach, glaubhaft zu machen, dass kein Ausschließungsgrund im Sinne des § 5 leg. cit. vorliegt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, Zlen. 96/19/2559 bis 2561 mwN).
Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, hat sich die belangte Behörde bei ihrer Feststellung eines Unterhaltsbedarfes der Familie der Beschwerdeführerin von S 17.777,-- am Sozialhilferichtsatz des Bundeslandes Niederösterreich orientiert und dabei offenbar die in § 1 Abs. 1 der Sozialhilfeverordnung festgelegten Richtsätze herangezogen. Eine derartige Vorgangsweise ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus dem Blickwinkel der Verletzung subjektiver Rechte der Beschwerdeführerin nicht zu beanstanden. Allerdings ging die belangte Behörde im vorliegenden Fall von einem Gesamtbedarf aus, der sich aus dem Betrag für einen Haushaltsvorstand sowie zwei Haushaltsangehörige mit Anspruch auf Familienbeihilfe und drei Familienangehörige ohne Anspruch auf Familienbeihilfe errechnet. Die Behörde kann sich freilich im Regelfall nur, wie das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997 zeigt, an jenem Gesamtbetrag orientierten, welche nach Auffassung der Niederösterreichischen Landesregierung bei Erlassung des Sozialhilferichtsatzes zur Deckung des Bedarfes für einen Haushaltsvorstand und fünf Familienangehörige auch dann ausreichend ist, wenn für die Familienangehörigen keine Familienbeihilfe bezogen wird. Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall jedoch einen Unterhaltsbedarf von (nur) S 17.777,-- festgestellt. Da es sich bei der Festlegung des Unterhaltsbedarfes eines Fremden nicht bloß um eine Frage der rechtlichen Beurteilung handelt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. April 1998, Zl. 97/19/0709), ist es dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, eine diesbezügliche Bescheidfeststellung zu Lasten der Beschwerdeführerin zu korrigieren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. November 1998, Zl. 96/19/0529).
Dem von ihr festgestellten Unterhaltsbedarf hätte die belangte Behörde sämtliche Unterhaltsmittel gegenüberzustellen gehabt, über die die Beschwerdeführerin (bzw. ihr Vater) verfügt. Die belangte Behörde ging erkennbar davon aus, dass der Vater der Beschwerdeführerin über einen Anspruch auf Familienbeihilfe für drei Familienangehörige verfügt. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes stellen jedoch Ansprüche auf Familienbeihilfe bei der Beurteilung der einem Niederlassungswerber zur Verfügung stehenden Unterhaltsmittel zu berücksichtigende Ansprüche dar (vgl. neuerlich in diesem Sinne das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997), auch zwar auch dann, wenn die Behörde die Sozialhilferichtsätze für Mitunterstützte ohne Anspruch auf Familienbeihilfe heranzieht. Schon bei Einbeziehung von Familienbeihilfe für drei Kinder (gemäß § 8 Abs. 2 des Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 201/1996 je S 1.300,--, falls die Kinder das zehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben sollten) ergäbe es sich im Zusammenhang mit dem von der Behörde festgestellten Monatseinkommen des Vaters von S 15.000,-- ein Betrag, der deutlich höher wäre als der von der belangten Behörde festgestellte, zur Sicherung des Unterhaltsbedarfes der Familie der Beschwerdeführerin erforderliche Betrag.
Schon aus diesem Grund war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Es sei in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes auch Sparguthaben nicht von vornherein ungeeignet sind, den Unterhalt eines Beschwerdeführers für die Dauer einer zu erteilenden Bewilligung zu sichern (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 25. April 1997, Zl. 95/19/1811). Die belangte Behörde räumte im angefochtenen Bescheid selbst ein, dass die Beschwerdeführerin ein Sparbuch mit einem Guthabensstand von über S 80.000,-- im Verwaltungsverfahren vorgelegt hatte, meinte dieses jedoch nicht für die Beurteilung der Sicherung des Lebensunterhaltes berücksichtigen zu können, weil das Einkommen des Vaters der Beschwerdeführerin weit unter dem monatlichen Mindestbedarf nach dem Sozialhilferichtsatz liege, sodass die Ersparnisse bald aufgebraucht sein würden. Dabei übersieht die belangte Behörde aber, dass sich unter Einbeziehung dieses Sparguthabens - selbst gerechnet auf eine erteilte Aufenthaltsbewilligung in der Maximaldauer von einem Jahr gemäß § 4 Abs. 2 erster Satz AufG - ein monatliches Zusatzeinkommen der Familie der Beschwerdeführer von mehr als S 6.500,-- ergebe. Auch dieser Betrag könnte von der Familie der Beschwerdeführer daher zusätzlich für die Deckung des Unterhaltes der Familie herangezogen werden.
Hinzuweisen ist schließlich darauf, dass auch die Feststellung des Monatseinkommens des Vaters der Beschwerdeführerin in Höhe von S 15.000,-- auf der Basis der im Verwaltungsverfahren vorgelegten Gehaltsabrechnungen für die Monate Juli bis Oktober 1996 nicht nachvollzogen werden kann, weil es sich dabei um Auszahlungsbeträge in Höhe von ca. S 13.500,--, ca. S 26.780,--, S 14.900,-- sowie S 23.010,-- handelte. Sollten die beiden deutlich höheren Auszahlungsbeträge die Auszahlung von anteiligen Sonderzahlungen widerspiegeln, wären auch diese Sonderzahlungen nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1997) als der Familie der Beschwerdeführer zugängliche Unterhaltsmittel einzubeziehen gewesen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren an Ersatz von Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Ersatz von Schriftsatzaufwand ein weiterer Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht vorgesehen ist. Das Mehrbegehren an Ersatz von Stempelgebühren war abzuweisen, weil für eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung die Einbringung der Beschwerde in zweifacher und des angefochtenen Bescheides in einfacher Ausfertigung ausreichend gewesen wäre.
Wien, am 14. Mai 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1997190350.X00Im RIS seit
01.02.2002